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In ihren Kurzgeschichten ist die junge rumänische Autorin Lavinia Braniște so aktuell, wie sie nur sein kann. Wie erzählt man realistisch von Begehren und Lust? Ähnlich wie die US-amerikanische Erfolgsautorin Kristen Roupenian in "Cat Person" zeigt Braniște, dass Machtspielchen sexy sein können. Sie können aber auch zarte Liebesgefühle im Keim ersticken. Da ist: ein Pärchen-Abendessen inklusive Mikro-Aggressionen beim Küssen, Kochen, Duschen, Sex. Und da ist auch ein Online-Date, das vielleicht besser online geblieben wäre. Zwei aktuelle, komisch-verzweifelte Liebesgeschichten, aus dem Rumänischen übersetzt von Anke Pfeifer und Ernest Wichner. „Mindestens Größe L!“ Literaturpalast Lavinia Branişte wurde 1983 in Brăila, im Südosten Rumäniens, geboren. Sie arbeitet als Autorin und Literaturübersetzerin. 2018 erschien ihr Debüt "Null Komma Irgendwas" (Original: Interior Zero) auf Deutsch, der 2016 als bester rumänischer Roman ausgezeichnet wurde. 2019 ist sie Stipendiatin im International Writers' House Graz und im Hessischen Literaturforum.
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Seitenzahl: 42
Veröffentlichungsjahr: 2019
Wie erzählt man realistisch von Begehren und Lust, ohne in den Kitsch abzudriften?
Machtspielchen können sexy sein, aber auch zarte Liebesgefühle im Keim ersticken. Da ist: ein Pärchen-Abendessen inklusive Mikro-Aggressionen beim Küssen, Kochen, Duschen, Sex; ein Online-Date, das vielleicht besser online geblieben wäre. Aktuellste, komisch-kritische, auch verzweifelte Liebesgeschichten.
In ihren Kurzgeschichten „Planet Romeo“ und „Eskapade“ ist die junge rumänische Autorin Lavinia Braniște so aktuell, wie sie nur sein kann. Cat Person auf Rumänisch.
Lavinia Braniște
Planet Romeo
Zwei Erzählungen
Aus dem Rumänischen von Anke Pfeifer und Ernest Wichner
ein mikrotext
Erstellt mit Booktype
Cover: Inga Israel
Covertypo: PTL Attention
www.mikrotext.de– [email protected]
ISBN 978-3-944543-79-6
Alle Rechte vorbehalten.
© mikrotext 2019, Berlin
Inhalt
Impressum
Titelseite
Planet Romeo
Eskapade
Über die Autorin
Über die Übersetzer
Katalog
Roman von Lavinia Braniște (Lesetipp)
Wie man mit einem Mann glücklich wird (Lesetipp)
Diese eine Nacht (Lesetipp)
Lavinia Braniște
Planet Romeo
Zwei Erzählungen
Aus dem Rumänischen von Anke Pfeifer und Ernest Wichner
Raluca und George wollten über die Weihnachtsferien raus aus Bukarest. Seine Eltern, ihre Eltern, in die Berge, dann wieder bei den Eltern vorbei, um das Auto mit Hausgemachtem und Resten vom Festmahl vollzuladen. Sie würden etwa zwei Wochen wegbleiben und überließen Radu die Wohnungsschlüssel, damit er jeden Tag hinging, um die Katzen zu füttern und die einzige Pflanze, einen gewaltigen Gummibaum, zu gießen, der in der Höhe gar nicht mehr in die Wohnung passte. Seine Spitze war von der Decke ganz umgebogen. Radu hatte Mitleid mit ihm, als sei er ein großer, langer Kerl, der keinen Platz hat in einem Auto, das viel zu klein für ihn ist. In einem VW-Käfer, zum Beispiel.
Es war nicht das erste Mal, dass sie so verfuhren. Radu war ihr bester Freund, er wohnte nur einen Katzensprung entfernt, und sooft sie länger als einen Tag von zu Hause weg waren, gaben sie ihm die Schlüssel in die Hand, damit er hinging und nachsah, ob alles in Ordnung war.
Radu wohnte bei seinen Eltern. Er hatte einen miesen Job, der es ihm nicht erlaubte, in eine eigene Wohnung umzuziehen, obwohl er dies schon seit einigen Jahren wollte. Er gab jeden Monat 800 Lei für Zigaretten aus, und bei einem Feierabendbier, zu dem sie sich häufig trafen, hatten sie ihm wiederholt gesagt, dass er sich doch bemühen könnte, das Rauchen zu lassen, und dass er sich von dem Geld eine eigene Wohnung mieten solle. Nichts regte ihn mehr auf als gescheite Nichtraucher, die sich anschickten, ihm Ratschläge zu erteilen, und ihm ausmalten, dass es möglich sei, eines Morgens aufzuwachen und schlicht und einfach kein Bedürfnis mehr nach Zigaretten zu haben. Raluca und George waren ebenfalls Raucher, aber sogar sie sagten es zu ihm. „Du könntest für dich sein“, sagten sie.
Die Eltern wohnten an der Kreuzung Batiştei, Ecke I.L. Caragiale, im Parterre. Dort hatten sie eine riesige Wohnung mit vielen Zimmern, einschließlich Mädchenkammern, und Radus Zimmer lag direkt an der Ecke. Die Ecke war stumpf, und auf eben jener kleinen Seite des Polygons befand sich sein Fenster, aus dem er beide Straßen von einem Ende zum anderen einsehen konnte. Allerdings nicht so ganz, da sie an den Fenstern Gitter hatten und er den Kopf nicht hinausstecken konnte. Er stand am offenen Fenster, rauchte und streckte nur die Hand aus, um die Zigarettenasche fallen zu lassen, oder er näherte Nase und Lippen ganz dicht den Biegungen des in beinahe floralen Formen geschmiedeten Gitters, drückte Nase und Kinn durch die Eisenstäbe, die ihm schon in seiner Kindheit wie gewundene Blätter erschienen waren, spitzte seine Lippen und stieß den Rauch hinaus auf die Straße in das geschäftige Treiben und Hupen. Unter seinem Fenster befand sich der Gehweg und unter dem Rauch seiner Zigarette zogen Köpfe von Passanten vorbei.
Raluca und George brachen früh am Morgen auf. Die Leute waren schon in den Ferien. Überall herrschte Ferienstimmung. Radu hatte sich den Wecker gestellt und stand, noch ganz zerknittert im Gesicht, mit der Zigarette am offenen Fenster und hielt zur vereinbarten Zeit an der Ecke Ausschau. Es hatte zu schneien begonnen, dazu war es windig und so zog der Rauch wieder ins Zimmer.
George hielt mit dem Auto am Zebrastreifen an der Ecke. Auf der Straße war noch niemand um diese Uhrzeit und dennoch schien sie nicht wie ausgestorben, da auf beiden Seiten Dutzende von Autos eng aneinander und manchmal bis an die Hausmauer parkten. Selbst, wenn er hätte länger halten wollen, hätte er gar nicht gewusst, wo das Auto abstellen. Er fuhr einen alten Suzuki Alto wer weiß welchen Baujahrs, der innerhalb der Familie von einem zum anderen wanderte, bis er schließlich bei ihm gelandet war. Aber nicht für lange, denn das Auto hielt gerade noch so. Im Winter, wenn sie es herausholten, musste es minutenlang bei laufendem Motor stehen, bis es warm wurde. Und jetzt saßen sie bei beschlagenen Scheiben in dicke Sachen eingemummelt, Schals um den Hals, und George mit verschwitzten Händen am Lenkrad.