Philosophieren mit Spielen -  - E-Book

Philosophieren mit Spielen E-Book

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Beschreibung

Gesellschaftsspiele haben seit Beginn der Coronakrise wieder Hochkonjunktur. Dabei bieten sie nicht nur abwechslungsreiche Unterhaltung für private Spieleabende, sondern sind dank ihrer vielfältigen Thematiken und unterschiedlichen Spielsysteme auch als Methode für den Philosophie- und Ethikunterricht geeignet, um Schülerinnen und Schülern einen alternativen Zugang zu fachlichen Inhalten zu ermöglichen. Wenn Menschen nicht aus professionellen oder semi-professionellen Gründen spielen, so handeln sie i. d. R. aufgrund einer intrinsischen Motivation. Ihr Ziel besteht dann nicht in der Verfolgung irgendeines Zweckes, sondern darin, ein Spiel um seiner selbst willen zu spielen. Die dem Spielen zumeist entgegengebrachte positive Einstellung lässt sich für den Philosophie- bzw. Ethikunterricht nutzen, auch wenn durch den unterrichtlichen Einsatz von Spielen ein den Schülerinnen und Schülern bewusstes Stundenziel verfolgt wird. Durch das Spielen kann der Zugang zu philosophischen Fragestellungen erleichtert werden. Darüber hinaus können philosophische Positionen oder Theorien veranschaulicht und Wege ins philosophische Denken eröffnet werden. Der Band beginnt mit einigen in die Thematik einführenden Bemerkungen der Herausgeber, auf die sowohl ein Theorie- als auch ein Praxisteil folgt. Im Theorieteil findet sich neben einem historischen Abriss über die didaktische Bedeutung des Spiels auch ein Überblick über die Chancen und Grenzen des Einsatzes von Spielen im Philosophie- und Ethikunterricht. Im Praxisteil werden zahlreiche Spiele vorgestellt, die sich besonders für den Einsatz in den beiden Sekundarstufen eignen. Zusätzlich bietet dieser Teil die entsprechenden Spielvorlagen zur unterrichtlichen Umsetzung. Der Band schließt mit einer weiterführenden Auswahlbibliographie ab.

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Die Reihe Methoden im Philosophie- und Ethikunterricht ist auf neun Themenbände angelegt, die bis 2023 erscheinen werden:

1

Philosophieren mit Filmen im Unterricht (

bereits erschienen

)

2

Philosophieren mit Gedankenexperimenten (

bereits erschienen

)

3

Philosophieren mit Dilemmata (

bereits erschienen

)

4

Philosophieren mit Comics und Graphic Novels (

bereits erschienen

)

5

Textarbeit im Philosophie- und Ethikunterricht (

erscheint 2022

)

6

Philosophieren mit Spielen

7

Literatur und Jugendliteratur im Philosophie- und Ethikunterricht

8

Das Sokratische Gespräch im Philosophie- und Ethikunterricht

9

Theatrales Philosophieren, Musik und Videoclips im Philosophie- und Ethikunterricht

Ausführliche Informationen unter:

www.philosophie-didaktik.de

PHILOSOPHIEREN MIT SPIELEN

METHODEN IM PHILOSOPHIE- UND ETHIKUNTERRICHT

Band 6

Herausgegeben von Martina und Jörg Peters

Meiner

Zu diesem Buch gibt es Materialien, die kostenlos heruntergeladen werden können unter:

https://meiner.de/philosophierenmitspielen

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet abrufbar über ‹http://portal.dnb.de›.

eISBN (PDF) 978-3-7873-3663-0 • eISBN (ePub) 978-3-7873-4086-6

www.meiner.de

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2022. Alle Rechte vor behalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Umschlaggestaltung: Andrea Pieper, Hamburg. Konvertierung: Bookwire GmbH.

INHALT

Einführung: Spielen im Philosophie- und Ethikunterricht

Martina Peters, Jörg Peters

1 DER EINSATZ VON SPIELEN IM PHILOSOPHIE- UND ETHIKUNTERRICHT

Das Spiel im Netz der philosophischen Methoden

Ekkehard Martens

»Spiel« und »Ethisches Lernen« – Die philosophische Entwicklung der Menschenbildannahme »Homo ludens« für den Ethikunterricht

Eva Marsal

Spielend lernen – Eine anthropologische Kulturtechnik für den Ethikunterricht

Peter Köck

Philosophisches Spielen als Methode

Christian Klager

Spielend philosophieren – Das Spiel als Medium des Philosophierens

Donat Schmidt

Der Einsatz von Spielen im Philosophie- und Ethikunterricht

Jörg Peters

2 SPIELE FÜR DIE SEKUNDARSTUFEN I UND II

Spielvorlagen dem Ethikunterricht anpassen

David Sandmaier

Neue Spiele braucht das Land – Die Entwicklung von Spielideen und ihre Umsetzung als Lernaufgabe

Katja Andersson

Das Argumentationsspiel

Anita Rösch, Jörg Peters

Das Auktionsspiel

Gerhard Gräber

3 PLANSPIELE

Spielend philosophieren – Planspiele als philosophische Bildungschance

Stefanie Pagel

Homo homini piscis oder Krieg und Frieden im Aquarium

Thomas Nisters

Wirthiko – Ein Planspiel zur Wirtschaftsethik

Laura Marks, Konrad Valtin

4 COMPUTERSPIELE

Wie Videospiele den Philosophie- und Ethikunterricht bereichern können

Jens Heinrich

Digitale Spiele im Philosophieunterricht – Ein (Bei-)Spiel für den Erstversuch

Dominik Bleckmann

Philosophieren mit digitalen Spielen

Leif Marvin Jost

Auswahlbibliographie

EINFÜHRUNG

Spielen im Philosophie- und Ethikunterricht

Kulturphilosophische und philosophiedidaktische Fragen

Martina Peters, Jörg Peters

Schon als wir uns vor vielen Jahren als Moderatoren im Rahmen des Zertifikatskurses Praktische Philosophie1 das erste Mal mit dem Thema »Spiele(n) im (Praktischen) Philosophieunterricht« auseinandersetzten, drängten sich uns sowohl eine Reihe kulturphilosophischer als auch philosophiedidaktischer Fragen auf. Beschäftigt man sich mit dem Spiel unter kulturphilosophischen Gesichtspunkten, stehen unter anderem folgende Fragen im Zentrum des Interesses: »Welche Arten von Spielen gibt es überhaupt?«, »Wie lässt sich – wenn überhaupt – der Begriff »Spiel« (aus philosophischer Sicht) definieren?«, »Welche Bedeutung bzw. welchen Stellenwert wird dem Spiel aus philosophischer Perspektive zugesprochen?« oder »Gibt es so etwas wie ein ›philosophisches Spiel‹?«, und wenn ja: »Was ist darunter zu verstehen?«

Unter der Prämisse, dass das Spiel generell als ein für den Philosophieunterricht relevantes Medium akzeptiert wird, ergeben sich weitere Fragen, die dann aus dem Blickwinkel der Philosophiedidaktik zu betrachten sind: »Welche Spiele eignen sich für den Einsatz im Philosophie- oder Ethikunterricht?«, »Wie lassen sich Spiele in den Philosophie- oder Ethikunterricht einbinden und methodisch umsetzen?«, »Inwieweit haben (philosophische) Spiele bereits Einzug in Schulbücher für die Fächer Philosophie bzw. Ethik gefunden?«, »Welche speziellen Publikationen zum Thema »Spiele(n) im Philosophie- bzw. Ethikunterricht« gibt es?« oder »Leisten die in diesen Veröffentlichungen vorgestellten Spiele das, was sie versprechen?«

Es sind genau diese philosophiedidaktischen Fragen, denen die Autorinnen und Autoren dieses Bandes in ihren Beiträgen nachgehen und zu denen sie ein weites Spektrum an Antwortmöglichkeiten anbieten. Die vorliegende Einleitung dagegen macht es sich zur Aufgabe zu zeigen, welchen Stellenwert das Spiel innerhalb der Philosophiegeschichte besitzt und warum es lohnenswert ist, das Spielen als eine Methode im Philosophie- bzw. Ethikunterricht zu etablieren.

Der Stellenwert des Spiels aus philosophischer Sicht

Von der Antike bis heute ist das Spiel – wenngleich auch von untergeordneter Rolle – doch immer wieder Gegenstand philosophischer Überlegungen, wie der nachfolgende Überblick deutlich macht2: Für Aristoteles beispielsweise erweist sich das Spiel noch nicht als ein eigenständiges Thema, das ausführlich analysiert und behandelt werden müsste. Folglich sieht er auch keine Notwendigkeit, eine Begriffsbestimmung vorzunehmen. Aber immerhin schenkt er dem Spiel im Zusammenhang mit der Arbeit Aufmerksamkeit: Körperliche Arbeit ist eine auf ein Ziel gerichtete Tätigkeit, wie etwa die Herstellung eines Produkts. Da körperliche Arbeit anstrengend ist, bedarf es einer Aus- bzw. Rekreationszeit. Um sich von der geleisteten Arbeit zu erholen und um neue Kräfte zu sammeln, kann insbesondere das Spiel gute Dienste leisten, weil es zur Regeneration des Menschen beiträgt. Diese positive Einstellung dem Spiel gegenüber entfaltet Aristoteles zunächst in der Nikomachischen Ethik. Er führt dort aus: »Das Spiel ist nämlich eine Art von Erholung und der Erholung bedürfen wir, weil wir nicht ununterbrochen arbeiten können«3 (N.E. X.6 1176b 33–35), und wiederholt diesen Gedanken in der Politik: »[D]er Arbeitende bedarf der Erholung, das Spiel dient eben dazu«4 (Pol. VIII.3 1337b 38). Dabei wirkt das Spiel geradezu wie eine Arznei, die – sofern man sie richtig dosiert – auf Menschen beruhigend und entspannend wirkt: »[Da] die Arbeit mit Mühe und Anspannung verknüpft […] [ist], so muß man die Spiele gestatten, aber den Gebrauch genau kontrollieren, um sie als eine Art von Arznei anzuwenden. Denn eine [durch das Spiel hervorgebrachte] Bewegung der Seele ist eine Lockerung und lustvolle Erholung«5 (Pol. VIII.3 1357 b 39–43).

Springt man von der griechischen Antike in die Zeit der Aufklärung, so wird deutlich, dass auch der deutsche Philosoph Immanuel Kant noch keinen Grund dafür sieht, das Spiel begrifflich zu bestimmen. Vielmehr betrachtet er es – wie Aristoteles – im Zusammenhang mit der Arbeit und betont, dass viele Menschen nur deshalb arbeiten würden, weil sie damit eine Absicht verfolgten. Diese Absicht bestehe darin, Geld zu verdienen, damit man sein Leben fristen könne. Das Spiel dagegen sei, so Kant weiter, eigentlich eine zweckfreie Handlung, weil man es nicht um eines Zieles, sondern allein um seiner selbst willen ausübe. Darüber hinaus macht er deutlich, dass das Spiel im Grunde keine Tätigkeit sei, die einem erwachsenen Menschen zukomme, sondern eine, die man lediglich Kindern zugestehen dürfe: »Bei der Arbeit ist die Beschäftigung nicht an sich selbst angenehm, sondern man unternimmt sie einer andern Absicht wegen. Die Beschäftigung bei dem Spiele dagegen ist an sich angenehm, ohne weiter irgend einen Zweck dabei zu beabsichtigen. Wenn man spazieren geht: so ist das Spazierengehen selbst die Absicht, und je länger also der Gang ist, desto angenehmer ist er uns. Wenn wir aber irgend wohin gehen, so ist die Gesellschaft, die sich an dem Orte befindet, oder sonst etwas die Absicht unseres Ganges, und wir wählen gerne den kürzesten Weg. So ist es auch mit dem Kartenspiele. Es ist wirklich besonders, wenn man sieht, wie vernünftige Männer oft stundenlang zu sitzen und Karten zu mischen im Stande sind. Da ergiebt es sich, daß die Menschen nicht so leicht aufhören Kinder zu sein. Denn was ist jenes Spiel besser, als das Ballspiel der Kinder? Nicht daß die Erwachsenen gerade auf dem Stocke reiten, aber sie reiten doch auf anderen Steckenpferden«6.

Neben der Unterscheidung von Arbeit und Spiel verweist Kant also auch noch darauf, dass Erwachsene im Spiel wieder die Rollen von Kindern einnehmen. Die Erwachsenen spielen zwar nicht Ball und reiten auf keinem Stecken, aber dafür spielen sie stundenlang Karten, erfreuen sich wie Kinder an ihrem Tun und vergessen dabei die Zeit.

Da das Spiel Lust verschafft, aber nicht zum Lernen beiträgt bzw. zum Arbeiten anleitet, lehnt Kant es als erzieherische Methode ab: »Man hat verschiedene Erziehungspläne entworfen, um, welches auch sehr löblich ist, zu versuchen, welche Methode bei der Erziehung die beste sei. Man ist unter anderm auch darauf verfallen, die Kinder alles wie im Spiele lernen zu lassen. […] Dies thut eine ganz verkehrte Wirkung. Das Kind soll spielen, es soll Erholungsstunden haben, aber es muß auch arbeiten lernen«.7 Kant verteufelt das Spiel nicht generell als nichtsnutziges Treiben, schreibt ihm aber auch nicht die Funktion zu, zum Lernen beizutragen, wie dies etwa in den Erziehungsgedanken John Lockes zum Ausdruck kommt. Kant definiert das Spiel daher als eine »Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist«8, in Abgrenzung zur Arbeit9, die er als »Beschäftigung, die für sich selbst unangenehm (beschwerlich) und nur durch ihre Wirkung (z. B. den Lohn) anlockend ist«10, bestimmt.

Im Laufe der Zeit wird das Spiel nicht mehr nur in Abgrenzung zur Arbeit betrachtet, sondern es wird versucht, eine Wesensbestimmung des Spiels zu finden. Schnell stellt sich heraus, dass man nicht genau bestimmen kann, worin das Wesen des Spiels besteht, und dennoch werden Definitionen erstellt. Eine der bekanntesten stammt vom niederländischen Kulturhistoriker Johan Huizinga. Er sagt: »Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel […] eine freie Handlung nennen, die als ›nicht so gemeint‹ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern […] durch Verkleidung als anders von der gewöhnlichen Welt abheben«11.

Huizingas Bestimmung des Spiels berücksichtigt allerdings längst nicht alle Arten von Spielen – Computer- und Konsolenspiele, Tabletop- oder Konfliktsimulationsspiele, Sammelkartenrollenspiele etc. konnte er beispielsweise noch gar nicht kennen –, so dass seine Definition in der vorliegenden Form nicht als allgemeingültig angesehen werden kann.12 Außerdem gibt es mittlerweile zahlreiche Spielerinnen und Spieler, die durchaus ein materielles, insbesondere ein pekuniäres Interesse mit ihrem Tun verknüpfen, wie etwa Berufssportlerinnen und -sportler oder professionelle Pokerspielerinnen und -spieler. Huizingas Definition trifft daher bestenfalls noch eingeschränkt zu. Hinzu kommt, dass heute zahlreiche Spiele existieren, die nicht zweckfrei, sondern zu einem bestimmten Nutzen gespielt werden: Gemeint sind die Lernspiele, auf die der Blick noch zu richten ist.

Zuvor soll aber noch Wittgensteins Position in Bezug auf das Spiel dargestellt werden. Seine Beschreibung des Spiels zeigt deutlich, worin die Schwierigkeiten bestehen, das Spiel zu definieren: Es gibt zwar Ähnlichkeiten und Überschneidungen zwischen einzelnen Spielen, aber keine allgemeingültigen Aspekte, die sich auf alle Spiele anwenden und übertragen lassen. Bei einigen Spielen lassen sich verwandtschaftliche Beziehungen herstellen, bei anderen gehen diese Gemeinsamkeiten verloren und es treten neue, bislang nicht beobachtete Züge in den Vordergrund: »Betrachte z. B. einmal die Vorgänge, die wir ›Spiele‹ nennen. Ich meine Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiele, Kampfspiele, usw. Was ist allen diesen gemeinsam? – Sag nicht: »Es muss ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht ›Spiele‹« – sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. – Denn, wenn du sie anschaust, wirst du zwar nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre, aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften, sehen, und zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk nicht, sondern schau! – Schau z. B. die Brettspiele an, mit ihren mannigfachen Verwandtschaften. Nun geh zu den Kartenspielen über: hier findest du viele Entsprechungen mit jener ersten Klasse, aber viele gemeinsame Züge verschwinden, andere treten auf. Wenn wir nun zu den Ballspielen übergehen, so bleibt manches Gemeinsame erhalten, aber vieles geht verloren. – Sind sie alle ›unterhaltend‹? Vergleiche Schach mit dem Mühlfahren. Oder gibt es überall ein Gewinnen und Verlieren, oder eine Konkurrenz der Spielenden? Denk an die Patiencen. In den Ballspielen gibt es Gewinnen und Verlieren; aber wenn ein Kind den Ball an die Wand wirft und wieder auffängt, so ist dieser Zug verschwunden. Schau, welche Rolle Geschick und Glück spielen. Und wie verschieden ist Geschick im Schachspiel und Geschick im Tennisspiel. Denk nun an die Reigenspiele: Hier ist das Element der Unterhaltung, aber wie viele der anderen Charakterzüge sind verschwunden! Und so können wir durch die vielen, vielen anderen Gruppen von Spielen gehen, Ähnlichkeiten auftauchen und verschwinden sehen. Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen. Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren als durch das Wort ›Familienähnlichkeiten‹; denn so übergreifen und kreuzen sich die verschiedenen Ähnlichkeiten, die zwischen den Gliedern einer Familie bestehen: Wuchs, Gesichtszüge, Augenfarbe, Gang, Temperament, etc. etc. – Und ich werde sagen: die ›Spiele‹ bilden eine Familie«.13

Wittgensteins Analyse zeigt treffend, dass wir auf eine Definition, »die uns aus der verwirrenden Vielfalt unserer Vorstellungen heraushelfen könnte, leider verzichten«14 müssen und uns lediglich die Möglichkeit bleibt, auf Ähnlichkeiten oder genauer: auf Familienähnlichkeiten zu verweisen.

Das Lernspiel und der Philosophieunterricht

Lernspiele gibt es wohl schon seit der Antike, und sie erleben von Zeit zu Zeit eine neue Hochphase.15 Mitte der 1990er Jahre erreichte auch Deutschland der nach wie vor anhaltende Trend aus den USA, mit Kindern im Vorschulalter Lernspiele zu spielen. Ziel dieser Spiele war und ist es, Kindern schon möglichst früh eine gute Ausgangslage für das spätere Berufsleben zu verschaffen, denn wer viel kann und weiß, wird größere Vorteile auf dem Berufsmarkt haben. Herbert Knoblauch merkt dazu an: »Die pädagogische Bedeutung des Spieles ist heute unbestritten. Im Zeitalter des lebenslangen Lernens‹ nimmt das Spiel eine bedeutende Stellung ein. Spielen bedeutet lernen, in diesem Fall lernen durch die Handlung, durch das Tun. Spielen fördert geistige und körperliche Beweglichkeit, Vorstellungskraft, Konzentration, Gedächtnis, soziales Verhalten durch die Beachtung von Regeln und vieles mehr«16. Die hier geäußerte Auffassung, dass Spiele nicht grundsätzlich zweckfrei sein müssen, sondern auch einen Nützlichkeitsfaktor in sich tragen dürfen, wenn sie etwa Kinder beim Lernen unterstützen können, wurde lange Zeit nicht geteilt. Jürgen Fritz beispielsweise lehnt den Nützlichkeitsgedanken des Spiels als Pädagogisierung und Mittel zum Zweck ab: »Ob pädagogisch angesonnene Potentialitäten überhaupt als Möglichkeiten im Kind verankert werden, hängt davon ab, ob sie zu den Bedürfnissen, Wünschen, Erfahrungen und Fähigkeiten des Kindes passen. Sind sie nur aufgesetzt, werden sie von den Kindern in der Regel nicht angenommen und im Spielraum erprobt. Die Spielangebote sind dann nicht nur für die reale Lebenswirklichkeit, sondern auch für den Spielraum folgenlos. In der Verteidigung des Spiels auf das ›Nützliche im Leben‹ etabliert sich ein Rigorismus, der die Entfaltung und Ausdifferenzierung der Möglichkeiten des Kindes in seinem Spielraum beeinträchtigen könnte. Pädagogisch sinnvoll ist, Kinder durch gezielte und subjektsensible Spielangebote bei der Ausdifferenzierung ihres Spielraums zu unterstützen. Bei der Auswahl der Spiele ist es weniger wichtig, ob sie thematisch auf ›nützliche Verhaltensweisen‹ des täglichen Lebens zielen, sondern ob sie in Vielseitigkeit, inhaltlicher Einbindung und dynamischen Kräften zu den Kindern passen und ihre Möglichkeiten umfassend erweitern können«.17

Dabei ist der Gedanke, Kindern spielend etwas beizubringen, aber gar nicht neu. Der zuvor erwähnte englische Philosoph John Locke hatte bereits 1693 in seinem pädagogischen Werk Gedanken über Erziehung zwischen solchen Spielen unterschieden, die entweder der Erholung und Rekreation bzw. dem Zeitvertreib dienen und sich damit insofern als wertlos erweisen, als das Kind keinen zählbaren Nutzen, etwa in Form eines Lernerwerbs, verzeichnen kann18, und solchen Spielen, die von vornherein eine Förderung von Kindern intendieren, indem diese z. B. im wahrsten Sinne des Wortes »spielend« lesen lernen, ohne es zu bemerken19.

So sagt Locke über jene Spiele, die einem Kind keinen Nutzen bringen: »Erholung ist so notwendig wie Arbeit oder Brot. Da es aber keine Erholung ohne Vergnügen geben kann, welches nicht immer von der Vernunft, sondern häufiger von der Einbildungskraft abhängt, muß man Kindern nicht nur erlauben, sich zu zerstreuen, sondern es auch nach eigenem Belieben zu tun, vorausgesetzt, daß es harmlos und ohne Schaden für ihre Gesundheit ist; daher sollte man sie in diesem Falle nicht zurückweisen, wenn sie eine besondere Art der Erholung vorschlagen. Ich glaube allerdings, bei einer wohlüberlegten Erziehung werden sie selten in die Notwendigkeit versetzt werden, sich eine solche Freiheit zu erbitten: man sollte Sorge tragen, daß sie, was ihnen förderlich ist, immer mit Vergnügen tun; und bevor sie von einer nutzbringenden Beschäftigung ermüdet sind, sollten sie rechtzeitig auf eine andere gelenkt werden. Wenn sie aber noch nicht jenen Grad der Vollkommenheit erreicht haben, so daß der Weg zur Vervollkommnung für sie zugleich Erholung bedeutet, muß man ihnen die kindlichen Spiele lassen, die sie gern haben; sie sollten ihnen abgewöhnt werden dadurch, daß man sie ihnen bis zum Überdruß anbietet«.20

Während Locke die Auffassung vertritt, dass Kinderspiele nur partiell gestattet und Kindern diese im Laufe der Zeit sogar abgewöhnt werden sollen, urteilt er ganz anders über Lernspiele. Diese betrachtet er positiv und möchte sie sogar grundsätzlich eingesetzt wissen, weil sie den Kindern Lerngegenstände auf spielerische, einfache, vergnügliche und nicht-lehrhafte Weise näherbringen. Locke geht sogar so weit zu sagen, dass Kinder gar nicht merken sollen, dass sie durch ein Lernspiel einen Lernzuwachs erfahren: »Ich habe mir immer gern vorgestellt, daß man Kindern das Lernen zu Spiel und Erholung machen […] könnte. […] Wie wäre es zum Beispiel, wenn man eine Elfenbeinkugel machte, wie man sie in der Royal-Oak-Lotterie hat, mit zweiunddreißig Seiten oder vielleicht lieber mit vierundzwanzig oder fünfundzwanzig Seiten, und auf verschiedene dieser Seiten ein A, auf mehrere ein B, auf andere ein C und auf wieder andere ein D klebte? Ich würde empfehlen, mit nur diesen vier Buchstaben anzufangen, vielleicht zuerst nur mit zweien, und wenn […] [dem Kind] diese geläufig sind, einen weiteren hinzuzufügen, und so weiter, bis jede Seite einen Buchstaben enthält und das ganze Alphabet darauf ist. Damit sollten nun andere vor ihm spielen; denn ein Spiel, in dem es darum geht, wer als erster ein A oder B wirft, ist genauso gut, als wenn man beim Würfeln die Sechs oder Sieben wirft. Da dies ein Spiel unter euch ist, lockt es nicht heran, damit es nicht zu einer Aufgabe wird; denn ich möchte nicht, daß es als etwas anderes aussieht als ein Spiel für Ältere, und ich zweifle nicht, daß er sich von selbst heranmacht. […] Um seinen Eifer wachzuhalten, laß ihn in dem Glauben, es sei ein Spiel für die, welche über ihm stehen; und wenn er auf solche Weise die Buchstaben gelernt hat, tausche man sie gegen Silben aus, und so mag er lesen lernen, ohne daß er weiß, wie er es angefangen hat.«21

Die Vorstellung Lockes, dass Kinder beim Spielen Spaß haben und dabei– ohne es zu merken – sowohl ihr Wissen vergrößern als auch ihr Handeln eigenständig weiter ausbilden, kann sowohl aus der aktuellen allgemein- wie auch philosophiedidaktischen Sicht geteilt werden22, weil es sich – wie von Bildungs-, Kern- oder Rahmenlehrplänen gefordert – um ein auf einen Output angelegtes Verfahren handelt. Seine grundlegenden Ausführungen lassen sich somit auch mühelos auf den modernen Philosophie- bzw. Ethikunterricht übertragen, denn Schülerinnen und Schüler werden dort durch den Einsatz von Spielen insofern gefördert, als sie sich betätigen müssen und sich durch ihr eigenes Tun zum Teil bewusst, zum Teil unbewusst mit philosophischen Fragen oder Problemen auseinandersetzen und so nahezu automatisch einen Lernzuwachs erwerben. An dieser Stelle sei auf die empirische Studie der American Audiovisual Society von 1982 hingewiesen23, in der der Nachweis erbracht wurde, dass eine Person von dem, worüber sie spricht und was sie selbst ausführt, zwischen 70 % bis 90 % behält, während ihr durch Lesen lediglich 10 %, durch Hören 20%, durch Anschauen und Betrachten 30 % und durch Anschauen und Hören 50 % in Erinnerung bleiben. Dass die durch das Spielen im Unterricht erzielten Ergebnisse in der Regel nicht verloren gehen, liegt darin begründet, dass Schülerinnen und Schüler während eines philosophisch motivierten Spiels miteinander auf sprachlicher und praktischer Ebene interagieren. Auf diese Weise werden so viele unterschiedliche Eingangskanäle angesprochen, dass Schülerinnen und Schüler auch nach zeitlich großem Abstand noch die Unterrichtsergebnisse kennen und zum Teil sogar noch die einzelnen Phasen des Spiels detailliert wiedergeben können.

Lockes Ausführungen führen in der Folge zu einem neuen Blick auf das Spiel und zu einem anderen Umgang mit ihm. Zu seiner Zeit war noch an allen Schulen das Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden von Befehl und Gehorsam geprägt. Der englische Philosoph aber schlug einen anderen Weg ein, der sich durch Nachsicht und Geduld auszeichnete und die Individualität eines Kindes berücksichtigte. Das Spiel war ihm dabei ein »willkommener Helfer«.24

Allerdings dauerte es noch bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, bis es den Pädagogen einigermaßen gelang, ihre Mitmenschen davon zu überzeugen, dass das Spiel nichts Unnützes sei, sondern eine für die Entwicklung eines heranwachsenden Menschen notwendige Tätigkeit. Als Wegbereiter für die Akzeptanz des Spiels können dabei insbesondere im 18. Jahrhundert der Philosoph Jean-Jacques Rousseau, der Pädagoge Johann Bernhard Basedow, der Schriftsteller Jean Paul sowie im 19. Jahrhundert der Pädagoge Friedrich Fröbel angesehen werden. Sie alle propagierten eine freie, schöpferische – keine gelenkte – Spielweise, damit Kinder durch Erfindung von eigenen Spielen und gegenseitiger Nachahmung zu neuen Erkenntnissen gelangen.25 Fröbel weist darauf hin, dass das Kind im Vorschulalter durch das Spiel lustvoll erfahren könne, wie sich seine physischen und intellektuellen Fähigkeiten entwickeln. Darüber hinaus könne es im Spiel mit anderen Erfahrungen mit moralischen und gesellschaftlichen Werten machen und dadurch seine Tugenden entfalten: »Im Spiel, so sagt Fröbel, spürt das Kind, wie seine Kraft wächst, seine körperliche und geistige, und dieses Gefühl bereitet ihm Vergnügen! In der kindlichen Spielgesellschaft erkennt er aber auch schon die ersten Regungen der Gerechtigkeit, Mäßigung, Freundschaft, Selbstbeherrschung, Wahrhaftigkeit und Treue, er entdeckt die beginnenden Tugenden der Beharrlichkeit, der Entschlossenheit und Besonnenheit«.26 Für die von Fröbel in den Blick genommene Gruppe von drei- bis sechsjährigen Kindern ist dieser Einschätzung sicherlich zuzustimmen. Im Unterricht der Sekundarstufen I und II allerdings ist das angeleitete Spiel vorzuziehen, da es – anders, als es das freie Spiel leisten kann – der Ausbildung eindeutig definierter Kompetenzen (Sach-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenz) dient. Die Beiträge dieses Bandes konzentrieren sich aus diesem Grund auf das angeleitete Spiel.

Zum Aufbau des Buches

Auch wenn es im Bereich der (Allgemeinen) Pädagogik schon seit langem viele Bücher und Aufsätze zur didaktischen Funktion des Spiels bzw. Spielens gibt, scheint sich dieses Thema auch in der Philosophiedidaktik langsam zu etablieren. Das dem so ist, lässt sich vor allem an der steigenden Anzahl von Publikationen in den letzten Jahren ablesen. Im deutschsprachigen Raum liegt als theoretische Grundlage allerdings bislang nur das Standardwerk Spiel als Weltzugang. Philosophische Dimensionen des Spiels in methodischer Absicht von Christian Klager vor. Daneben existieren noch die beiden Anthologien Das Spiel als Kulturtechnik des ethischen Lernens (hrsg. von Eva Marsal und Takara Dobashi) und Dimension der Moral im Spiel (hrsg. von Christian Klager), die sich sowohl theoretisch als auch praktisch dem Spiel von der Primarstufe bis zur Qualifikationsphase zuwenden. Neben einigen wenigen Büchern, die vorgeben, philosophische Spiele zu enthalten27, sind seit 2007 zumindest zwei Ausgaben der philosophiedidaktischen Zeitschrift Ethik und Unterricht (Heft 3/2007: Spiel und Leben sowie Heft 4/2012: Ball und Spiel) und eine Ausgabe der Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik (Heft 4/2015: Spielend philosophieren) zu diesem philosophiedidaktischen Aspekt herausgegeben worden.

Der vorliegende Band hat nicht nur die Intention, Spiele für unterschiedliche Bereiche der Philosophie und Ethik anzubieten und dabei beide Sekundarstufen im Auge zu behalten, sondern er versucht auch, unterschiedliche Formen des Spiels aufzugreifen. Dies sind insbesondere Plan- und Computerspiele, die wahrscheinlich beide in Zukunft eine größere Rolle im Philosophie- bzw. Ethikunterricht spielen werden.

Wie die meisten Bände dieser Reihe besteht auch dieses Buch aus drei Teilen, einem Theorie- und einem Praxisteil sowie einer auf das Thema zugeschnittenen Auswahlbibliographie. Auf einen Materialteil wurde bewusst verzichtet, weil aufgrund der Fülle an bereitzustellenden Spielmittel der Rahmen dieser Ausgabe gesprengt worden wäre.

Der Theorieteil fällt für die vorliegende Methoden- und Medienreihe recht umfangreich aus, weil die Auffassungen darüber, welche Spiele mit welcher Intention bzw. mit welchem Ziel im Philosophie- bzw. Ethikunterricht eingesetzt werden sollen, stark divergieren. Um das vielfältige Meinungsspektrum darzustellen, haben wir uns dazu entschieden, diesem Teil ausnahmsweise mehr Raum zu gewähren.

Der Praxisteil besteht in diesem Band nicht nur aus Beispielen, die sich im Philosophie- bzw. Ethikunterricht der Sekundarstufen I und II einsetzen lassen, sondern er weist noch zwei weitere Kapitel auf. So wird im dritten Teil das Planspiel vorgestellt und anhand von Beispielen gezeigt, wie es sich konkret in den Unterricht einbinden lässt. Der vierte und letzte Teil dieses Kapitels widmet sich dem Computerspiel. In den entsprechenden Beiträgen werden nicht nur aktuelle und ältere Spiele besprochen, sondern es wird auch die Frage thematisiert, wie sie überhaupt im Unterricht umgesetzt werden können. Computerspiele zu ignorieren, würde bedeuten, einerseits die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler nicht im Blick zu haben und andererseits ein Phänomen zu unterschätzen, das sich mittlerweile zu einem riesigen Industriezweig mit großen Einflussmöglichkeiten entwickelt hat und das immer häufiger moralische Fragen in Spiele einbettet oder diese sogar gänzlich in den Vordergrund stellt.

Der Band endet mit einer Auswahlbibliographie von Büchern und Aufsätzen, in denen sich die Autorinnen und Autoren ausschließlich aus philosophiedidaktischer Sicht mit dem Spielen beschäftigen.

1 Beim Zertifikatskurs »Praktische Philosophie« handelt es sich um eine einjährige Fortbildungsmaßnahme des Landes NRW, in der Lehrerinnen und Lehrer der Schulformen Gymnasium, Gesamtschule, Realschule, Sekundarschule, Hauptschule und Förderschule die Lehrerlaubnis für das Fach Praktische Philosophie erwerben können, sofern sie nicht die Lehrbefähigung (Fakultas) für das Fach Praktische Philosophie durch Studium und Referendariat erworben haben.

2 Aus Platzgründen können allerdings nur einige signifikante Eckpunkte Berücksichtigung finden. Der Blick auf die getroffene Auswahl erfolgt dabei natürlich unter didaktischen Gesichtspunkten.

3 Aristoteles: Nikomachische Ethik, übers. und hrsg. von Gigon, Olof, dtv klassik 2146, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 51984, S. 294.

4 Aristoteles: Politik, übers. und hrsg. von Gigon, Olof, dtv klassik 2136, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 51984, S. 251.

5 Ebd., S. 251–252.

6 Kant, Immanuel: »Pädagogik«, in: Kant Immanuel: Kant’s gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Erste Abtheilung: Werke, Bd. 9: Logik – Physische Geographie – Pädagogik, Walter de Gruyter & Co., Berlin/Leipzig 1923, S. 437–486: S. 470–471.

7 Ebd., S. 470.

8 Kant, Immanuel: »Kritik der Urtheilskraft«, in: Kant Immanuel: Kant’s gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Erste Abtheilung: Werke, Bd. 5: Kritik der praktischen Vernunft – Kritik der Urtheilskraft, Georg Reimer, Berlin 1913, S. 165–544, S. 304, §43 (A 175).

9 Vgl. Heidemann, Ingeborg: Der Begriff des Spieles und das ästhetische Weltbild in der Philosophie der Gegenwart, Walter de Gruyter & Co., Berlin 1968, S. 140.

10 Kant, Immanuel: »Kritik der Urtheilskraft«, a.a.O., S. 304, §43 (A 175).

11 Huizinga, Johan: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, übers. von Nachod, H. in Zusammenarbeit mit dem Verfasser, rde 21, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 101966, S. 20.

12 Ähnlich urteilt auch Caillois, Roger: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch, übers. von von Massenbach, Sigrid. Albert Langen – Georg Müller Verlag, München/Wien o. J., S. 9.

13 Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, stw 203, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 31982, §§ 66–67 (S. 56–57).

14 Martens, Ekkehard: »Das Spiel im Netz der philosophischen Methoden«, in: Marsal, Eva; Dobashi, Takara (Hrsg.): Das Spiel als Kulturtechnik des ethischen Lernens, Philosophie und Bildung, Bd. 5, LIT Verlag, Münster 2005, S. 6–11: S. 6.

15 Vgl. Scheuerl, Hans: Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen Möglichkeiten und Grenzen, Beltz Verlag, Weinheim/Basel 101977, S. 53.

16 Knoblauch, Helmut: »Und ewig spielt das Kind«, in: Abenteuer Philosophie 2/2006, S. 34–37: S. 35.

17 Fritz, Jürgen: Theorie und Pädagogik des Spiels. Eine praxisorientierte Einführung, Grundlagentexte Soziale Berufe, Juventa Verlag, Weinheim/München 1991, S. 18.

18 Locke, John: Gedanken über Erziehung, Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Wohlers, Heinz, UB 6147, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1983, § 108 (S. 127–128), §§ 129–130 (S. 160–164) und §§206–207 (S. 257–259).

19 Ebd., § 148 (S. 186–188) und §§ 150–152 (S. 188–190).

20 Ebd., §108 (S. 127).

21 Ebd., § 148 (S. 186–187) und §§ 150–151 (S. 188–189).

22 Natürlich gibt es auch andere – aus unserer Sicht allerdings unhaltbare – Auffassungen: Gegen Lernspiele generell sprechen sich z. B. Wetterling, Horst Helmut: »Kritische Bemerkungen zum ›Lernspiel‹«, in: Unsere Schule 5, 1950, Heft 10, S. 587–592 und vgl. Reichert, Walter: »Zum Problem des Lernspiels«, in: Unsere Schule 5, 1950, Heft 12, S. 713–717 aus. Die beiden Autoren würden Lockes Darstellung des Spiels nicht als Spiel, sondern als getarnte Arbeitsform ansehen. So stellt Wetterling die Frage, ob das Lernspiel überhaupt als Spiel betrachtet werden könne, weil es doch nichts anderes als ein Arbeitsmittel, eine verkleidete Aufgabensammlung sei, und Reichert sieht schon im Begriff »Lernspiel« einen Widerspruch, in dem »Unvereinbares zusammengedacht« werde, denn entweder werde gelernt oder es werde gespielt. Ein Lernspiel entpuppe sich somit als »erlogene Situation«.

23 Die Resultate der Studie der American Audiovisual Society haben Bernd Rolf und Jörg Peters in ihrem Aufsatz »Filme im Philosophieunterricht«, in: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik 25, 2003, Heft 2: Bilddidaktik, S. 157–164: S. 158 bereits angeführt (basierend auf: Kowalczik, Walter, Ottich, Klaus: Schülern auf die Sprünge helfen. Lern- und Arbeitstechniken für den Schulerfolg, rororo 9775, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1995), auch in: Peters, Martina; Peters, Jörg (Hrsg.): Philosophieren mit Filmen im Unterricht, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2019, S. 19–39: S. 21–22.

24 Dirx. Ruth: Das Buch vom Spiel. Das Spiel einst und jetzt, Burckhardthaus-Laetare Verlag, Gelnhausen/Berlin/Stein 1981 (Nachdruck der Ausgabe von 1968), S. 233.

25 Vgl. Rousseau, Jean-Jacques: Emil oder über die Erziehung, vollständige Ausgabe in deutscher Fassung, besorgt von Schmidts, Ludwig, UTB 115, Ferdinand Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 81987, S. 65: »[D]ie Freiheit, die ich meinem Zögling gebe, entschädigt ihn reichlich für die kleinen Unbequemlichkeiten, denen ich ihn aussetze. Da spielen Lausbuben im Schnee blau, verfroren und mit klammen Fingern. Sie können sich wärmen gehen, aber sie tun es nicht. Zwingt man sie dazu, so empfinden sie den Zwang hundertmal mehr als die Kälte. Worüber beklagt ihr euch also? Mache ich euer Kind elend, wenn ich es den Unbequemlichkeiten aussetze, die es selber ertragen will? Ich tue ihm jetzt einen Gefallen, wenn ich es frei spielen lasse, und für die Zukunft sein Bestes, wenn ich es gegen die Übel wappne, die es noch ertragen muß. Hätte es die Wahl. mein oder euer Schüler zu sein, glaubt ihr, daß es einen Augenblick zögern würde?«; vgl. auch Basedow, Johann Bernhard: »Das Basedowsche Elementarwerk« (Auszüge), in: Basedow, Johann Bernhard: Ausgewählte pädagogische Schriften, besorgt von Reble, Albert, Schöninghs Sammlung pädagogischer Schriften – Quellen zur Geschichte der Pädagogik, Ferdinand Schöningh, Paderborn 1965, S. 165-213: S. 183: »Sie [die Kinder] spielen gern Nachahmung aller zusammenhängenden Handlungen, welche im Ernste nur die vornehmen Glieder des Hauses tun dürfen, und deren Folge und Ordnung Kinder bemerken und behalten können, Nehmet also den Schein solcher Handlungen an, wenn ihr wollt, daß Kinder durch Nachahmung derselben unter sich spielen«, und vgl. Paul, Jean »Levana (I)«, in: Paul, Jean: Werke, 12 Bde., Bd. 9: Vorschule der Ästhetik – Levana (I), hrsg. von Müller, Norbert, Nachworte von Höllerer, Walter, Hanser Verlag, München/Wien, S. 515–639: S. 604 (§ 50) und S. 608–609 (§ 54): »Erst später, wenn in den fünf Akten der fünf Sinne die Erkennung der Welt geschehen ist und allmählich ein Wort um das andere den Geist freispricht, hebt die größere Freiheit des Selbstspiels an. Es regt sich die Phantasie, deren Flügelknochen erst die Sprache befiedert. Nur mit Worten erobert das Kind gegen die Außenwelt eine innere Welt, auf der es die äußere in Bewegung setzen kann. Es hat zweierlei Spiele, sehr verschieden in Zweck und Zeit – 1) die mit Spielsachen und 2) die mit und unter Spiel-Menschen. […] Die zweite Spielgattung ist Spielen der Kinder mit Kindern. Sind einmal Menschen für Menschen gemacht, so sinds folglich auch Kinder für Kinder, nur aber viel schöner. In den ersten Jahren sind Kinder einander nur Ergänzungen der Phantasie über ein Spielding; – zwei Phantasien spielen, wie zwei Flammen, neben- und ineinander unverknüpft. Auch nur Kinder sind kindisch genug für Kinder. Aber in den spätern Jahren wird das erste Bändchen der Gesellschaft aus Blumenketten gesponnen; spielende Kinder sind europäische kleine Wilden im gesellschaftlichen Vertrag zu einem Spiel-Zweck. Erst auf dem Spielplatz kommen sie aus dem Vokabeln- und Hörsaal in die rechte Expeditionstube und fangen die menschliche Praxis an. Denn Eltern und Lehrer sind ihnen immer jene fremden Himmelgötter, welche, nach dem Glauben vieler Völker, den neuen Menschen auf der neugebornen Erde lehrend und helfend erschienen waren; wenigstens sind sie den Kinderzwergen die körperlichen Titanen; – folglich ist ihnen in dieser Theokratie und Monarchie freies Widerstreben verboten und verderblich, Gehorsam und Glaube verdienstlich und heilbringend. Wo kann denn nun das Kind seine Herrscherkräfte, seinen Widerstand, sein Vergeben, sein Geben, seine Milde, kurz jede Blüte und Wurzel der Gesellschaft anders zeigen und zeitigen als im Freistaate unter seinesgleichen? – Schulet Kinder durch Kinder! – Der Eintritt in den Kinderspielplatz ist für sie einer in ihre große Welt – und ihre geistige Erwerbschule ist im kinderlichen Spiel- und Gesellschaft-Zimmer. Es trägt z. B. oft einem Knaben mehr ein, Prügel selber auszuteilen, als sie zu erhalten vom Hofmeister, desgleichen mehr, sie von seinesgleichen als sie von oben herab aufzufangen.«

26 Dirx, Ruth: Das Buch vom Spiel. Das Spiel einst und jetzt, a.a.O., S. 248–249.

27 Vgl. dazu Peters, Jörg: »Der Einsatz von Spielen im Philosophie- und Ethikunterricht«, in: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik 37, 2015, Heft 4: Spielend philosophieren, S. 80–87: S. 81–83 (auch in diesem Band, vgl. S. 79–89).

1 DER EINSATZ VON SPIELEN IM PHILOSOPHIE- UND ETHIKUNTERRICHT

Das Spiel im Netz der philosophischen Methoden

Ekkehard Martens

Wenn man spielt, braucht man nicht zu wissen, was ein Spiel ist – man spielt einfach dieses Spiel und muss sich darin lediglich praktisch auskennen. Wenn man dagegen, wenn auch in praktischer Absicht, über das Spiel redet, etwa über »Das Spiel als Kulturtechnik des ethischen Lernens«, muss man wissen und Auskunft geben können, wovon die Rede sein soll. Versucht man hierfür »Spiel« zu definieren, wird man schnell feststellen, dass dies nicht so recht gelingt. Es gibt in unserer Alltagserfahrung und Tradition, erst recht in den unterschiedlichen Kulturen, so viele unterschiedliche Beispiele und Arten von Spielen, dass man sie nicht in einer einzigen, festen Wesens- oder Zweckbestimmung einfangen kann. Was »das« Spiel ist und wozu es gut sein soll, lässt sich nicht eindeutig definieren. Diese Erfahrung kann man bereits in der Alltagssprache machen.

Man kann sich aber auch zusätzlich auf Wittgensteins Theorie der »Familienähnlichkeiten« der Begriffe mit seinem Paradebeispiel des »Spiels« berufen.1 Wir müssen auf die eine Definition, die uns aus der verwirrenden Vielfalt unserer Vorstellungen heraushelfen könnte, leider verzichten. Eine zunächst als befreiend empfundene Möglichkeit könnte dann sein, den Zwang zur Einheitlichkeit abzustreifen und fröhlich mit der Vielfalt zu leben. Wir nennen einfach »Spiel«, wie es uns gerade Spaß macht. Statt angestrengter, erfolgloser Begriffsarbeit scheint auch Philosophie insgesamt ein schönes Spiel mit Begriffen zu sein. Das Programm der Philosophen wäre gescheitert, die in den Spuren Platons versuchen, für die vielen Beispiele wichtiger, vor allem moralischer Begriffe von »gut« und »böse« eine Definitionen zu finden, um endlich den einen Maßstab für die vielen Fälle zu haben und damit das Handeln auf feste Ziele zu beziehen.

Ob es sich dabei aber wirklich um Platons Programm handelt, ist zweifelhaft, ja sogar eindeutig zu verneinen. In Platons Spätdialog Parmenides etwa lobt der alte Parmenides, der Vertreter des »Einen«, zwar den Versuch des jungen Sokrates, jeweils eine Idee für die vielen Beispiele und Arten von Begriffen zu suchen. Er zeigt ihm aber auch, mit welchen Problemen eine derartige Suche verbunden ist. Dabei bringt er fast sämtliche Einwände vor, die seit Aristoteles gegen Platons sogenannte Ideenlehre vorgebracht wurden, etwa dass man dabei die Idee wie einen geistigen Gegenstand behandelt. Dennoch hält auch Parmenides an der Suche nach dem Einen fest. Wir müssen wissen, wovon wir reden, wenn wir nicht aneinander vorbeireden wollen. Und wir sollten nicht aneinander vorbeireden, wenn wir uns auf ein gemeinsames Handeln einlassen wollen oder müssen. Und wenn dieses Handeln Erfolg haben soll, müssen wir die wirklichen, nicht nur die ausgedachten Bedingungen unseres Handelns kennen. Wir können somit nicht einfach reden und handeln, wie wir – als einzelne oder als Gruppe – wollen.2 Die Suche nach dem Einen ist und bleibt nötig. Andrerseits ist sie, wie der alte, erfahrene Parmenides zeigt, nicht ohne weiteres im direkten Zugriff möglich. Nachdem Parmenides seine Einwände theoretisch im Gespräch mit Sokrates vorgetragen hat, führt er in einem »anstrengenden Spiel«3 (pragmateiode paidian) als praktische Definitionsübung vor, dass die Suche nach dem Einen notwendigerweise mit dem Vielen verbunden ist. Bereits wenn wir von dem »Einen« sprechen, haben wir es mit dem »Vielen« zu tun: mit dem Begriff des Einen und mit der damit bezeichneten Wirklichkeit des Einen. Und wenn wir umgekehrt von dem »Vielen« reden, benutzen wir hierfür den einen Begriff des »Vielen«. Der ausführliche Hauptteil des Dialogs Parmenides handelt in immer wieder neuen, oft verwirrenden Anläufen davon, wie beides, das Eine und das Viele, notwendigerweise miteinander verbunden ist.4

So benutzen wir auch den einen Begriff »Spiel«, haben aber viele unterschiedliche Vorstellungen, was wir damit meinen. Und selbst wenn wir uns jeweils auf eine gemeinsame Definition einigen, benutzen wir dabei Begriffe, die ihrerseits im Netz des Einen und Vielen gefangen sind. Zappeln wir hilflos im Netz unserer Sprache? Wie wir aus dem Netz unserer Begriffe zwar nicht herauskommen, aber dennoch mit ihm verlässliche Erkenntnisse einfangen können, zeigen die sokratischen Frühdialoge Platons. In ihnen führt der erfahrene Sokrates an praktischen Beispielen vor, wie man mit Hilfe eines Netzes philosophischer Methoden dem Dogmatismus des Einen und dem Relativismus des Vielen entgehen kann. In den Dialogen mit seinen Gesprächspartnern verfällt der alte Sokrates weder dem naiven Irrtum des jungen Sokrates, als ob man den einen, wahren Begriff im direkten Zugriff erfassen könne, noch bleibt er im bloß abstrakten Spiel der Begriffe des alten Parmenides stecken. Ein besonders gutes Beispiel für das sokratische Netz der philosophischen Methoden ist der Frühdialog Laches über die Tapferkeit:

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Der Dialog

Laches

mit den beiden Feldherren handelt vor dem allgemeinen Erfahrungshintergrund, dass man einerseits im Krieg auf Befehl gegen den Feind einfach drauflos stürmt, dass aber andrerseits im Peloponnesischen Krieg der Griechen untereinander das alte Freund-Feind-Schema und die herkömmlichen Wertvorstellungen aus den Perserkriegen oder dem Kampf um Troja problematisch geworden sind

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Sokrates erinnert seine beiden Gesprächspartner daran, dass ihr Verhalten von einer bestimmten Vorstellung oder einem Begriff von Tapferkeit geprägt ist, der aus der alten, vergangenen Welt Homers stammt: Hinsichtlich der kriegerischen Tapferkeit in einem Freund-Feind-Schema mit der konkreten Frage, ob ihre Söhne Fechten lernen sollen, um dadurch tapfer zu werden, müssen die Väter grundsätzlich beides prüfen: das Ziel und das Mittel. In einer begrifflich-argumentativen Analyse stellt sich heraus, dass der Erfahrungsbezug des Ziels zu eng ist (es gibt auch Zivilcourage), sein Wert fraglich ist (tapfer wozu?) und das erhoffte Mittel ambivalent ist (mit dem Fechten macht man nicht nur gute Erfahrungen).

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In Rede und Gegenrede schälen sich zwei scheinbar gegensätzliche Auffassungen heraus: Tapferkeit als unüberlegter Affekt und als bloßes Nachdenken über Mittel und Ziele (der Leser als dritter Dialogpartner kann beides leicht miteinander verbinden: Tapferkeit als überlegter Affekt).

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Insgesamt ist das sokratische Philosophieren bei Platon von Metaphern, Bildern und Gedankenexperimenten durchzogen (Höhlengleichnis, Seelenwagen, Ring des Gyges, Gericht im Jenseits etc.); im

Laches

nur indirekt, insofern Sokrates ausgerechnet mit den beiden Haudegen philosophiert und das Gedankenspiel nahelegt: Hätten die beiden Feldherren und Athen möglicherweise ein besseres Schicksal gehabt, wenn sie sich durch Denken statt durch blinden Affekt orientiert hätten?

Das sokratische Philosophieren, so zeigt beispielsweise der Laches, ist weder eine vergebliche Suche nach dem einen, wahren Begriff noch eine bloße Spielerei mit den vielen Begriffen, sondern versucht sich mit Hilfe unterschiedlicher Methoden über ein fragliches Phänomen Klarheit zu verschaffen und im Erkennen voranzukommen, um sie im Lichte neuer Erfahrungen, Tatsachen und Argumente wieder zu verbessern. Die Methoden lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

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etwas genau und differenziert beobachten und beschreiben (phänomenologisch)

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jemanden verstehen, wie man selbst oder ein anderer etwas versteht oder ansieht (hermeneutisch)

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begrifflich und argumentativ prüfen, was jemand zu verstehen gibt (analytisch)

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einander widersprechen und miteinander über Behauptungen streiten (dialektisch)

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phantasieren und sinnieren, wie man etwas ganz anders verstehen könnte (spekulativ).

Die fünf elementaren Methoden des Philosophierens – die nicht mit den elaborierten Methoden der entsprechenden philosophischen Richtung verwechselt werden dürfen – bilden als Fünf-Finger-Modell zusammen eine Hand. Im prinzipiell unabschließbaren Prozess des Weiterdenkens lassen sich die Methoden in kein streng lineares Schema mit einem festen Anfang und Ende pressen und sind nicht voneinander zu isolieren. Vielmehr sind sie lediglich Akzente oder einzelne Finger der ganzen Methoden-Hand. So ist die Phänomenwahrnehmung eines Gegenstands oder einer Situation – etwa der fraglichen Tapferkeit – immer schon durch bestimmte Deutungsmuster von etwas als