Plötzlich in Indien - Raffaela Breitinger - E-Book

Plötzlich in Indien E-Book

Raffaela Breitinger

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Beschreibung

Indien, ein Land voller Farben und freundlicher Menschen, in dem das Reisen als europäische Frau nicht immer leichtfällt. Zu Beginn ihres Studiums reist die Autorin - ohne vorherige Recherchen und offen für ein Abenteuer - spontan nach Indien, um dort ein Praktikum zu absolvieren sowie eine neue Kultur kennenzulernen. Sie nimmt uns in ihrem Reisetagebuch mit, um beeindruckende Kulturstätten wie den Taj Mahal zu besuchen und den schönen, aber anspruchsvollen Alltag in diesem Land zu erleben. Dabei lernt sie viel Besonderes und Liebenswertes kennen, reflektiert sowohl sich als auch die andere Kultur, kann jedoch einen Kulturschock nicht vermeiden.

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Seitenzahl: 285

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Reiseliteratur

Für die Menschen, die diese Reise für mich zu einem unglaublichen Erlebnis machten und mit denen ich eine wunderschöne Zeit in diesem außergewöhnlichen Land verbrachte, vor allem aber für Jaideep, Puna, Mum und Dad.

Für meinen Vater, der mich immer unterstützte und mir so viele Reisen ermöglichte.

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

WARUM NACH INDIEN?

Sonntag 2. Januar, Neu-Delhi

Montag 3. Januar, Neu-Delhi

Dienstag 4. Januar, Chandigarh

Mittwoch 5. Januar, Chandigarh

Donnerstag 6. Januar, Jalandhar

Freitagnacht 7. Januar, im Bus nach Neu-Delhi

Samstag 8. Januar, im Bus nach Jaipur

Sonntag, 9. Januar, Jaisalmer

Dienstag 11. Januar, im Zug nach Jodhpur

Mittwoch, 12. Januar, Jalandhar

Donnerstag, 13. Januar, Jalandhar

Freitag, 14. Januar, Jalandhar

Samstag, 15. Januar, Jalandhar

Sonntag 16. Januar, im Bus von Jalandhar Richtung Amritsar

Montag, 17. Januar, Jalandhar

Dienstag 18. Januar, Jalandhar

Mittwoch 19. Januar, Jalandhar

Donnerstag 20. Januar, Jalandhar

Freitag 21. Januar, Jalandhar

Samstag 22. Januar, Jalandhar

Sonntagnacht 23. Januar, in einem verlassenen Dorf in den Bergen

Montag 24. Januar, im Bus auf dem Weg in die Berge

Dienstag 25. Januar, Dharamsala

Mittwoch 26. Januar, im Bus nach Jalandhar

Donnerstag 27. Januar, Jalandhar

Freitag 28. Januar, Jalandhar

Samstag 29. Januar, Jalandhar

Sonntag, 30. Januar, im Bus, auf dem Weg nach Pinjore

Montagnacht, 31. Januar, Jalandhar

Montagmittag, 31. Januar, Jalandhar

Dienstag, 1. Februar, Jalandhar

Mittwoch, 2. Februar, Jalandhar

Donnerstag, 3. Februar, Jalandhar

Freitag, 4. Februar, Jalandhar

Samstag, 5. Februar, in der Universität, Jalandhar

Montag, 7. Februar, Jalandhar

Dienstag, 8. Februar, Jalandhar

Mittwoch, 9. Februar, Jalandhar

Freitag, 11. Februar, Agra

Samstag, 12. Februar, Agra, Taj Mahal

Sonntag, 13. Februar, Neu-Delhi

Montag, 14. Februar, im Flugzeug nach Deutschland

Montag, 21. Februar, Deutschland

Rückblick im Jahr 2022

VORWORT

Nach den zahlreichen unerfreulichen Vergewaltigungs-Schlagzeilen aus Indien, die Ende 2012 begannen und bis in die Gegenwart anhalten, konnte ich es nicht lassen, nach zehn Jahren meine alten Reisetagebücher aus dem Schrank zu holen und meinen eigenen sechswöchigen Aufenthalt in der Stadt Jalandhar (im Bundesstaat Punjab) im Jahre 2011 zu reflektieren. Zu der Entscheidung, die Erfahrung über meine ungewöhnliche Zeit in diesem fernen, uns fremden Land für andere Menschen niederzuschreiben, kam ich, da ich aufgrund der Berichte über die fehlenden Frauenrechte in Indien das Gefühl bekam, dass nur diese Facette des beeindruckenden Landes dargestellt wird. Den schönen Seiten, wie der reichhaltigen Kultur und der unglaublichen Gastfreundschaft seiner herzlichen Bevölkerung, wird hingegen nur wenig Beachtung geschenkt und genau davon möchte ich berichten.

Ich habe während meines Aufenthaltes in diesem Land vor allem wunderbare Freunde gefunden und einen Mann kennengelernt, der zu einem meiner besten Freunde, fast einem Bruder wurde. Der sich um mich kümmerte, als hätten wir uns immer gekannt, als wäre ich eine der wichtigsten Personen in seinem Leben. Der mich schätzte, respektierte und sich immer für meine Meinung interessierte. Ich bin bis heute dankbar, dass er in mein Leben getreten ist!

Das bedeutet nicht, dass ich den Ernst der Lage herunterspielen möchte, geschweige denn dass ich die Geschehnisse toleriere. Gewiss gibt es dort auch diese andere Art von Männern. Und es ist auch kein Geheimnis, dass Frauen in Indien wenige Rechte haben, von vielen Männern stark diskriminiert werden und es eine Veränderung dieser Zustände in naher Zukunft nicht im nötigen Umfang geben wird. Ich habe das selbst bei zwei prägenden und unangenehmen Erlebnisse auf meiner Reise zu spüren bekommen. Vielleicht habe ich auch erst aufgrund der schlimmen Schlagzeilen im Jahre 2012 realisiert, was für ein Glück ich in diesen Momenten hatte, dass mir nichts Schlimmes zu gestoßen war. Trotzdem finde ich diese Verallgemeinerungen nicht sinnvoll und bin bis heute froh, dass ich diese Reise unternommen habe, denn sonst hätte ich viel verpasst und wäre heute um eine große Erfahrung ärmer!

Es erscheint mir wichtig und ich hoffe, dass es mir mit diesem Reisetagebuch gelungen ist, die Hintergründe in diesem Land besser zu beleuchten, um die Menschen verstehen zu können, und nicht aufgrund der eigenen kulturspezifischen Perspektive vorschnell zu urteilen. Dabei beanspruche ich keine Allgemeingültigkeit. Es geht mir hier um meine Erfahrungen, Erinnerungen, Gedanken und Gefühle. Ich bin mir durchaus bewusst, dass viele Reisende andere Erlebnisse in diesem Land machten und machen. Doch ich will durch dieses Reisetagebuch betonen, dass Indien nicht nur das ist, was in den Fokus der Berichterstattung gestellt wird: Es gibt zahlreiche Probleme, aber rückblickend erinnere ich mich vor allem an die wunderbaren Seiten, die entdeckt werden sollten! Mir sind Menschen begegnet, die so viel Herz hatten, die mich aufnahmen, mir alles gaben, obwohl sie selbst nicht viel besaßen. Ich durfte ein Teil von alldem werden, wurde als Fremde unvergesslich herzlich in eine Familie aufgenommen, die mein Leben veränderte, ohne deren Existenz ich viel verpasst hätte!

Meiner Meinung nach wird gerade durch das Interesse an einer uns unbekannten Kultur und durch eine offene Begegnung mit dem anfänglichen Fremden ein produktiver Austausch ermöglicht, durch den beide Parteien wachsen, die eigene Kultur reflektieren und wodurch die bestehenden Umstände verändert werden können. Wenn wir immer nur das Schlechte in einer anderen Kultur sehen, verschließen wir die Augen für das Wunderbare, das Einmalige, das Atemberaubende! In keinem Land ist alles gut oder schlecht. Manchmal gibt es Probleme, vor denen niemand die Augen verschließen sollte, die auf keinen Fall ignoriert werden dürfen, doch aufgrund dieser Schwierigkeiten, sollten die schönen Seiten nicht in den Hintergrund rücken! Und wunderschöne Momente hatte ich eine Menge, weshalb ich sie an dieser Stelle gerne mit anderen Indien- und Reiseinteressierten teilen möchte. Es war jedoch nicht immer leicht, auch das möchte ich betonen. Gerade deshalb kann ich stolz sagen, dass ich an meinen Erfahrungen gewachsen bin, viel über mich gelernt habe und dass ich nicht die Person wäre, die ich heute bin, wenn ich sie nicht gemacht hätte!

Rückblickend erscheinen mir beim Lesen meiner Gedanken manche Ansichten und Handlungen etwas unüberlegt, doch ich wollte die Worte, die ich zu dieser Zeit niedergeschrieben hatte, nicht verändern. Ich denke, dadurch wäre viel Authentizität verloren gegangen, genauso wie die Leichtigkeit, die mich beim intensiven Kennenlernen dieser Kultur erfasste. Ich brachte meine Erfahrungen zum Teil mehr oder weniger durchdacht auf Papier. Sie waren für keine anderen Augen gedacht. Genauso unberührt wollte ich die Erinnerungen einer 21-jährigen belassen, die das erste Mal in ihrem Leben einen Kulturschock erlebt und zugleich feststellt, dass das Leben viele Kilometer von Zuhause entfernt ganz anders, aber trotzdem wunderschön sein kann. In der Hoffnung, dass es Menschen gibt, die durch meine Erlebnisse Lust bekommen, etwas Ähnliches zu unternehmen, das normale Leben hinter sich lassen und sich mit offenen Herzen von einer fremden Kultur verzaubern lassen, wenn auch informierter als ich dies tat. Dafür muss man nicht unbedingt nach Indien gehen. Ich glaube generell daran, dass jedes Land dazu fähig ist, uns in seinen Bann zu ziehen, wenn wir es nur zulassen und es entdecken wollen.

WARUM NACH INDIEN?

Ich werde oft gefragt, wie ich auf die Idee gekommen bin, nach Indien zu reisen: Ob es vielleicht ein langersehnter Kindheitstraum war, den ich mir mit dieser Reise endlich erfüllt hatte? Ob mich diese fremde Kultur und Religion schon immer faszinierten und ich deshalb schon seit vielen Jahren plante, eines Tages einmal in einem indischen Tempel Yoga zu machen und Bollywood-Filme im normalen Alltag zu erleben?

Um ganz ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht! Es war nicht so, dass mich Indien nicht interessiert hätte! Es ist vielmehr so, dass ich niemals damit gerechnet hätte, dass es mich je in dieses faszinierende Land verschlagen würde. Selbst als mein Abreisedatum immer näher rückte, erschienen mir meine Pläne noch völlig surreal, und erst in dem Moment, als ich wahrhaftig in der indischen Airline saß, in die indischen Kochkünste hineinschnupperte und mich kaum in meinem viel zu kleinen Sitz bewegen konnte, wurde mir mit aller Kraft bewusst, dass es kein Zurück mehr gab! Dass ich mich auf ein unglaubliches Abenteuer eingelassen hatte, das mein Leben verändern würde! Aber im gleichen Moment hatte ich auch das unangenehme Gefühl, dass die folgenden Wochen nicht so einfach für mich werden würden, womit ich tatsächlich Recht behalten sollte.

Ich gebe zu, ab und an in meinem Leben bin ich eine kleine Rebellin gewesen. Ich glaube zumindest, dass man das so nennt, wenn jemand drei Tage nach dem Abitur alleine nach Spanien verschwindet, um dort Kellnerin aus Leidenschaft zu werden. Aus geplanten drei Monaten wurden 1 ½ Jahre, regelmäßiges nach hinten Verschieben meines Studiums und die panische Angst meiner Familie und Freunde, dass ich für immer dortbleiben würde, um für den Rest meines Lebens öffentliche Toiletten zu putzen. Selbst mein bester Freund war sich damals sicher, dass ich nicht mehr zurückkehren würde. 2010 fing ich doch an zu studieren: Spanisch und Deutsch auf Lehramt, 2014 ist dann auch noch Geschichte dazugekommen. Heute, mit meiner eigenen Familie und in der Arbeitswelt angekommen, vermisse ich trotzdem manchmal das unbekümmerte und freie Leben in einer anderen Kultur, die Intensivität des Kellner-Daseins und die wunderbaren Menschen, die man täglich von Neuem kennenlernt.

Diese Faszination für das Andersartige und der Wunsch, immer wieder Neues zu erleben, würde mein Fernweh erklären, welches mich ab und an vor allem während der kalten Wintermonate in Deutschland befällt, beantwortet jedoch immer noch nicht die Frage, warum es mich dabei ausgerechnet ins ferne Indien verschlagen hatte. Es fing eigentlich alles mit einer persönlichen Krise – bedingt durch meine Rückkehr aus Spanien – im Herbst 2010 an. In meinem Leben hatte sich alles von einem Tag auf den anderen radikal verändert, was mich ziemlich aus der Bahn warf. Dadurch bekam ich das mich ständig begleitende Gefühl, ganz weit weg zu müssen und etwas Verrücktes zu unternehmen, um nicht die ganze Zeit über alles, was so den lieben, langen Tag passierte, nachdenken zu müssen. Als ich mich mit dem Gedanken befasste, die ganzen Semesterferien Zuhause verbringen zu müssen und nichts zu tun zu haben, wurde mir bewusst, dass ich das nicht durchstände. Ich bin ein sehr aktiver Mensch! Ich habe in Spanien manchmal über 80 Stunden in der Woche gearbeitet, zwei Monate Zuhause zu sitzen, erschien mir wie eine grausame Ewigkeit, die niemals enden würde! Das klingt jetzt sehr dramatisch, aber in dem Moment empfand ich das so.

Also, was tun? Ich hatte tausende von spannenden Plänen im Kopf, zurückblickend waren alle ziemlich schwachsinnig und nicht realisierbar, deshalb möchte ich hier auch nicht weiter darauf eingehen. Doch dann kam DAS Angebot, auf das ich so lange gewartet hatte, welches mir damals wie meine Erlösung erschien. Eine Studentenorganisation hielt an meiner Uni einen Vortrag über Praktika im Ausland, besonders warben sie damit, dass man während der kalten Monate ins Warme gehen könnte. Das klingt jetzt bestimmt etwas oberflächlich und nicht gut durchdacht, aber für mich war das ein überzeugendes Argument, den kalten Winter in Deutschland umgehen zu können, innerhalb dieser 1 ½ Monate etwas Einmaliges zu erleben und mich vielleicht auch ein bisschen selbst zu finden, nachdem ich mich in den letzten Wochen verloren hatte.

Wenige Tage später schickte ich meine Bewerbung ab, mit dem Gedanken nach Lateinamerika zu gehen. Das war schon immer mein Traum gewesen! Um in Buenos Aires stehen zu können, hätte ich alles getan. Und da die Organisation noch mit vielen Angeboten in Asien warb, bewarb ich mich auch für diesen Teil des Programmes. Man sollte sich alle Türen offenlassen! Nur einen Plan A zu haben, das hatte mir noch nie gereicht! Trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass ich mich nach Weihnachten in Südamerika befände, und ich glaube, die meisten meiner Freunde dachten das gleiche. Wie wir uns doch irrten… Trotzdem war es gut so! Alles was passiert ist, egal wie chaotisch und unüberlegt es war, war im Endeffekt die richtige Entscheidung gewesen und ich bin im Nachhinein sehr froh, wie es gekommen ist! Und das obwohl ich zwischendurch oft einem Nervenzusammenbruch nahe war und bestimmt mehr als einmal daran gedacht hatte, alles noch am gleichen Tag abzubrechen.

Ende November hatte ich endlich die Auswahlverfahren und Vorbereitungskurse hinter mich gebracht und meine Dokumente wurden ins Internet gestellt, damit ich mich selbstständig bei den anderen Organisationen bewerben konnte und diese mich auf der riesigen Internetplattform auch finden konnten. Und an dieser Stelle kommt die Geschichte mit Indien ins Rollen. Ich gebe offen zu, ich und Technik sind zwei unterschiedliche Welten, die zu diesem Zeitpunkt wenige Überschneidungspunkte besaßen; und so ist es nicht verwunderlich, dass ich das Internetprogramm nicht verstand! Ich glaube, ich war die einzige, der es so ging, zumindest berichtete mir niemand Ähnliches.

Um diese Peinlichkeit nicht zugeben zu müssen, nahm ich die Situation so hin, wie sie war. Das bedeutete, die anderen Mitglieder konnten meine Daten im Internet sehen. Sie wussten, dass ich mich für das Unterrichten von Spanisch und Deutsch beworben hatte, aber ich schaffte es nicht, mich eigenständig bei den verschiedenen Praktika zu bewerben, geschweige denn die anderen Angebote einzusehen. Ich hätte mich bestimmt noch genauer informiert, wenn ich nicht gerade im Prüfungsstress gewesen wäre und wenige Tage später tatsächlich schon ein einmaliges Angebot aus Indien bekommen hätte, das verlockender nicht hätte klingen können. Ich wusste schon im ersten Moment, dass ich diesem Abenteuer nicht widerstehen würde.

Das war Anfang Dezember 2010 und ich war hin und weg. Es hieß, ich dürfte Spanischkurse in Jalandhar an der größten Privatuniversität Indiens geben. Es klang wie ein Traum! Wieso mir die Tatsache nicht suspekt vorkam, dass sie dort zwar Deutschkurse hatten, aber mich zuerst nicht als Deutschlehrerin wollten, obwohl ich Muttersprachlerin war, das kann ich nicht mehr beantworten und auch meine Aufzeichnungen geben darauf keine befriedigende Antwort. Für mich stand trotzdem schnell fest: Meine neue Aufgabe war es, an einer Universität in Indien Spanisch zu unterrichten! Ich hatte wirklich das Gefühl, dass die Menschen dort niemand anderes außer ausgerechnet mich gesucht hatten, dass die Stelle nur ausgeschrieben worden war, damit genau ich darauf antworten würde. Als ich mich im Internet nach dem Wetter dort erkundigte, konnte es nicht besser sein: 24 Grad und Sonnenschein und das jeden einzelnen Tag der Woche. Ich war ziemlich beeindruckt und hatte das Gefühl, einen Sechser im Lotto zu haben.

Dass Jalandhar nur gut 100 Kilometer Luftlinie von der pakistanischen Grenze entfernt liegt und Inder und Pakistaner nicht unbedingt die beste Freundschaft pflegen, blendete ich neben allen möglichen alltäglichen Problemen völlig aus. Meine Familie und Freunde fanden das zwar schon erwähnenswert, aber ich sah mich schon in kurzen Sachen, mit einem roten Punkt auf der Stirn zwischen exotischen Pflanzen herumlaufen und in ländlicher Gegend täglich in wunderschönen Tempeln meditieren. Vor diesen heiligen Gebäuden lagen in meinen Tagträumen zahme Tiger, die sich nur allzu gerne von mir streicheln ließen. Ich gebe zu, ich hatte keinen blassen Schimmer, auf was ich mich da überhaupt einließ! Ich hatte nie zuvor Dokus oder Reportagen über Indien gesehen und eine völlig lächerliche und nicht stimmige Vorstellung von diesem Land, die durch meinen extremen Euphemismus nur noch surrealer wurde, aber das konnte ich in dem Moment noch nicht wissen… Im Endeffekt bin ich auch sehr froh, dass ich unvoreingenommen, wenn auch etwas naiv, in dieses fremde Land gereist bin. Ich hatte nicht einmal einen Indienreiseführer im Gepäck, obwohl mir etwas mehr Landeskunde bestimmt einige Probleme erspart hätte. Wobei das stimmt nicht ganz, ich hatte ein kleines Wörterbuch dabei, welches ich während des Fluges fleißig studierte. Aber Hindi ist nicht einfach und sich ein bisschen verständigen zu können, ist nicht alles. Trotzdem ist es manchmal viel spannender, neue Erfahrungen zu erleben, ohne alles genaustens zu planen! Abgesehen davon gebe ich zu, dass ich vielleicht nicht auf das Angebot eingegangen wäre, wenn ich mir ein realistisches Bild des indischen Alltags gemacht hätte. Und das wäre zurückblickend sehr schade gewesen!

Also sagte ich sofort zu (wenn es um Reisen geht, neige ich zu sehr euphorischen und manchmal auch unüberlegten Entscheidungen, was mein Leben komplizierter, aber im gleichen Moment auch unheimlich spannend macht) und meine Eltern hofften stark, dass ich es mir innerhalb der nächsten Wochen doch noch anders überlegen würde, dass noch etwas dazwischenkäme. Kann man es ihnen verübeln? Alle Hürden waren noch nicht überwunden, somit gab es für sie einen Funken Hoffnung, dass meine wenig durchdachten Pläne scheitern würden. Und sie schienen tatsächlich Recht zu behalten…

Es fing damit an, dass die englische Kommunikation aufgrund meiner vernachlässigten Englischkenntnisse nur schleppend voranging, aber ich wollte ja unbedingt weit weg und meine damalige Mitbewohnerin, die praktischerweise Englisch studierte, half mir bei der ein oder anderen Beantwortung der E-Mails aus Indien, damit meine Texte nicht ganz unprofessionell klangen. Es ging hier meiner Meinung nach auch nicht um meine Englischkenntnisse. Und dass ich den Unterricht auf Englisch halten müsste, kam mir nicht in den Sinn.

Ich begann schon mit den ersten Arztbesuchen, um mich gegen alles Erdenkliche impfen zu lassen, während ich immer noch weiter fleißig für meine bevorstehenden Prüfungen lernte und auf meine endgültige Zusage wartete. Alle Impfungen waren geschafft, es war kurz vor Weihnachten und ich sollte am 5. Januar mit der Arbeit beginnen. Doch die Zuständigen in Jalandhar hatten mir immer noch nicht die endgültige Bescheinigung für das Praktikum zugesendet, weshalb mir alle davon abrieten, jetzt schon einen Flug zu buchen... Immerhin, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, bestand immer noch die Möglichkeit, dass sie mir kurzfristig absagen würden.

Kurz vor Weihnachten, also nicht einmal zwei Wochen vor Arbeitsbeginn, schickten sie mir nach langem Drängen die sehnsüchtig erwarteten Papiere mit der endgültigen Zusage per E-Mail. Es schien alles sehr kurzfristig zu werden, aber es klappte, da war ich mir hundertprozentig sicher. Es musste klappen, denn dieses Mal gab es für mich keinen Plan B! Plan A war zu gut, um dafür eine Alternative zu finden!

Am 23. Dezember stand also mein Vater in München auf dem indischen Konsulat, um dort das heißbegehrte Visum für mich zu beantragen. Ich war so aufgeregt, konnte es immer noch nicht fassen, dass das alles wirklich passieren sollte, und genau das war das Problem. Es sollte nicht sein! Mein Antrag auf ein Visum wurde aufgrund fehlender Originale abgelehnt. Es gab keine Hoffnung darauf, dass sie es mir noch genehmigen würden, da zwei Wochen nicht reichen würden, um die Dokumente von Indien nach Deutschland zu schicken. Als mein Vater mich anrief, war ich den Tränen nahe, konnte es nicht fassen, dass mein Indien-Traum von einem Moment auf den anderen wie eine Seifenblase geplatzt war, als hätte es ihn nie gegeben.

Alle meine Freunde bekundeten mir zwar offen, dass es ihnen sehr leidtäte, und meinten, dass ich bestimmt etwas anderes fände, dass ich in meinen Semesterferien unternehmen könnte. Aber ich wusste, dass sie froh waren, dass alles noch einmal gut gegangen war und ich sicher in Deutschland bleiben würde. Ich verübelte es ihnen nicht, war aber trotzdem zu tiefst unglücklich mit dieser Entscheidung. Natürlich, Indien ist eine ganz andere Welt und jemanden, der so aussieht wie ich, blonde, lange Haare und sehr blass, konnte dort nur auffallen, was bestimmt auch negative Auswirkungen haben könnte. Aber es war mir egal! Ich war von der Idee völlig besessen, wollte unbedingt dorthin und in der Regel tue ich auch immer genau das, was ich mir in den Kopf gesetzt habe. Auch dieses Mal! Wo ein Wille ist, ist ja bekanntlich auch ein Weg!

Also fuhren wir am 27. Dezember noch einmal in das 400 Kilometer entfernte München und es passierte das, was niemand mehr nur im Geringsten für möglich hielt: Ich bekam mein langersehntes Visum und kaum war ich Zuhause, buchte ich meinen Flug ins Abenteuer. Da das für die Uni zuständige Team mir gesagt hatte, es wäre besser schon etwas früher zu kommen, verlegte ich meine Abreise auf den 1. Januar. Ich hatte also gerade noch vier Tage, bevor es endlich losgehen würde, der Count-Down konnte beginnen!

Wie bereits erwähnt, hatte ich mich reichlich schlecht auf meinen Auslandsaufenthalt vorbereitet. Zwei Tage vor dem Abflug machte ich mir das erste Mal darüber Gedanken, ob es an meinem Urlaubsziel Malaria geben könnte und wurde daraufhin so panisch, dass mir eine Verwandte, die dann auch in Panik verfiel, noch ein Moskitonetz besorgte. Ich begann im Internet Berichte über Indien zu lesen, was ich schon früher hätte tun sollen, und ich gebe ehrlich zu, dass ich Angst bekam, furchtbare Angst, und mich mehrmals schockiert fragte, wieso ich mich auf all das freiwillig eingelassen hatte. Spätestens als eine Bekannte mir erzählte, dass sie bereits in Indien war und dort schon Leichen auf der Straße gesehen hatte, war es vorbei. Meine Mitmenschen warnten mich vor Raubüberfallen, zu kurze Klamotten zu tragen, davor Wasser aus dem Wasserhahn zu trinken, vor der Armut und den unglaublichen Kontrasten zu Deutschland. Doch ich tat sehr cool, ließ mir nicht anmerken, dass ich kurz davor war, laut schreiend wegzurennen und mich nur noch weinend in eine Ecke setzen wollte. Doch mir blieb nicht viel Zeit für Panik, die Tage vergingen rasend schnell und mein Stolz hätte es niemals zugelassen, im letzten Moment zu kneifen.

Am 31. Dezember waren alle meine Sachen gepackt. Ich feierte noch Silvester mit ein paar guten Freunden und war verdammt nervös vor der Abreise am nächsten Tag. In der Nacht vom ersten auf den zweiten Januar saß ich im Flugzeug, fassungslos, dass ich diesen großen Schritt wahrhaftig getan hatte, und konnte vor Aufregung und weil ich nicht im Geringsten wusste, was mich im fernen Jalandhar erwarten würde, nicht für einen einzigen Moment meine Augen schließen.

Wenige Stunden später kam ich in Neu-Delhi am Flughafen an und alles war völlig anders, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Indien kann man sich nicht vorstellen, Indien muss man erleben! Das war eine der ersten Lektionen, die ich am eigenen Leib erfahren musste.

Sonntag 2. Januar, Neu-Delhi

Es ist alles so verrückt! Meine Welt steht Kopf! Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich diesen großen Schritt wahrhaftig getan habe und jetzt alleine in Indien bin! Vielleicht ist alles auch nur ein verrückter Traum und ich wache in ein paar Stunden in meinem warmen Bett in Deutschland wieder auf… Wer weiß?! All diese neuen Eindrücke sind unglaublich surreal und real zugleich!

Eben habe ich ein kurzes Mittagsschläfchen gehalten, weil ich so erschöpft von der langen Reise war. Das Bett, in dem ich liege, ist ziemlich hart, trotzdem habe ich gut geschlafen. Ich war auch verdammt müde, wie Du Dir bestimmt vorstellen kannst. An Silvester habe ich nicht viel Schlaf bekommen und vom ersten auf den zweiten Januar auch so gut wie keinen, da ich im Flugzeug saß. Die Sitze der indischen Airline waren wahnsinnig klein und eng und ich war viel zu aufgeregt, um überhaupt schlafen zu können.

Warm ist es hier in Neu-Delhi nicht, ehrlich gesagt, sogar sehr kühl, wenn auch nicht so kalt wie in Deutschland. Zudem ist die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass es einem viel kälter vorkommt. Das liegt vor allem daran, dass ich falsch angezogen bin. Aber wie konnte ich das ahnen? Laut dem deutschen Wetterbericht sollte er hier warm sein und immer die Sonne scheinen. Dem ist nicht so. Ich habe das eindringliche Gefühl, dass hinter der dicken Wolkenschicht gar keine Sonne existiert, das erklärt auch die unangenehme Kälte.

Aber zurück zu den spannenden Geschehnissen: Vor kurzem bin ich aufgewacht und Bemant ist weg! Seine Familie ist auch nicht da. Das Haus ist völlig leer. Ich höre kein Geräusch bis auf den permanenten Lärm, der unaufhörlich auf den Straßen tobt. Bemant und sein Vater hatten mich nach längerem Warten vom Flughafen abgeholt. Ich war froh, als sie endlich da waren und mich nicht mehr alle Menschen, inklusive Flughafenpersonal, so ungeniert anstarrten. Das war sehr unangenehm!

Gut, ich muss zugeben, als ich da so stand, war ich ziemlich verblüfft über die Menschen um mich herum. Ich war vollkommen anders als sie, so etwas ist mir zuvor noch nie passiert. Blass war ich schon immer und blonder als die anderen auch, aber so sehr ist das nie ins Auge gestochen. Ich war immer eine normale, junge Frau unter vielen anderen, doch jetzt sah ich aus wie ein weißes Alien, passte überhaupt nicht in diese Welt, zu diesen Menschen. Man könnte meinen, ich wäre ausversehen auf einem anderen Planeten gelandet. Alle starten mich ununterbrochen interessiert an, bemerkten, dass ich total verloren war und nicht wusste, was ich als nächstes machen sollte. So stand ich zwei lange Stunden hilflos auf dem Flughafengelände, bis Bemant endlich auftauchte. Er fand mich sofort.. Es wäre nicht möglich gewesen, mich zu übersehen! Wir hatten zuvor schon telefoniert und ich hatte ihm gesagt, dass er mich sofort unter allen anderen erkennen wird: „I’m the funny person!“ Und genauso war es! Mehr aufzufallen, als ich es tat, war nicht möglich!

Wir haben dann mit seinem Vater eine kleine Rundfahrt durch das riesige Neu-Delhi gemacht. Sie haben mir stolz ihre Heimatsstadt gezeigt und mich immer wieder gefragt, ob es in Deutschland auch so aussieht. „Ganz anders!“, war meine verblüffte Antwort bei den massenhaft verwirrenden Eindrücken, die innerhalb so kurzer Zeit auf mich einströmten. Meine Augen konnten sich kaum sattsehen an dem Leben, das sich hier auf den Straßen abspielte, an dem riesigen Chaos, den massenhaften Menschen und dem ohrenbetäubenden Lautstärkepegel, der nur durch dicke Staubwolken gedämpft wurde. Es wirkte alles so irreal auf mich, als würde ich träumen, wäre heute Morgen gar nicht aufgewacht. Neu-Delhi ist wirklich beeindruckend und nicht vergleichbar mit Europa, mit überhaupt irgendetwas, das ich in den letzten 21 Jahren gesehen habe!

Ich war ziemlich verblüfft, als ich zum Beispiel einen klapprigen, alten Bus sah, der kurz davor war auseinander zu fallen und der einfach keine Türen hatte! Für alle war das vollkommen normal, als wären Türen in ihrer Welt überhaupt nicht notwendig! Sie sprangen während der Fahrt aus dem Bus, der nicht das Tempo verlangsamte, um den Insassen den Absprung zu erleichtern. Für mich war das unglaublich, doch Bemant antwortete mir nur grinsend: „Yeah, that’s India!“ Ich bin in einer anderen Welt, in einem anderen Universum gelandet. Alles ist total, total… Ja, was eigentlich? Ich kann es nicht beschreiben! Mir fehlen die Worte! Ich bin ziemlich verwirrt…

Das Schöne ist, dass sie alle super nett zu mir sind und zudem auch richtig gut Englisch sprechen, auch wenn der indische Akzent dafür sorgt, dass jedes noch so simple Gespräch ziemlich schwierig zu verstehen ist.

Eben bewegt sich etwas im Haus. Ich glaube, die anderen sind nach Hause gekommen. Ich gehe einmal schauen…

*

Es ist kurz vor zehn Uhr nachts und ich sitze wieder in meinem wohlbemerkt unbezogenen Bett, was hier in Indien allem Anschein nach normal ist – oder vielleicht auch nur in Bemants Familie? Ich weiß es nicht! Aber für was braucht man schon Bettlacken?

Vor wenigen Stunden habe ich mir mit Bemant Bilder seiner Tante angeschaut. Sie ist Künstlerin und wohnt in der Nähe. Die Gemälde hatten einen religiösen Hintergrund, den ich, da ich mich bisher nicht mit diesem Teil der indischen Kultur befasst habe, nicht so richtig verstehen konnte. In ihrem Zuhause – die Gastfreundlichkeit in diesem Land ist beeindruckend – habe ich meinen fünften indischen Tee für heute getrunken. Ich mag dieses süße Getränk aus Ingwer, Tee und Milch wirklich gerne. Es ist sehr lecker und auch wieder so anders als der Tee, den wir in Deutschland trinken… Daran kann ich mich mit Sicherheit schnell gewöhnen!

Abgesehen davon habe ich mich ein bisschen mit der indischen Kultur auseinandergesetzt. Das Begrüßen mit „Namaste“, einer Handbewegung, die aussieht, als würde man beten, und einem demütigen Kopfnicken beherrschte ich schnell. Bemant war ziemlich beeindruckt, dass ich dieses indische Wort zur Begrüßung schon kannte. Ich muss sagen, dass leider nicht viel mehr Vokabeln aus meinem indischen Sprachführer, in dem ich während meines Fluges geschmökert hatte, hängengeblieben sind. Auch der Rest seiner Familie – inklusive seinem Opa, der auch im gleichen Haus wie die ganze Familie wohnt – fand es schön, dass ich mich für ihre Kultur interessierte. Auch wenn es nur ein simples Wort für mich war, bedeutet es für sie sehr viel, dass ich es beherrsche! Ich versuche mich auf diese fremde Kultur einzulassen! Ich möchte diese Menschen kennenlernen, wissen wie sie leben so fernab von Deutschland.

Doch nicht nur das Hindi stellte sich als äußerst kompliziert für mich heraus, auch mein ‚Englisch-Handicap‘ machte mir zu schaffen. Kaum gingen die Gespräche etwas tiefer, fehlten mir die Worte oder ich stotterte seltsame Wörter vor mich hin, die niemand zu verstehen schien, bei denen selbst mir klar war, dass es ein grammatikalisches Desaster sein musste! Sie waren trotzdem alle derart nett zu mir, dass es schon fast zu nett war, und versuchten mir alles möglichst mit einfachen Worten zu erklären. Notfalls fünf Mal hintereinander, oder auch ein sechstes Mal, wenn ich es trotzdem immer noch nicht verstand. Ich wurde, glaube ich, noch nie so herzlich bei Fremden aufgenommen. Es ist faszinierend, denn eigentlich kennen wir uns gar nicht und eine solch große Gastfreundschaft hätte ich niemals vorausgesetzt.

Wenn ich so drüber nachdenke, komme ich aber auch zu der Feststellung, dass es nicht nur an mir liegen kann, dass unsere Verständigung stockend verläuft. Es wäre bestimmt auch kompliziert, wenn ich perfekt Englisch spräche, aufgrund von Bemants – nach längerem Zuhören –recht starken indischen Akzent. Jetzt, da wir schon mehr miteinander geredet haben, wird mir bewusst, dass ich den größten Teil von dem, was er sagt, erst nach mehrfachem Wiederholen mit vielen Gesten nachvollziehen kann. Und am Ende stellt sich oft heraus, dass es sich um einfache Worte handelte, die er jedoch anders ausspricht, als ich es von meinem Englischunterricht in Deutschland kenne.

Kulturell muss ich mich in den nächsten 1 ½ Monaten wohl an das permanente, vollkommen ungenierte Rülpsen, Schmatzen und Schlürfen (vor allem während des Essens) gewöhnen, da wir dies in Deutschland in der Regel vermeiden. Hier ist so etwas jedoch kein Problem. Aber gut, so lange ich es mir nicht selbst angewöhnen muss, werde ich damit zurechtkommen…. Auch wenn es etwas eklig ist!

Was mir jedoch weitaus mehr Probleme bereitet, ist der unangenehme Geruch des Wassers, das ‚frisch‘ aus der Leitung kommt, aber rein gar nicht so riecht. Das ist wirklich nicht schön! Meine erste Begegnung mit der Toilette war auch nicht so einfach, da mir immer noch nicht ganz klar ist, wie man dort sein Geschäft verrichten soll, ohne dass Toilettenpapier benutzt wird. Bis spät abends wartete ich, bevor ich mich traute, mich in diesem nicht sehr gemütlichen und zudem ziemlich kalten Raum etwas länger aufzuhalten. Ich hatte zwar eine Packung Tempos dabei, aber zugleich auch panische Angst, dass die Toilette, die nicht sehr stabil aussah und auch noch wackelte, dadurch verstopfen könnte, was bis jetzt jedoch glücklicherweise nicht der Fall war. Morgen bin ich weg und hoffe, dass sie erst dann explodiert!

Hinzu kommt, dass ich mich nicht so fit fühle, da ich ein bisschen Bauchschmerzen habe, was vielleicht daran liegt, dass ich den ganzen Tag versucht habe, nicht auf die Toilette zu gehen, an dem ungewohnt vielen Tee oder an dem ‚nicht scharfen‘ Essen. Wahrscheinlich löst die tückische Kombination aus allem zusammen dieses Gefühl des Unwohlseins aus.

Aber kommen wir zurück zum indischen Essen: ‚Nicht scharf‘ bringt mich dabei schon fast um und das ist nicht übertrieben! Ich gebe zu, dass ich scharfes Essen nicht gewöhnt bin und es auch nicht unbedingt freiwillig zu mir nehme, was hier in nächster Zeit kompliziert werden könnte. Aber ich habe Angst davor, dass es wirklich böse enden könnte, wenn ich das für die Inder normale ‚scharf‘ probiere. Ich weiß nicht, ob mein Magen das problemlos tolerieren wird. Mir ist es ein Rätsel, wie die Menschen hier derartig scharfes Essen zu sich nehmen können, ohne permanent Magenprobleme zu haben. Ich habe zwischendurch das Gefühl, es brennt mir meine Innereien weg

Alles ist zwar unglaublich anders, aber ich fühle mich trotzdem wohl! Wobei es da auch eine wirklich komische Eigenart gibt, die ich als ein wenig zu gastfreundlich empfinde. Wie kann ich Dir das am besten erklären? Es ist nicht nur ziemlich kalt in Neu-Delhi, sondern auch in Bemants Wohnung! Heizungen gibt es scheinbar nicht und weil es heute so grausam kalt war und die Inder, wie mir schon aufgefallen ist, sehr zuvorkommend sind, boten sie mir an, zu seinen Eltern ins Ehebett unter die Decke zu schlüpfen, was ich nach einem längeren Zögern, mit einem seltsamen Gefühl im Magen (,ob es von dem ungewohnten Essen oder der seltsamen Situation kommt, kann ich nicht mit Sicherheit festlegen), dann auch tat. So richtig entspannen konnte ich mich dabei jedoch nicht. Ich muss zugeben, dass ich selten nach einem ersten Kennenlernen im Bett der Eltern meiner neuen Freunde liege… Das kommt mir doch etwas fremdartig vor. Aber hier ist ja alles anders; oder bin ich anders? Vielleicht ist es für mich nach meinem Aufenthalt in Indien ganz normal, mich mit fremden Menschen in fremde Betten zu legen und dabei völlig alltägliche Gespräche zu führen, als säßen wir gemeinsam an einem Tisch. Vielleicht werde ich meinen Gästen in Deutschland selbst mein Bett anbieten, um ihren Komfort zu erhöhen. Wer weiß? Ich muss noch einiges lernen und versuche so offen wie nur möglich für diese neue Kultur zu sein, da ich weiß, dass sie mein Leben bereichern wird.

Aber jetzt gehe ich erst einmal schlafen. Ich bin völlig erschöpft… Zu duschen habe ich mich noch nicht getraut, auch wenn Bemants Vater stolz etwas von heißem Wasser erzählt hat – wobei ich nicht weiß, wieso er darauf stolz ist… Ich glaube nicht, dass die Badewanne einer normalen Dusche standhalten würde. Morgenfrüh muss ich mich wahrscheinlich trotzdem damit konfrontieren, auch wenn ich nicht weiß, was ich mit dem Eimer, der mitten in der dreckigen, ziemlich kaputten Badewanne steht, machen soll, und ob ich aus hygienischen Gründen vielleicht besser nicht barfuß hineingehen sollte. Bisher gibt es noch viel zu viele ungeklärte Fragen, um dieses Abenteuer auf mich zu nehmen. Aber sei Dir sicher, Du wirst noch früh genug von meinem ersten Duscherlebnis hören. Ich habe jetzt schon etwas Angst davor! Aber anderseits kann ich auch nicht die nächsten sechs Wochen jeder Dusche aus dem Weg gehen, das wäre doch sehr eklig!

Montag 3. Januar, Neu-Delhi