Philosophieren mit Comics und Graphic Novels -  - E-Book

Philosophieren mit Comics und Graphic Novels E-Book

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Beschreibung

Der vorliegende Band liefert auf der Basis einiger in die Thematik einführender Bemerkungen der Herausgeber einen Theorie­ und einen Praxisteil sowie einen ergänzenden Materialteil. Der Theorieteil bietet eine Einführung in die Bedeutung, Chancen und Grenzen des Einsatzes von Comics und Graphic Novels im Philosophie- und Ethikunterricht. Im Praxisteil finden sich Beispiele für Comics und Graphic Novels, die sich für den Einsatz in der Sekundarstufe I bzw. der Sekundarstufe II besonders eignen. Darüber hinaus werden auch Möglichkeiten vorgestellt, wie Comics im Abitur eingesetzt werden können oder wie Schülerinnen und Schüler – auch ohne eine zeichnerische Begabung – selbst einen Comic zu einem vorgegebenen philosophischen Thema anfertigen können. Der Material teil des Bandes enthält eine Auswahl an Comics, die weitere Anregungen für die Unterrichtsgestaltung bieten.

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Die Reihe Methoden im Philosophie- und Ethikunterricht ist auf neun Themenbände angelegt, die bis 2023 erscheinen werden:

1Philosophieren mit Filmen im Unterricht (bereits erschienen)

2Philosophieren mit Gedankenexperimenten (bereits erschienen)

3Philosophieren mit Dilemmata (bereits erschienen)

4Philosophieren mit Comics und Graphic Novels

5Textarbeit im Philosophie- und Ethikunterricht

6Philosophieren mit Spielen

7Literatur und Jugendliteratur im Philosophie- und Ethikunterricht

8Das Sokratische Gespräch im Philosophie- und Ethikunterricht

9Theatrales Philosophieren, Musik und Videoclips im Philosophie- und Ethikunterricht

    Ausführliche Informationen unter:www.philosophie-didaktik.de

PHILOSOPHIEREN MITCOMICS UNDGRAPHIC NOVELS

METHODEN IMPHILOSOPHIE- UNDETHIKUNTERRICHT

Band 4

Herausgegeben vonMartina und Jörg Peters

Meiner

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über ‹https://portal.dnb.de›.

eISBN (PDF) 978-3-7873-3660-9eISBN (ePub) 978-3-7873-4017-0

www.meiner.de

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2021. Alle Rechte vor behalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53, 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Konvertierung: Bookwire GmbH.

INHALT

Einführung: Der lange Weg von Comics und Graphic Novels in den Philosophie- und Ethikunterricht

Martina Peters und Jörg Peters

1 Wie Comics und Graphic Novels im Philosophie- und Ethikunterricht eingesetzt werden können

Einige philosophiedidaktische Überlegungen zum unterrichtlichen Einsatz von Comics

Jörg Peters

Graphic Novels im Philosophie- und Ethikunterricht

Sven Dallmann

2 Möglichkeiten für den Einsatz von Comics und Graphic Novels in der Sekundarstufe I

Die Graphic Novel Sprechende Hände als (philosophischer) Zugang zur Welt

Regina Uhtes

Glück für 10 Cent – Philosophieren mit Bill Wattersons Calvin und Hobbes

Sven Dallmann

The Golden Rule goes Comic – Zwei Unterrichtsskizzen für die Sekundarstufen I und II

Antje Knopf

3 Möglichkeiten für den Einsatz von Comics und Graphic Novels in der Sekundarstufe II

Realität versus Illusion – Über Merkmale, die zu einem gelingenden Leben beitragen. Philosophieren mit der Graphic Novel The Sandman

Carsten Roeger, Martina Peters und Jörg Peters

V wie Vendetta – Ist anarchistische Gewalt als Widerstand gegen Tyrannei gerechtfertigt?

Jens Schäfer

Kendalls Gewissen – ein Anwendungsfall der Ethik Kants?

Michael Segets

Wem gehört die Natur? – Ethische und rechtliche Reformen als Wege aus der ökologischen Krise

Michael Segets

Bilder von der Welt – Erkenntnistheoretische Überlegungen mit der Graphic Novel Ganz allein von Chabouté

Sven Dallmann

4 Weitere Möglichkeiten im Umgang mit Comics im Philosophie- und Ethikunterricht

Der Blick des Anderen – Anregungen zum unterrichtlichen Einsatz von Comic-Creator-Apps

Anna Klara Jatzkowski

Mit Snoopy und Co. ins Abitur – Zum Einsatz von Comicstrips im Fach Philosophie

Mandy Haupt

Auswahlbibliographie

EINFÜHRUNG

Der lange Weg von Comics und Graphic Novels in den Philosophie- und Ethikunterricht

Martina Peters und Jörg Peters

Am 14. Januar 2021 meldeten amerikanische Medien, dass eine der noch wenigen existierenden Comic-Heftausgaben von Batman #1 aus dem Jahre 1940 in einer nahezu druckfrischen Qualität (Near Mint) im Auktionshaus Heritage zum Rekordpreis von $2.200.000 USD ersteigert worden war.1 Nur sechs Wochen später, am 7. April 2021, verkündete die amerikanische Tageszeitung USA Today: »A rare, high-grade copy of Action Comics #1, the issue featuring Superman’s first appearance, sold for a record $3.25 million in a private sale«.2 Der Wert des sowieso schon teuersten Comic-Heftes der Welt war somit noch einmal um $50.000 USD gestiegen. Man kann mit großer Gewissheit davon ausgehen, dass ein Ende der Spekulationen mit Comics noch lange nicht gekommen ist – immer mehr Investoren entdecken den Comic-Markt für sich als Spielfeld.

Das ökonomische Interesse an Comics ist derzeit folglich sehr groß. Schaut man sich im Internet auf den Angebotsseiten für Comics in Auktionshäusern um, so stellt man schnell fest, dass nahezu täglich selbst für unspektakuläre Heftnummern aus allen Zeitaltern3 und allen Genres4 neue Höchstpreise gezahlt werden. Selbst Comics, die mit dreißig Jahren noch recht »jung« sind, werden mittlerweile zum Teil zu Preisen verkauft, die selbst von Sammlern rational nicht mehr nachvollzogen werden können. So betitelt Chuck Rozanski, der Eigentümer des größten Comic-Geschäfts der Welt, seinen Newsletter vom 17.04.2021 mit den Worten: »Back Issue Comics Boom Explodes«. Rozanski betont mit seiner plakativen Überschrift, dass die derzeitige extrem hohe Nachfrage (Boom) nach alten, vergriffenen Comics (Back Issue Comics) aus den Fugen geraten ist, und verweist darauf, dass keiner sagen kann, wo der durch die »Explosion« entstandene Weg hinführen wird. Rozanski meint, den derzeitigen Ansturm auf Comics unter anderem folgendermaßen erklären zu können: »As crazy as it may seem to those of us who lived through the mass overprintings of the late 1980’s and early 1990’s, many titles from that era are now in high demand, especially by the legion of young collectors who are suddenly buying up everything in sight. For most of them (many of whom were born after 2000…), comics from 1993 are OLD!«5

Aber woher kommt das große und immer größer werdende Interesse an Comics – und zwar nicht nur als Spekulationsobjekt –, das sich seit einigen Jahren beobachten lässt? Noch vor 25 bis 30 Jahren zeichnete sich nämlich ein ganz anderes Bild: Aufgrund dramatisch sinkender Verkaufszahlen über Monate hinweg bei gleichzeitiger Beibehaltung viel zu hoher Druckauflagen wären beinahe sämtliche Comic-Verlage aufgrund erheblicher finanzieller Verluste gänzlich von der medialen Bildfläche verschwunden gewesen. Die Comic-Industrie bediente zu dieser Zeit einen Markt mit schnell produzierter Massenware zum Teil in Millionenauflagen, bis sich die Käuferinnen und Käufer von heute auf morgen von den Bildergeschichten abwandten. Die Verkaufszahlen ließen so rapide nach, weil die Leserinnen und Leser merkten, dass viele Geschichten 1. inzwischen einfach nur noch trivial und zudem nur wenig amüsant waren, 2. künstlerisch nicht überzeugen konnten, 3. kaum Identifikationsmöglichkeiten (für Jugendliche) schufen und 4. praktisch keine kontroversen, politischen, sozialkritischen oder gar philosophischen Themen anboten.

Doch zu Beginn des neuen Jahrtausends änderte sich die Lage: Comics waren auf einmal wieder begehrt. Ja, Comics haben in den letzten fünfzehn Jahren zu einem wahren Höhenflug angesetzt, dessen Ende zumindest derzeit nicht absehbar ist. Die Gründe für den enormen Erfolg sind leicht auszumachen:

1.In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre konnte weltweit mit dem Export der japanischen Manga in die westliche Welt insbesondere die weibliche Käuferschaft für Bildergeschichten gewonnen werden, während bis zu diesem Zeitpunkt Comics (vor allem amerikanische) primär von einer männlichen Kundschaft konsumiert wurden.

2.Graphic Novels, denen man oft sowohl literarisch als auch künstlerisch eine hohe Qualität attestierte, wurden immer populärer. Hinzu kam, dass in ihnen Themen aufgegriffen wurden, die sich deutlich vom Superhero-Mainstream der großen Comic-Verlage unterschieden. Man denke hierbei beispielsweise nur an Art Spiegelmans Maus oder Marjane Satrapis Persopolis. Auf diese Weise konnte einerseits ein neues Käuferklientel generiert und andererseits den Comics endlich jene explizite Anerkennung als Kunstform zuteilwerden, die sie eigentlich schon lange verdient hatten.6

3.Auch der bis heute andauernde Erfolg von DC- und Marvel-Comic-Verfilmungen hat fraglos dazu beigetragen, dass Comics wieder gelesen und gesammelt werden: Bislang gibt es 34 DC- und 23 Marvel-Comic-Verfilmungen (Stand Dezember 2020). Mit Avengers – Endgame stellt eine Comic-Verfilmung, die ein weltweites Einspielergebnis von $ 2.798.000.000 USD vorweisen kann, den derzeit erfolgreichsten Film aller Zeiten (Stand Dezember 2020). Hinzu kommt, dass sich unter den Top 100 der Filme mit den höchsten Einspielergebnissen 23 weitere Comic-Verfilmungen befinden und sie somit nahezu ein Viertel der umsatzstärksten Filme ausmachen.7 Es wäre geradezu unverständlich, wenn ein solcher Triumph keine spürbaren Auswirkungen auf das Kaufverhalten von Comicheften selbst gehabt hätte.

4.Schließlich hat auch die nicht nur in den USA beliebte Sitcom Big Bang Theory, in der die nerdigen Protagonisten seit frühester Jugend den DC-Superhelden verfallen sind (allen voran Batman, Superman, Green Lantern und Flash)8, einen erheblichen Anteil an dem derzeitigen Comic-Boom. Durch den häufigen Aufenthalt der Hauptfiguren in einem Comic-Shop sind zum einen zahlreiche Amerikanerinnen und Amerikaner animiert worden, selbst einen solchen aufzusuchen, zum anderen hat sich dadurch der Umgang mit Comics grundsätzlich geändert, denn das Lesen der Hefte wurde mit einem Mal nicht mehr belächelt, sondern als gesellschaftsfähig und intellektuell angesehen.

Pädagogische Auswirkungen

Mit dem um die Jahrtausendwende neu einsetzenden Comic-Boom begann auf einmal auch die Wissenschaft, sich mehr und mehr ernsthaft für das Medium Comic Book zu interessieren. Zwar gab es schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Comic-Forschung, die jedoch oftmals dazu benutzt wurde, Comics zu diskreditieren. Zum lange Zeit vorherrschenden schlechten Ruf der Comics trug in besonderem Maße der deutsch-amerikanische Psychiater Fredric Wertham mit seinem 1954 erschienenen Buch Seduction of the Innocent bei.9

Wertham kam in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass Comics Teufelswerk seien, zur Jugendkriminalität, Gewaltverherrlichung und Amoralität beitragen würden und deshalb verboten werden müssten. Seine Kritik richtete er hauptsächlich gegen den Verlag EC, der mit seinen Crime-, Grusel-, Horror- und Monstergeschichten beim jugendlichen Publikum ebenso beliebt war wie der DC Verlag, der mit seinen Flaggschiffen Superman, Batman und Wonder Woman bei der Jugend punktete. Darüber hinaus sah Wertham in dem hautengen Top von Phantom Lady oder in anderen leicht geschürzten Dschungelheldinnen Verführungen zu sexueller Perversion. Die Schlinge des Zauberlassos von Wonder Woman war für ihn ein Vagina-Symbol, und im Verhältnis von Batman zu Robin fand er Hinweise auf eine homosexuelle Beziehung.

Die amerikanische Comic-Industrie reagierte – um staatliche Repressalien in Form von Zensur zu vermeiden – auf die Kritik Werthams mit einer freiwilligen Selbstkontrolle, dem sogenannten Comics Code, der besagt, dass in den von ihnen publizierten Heften keine jugendgefährdenden Inhalte zu finden seien.10

In Deutschland richteten sich die Kritiker, die Werthams Argumentation plausibel fanden11, nicht nur gegen einzelne Genres, sondern generell gegen alle Comics.12 Sie verurteilten sie als »Pest«, »Gift«, »süchtig machendes Opium« oder als »Volksseuche«. Darüber hinaus behaupteten sie, Comics führten zu »Analphabetismus« und »Bildidiotismus«, »zur »Abtötung der Phantasie«, zur Bedrohung und Verrohung der »seelischen Substanz« sowie zur Untergrabung des »ethischen Kerns abendländischer Kultur«.13

Diese Auffassung galt nicht nur in der akademischen Welt, sondern setzte sich für lange Zeit im Denken der bundesdeutschen Bevölkerung fest. Wer in den 1960er und 1970er Jahren groß geworden ist, weiß, dass Eltern, Verwandte und vor allem Lehrerinnen und Lehrer davon abrieten, Comics zu lesen, weil dadurch der sprachliche Ausdruck leiden könnte und vor allem die moralischen Einstellungen degenerieren könnten.14 Vor diesem Hintergrund gab es etliche Comicgegner, die es begrüßten, dass Comics Mitte der 1970er Jahre im Literaturunterricht analysiert werden sollten. Sie meinten, den Schülerinnen und Schülern würde dadurch die Lust auf Comics ebenso vergehen wie die Lust auf Literatur.15 Interessanterweise zogen die Gegner des Comics ausschließlich die negativen Untersuchungen – und zwar ohne sie zu prüfen – für ihre Behauptungen heran, während sie die positiven Resultate amerikanischer Studien grundsätzlich nicht zur Kenntnis nahmen.16

Es gab aber auch Stimmen, die Comics nicht verteufelten. So bemerkte etwa Alfred Clemens Baumgärtner Mitte der 1960er Jahre: »Zu einer unbefangenen Arbeit mit Comics gehört, dass man sie zunächst einmal als das gelten läßt, was sie sind, statt sie zum Aufhänger einer Unterrichtseinheit zu degradieren, die ausschließlich darauf gerichtet ist, möglichst rasch und möglichst schlagend die Überlegenheit des schulischen Lektüreangebots über die bevorzugte Freizeitlektüre vermutlich des Großteils der Schüler nachzuweisen, auch auf die Gefahr hin, dass zugleich mit der Abwertung der Comics eine Abwertung ihrer Konsumenten einhergeht«.17

Tatsächlich – so fanden amerikanische Forscher bereits recht früh heraus – sind die pädagogischen Auswirkungen des Lesens von Comics durchgehend als beachtlich zu bezeichnen18: 1945 schreibt Florence Morrison Hogan, sich auf eine Untersuchung von Robert L. Thorndike19 aus dem Jahre 1941 stützend, in ihrer Masterarbeit über die Leseförderung von Schülerinnen und Schülern durch Comics, dass das Lesen von Comics zur Erweiterung des Wortschatzes beitragen könne: »He [Thorndike] found that each of the […] books [Superman, Batman, Action Comics and Detective Comics] contained about 10,000 words and about 1,000 different words other than those found in the commonest 1,000 of the Thorndike list. The four books contained 3,000 different words from those found in Thorndike‘s first 1,000 word list. Thorndike further discovered that for the most part the reading is standard English.«20 Ben Cusomano akzentuierte, dass gerade schlechte Leserinnen und Leser von Comics profitieren würden, und W.W. D. Sones, von der School of Education an der University of Pittsburg, führte 1942 an: »Analysen zeigten, dass ein Kind beim Lesen von Comic-Heften genau die gleichen Aktivitäten einübte, die in einer guten Lese-Instruktion gebraucht werden. Es lernt neue Wortsymbole durch Bilder von Dingen oder Handlungen oder durch den epischen Zusammenhang. Das Interesse für die Geschichte erweckt den Bedarf, neue Wörter zu erkennen, um dieser folgen zu können. Es bekommt Übung beim Erkennen von neuen Wörtern durch ihre Erscheinungsform in unterschiedlicher Umgebung«.21 Dass mit Comics tatsächlich Lesen gelernt werden kann, belegen Studien aus den 1970er Jahren, als Comics in amerikanischen Schulen eingesetzt wurden, um gegen den sich umgreifenden Analphabetismus anzukämpfen. Bemerkenswerte Resultate wurden dabei insbesondere in den sogenannten sozial benachteiligten Schichten erzielt, weil die Comics es gerade dort vermochten, der Leseunlust einer fernsehorientierten Jugend entgegenzuwirken.22

Bezogen sich die genannten Studien noch auf die Leseförderung von Schülerinnen und Schülern, erkannte Coulton Waugh, der Autor von The Comics, dem ersten großen Standardwerk der Comic-Sekundärliteratur, schon 1947 den generellen pädagogischen Wert von Bildgeschichten. Er wies darauf hin, dass Comics sich als die natürlichste, einflussreichste Form des Unterrichtens erweisen könnten, die der Mensch kennt.23 Waugh sollte mit seiner Prophezeiung Recht behalten, denn die Comics zogen nach und nach weltweit in die Klassenzimmer ein. In Deutschland war dies etwa zu Beginn der 1970er Jahre der Fall.24 Zunächst wurden Comics nur im Sprach-, Kunst-, Literatur- und sozialwissenschaftlichen Unterricht eingesetzt25, aber im Laufe der Zeit kamen auch Fächer wie Geschichte, Religion, Wirtschaftswissenschaften, Mathematik, Physik oder Biologie dazu. Die für den Unterricht konzipierten Materialien, die Comics zum Gegenstand haben, findet man in Monographien, Fachzeitschriften und Anthologien, und die Anzahl der Publikationen ist seit den 1970er Jahren bis heute ins Unüberschaubare angewachsen. Dies gilt allerdings nicht für den Einsatz von Comics im Philosophie- und Ethikunterricht. Diese Entwicklung sollte erst dreißig Jahre später einsetzen.

Philosophisch oder ethisch ausgerichtete Comics

Der Einsatz von Comics im Philosophie- und Ethikunterricht ist ein noch recht neues didaktisches Feld. Wissenschaftlich werden philosophische Comics bzw. Comics, denen man (von außen) einen philosophischen Inhalt zuschreibt, seit den 1990er Jahren untersucht. Die in diesem Bereich im anglo-amerikanischen als auch im deutschsprachigen Raum erschienene Anzahl an didaktischen Publikationen ist (noch) recht übersichtlich.26 Während insbesondere seit 2013 mit Jeff McLaughlins Graphic Novels as Philosophy27 die Fortsetzung von Comics as Philosophy, James Rourkes The Comic Book Curriculum. Using Comics to Enhance Learning and Life28, Chris Gavters und Nathaniel Goldbergs Superhero Thought Experiment. Comic Book Philosophy29, Crag Hills Teaching Comics Through Multiple Lessons. Critical Perspectives30, Maureen Bakis’ The Graphic Novel Classroom31, Carrye Kay Symas und Robert G. Weiners Graphic Novels and Comics in the Classroom32 sowie Frank Brandelts und Roy T. Cooks The Routledge Companion to Comics33 wichtige Veröffentlichungen für die Auseinandersetzung mit Comics und Graphic Novels aus philosophischer und philosophiedidaktischer Sicht vorgenommen worden sind, wird die Diskussion in Deutschland gerade erst – unter anderem durch den vorliegenden Band – angestoßen.

Die erste deutschsprachige Publikation, die sich für ein Unterrichten mit Comics im Philosophie- und Ethikunterricht ausspricht, ist ein Aufsatz des Wiener Pädagogen Martin Bolz aus dem Jahr 2003.34 Eine erste didaktische Umsetzung wird erst acht Jahre später durch Kai Wiesinger 201135 und eine erste didaktische Konzeption zum Philosophieren mit Comics noch einmal vier Jahre später von Jörg Peters 2015 vorgelegt.36

Für den Philosophie- und Ethikunterricht sind zunächst einmal solche Comics von Interesse, die versuchen, philosophische Theorien darzustellen, wie dies beispielsweise in der neunteiligen Heftserie Action Philosophers von Fred van Lente und Ryan Dunlavey, die mittlerweile auch in Buchform vorliegt, geschieht.37 Sie stellen – mit Ausnahme der Vorsokratiker – von Platon bis Derrida auf wenigen Seiten jeweils eine Philosophin oder einen Philosophen mit derjenigen Theorie vor, die sie bzw. ihn berühmt gemacht hat.

The Cartoon Introduction to Philosophy von Michael F. Patton und Kevin Cannon38 konzentriert sich dagegen nicht auf einzelne Philosophinnen oder Philosophen, sondern auf zentrale Themen der Philosophie und/oder Ethik. Sie präsentieren in ihrem Werk graphisch die Auffassungen der einflussreichsten Vertreter zu Logik, Wahrnehmung, Erkenntnistheorie, freiem Willen, Gott und Ethik.

In Logicomix. Eine epische Suche nach Wahrheit39 geht es um die Errichtung eines logischen Fundaments für die gesamte Mathematik und damit auch um die Suche nach der absoluten Wahrheit. Bei seiner Suche trifft der Protagonist der Geschichte, der Mathematiker, Logiker und Philosoph Bertrand Russell, auf mathematische und philosophische Größen wie Kurt Gödel, Alan Turing, Alfred N. Whitehead oder Gottlob Frege und findet in Ludwig Wittgenstein einen genialen Schüler.

Heretics! The Wondrous (and Dangerous) Beginnings of Modern Philosophy40 erzählt die Geschichten von achtzehn Philosophinnen und Philosophen des 17. Jahrhunderts und wie sie – trotz der Androhung von Gefängnisstrafe, Exkommunikation oder Tod – (staatliche) Autoritäten herausforderten, um die Grundlagen für eine moderne Philosophie und Wissenschaft zu legen. Die in dieser Graphic Novel vorgestellten Philosophinnen und Philosophen41 haben durch ihre Schriften unsere Sicht auf die Welt, auf die Gesellschaft und auf uns selbst grundlegend verändert. Durch sie wurde deutlich, dass die Welt nicht im Zentrum des Weltalls steht oder dass Könige kein göttliches Herrschaftsrecht besitzen.

Aber nicht alle Bücher, die mit Bildern und Sprechblasen ausgestattet sind, sind Comics. Dies gilt z. B. für die im Fink Verlag herausgegebene Reihe Philosophie für Einsteiger.42 Hierbei handelt es sich vielmehr um kurze Einführungen in das Denken von Philosophinnen und Philosophen, die hauptsächlich mit Zeichnungen ihrer Konterfeis ausgestattet sind. Von Zeit zu Zeit erhalten diese Konterfeis eine Sprechblase, in der ein Gedanke der dargestellten Philosophin oder des dargestellten Philosophen wiedergegeben wird. Dieses Stilmittel ist eine Übernahme aus der anglo-amerikanischen Reihe Introducing …43, die zum Teil in deutscher Übersetzung unter der Reihenbezeichnung Ein Sachcomic im TibiaPress Verlag vorliegt44. Populär wurde diese Art der Präsentation philosophischer Theorien aber bereits in den 1980er Jahren durch die sogenannten Sachcomics, die im Rowohlt Verlag erschienen sind.45

Neben den genannten philosophischen Comics gibt es noch zahlreiche Comic-Biographien, etwa zu Nietzsche46 oder Sartre47, aus denen durchaus Ausschnitte für unterrichtliche Zwecke verwendet werden können. Dies gilt übrigens auch für eine Comic-Einführung in Das Kapital48, dem Hauptwerk von Karl Marx. Die wenigen hier vorgestellten Beispiele machen schon deutlich, dass es allein in dem Bereich des Comics mit philosophischem Inhalt mittlerweile genügend (ansprechendes) Material gibt, das sich als tragfähig für den Philosophie- und Ethikunterricht erweist.

Zum Aufbau des Buches

Mit diesem Buch halten Sie etwas Neues in der Hand. Philosophieren mit Comics ist ein Thema, das – wie schon an anderer Stelle hervorgehoben – in Deutschland bislang kaum zur Kenntnis genommen worden ist. Lediglich Heft 4/2019 der Zeitschrift Ethik und Unterricht49 und Heft 5/2020 der Zeitschrift Praxis Philosophie & Ethik50 haben sich diesem Medium in jüngster Zeit gewidmet. Daher handelt es sich bei vielen der in diesem Band versammelten Aufsätze um eigens für diese Publikation geschriebene Beiträge.

Der Aufbau des Buches lehnt sich natürlich an den seiner Vorgänger an und wartet daher sowohl mit einem Theorie- als auch einem Praxisteil auf. Da in allen Beiträgen Comics bzw. Auszüge aus Comics über mehrere Seiten enthalten sind, ist dieses Mal auf einen expliziten Materialteil verzichtet worden.

Im Theorieteil finden sich die beiden Aufsätze, die bislang zum Einsatz von Comics im Philosophie- und Ethikunterricht verfasst worden sind. Sie geben für alle, die sich weder mit Comics noch mit Graphic Novels auskennen, einen Überblick darüber, welche Gründe ausschlaggebend dafür sind und welche Möglichkeiten sich anbieten, mit Comics oder Graphic Novels im Philosophie- und Ethikunterricht zu arbeiten.

Im Praxisteil werden konkrete Vorschläge gemacht, wie sich der Einsatz von Comics bzw. Graphic Novels in den beiden Sekundarstufen umsetzen lässt. An Beispielen aus so unterschiedlichen Genres wie Funnies (Hägar sowie Calvin und Hobbes), Biographie (Sprechende Hände – Helen Keller), Gruselcomics (Gespenster Geschichten) oder Web-Comics (Die Goldene Regel) wird gezeigt, wie sich Comics bzw. Graphic Novels sinnvoll in bestimmte Kontexte des Philosophie- und Ethikunterrichts der Sekundarstufe I integrieren lassen.

Für die ausgewählten Comics und Graphic Novels für die Sekundarstufe II gilt, dass Themen wie »Das gute Leben« (Epikur) an Auszügen aus The Sandman, »Anarchische Gewalt« an V wie Vendetta, die deontologische Vorstellung des Gewissens und der Kategorische Imperativ (Immanuel Kant) an dem Western-Comic Kendalls Gewissen, »Angewandte Ethik« (Naturphilosophie) an Der Weg des Schamanen und »Erkenntnistheorie« (Empirismus) an Auszügen aus Chaboutés Graphic Novel Ganz allein deutlich gemacht werden.

Im dritten Teil werden weitere Möglichkeiten vorgestellt, wie Comics im Philosophie- und Ethikunterricht genutzt werden können. Dies betrifft zum einen den Abiturbereich und zum anderen die Herstellung von eigenen Comics durch die Schülerinnen und Schüler, durch die sie belegen können, ob sie philosophische Theorien oder Positionen verstanden haben.

Der Band schließt mit einer Auswahlbibliographie ab, in der alle derzeit publizierten Beiträge zum Umgang mit Comics im Philosophie- und Ethikunterricht im deutschsprachigen Raum erfasst sein dürften.

1 Vgl. beispielsweise Stoilas, Helen: »Holy hammer! Near mint copy of Batman #1 sells for record $2.2m at Heritage Auctions«, in: The Art Newspaper, January 14, 2021, auf: https://www.theartnewspaper.com/news/near-mint-copy-of-batman-1-sells-for-record-usd2–2m-at-heritage-auctions (Stand: 17.04.2021).

2 Associated Press: »Rare 1938 Superman comic book sells for record $3.25M«, in: USA Today, April 07, 2021, auf: https://eu.usatoday.com/story/entertainment/books/2021/04/06/rare-1938-superman-comic-book-sells-record-auction/7117029002/ (Stand: 17.4.2021).

3 Will man Comics bestimmten Zeitaltern zuordnen, so kann man dies grob anhand folgender Einteilung vornehmen: The Golden Age (1938–1950), The Silver Age (1950–1971), The Bronze Age (1971–1980), The Modern Age (1980 bis heute).

4 Zu den wichtigsten Genres zählen: Superhelden-Comics; Funnies; Abenteuer-Comics; Western-Comics; Grusel-, Spuk- und Horror-Comics; Crime-Comics; Kriegs-Comics; Fantasy-Comics; Science-Fiction-Comics; Love- and Romance-Comics; Vampir-Comics; Musik-Comics sowie Film- und TV-Adaptionen.

5 Chuck Rozanski/Bettie Pages; President of Mile High Comics: »Back Issue Comics Boom Explodes«, Newletter from Mile High Comics Mailing List, April 16, 2021 (Stand: 17.04.2021).

6 Vgl. Gentz, Anna: Wenn Literaten fremdgehen. Ausflüge in das Medium Comic am Beispiel Julio Cortázars«, in: Arnold, Heinz Ludwig; Knigge, Andreas C. (Hrsg.): Comics, Mangas, Graphic Novels, Text + Kritik, Zeitschrift für Literatur, Sonderband, edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag, München 2009, S. 232–247: S. 234.

7 Vgl.: Die weltweit umsatzstärksten Filme aller Zeiten, auf: https://www.insidekino.com/TOPoderFLOP/Global.htm (Stand: 22.12.2020).

8 Mit den Marvel-Helden Thor, Wolverine, den Fantastic Four sowie der Dark Horse-Figur Hellboy werden nur sehr wenige, nicht dem DC-Universum entstammende Charaktere in den ersten drei Staffeln von The Big Bang Theory angeführt.

9 Wertham, Frederic: Seduction oft he Innocent. The Influence of Horror Comics on Today’s Youth, Rinehart & Co., Inc., New York, NY 1954.

10 Eine deutsche Übersetzung des Comic Codes findet sich in: Hoffmann, Detlef; Rauch, Sabine (Hrsg.): Comics. Materialien zur Analyse eines Massenmediums, Texte und Materialien zum Literaturunterricht, Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main 1973, S. 27–29.

11 Vgl. hierzu stellvertretend Schückler, Georg: Jugendgefährdung durch Comics!, Schriftenreihe des Volkswartbundes, Bd. 33, Volkswartbund; Köln 1955, S. 1:»Unter den Druckerzeugnissen, die eine immer größer werdende sittliche Gefährdung des jungen Menschen unserer Tage darstellen, nehmen die sog. Comics eine besondere Stellung ein, und dies nicht nur wegen ihres Inhaltes, sondern auch wegen ihrer Massenverbreitung.« Weiter heißt es bei ihm auf S. 8: »Alle Comics, ob sie so oder anders aufgemacht sind, sind abzulehnen! Alle Comics stellen eine Gefährdung für den jugendlichen Leser dar, weil sie alle der Verflachung dienen, der Wort- und Bild-Entwertung unserer Zeit Vorschub leisten und den Bilder-Götzendienst und die damit verbundene Reizüberflutung fördern.«

12 Vgl. Glietenberg, Ilse: Die Comics – Wesen und Wirkung, Diss., München 1956; vgl. auch Doetsch, Marietheres: Comics und ihre jugendlichen Leser, Schriftenreihe der Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung, Verlag Anton Hain, Meisenheim am Glan 1958 und vgl. Welke, Manfred: Die Sprache der Comics, dipa Verlag, Frankfurt am Main 1958. Dietrich Grünewald urteilt über diese Studien: »[Die drei Autoren] verstehen Comics als mindere Unterhaltungsliteratur […], und trotz Differenzierungen gegenüber der vorherrschenden pauschalen Pejorisierung werden die Ausführungen von einer kritisch-ablehnenden Grundhaltung getragen. Der Spezifik der Comics werden die Autoren wenig gerecht; die Arbeiten haben nicht das Ziel, zu einem besseren Verständnis des Comics und seiner Ästhetik beizutragen« (Grünewald, Dietrich: Comics, a.a.O., S. 67).

13 Vgl. Dolle-Weinkauff, Bernd: Comics. Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945, Beltz Verlag, Weinheim/Basel 1990, S. 96–98 und vgl. Grünewald, Dietrich: Comics, Grundlagen der Medienkommunikation, Bd. 8, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000, S. 77.

14 Vgl. hierzu Schückler, Georg: Jugendgefährdung durch Comics!, a.a,O., S. 1..

15 Vgl. Fuchs, Wolfgang J; Reitberger, Reinhold: Comics-Handbuch, rororo handbuch 6215, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1978, S. 216.

16 Hesse-Quack, Otto: »Die soziale und soziologische Bedeutsamkeit der Comic Strips«, in: Zimmermann, Hans Dieter; Riha, Karl; Wiener, Oswald; Pforte, Dietger; Hofmann, Werner; Hesse-Quack, Otto; Baumgärtner, Alfred Clemens. Moeller, Michael Lukas.: Comic-Strips. Vom Geist der Superhelden, Colloquium zur Theorie der Bildergeschichte in der Akademie der Künste, Schriftenreihe der Akademie der Künste, Bd. 8, Gebrüder Mann Verlag, Berlin 1970, S. 66.

17 Baumgärtner, Alfred Clemens: Die Welt der Comics. Probleme einer primitiven Literaturform, Kamps pädagogische Taschenbücher, Bd. 26, Verlag Ferdinand Kamp, Bochum 51972, S. 32.

18 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf; Burgdorf, Paul: Comics im Unterricht, Beltz praxis, Beltz Verlag, Weinheim/Basel 1976, S. 65–72.

19 Vgl. Thorndike, Robert L.: »Words and the Comics«, in: The Journal of Experimental Education 10, 1941, Issue 2, S. 110–113.

20 Hogan, Florence Morrison: A Survey of the Literature on the Use of Comics as a Means of Promoting Interest, A Thesis submitted to the Faculty of Atlanta University in Partial Fulfilllment of the Requirements for the Degree of Master of Arts, Department of Education, Atlanta University 1945, S. 6.

21 Sones, W. W. D.: »What about the Comics? Brochure, Children and Comic Magazines, Juvenile Group Foundation, 1942, zitiert nach: Burgdorf, Paul: Comics im Unterricht, a.a.O., S. 67.

22 Vgl. Fuchs, Wolfgang J; Reitberger, Reinhold: Comics-Handbuch, a.a.O., S. 221.

23 Vgl. Waugh, Coulton: The Comics, Luna Press, New York 21974, p. 351 (die erste Auflage erschien 1947 bei Macmillan Publishers, New York, NY).

24 Vgl. Grünewald, Dietrich: Comics, a.a.O., S. 72.

25 Vgl. Fuchs, Wolfgang J; Reitberger, Reinhold: Comics-Handbuch, a.a.O., S. 227–230; vgl. auch Grünewald, Dietrich: Comics, a. a. O., S. 72–73 und vgl. Peters, Jörg: Bilder und Comics«, in: Nida-Rümelin, Julian; Spiegel, Irina; Tiedemann, Markus (Hrsg.): Handbuch Philosophie und Ethik, 2 Bde., Bd. 1: Didaktik und Methodik, UTB 8617, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2015, S. 277–293: S. 284–285.

26 Vgl. ibid., S. 291–292.

27 McLaughlin, Jeff: Graphic Novels as Philosophy, University Press of Mississippi, Jackson, MS 2017.

28 Rourke, James: The Comic Book Curriculum. Using Comics to Enhance Learning and Life, A Teacher Ideas Press Book, Libraries Unlimited, An Impact of ABC-CLIO, LLC, Santa Barbara, CA / Denver, CO – Oxford, GB 2010.

29 Gavater, Chris; Goldberg, Nathaniel: Superhero Thought Experiment. Comic Book Philosophy, University of Iowa Press, Iowa City, IO 2019.

30 Hill, Crag (Ed.): Teaching Comics Through Multiple Lessons. Critical Perspectives, Routledge Ltd., London / New York, NY 2019.

31 Bakis, Maureen: The Graphic Novel Classroom. Powerful Teaching and Learning with Images, Skyhorse Publishing, New York, NY 2014.

32 Syma, Carrye Kay; Weiner, Robert G. (Eds.): Graphic Novels and Comics in the Classroom. Essays on the Educational Power of Sequential Art, MacFarland& Company, Inc., Publishers, Jefferson, NC / London 2013.

33 Brandelt, Frank; Cook, Roy T. Cook: The Routledge Companion to Comics, Routledge Ltd., New York, NY/London 2017.

34 Bolz, Martin: »Von dem Wandern zwischen den Welten und der Macht der kleinen Bilder: Comics«, in: Bolz, Martin (Hrsg.): Philosophieren in schwieriger Zeit, Philosophie in der Schule, Bd. 4, LIT Verlag, Münster / Hamburg / London 2003, S. 211–229.

35 Wiesinger, Kai: »Die schwierige Liebe zur Wahrheit – Blick mit einem Comic auf das Höhlengleichnis«, in: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik 33, 2011, Heft 4: Liebe, S. 304–309.

36 Peters, Jörg: Bilder und Comics«, a.a.O.

37 Van Lente, Fred; Dunlavey, Ryan: Action Philosophers, Evil Twin Comic, Brooklyn, New York, NY 2018.

38 Patton, Michael F.; Cannon, Kevin: The Cartoon Introduction to Philosophy, Hill an Wang, New York, NY 2015.

39 Doxiadis, Apostolos; Papadimitriou, Christos H.: Logicomix. Eine epische Suche nach Wahrheit, übers. von Naumann, Eni, Atrium Verlag AG, Zürich 2010.

40 Nadler, Steven; Nadler, Ben: Heretics! The Wondrous (and Dangerous) Beginnings of Modern Philosophy, Princeton University Press, Princeton, NJ 2017.

41 Bei den vorgestellten Philosophinnen und Philosophen handelt es sich in alphabetischer Reihenfolge um Antoine Arnaud, Francis Bacon, Robert Boyle, Anne Conway, Giordano Bruno, René Descartes, Elisabeth von Böhmen, Galileo Galilei, Pierre Gassendi, Thomas Hobbes, Gottfried Wilhelm Leibniz, John Locke, Nicolas Malbranche, Henry More, Isaac Newton, Blaise Pascal, Spinoza und Voltaire.

42 Die Reihe ist im Wilhelm Fink Verlag, Paderborn, erschienen und umfasst bislang Ausgaben zu Immanuel Kant, Judith Butler, Hannah Arendt, Thomas Hobbes, Karl Marx, Michel Foucault, Theodor W. Adorno, Martin Heidegger, Friedrich Nietzsche, Pierre Bourdieu, Niklas Luhmann, Jean-Jacques Rousseau und Walter Benjamin.

43 Die Reihe Introducing … enthält sowohl Themenbände (z. B. Introducing Existentialsm oder Introducing Ethics) als auch Biographien (z. B. Introducing Aristotle oder Introducing Kant) und ist in Großbritannien bei Icon Books und in den USA bei Totem Books erschienen.

44 Im TibiaPress Verlag, Mülheim an der Ruhr, sind bisher folgende Sachcomic-Titel mit philosophischem oder ethischem Inhalt erschienen: Spieltheorie, Goodbye Gott?, Wittgenstein, Evolutionspsychologie, Anthropologie, Machiavelli, Nietzsche, Kontinentale Philosophie, Zeit, Die Aufklärung, Keynes, Slavoj Žižek, Ökonomie, Philosophie, Marxismus, Evolution, Logik, Ethik und Kapitalismus.

45 Im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, sind Titel mit philosophischem und/oder ethischem Inhalt erschienen: Marx für Anfänger, Mao für Anfänger, Lenin für Anfänger, Atomkraft für Anfänger, Freud für Anfänger, Trotzki für Anfänger, Kapitalismus für Anfänger, Ricardo, Marx, Keynes & Co. für Anfänger, Darwin für Anfänger, Frieden für Anfänger, Genetik für Anfänger, Das Kapital für Anfänger, Sozialismus für Anfänger, Umwelt für Anfänger, Welternährung für Anfänger und Computer für Anfänger.

46 Onfray, Michel; Le Roy, Maximilien: Nietzsche, übers. von Singh, Stephanie, Abrecht Knaus Verlag, München 2011.

47 Ramadier, Mathilde; Depommier, Anais: Sartre. Une existence, des libertés, übers. von Kootz, Anja, Egmont Graphic Novel, Egmont Verlagsgesellschaft mbH, Köln 2016.

48 Banas, Jari: Das Kapital. In Farbe, ein Jari Comic, VSA-Verlag, Hamburg 2018.

49Ethik & Unterricht 30, 2019, Heft 4: Bilderbuch und Comic.

50Praxis Philosophie & Ethik 6, 2020, Heft 5: Hägar der Schreckliche – Eine schrecklich philosophische Comicfigur (Einzelstunden).

1 WIE COMICS UND GRAPHIC NOVELS IM PHILOSOPHIE- UND ETHIKUNTERRICHT EINGESETZT WERDEN KÖNNEN

Einige philosophiedidaktische Überlegungen zum unterrichtlichen Einsatz von Comics

Jörg Peters

Präsentative Medien

Spricht man im Bereich des Philosophie- oder Ethikunterrichts von sogenannten präsentativen Medien, so sind damit primär Bilder, Comics, Musik-Clips und Filme gemeint. Präsentative Medien dürfen aber nicht mit präsentativen Darstellungsformen verwechselt werden. Bei diesen geht es nämlich darum, dass Schülerinnen und Schüler eine philosophische Theorie, eine philosophische Fragestellung oder ein philosophisches Problem darstellend umsetzen – also etwa pantomimisch oder als Skulptur –, wie dies etwa methodisch durch das theatrale Philosophieren oder durch Standbilder geleistet wird.

Das Gemeinsame der oben angeführten vier präsentativen Medien besteht nun darin, dass ihnen – wie durch den Begriff präsentativ zum Ausdruck gebracht wird – das Veranschaulichende immanent gegeben ist. Der Vorteil, Veranschaulichungen im Unterricht der Sekundarstufen I und II einzusetzen, besteht darin, dass manche Schülerinnen und Schüler auf diese Weise überhaupt erst einen Zugang zu philosophischen Fragestellungen erhalten oder durch sie in die Lage versetzt werden, (schwierige) Theorien nachvollziehen zu können. Veranschaulichungen können darüber hinaus auch noch motivierend wirken und somit dazu beitragen, sich überhaupt einem philosophischen Problem zuzuwenden. Auf diese Weise wird also ganz nebenbei – und ohne dass die Schülerinnen und Schüler es merken – auch noch das eigenständige Denken der Jugendlichen gefördert.

Präsentative Medien lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilen: Auf der einen Seite stehen Bilder und Comics, die sich zu einer Gruppe zusammenfassen lassen, weil sie visuell-optisch angelegt sind, während auf der anderen Seite Video-Clips und Filme eine zweite Gruppe bilden, die über das Visuell-Optische hinaus auch noch auditiv-akustische Elemente aufweisen. Im Folgenden soll das Augenmerk allerdings nur auf die erste der beiden Gruppen – und dort wiederum ausschließlich auf Comics – gelegt werden.

Comics werden im Philosophie- bzw. Ethikunterricht bislang nur wenig genutzt

In unserem Alltag werden wir ständig und überall durch Comicelemente beeinflusst. Man denke beispielsweise an Piktogramme, Werbung oder den Bundestagswahlkampf 2013. In diesem hat sich beispielsweise Christian Ströbele von den Grünen als Comic-Figur darstellen lassen. Peer Steinbrück von der SPD dagegen ruft dem Betrachter vom Plakat aus ein »Das WIR entscheidet« entgegen. Wollte man das Comichafte dieses Plakats perfekt machen, müsste der Slogan lediglich mit einer Sprechblase umrandet werden. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, graphische Elemente verankern sich äußerst schnell in unserem Unterbewusstsein.

Wenn aber Comics oder Comicelemente tatsächlich Einfluss auf uns ausüben, stellt sich die Frage, ob man dieses Medium nicht positiv für den Philosophie- und Ethikunterricht nutzen kann, um an ihm mit Schülerinnen und Schülern schwierige philosophische Fragestellungen zu erörtern, philosophische Theorien nachzuvollziehen oder philosophische Diskussionen in Gang zu setzen.

Comics haben in vielen Fächern erst in den letzten Jahren Einzug in den Schulalltag gefunden. In Fächern wie Latein, Kunst, Geschichte, Deutsch oder den Fremdsprachen sind Comics inzwischen etabliert, so dass selbst der Schulbuchmarkt darauf reagiert und – zumindest für besagte Fächer – längst zahlreiche Unterrichtsmaterialien entwickelt hat: So erscheinen die Abenteuer von Asterix bereits seit 1974 in lateinischer Sprache und wird seitdem im Fach Latein immer wieder gern als Unterrichtsgegenstand eingesetzt. Im Bereich Kunst gibt es zahlreiche Publikationen, in denen z. B. berühmter Maler in Comics vorgestellt werden, wie etwa in der Reihe Kunst-Comic aus dem Prestel Verlag.1 Darüber hinaus ist das Thema Comics für den Kunstunterricht längst aufgegriffen und wird dementsprechend als Unterrichtsstoff angeboten. Als Beispiel sei hier nur auf das Buch Werkstatt Kunst. Comic und Cartoon2 verwiesen.

Der C.C. Buchner Verlag hat für den Geschichtsunterricht das Heft Comics erzählen Geschichte3 herausgegeben. In ihm werden wichtige Themen der Geschichte aus unterschiedliche Epochen vorgestellt. Mit diesen Materialien lassen sich Aspekte der zu besprechenden inhaltlichen Schwerpunkte methodisch abwechslungsreich und vielfältig gestalten.

Für den Fremdsprachenunterricht sei schließlich noch der zum Comic umgearbeitete Roman von Agatha Christie Death on the Nile4 erwähnt, der im Bearbeitungsteil viele Activities aufweist, die von den Schülerinnen und Schülern schon während eines While-Readings durchführt werden können.

In den Fächern Philosophie und Ethik sieht die Lage dagegen ganz anders aus, doch auch hier setzt mittlerweile ein Umdenken ein. Comics werden in diesen Fächern bislang stiefmütterlich behandelt und nur – wenn überhaupt – selten im Unterricht eingesetzt. In den meisten Fällen, in denen eventuell doch einmal ein Comic zum Tragen kommt, wird er vielleicht als Stunden-Opener benutzt, aber nur äußerst selten, um an ihm ein philosophisches Problem zu entwickeln oder deutlich zu machen. Folglich ist es (momentan noch) die Ausnahme, wenn mit gezeichneten Bildgeschichten ganze Unterrichtsstunden bestritten werden. Dabei können Comics auch für den Philosophie- und Ethikunterricht sehr gewinnbringend sein.

Die Bedeutung von Comics für den Philosophie- und Ethikunterricht

Comics können im Philosophie- und Ethikunterricht genutzt werden, um

1.sich motiviert auf ein philosophisches Problem einzulassen, in schwierige Theorien einzudringen oder Abstraktes zu erfassen. Sie helfen aber auch dabei,

2.komplizierte und komplexe Theorien vereinfacht darzustellen,

3.Emotionen zu erzeugen, die für Diskussionen nützlich sind, oder

4.die Phantasie anzuregen.

Da der Einsatz von Comics im Unterricht eine ähnliche Funktion wie der von Filmen bzw. Filmausschnitten hat, lassen sich einige Parallelen zwischen diesen beiden Medien aufzeigen5:

1. Sich einem philosophischen Problem zuzuwenden, Abstraktes erfassen und in schwierige Theorien eindringen: Wie der Film besteht im Bereich der Bildenden Kunst nur noch der Comic aus einer Kombination aus Bild und Sprache. Dass es Ausnahmen gibt, in denen Comics und Filme auch ohne Sprache auskommen – man denke etwa an o.e. plauens Vater und Sohn oder an die Ära der Stummfilme –, soll hier unberücksichtigt bleiben. Daher lässt sich ein Comic genauso wenig allein auf Malerei oder Literatur reduzieren, wie ein Film nicht allein der Fotographie oder Literatur zugeschlagen werden darf.6 Aber genau die Kombination aus Bild und Sprache hilft vielen Schülerinnen und Schülern, sich einem philosophischen Problem bzw.einer philosophischen Fragestellung zuzuwenden und sich damit auseinanderzusetzen, etwas Abstraktes auf einmal als fassbar zu erfahren, oder sich in eine schwierige Theorie einzufinden. Der dem Medium innewohnende Motivationsgehalt ist daher nicht zu unterschätzen, wenn es darum geht, Jugendliche des 21. Jahrhunderts mit philosophischen Theorien vertraut zu machen.

2. Vereinfachung von komplizierten und komplexen Theorien: Das Zurückgreifen auf Filme für unterrichtliche Zwecke legitimiert sich dadurch, dass durch geeignete Filmsequenzen komplizierte und/oder komplexe philosophische Sachverhalte durchaus vereinfacht dargestellt werden können. Dieser Fakt kann ohne Einschränkung auf den Einsatz von Comics im Philosophie- und Ethikunterricht übertragen werden. Mehr noch: Während es sich beim Film um ein sogenanntes »ephemeres«7 oder »flüchtiges« Medium handelt, weil man in der Regel nicht (wieder und wieder) zurückspult, um eine für ein zu behandelndes Problem relevante Szene mehrmals zu betrachten, lässt sich dies beim Comic einfach dadurch bewerkstelligen, dass man zu der Stelle zurückblättert, die man sich noch einmal vergegenwärtigen möchte.

3. Emotionen nutzen: Möglicherweise werden durch einen Film bzw. Filmausschnitt bei Schülerinnen und Schülern – insbesondere dann, wenn ethische Fragestellungen betroffen sind – Emotionen hervorgerufen. Da dieser Zustand bei nahezu allen Schülerinnen und Schülern erreicht wird, kann darauf verwiesen werden, dass er intendiert ist, weil die auf diesem Wege entstandene Emotionalität zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem anstehenden philosophischen Problem führt. Ein solcher emotionaler Zustand kann, wenngleich schwächer, weil unter anderem Musik und Geräusche fehlen, auch durch einen Leseprozess hervorgerufen werden, insbesondere dann, wenn er durch Bilder – wie dies beim Comic der Fall ist – unterstützt wird. Die einsetzenden Emotionen lassen sich z. B. nutzen, um im Bereich der Ethik kontroverse Diskussionen zwischen den Schülerinnen und Schülern führen zu lassen.

4. Die Phantasie anregen: Die Phantasie der Lesenden wird durch Comics angeregt, denn die eigentliche Denkleistung findet zwischen zwei Panels statt8: In den Panels eines Comics sind nur Momente der Handlung aufgehoben, alles andere aber muss sich der Leser dazu denken. Das, was nicht gezeigt wird, ist aber elementar für die Handlung, denn es wäre unmöglich, innerhalb des beschränkten Raums eines Heftes oder eines Strips ein Geschehen in all seinen Aspekten abzubilden. Diese Aufgabe wird der Erfahrung und der Phantasie des Lesers überlassen.

Nach den Maßgaben unserer Alltagserfahrung ist es allerdings unmöglich, was uns ein gängiges Comic-Bild vorführt: eine stillgestellte Szene von der Dauer eines Sekundenbruchteils (denn es bewegt sich ja niemand), in der zugleich gesprochen wird (wofür im Regelfall eine deutlich längere Zeitspanne nötig wäre). Das Panel präsentiert also einerseits in der Zeichnung nur einen Augenblick, andererseits mit seinem Text eine ganze Szene. Schon innerhalb eines Bildes ist vom Leser Phantasie gefordert, weil er nicht nur den Übergang zum nächsten Panel meistern, sondern sich auch das vorstellen muss, was während des dargebotenen Dialogs passiert.9 Kurz: Auch hier wird – wie beim Philosophieren mit Bildern – das selbständige Denken der Jugendlichen gefördert. Dies zeigt etwa dieses Beispiel von Scott McCloud10:

Wann und wie sollte man Comics im Unterricht einsetzen?

1. Es gibt keine Faustregel dafür, wann man Comics im Unterricht einsetzen kann oder soll. Ein Comic kann – je nach Unterrichtsgestaltung – an den unterschiedlichsten Stellen im Unterricht seinen Platz finden. Dies kann dementsprechend am Anfang, innerhalb oder am Ende einer Unterrichtsreihe sein.

2. Eine in diesem Zusammenhang wichtige Frage lautet, wie lang denn ein Comic sein darf oder muss. Auch auf sie gibt es keine eindeutige Antwort und keine Regel, die beachtet werden müsste. Folglich können im Philosophie- und Ethikunterricht Four-Panel-Strips, Ausschnitte aus Comic-Heften, Kurzgeschichten, ein Comic-Heft, mehrere Comic-Hefte (, die eine Geschichte ergeben,) oder auch Graphic Novels besprochen werden.

3. Was die Frage betrifft, wie Comics im Philosophie- bzw. Ethikunterricht genutzt werden können, ergeben sich eine Reihe von Möglichkeiten, etwa

um eine Stunde zu eröffnen,

um zu einem Thema hinzuführen oder ein Thema zu rekapitulieren,

um sich mit einer philosophischen Theorie auseinanderzusetzen,

um ein Gedankenexperiment durchzuführen,

um ein philosophisches Problem deutlich zu machen oder

um ein Dilemma zu diskutieren.

Im Folgenden sollen diese Aspekte anhand von Beispielen erläutert werden:

Häufig werden Comics als Impulsgeber am Anfang einer Stunde genutzt, um die Schülerinnen und Schüler auf ein Thema einzustimmen oder um sie zum Thema der Stunde hinzuleiten. Comics, die für diesen Zweck eingesetzt werden, können oft auch nicht mehr leisten; in den meisten Fällen wäre es sogar unmöglich, mit ihnen eine Unterrichtsstunde Philosophie zu füllen. Dies gilt auch für den auf der folgenden Seite abgebildeten Comic, der z. B. in das Thema »Freundschaft« einzuführen könnte11.

Die Schülerinnen und Schüler können in Bezug auf diesen Comic sämtliche Gefahren aufzählen und beschreiben, die Sven Glückspilz durchläuft, um seinem Freund Hägar einen Hamburger zu bringen (schwieriger Weg an einer Liane durch den Dschungel, Überqueren eines Gewässers durch Hüpfen von einem Krokodilrücken zum anderen, Verfolgung durch wilde Tiere und Sprung über eine Kluft sowie Schwimmen durch ein Gewässer bei Gewitter). Ferner können sie sagen, dass Hägar den Freundschaftsdienst Svens mit der Frage quittiert, warum er nur einen Hamburger und keine Pommes frites erhalten habe. Darüber hinaus können sie noch konstatieren, dass der Comic dadurch lustig wird, weil Hägar überhaupt nicht weiß, welche Gefahren Sven Glückspilz auf sich genommen und überwunden hat, um sein Ziel zu erreichen, nämlich seinem Freund den (wahrscheinlich bestellten) Hamburger unbeschadet zu übergeben. Da aus philosophischer Sicht nicht mehr aus dem Comic herausgeholt werden kann, kann dieser nur dazu genutzt werden, um die Schülerinnen und Schüler zum Thema der Stunde zu führen oder um sie auf das neu zu bearbeitende Unterrichtsthema einzustimmen.

Comics können auch dazu genutzt werden, um z.B. in die Problematik eines Themas einzuführen oder um bereits behandelte Themen zu rekapitulieren. Um das Gelernte noch einmal zu wiederholen und zu kontrollieren, ob der methodische Zweifel bzw. der Weg zum Cogito verstanden wurde, bietet sich folgender Comic an12:

Was Schülerinnen und Schüler in der Auseinandersetzung mit dem Comic leisten sollen, ist Folgendes:

¬Sie sollen erkennen, dass Rolf sich mit dem rationalen Beweisgang Descartes’ beschäftigt, ob die Erkenntnis »Ich denke, also bin ich« überhaupt richtig ist.

¬Sie sollen die von Rolf aufgeworfene Frage diskutieren, ob es sich bei seiner Vorstellung von ihm als seiendem Wesen um eine Täuschung handelt, die ihm durch einen Traum vorgegaukelt wird, oder ob er nicht nur ein Teil eines »bösen« Traumes ist, den ein anderer gerade träumt.

¬Sie sollen eine begründete Antwort auf die Frage finden, ob er überhaupt existiert. Das Kriterium »Ich denke« hilft Rolf nicht weiter, weil er die Möglichkeit in Betracht zieht, dass er denken könnte, er würde gerade denken. Wenn dieser Gedanke richtig wäre, käme Rolf in einen Regress in infinitum und er müsste den Gedanken immer weiterdenken, ohne je zu einem Ende gelangen zu können.

¬Sie sollen herausarbeiten, dass Kenny nicht alle Schritte der cartesischen Beweisführung, die zum »Ich denke, also bin ich«13 führen, in seine Überlegungen einbezieht. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler noch einmal erklären, wie Descartes zu seiner Erkenntnis gelangt, weil sonst nicht klar ist, auf welcher Grundlage die drei von Rolf aufgeworfenen Probleme diskutiert werden können.

Insbesondere in philosophischen Comics gelingt es oft auf hervorragende Weise, komplexe und/oder komplizierte Theorien so vereinfacht darzustellen, dass sie von Schülerinnen und Schülern gut nachvollzogen werden können. Unter der Voraussetzung, dass Bild und Wort sich sinnvoll ergänzen, können selbst schwierige Theorien von den Jugendlichen nachvollzogen und verstanden werden. Ein gutes Beispiel dafür sind sie Gottesbeweise von Thomas von Aquin, die Fred van Lente und Ryan Dunlavey in ihrem Comic über den mittelalterlichen Philosophen dargestellt haben.14 Sie haben für diesen keinen eigenen Text geschrieben, sondern ihn einer englischen Übersetzung der Summa theologica entnommen. Für die hier vorliegende Fassung wurde der Text des katholischen Akademieverbandes15 in die Sprechblasen eingefügt.

Während der reine Text des Aquinaten für Schülerinnen und Schüler nicht einfach nachzuvollziehen ist, ändert sich dies, sobald seine Theorie durch Bilder unterstützt wird. In dem gewählten Ausschnitt aus dem Comic erläutert Thomas seine Lehre selbst anhand von gezeichneten Beispielen: So stutzt der Kinderarzt, weil er eigentlich kein Baby, sondern ein der Mutter en détail gleichendes Kind zur Welt bringt. Dadurch, so erklärt Thomas, soll die Unmöglichkeit deutlich gemacht werden, dass »etwas seine eigene Wirkursache ist«. Dass etwas sich selbst erschaffen kann, ist unmöglich, weil es sich dann »selbst im Sein vorausgehen [müsste]«. Auch die thomistische Erklärung, dass die Wirkursache nicht ins Unendliche gehen kann und dass es ohne eine erste Ursache keine Wirkung gebe, ist – ohne genauer darauf einzugehen – anhand der drei Darstellungen mit Domino-Steinen ebenso sofort nachvollziehbar wie die von Thomas gezogene conclusio, dass, wenn es aufgrund der gesetzten Prämissen eine erste Wirkursache gibt. Wenn es aber eine erste Wirkursache gibt, so kann diese, wie Thomas glaubt, bewiesen zu haben, nur »Gott« heißen.