Portugiesische Märchen -  - E-Book
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Portugiesische Märchen E-Book

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Beschreibung

Das E-Book für den Portugal Urlaub!

Rund 120 Märchen aus den verschiedenen Provinzen des festländischen Portugal, aus Madeira, von den Azoren und dem ebenfalls portugiesischsprachigen Galicien füllen diesen Band. Die maurische Vergangenheit der Pyrenäenhalbinsel lebt als Erinnerung in den Wunder- und Zaubermärchen, Schwänken und Legenden.

Die Diederichs-Reihe »Märchen der Weltliteratur« ist die umfassendste Sammlung ursprünglicher Erzählliteratur aller Völker und Zeiten. Sie versammelt das Schönste, was sich die Menschen je erzählt haben: Mythen und Legenden, Göttersagen und Dämonengeschichten, Feen- und Zaubermärchen, gewitzte Tierfabeln und herrliche Schwänke. Wer die Eigenart anderer Völker verstehen will, wird hier Wege abseits des Mainstreams finden. Eine moderne Märchenbibliothek für eBook-Leser.

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Seitenzahl: 365

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Portugiesische Märchen Herausgegeben von Harri Meier und Dieter Woll
 
Die Diederichs eBook-Reihe Märchen der Weltliteratur erscheint in alter deutscher Rechtschreibung.
 
© 2013 Diederichs Verlag, München
In der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Covergestaltung: Weiss | Werkstatt | München unter Verwendung eines Motivs © shutterstock

Inhaltsverzeichnis

PORTUGAL - Portugiesisches Festland
1. Die Tochter des Maurenkönigs2. Der Affe und sein Schwanz3. Der Prinz mit den Eselsohren4. Die kluge Maria5. Die Steinsuppe6. Die alte Frau und der Dieb7. Das Bäuerlein8. Das väterliche Erbteil9. Die drei Zitronen der Liebe10. Der kleine Hans11. Das Ei und der Edelstein12. Sohn bist du und wirst Vater werden13. Die Lügenkette14. Das betrunkene Küken15. Der Junge und der Mond16. Gevatter Tod17. Der Raub des königlichen Schatzes18. Doktor Grille19. Der Werwolf20. Die drei Feen21. Bruder Johannes Unbesorgt22. Der Granatbaum des Affen23. Der König und die Königin24. Peter Tunichtgut25. Der Hase und der Wolf26. Die vier Söhne27. Die Geschichte von der Barke Noah28. Die naschhafte Fischersfrau29. Die Flucht nach Ägypten und die Spinne30. Der König und der Schmied31. Die Spinne32. Der gute und der schlechte Christ33. Der Fuchs, und der Wolf34. Der Anstreicher und der Teufel35. Das Geld für den Hausbau36. Die Würste des Herrn Pastor57. Der Turm von Babel38. Der alte Bauer39. Wer hat der Königin das Auge ausgeworfen?40. Das Beil41. Die Äffinnen42. Die zwölf Worte der Wahrheit43. Die Geschichte vom Brasilienheimkehrer44. Die drei Ratgeber des Königs45. Der Drache mit den sieben Köpfen46. Die Geschichte vom Eisernen Stecken47. Die Geschichte von der alten Frau48. Das nackte Hühnchen49. Die fünf Eier50. Freitag und Samstag51. Maria mit dem rotgefärbten Unterrock52. Der Narr und der Advokat53. Der Herrgott vom Kapellchen54. Die verirrten Kinder55. Schönchen56. Der Löffelschnitzer57. Die Alte mit den Hühnern58. Die Goldbarren59. Die drei Ratschläge60. Die Mutter des heiligen Petrus61. General Fall62. Der arme Schuster63. Das Patenkind des heiligen Antonius64. Der Sack Nüsse65. Die Prinzessin, die alle Rätsel löst66. Prinzessin Carlota67. Der Herrgott und der heilige Petrus in der Scheune68. Ein Portugiese in Spanien69. Der ungetreue Verwalter70. Die Schlange mit den sieben Köpfen71. Die böse Schwiegermutter72. Gib mir meinen halben Groschen73. Geschichte von der kleinen Isabel74. Der Zauberer75. Wer nicht arbeitet, der nicht ißt, wer nicht ißt, der nicht arbeitet76. Der Turm von Babylon – wer hineingeht, kommt nicht lebend davon77. Der Fuchs und der Hahn78. Sohn einer Eselin79. Geschichte vom Elend80. Die eigensinnige Ehefrau81. Das Findelkind82. Die goldene Haspel83. Die schwarzgekleideten Damen84. Weißblümchen85. Der Jäger86. Die kleine goldene Kuh87. Die maurische Wöchnerin von Nisa88. Die Maurin und ihr Laden89. Der Verbannte von Ledão90. Zum Reichsein geboren91. Der Kohlenverkäufer
MADEIRA UND DIE AZOREN
92. Die Betschwestern93. Die Ohren des Herrn Pfarrer94. Der kleine Vogel Bisch-bisch95. Die Spinne und der Schnupfen96. Des Schusters Gitarre97. Die Jungfrau Maria und die Sämänner98. Die sieben Städte99. Klärchen100. Wie Blinde sehend werden101. Das verzauberte Mädchen102. Die Fische des Bruders Vorsteher103. Maiskorn104. Der Schweinehirt
GALICIEN
105. Die drei Ratschläge106. Die Spiegeleier107. Der Schützling des heiligen Antonius108. Die Mahnungen des Todes109. Wer ist Herr im Hause?110. Die Absicht genügt,111. Wie der Teufel dem Pächter half112. Der dumme Hans113. Freude, Sauberkeit und Respekt114. Der Knecht, der den Bauern tanzen ließ115. Liebe unter Eheleuten116. »So Gott will«117. Ein guter Richter118. Das Geheimnis119. Der Tote als Gast beim Bankett seiner Freunde120. Der Müller und der Schankwirt in der Hölle121. Der Andalusier und der Galicier122. Die Burgruine von Baran123. Die Geschichte von Roland und den drei Näherinnen von Puxares
Copyright

PORTUGAL

Portugiesisches Festland

1. Die Tochter des Maurenkönigs

Ein Maurenkönig hatte zwei Töchter. Die jüngste wollte die christliche Religion lernen und traf sich im verborgenen mit dem Kammerdiener, der sie unterrichtete. Als die ältere sie eines Tages aus dem Zimmer des Kammerdieners kommen sah, sagte sie zu ihr: »Wart nur, Schwester, der Vater wird noch alles erfahren.«

»O weh, Mädchen«, sagte der Kammerdiener, »wenn der König erfährt, daß Ihr von mir das Beten lernt, sind wir verloren.« »Hab keine Angst; steh morgen ganz früh auf, sattle zwei Pferde, und dann reiten wir in deine Heimat.«

So tat er. Sie füllte drei Säcke, einen mit Asche, einen mit Salz und einen mit Kohlen, und sie ritten beide in die Welt hinaus. Als der König von der Flucht erfuhr, sandte er seine Truppen aus, um den Kammerdiener und die Tochter ergreifen zu lassen. Sie sollten die beiden töten, wo immer sie sie träfen. Die Reiterei ritt mit gesenktem Zügel davon und hatte sie schon beinahe erreicht, als der Kammerdiener hinter sich blickte und rief: »O weh, Mädchen! Wir sind verloren.« »Hab keine Angst.«

Und das Mädchen schüttete den Sack mit Asche aus, und es entstand sofort ein so dichter Nebel, daß die Truppen keinen Schritt mehr vorwärts tun konnten. Und sie kehrten zum König zurück und sagten:

»Es ist ein so großer Nebel entstanden, Daß weder Weg noch Steg wir fanden.«

Der König ließ sie erneut ausrücken, und sie sollten ihm die Prinzessin und den Kammerdiener gefangen herbringen.

»O weh, Mädchen, wir sind verloren!« sagte der Kammerdiener, als er die Reiterei sah, wie die sie beinahe einholte.

»Hab keine Angst.«

Und sie schüttete den Sack mit Salz aus, und es entstand sofort ein großes Meer, über das die Soldaten nicht hinwegkonnten.

Sie kehrten wieder um und sagten zum König:

»Wir sind, Herr, bis an ein Meer geritten, Das hat unsren Pferden den Weg abgeschnitten.«

Der König gab erneut den Befehl, sie sollten die Tochter und den Kammerdiener ergreifen.

»O weh, Mädchen! Wir sind verloren.«

»Hab keine Angst.«

Und sie schüttete den Sack mit Kohle aus, und sofort wurde es finstere Nacht mit Gewitterrollen und Blitzen. Die Truppen kehrten um und sagten zum König:

»Wir mußten, Herr König, von dannen uns trollen Vor soviel Blitzen und Donnerrollen.«

Der Kammerdiener war schon in die Nähe seiner Heimat gelangt, und die Prinzessin sagte zu ihm:

»Ich hab dich vom Tode errettet, aber wenn du jetzt in deine Heimat kommst, wirst du dich nicht mehr an mich erinnern.« So geschah es. Sie legte voller Trauer Witwenkleidung an und machte einen Gasthof auf, um leben zu können. Der Kammerdiener lud drei Freunde ein und sagte zu ihnen:

»Wir wollen einer nach dem anderen in diesem Gasthof übernachten.«

Der erste ging los und sagte, er wolle die Nacht über dort bleiben. Die Besitzerin des Gasthofs war einverstanden, und er war sehr froh darüber. Als er auf das Zimmer ging, begann er sich auszuziehen und wieder anzuziehen, sich auszuziehen und wieder anzuziehen, und so fort, bis es Morgen wurde und er ganz ermüdet war. Sobald es Tag wurde, sagte die Wirtin, die alles vom oberen Stockwerk aus beobachtet hatte, er solle sich schleunigst davonmachen, denn er habe ihr Haus lächerlich gemacht. Nun kam der zweite, und er bat ebenfalls, übernachten zu dürfen. Er verbrachte die ganze Nacht damit, sein Hemd auszuziehen und wieder anzuziehen, ohne aufhören zu können. Am Morgen wurde er mit der gleichen Grobheit auf die Straße gesetzt. Da kam der dritte. Er bat darum, übernachten zu dürfen, und sie willigte ein. Als er sich schlafen legen wollte, sagte er, er habe großen Durst.

»Nun, dann geht in den Garten und schöpft Wasser aus dem Brunnen.«

Die ganze Nacht drehte der arme Mann das Schöpfwerk, und erst als es Tag war, erschien die Wirtin, ließ ihn anhalten und setzte ihn auf die Straße, weil er ihr Haus lächerlich gemacht habe. Da kam der vierte Freund an, und auch er bat darum, übernachten zu dürfen. Er war sehr froh, als ihm das gestattet wurde, denn die anderen hatten immer Stillschweigen über das gewahrt, was ihnen widerfahren war. Als die Wirtin schon im Bett lag, sagte er: »O je, ich hab vergessen, die Haustür zuzumachen.«

Und die ganze Nacht über ging der Gast hin und her, um die Haustür zuzumachen, bis er am Morgen erschöpft war und die Wirtin ihn hinaussetzte, weil er ihr die Tür kaputtmachen wollte. Die vier Freunde kamen zusammen und erzählten sich gegenseitig, was vorgefallen war. Aber selbst jetzt erinnerte sich der Kammerdiener, der einer von ihnen war, ganz und gar nicht an die Geliebte, die er so undankbar im Stich gelassen hatte. Als er nun drauf und dran war, in seinem Heimatort zu heiraten, mußte er, wie es üblich war, drei Tage vor der Hochzeit für seine Nachbarn ein Essen geben. Also lud er auch die verwitwete Wirtin ein. Sie kam, und als alle zu Tisch saßen, sollte jeder seine Geschichte erzählen.

»Frau Wirtin, trotz Ihres Kummers müssen auch Sie Ihre Geschichte erzählen.«

Die Wirtin bat, man solle ihr zwei Schüsselchen bringen. Sie schlug sie gegeneinander, und es erschienen ein Täuberich und eine Taube. Und die Taube sagte:

»Erinnerst du dich nicht daran, wie du mich hinter dem Rücken meines Vaters das Beten gelehrt hast?«

Da sagte der Täuberich:

»O ja.«

»Und erinnerst du dich nicht, wie meine Schwester sagte, sie werde alles unserem Vater erzählen, und du ausriefst: ›O weh, wir sind verloren‹?«

Und so fragte sie weiter, und der Täuberich antwortete auf alles, was sich mit der Tochter des Maurenkönigs zugetragen hatte. Erst nach langem Fragen begannen die Gäste auf die Dinge aufmerksam zu werden, die sich mit den vier Freunden zugetragen hatten, und der Kammerdiener erkannte seine Undankbarkeit. »Königliche Herrin, dieser Pflichtvergessene bin ich, und hiermit hebe ich sofort diese Heirat auf, um die zur Frau zu nehmen, die um meinetwillen Vater und Mutter und ihre Heimat verlassen hat.«

2. Der Affe und sein Schwanz

Es war einmal ein Affe, der war so häßlich, daß die Jungen sagten, wenn sie ihn auf der Straße sahen:

»Ist der häßlich! Wenn er sich den Schwanz abschneiden ließe, würde er sicher besser aussehen.«

Der Affe war es leid, immer diesen Spott zu hören. Er ging zum Barbier und sagte zu ihm:

»Herr Barbier, schneiden Sie mir den Schwanz ab.«

Und der Barbier schnitt ihm den Schwanz ab. Als er sich nun so ohne Schwanz zeigte, da brachen die Jungen in Hohngelächter aus und sagten zu ihm:

»Mit dem Schwanz warst du schon häßlich, aber jetzt bist du noch häßlicher.«

Der Affe ärgerte sich, ging wieder zum Barbier und verlangte von ihm, er solle ihm den Schwanz wieder ankleben. Der sagte, den Schwanz wieder ankleben, das könne er nicht. Da nahm ihm der Affe aus Rache ein Rasiermesser weg und verschwand.

Am Fluß traf er eine Frau, die war dabei, Sardinen auszunehmen, und er sagte zu ihr:

»Nimm dies Rasiermesser hier, mit dem kannst du den Fisch besser ausnehmen.«

Die Frau dankte ihm und behielt das Messer. Als er kurz darauf eine Rute abschneiden wollte, sagte der Affe bei sich:

›Hätte ich der Frau nicht das Messer gelassen, so wäre das jetzt einfach zu machen.‹

Er kehrte wieder um und forderte das Messer von der Frau zurück. Die aber sagte zu ihm, es sei ihr ins Wasser gefallen und weggetrieben. Da stahl er ihr eine Sardine. Bald darauf begegnete er einem Müller, der aß gerade ein Stück Brot, und er gab ihm die Sardine dazu. Der Müller war sehr zufrieden und verzehrte die Sardine.

Der Affe spazierte weiter und kam an einem Backofen vorbei. Er bekam Appetit auf Brot, und da fiel ihm die Sardine ein.

Wieder kehrte er um und verlangte von dem Müller die Sardine zurück. Der antwortete, daß er sie schon aufgegessen habe. Der Affe nahm ihm dafür einen Sack Mehl weg und setzte seinen Weg fort. Er kam an einer Schule vorbei und gab der Lehrerin das Mehl, sie solle Kuchen für die Mädchen daraus backen. Als er es dann aber bereute, ging er zurück und wollte das Mehl wiederhaben. Sie habe schon Kuchen daraus gebacken und sie den Kindern zu essen gegeben, antwortete die Lehrerin. Da nahm er ein Mädchen mit zu sich nach Hause.

Als er sich nun frisch gewaschen und gekleidet wieder auf der Straße zeigte, fragte ihn ein Mann, der Gitarren verkaufte:

»Warum hast du dich denn als Affe so herausgeputzt?«

Er antwortete, daß er ein Mädchen bei sich zu Hause habe. Der Mann berichtete das der Familie des Mädchens, und die nahm es ihm, so schnell sie konnte, wieder weg.

Da stahl der Affe dem Gitarrenhändler eine Gitarre. Verzweifelt stieg er auf ein Dach, klimperte auf der Gitarre und sagte:

»Aus dem Schwanz machte ich ein Rasiermesser, aus dem Rasiermesser eine Sardine, aus der Sardine einen Sack Mehl, aus dem Mehl ein Mädchen, aus dem Mädchen eine Gitarre, schrumm schrumm fallera, ich geh nach Afrika ...«, purzelte vom Dach herunter und war tot.

3. Der Prinz mit den Eselsohren

Es wahr einmal ein König, der war sehr traurig, weil er keine Kinder hatte, und er ließ drei Feen rufen, die sollten bewirken, daß die Königin ihm einen Sohn schenkte. Die Feen versprachen ihm, seinen Wunsch zu erfüllen, und sagten ihm, sie würden bei der Geburt des Prinzen zugegen sein.

Nach neun Monaten wurde dem Königspaar ein Sohn geboren, und die Feen schenkten dem Kind ihre Gaben. Die erste Fee sprach: »Du sollst der schönste Prinz der Welt werden.«

Die zweite Fee sprach: »Du sollst sehr tugendhaft und verständig werden.«

Die dritte Fee sprach: »Dir sollen Eselsohren wachsen.«

Die drei Feen gingen wieder fort, und bald darauf wuchsen dem Prinzen Eselsohren. Der König befahl unverzüglich, eine Mütze herzustellen, die der Prinz immer tragen sollte, um die Ohren damit zu verdecken.

Der Prinz wurde von Tag zu Tag schöner, und niemand am Hof wußte, daß er Eselsohren hatte. Er kam in das Alter, in dem er rasiert werden mußte, da ließ der König den Barbier rufen und sagte zu ihm:

»Du wirst den Prinzen rasieren, aber wenn du jemandem sagst, daß er Eselsohren hat, mußt du sterben.«

Der Barbier hatte große Lust zu erzählen, was er gesehen hatte, aber die Angst, sterben zu müssen, ließ ihn schweigen. Eines Tages ging er zur Beichte und sagte zu seinem Beichtvater:

»Ich habe ein Geheimnis, das ich bewahren muß, aber wenn ich es nicht jemandem anvertrauen kann, sterbe ich, und wenn ich es jemandem anvertraue, läßt der König mich töten. Sagt mir, Herr Pfarrer, was ich tun soll.«

Der Beichtvater antwortete ihm, er solle in ein Tal gehen, dort ein Loch graben und das Geheimnis so oft da hineinsprechen, bis er von dieser Last befreit sei, und dann das Loch mit Erde wieder zuschütten. Der Barbier tat es, und nachdem er das Loch zugeschüttet hatte, ging er ganz erleichtert nach Hause zurück. Nach einiger Zeit wuchs an der Stelle, wo der Barbier das Loch gegraben hatte, Schilfrohr. Wenn die Hirten mit ihren Herden dort vorbeikamen, schnitten sie das Rohr und machten sich Flöten daraus, und wenn sie dann auf den Flöten spielten, so erklangen Stimmen, die sagten: »Prinz mit den Eselsohren.«

Diese Neuigkeit verbreitete sich allmählich in der ganzen Stadt, und da befahl der König, einer der Hirten solle zu ihm kommen und auf solch einer Flöte spielen. Und es erklangen immer dieselben Melodien und Stimmen, die sprachen: »Prinz mit den Eselsohren.« Auch der König selbst spielte, und bei jedem Mal hörte er wieder die Stimmen. Da ließ der König die Feen zu sich rufen und bat sie, dem Prinzen die Eselsohren wegzunehmen. Sie kamen und ließen den ganzen Hof versammeln und befahlen dem Prinzen, die Mütze abzunehmen. Wie groß war da die Freude des Königs, der Königin und des Prinzen, als sie sahen, daß er keine Eselsohren mehr hatte!

Von jenem Tag an hörte man aus den Flöten, die die Hirten aus dem Schilfrohr machten, nicht mehr die Worte: »Prinz mit den Eselsohren.«

4. Die kluge Maria

Es war einmal ein Vater, der hatte sieben Töchter, von denen war die älteste so klug, daß sie allgemein die kluge Maria genannt wurde.

Als der Mann zu einer langen Reise aufbrechen mußte, ließ er für jede seiner Töchter ein Kleid schneidern. Die Kleider aber sollten sie nicht tragen, die sollten einstweilen sauber aufbewahrt werden, ohne einen Fleck – »so wie ich euch stets sehen möchte, und wenn etwas passiert, werden sie es mir sofort sagen«.

Der Mann ging fort. Vorher sagte er der Ältesten, sie solle auf ihre Schwestern gut achtgeben, und keine von ihnen dürfe ein Zimmer betreten, das er abgeschlossen hatte.

Die Mädchen waren nun allein, und die kluge Maria war voller Neugierde, weil die Tür zu dem einen Zimmer verschlossen war, und immer mit dem Gedanken beschäftigt, wie sie in das Zimmer hineinkommen könnte. Schließlich gelang es ihr, einen Schlüssel zu finden, der paßte, und sie ging hinein und sah einen unterirdischen Saal mit Bogengewölben und am Ende eines Ganges eine kleine Tür. Deren Schloß war ganz verrostet, aber sie bekam es auf und erklickte einen wunderschönen Garten voll von Blumen und von reichbeladenen Obstbäumen. Da sie niemanden sah und Äpfel für ihr Leben gern aß, pflückte sie einige, tat sie in ihre Schürze und machte sich davon.

Zu Hause gab sie den Schwestern von den Äpfeln, erzählte aber nichts. Die waren froh und zufrieden und verlangten nur nach noch mehr. Um ihnen den Wunsch zu erfüllen, ging sie wieder in den Garten, und jedes Mal kam sie mit Blumen oder Früchten heim. Der Garten gehörte aber dem König, und sein Gärtner hatte bemerkt, daß etwas fehlte, und beklagte sich wegen der Diebereien. Er selbst legte sich auf die Lauer und sah ein Mädchen. aber er konnte nicht herausbekommen, auf welchem Wege es wieder verschwand.

Da versteckte sich auch der König, und eines Tages, als die kluge Maria die Schürze voller Äpfel hatte und sich wieder davonmachen wollte, verstellte er ihr den Weg und sagte zu ihr:

»Mädchen, wie bist du hier hereingekommen?«

»Mein Vater hat den Schlüssel zu einer Tür, die hierherführt. Durch die bin ich gekommen, aber ich wußte nicht, daß es der Garten Eurer Majestät ist. Weil ich hier nie jemanden sah, habe ich sogar geglaubt, es sei ein Zaubergarten.«

Und sie flehte den König an, ihr zu verzeihen und ihr nichts zu tun, weil sie Blumen und Früchte genommen hatte, die ihm gehörten. Da sie sehr hübsch war, hatte der König alles andere im Sinn, als sie zu töten, und ließ es gut sein, aber darauf sagte er, er sei unsäglich müde und sie sollte ihn den Kopf in ihren Schoß legen lassen. Sie willigte ein und strich ihm mit der Hand über das Haar, bis er einschlief. Sobald sie sah, daß er eingeschlafen war, erhob sie sich ganz leise, legte ihm den Kopf auf die Bank und ging eilends fort.

Als der König erwachte, war er böse und schwor, sich zu rächen. Eines Abends verkleidete er sich als Armer und machte sich auf den Weg. Kurz darauf erschien an der Tür der Mädchen ein Mann in zerlumpten Kleidern, der sah sehr alt aus und wollte ihnen Fische verkaufen und bat sie, ihn für die Nacht im Hause schlafen zu lassen.

Die kluge Maria wollte nicht und zankte mit ihren Schwestern, aber da sie allein gegen alle sechs war, die darauf bestanden, ihn einzulassen, sagte die kluge Maria:

»Ach so! Wenn es so steht, dann gebe Gott, daß die Fische keine Fischchen geben. Ich für mein Teil schließ mich in mein Zimmer ein und laß mich nicht mehr blicken.«

So geschah es. Sie schloß sich ein, und der arme Mann blieb mit den anderen Mädchen allein. Aber mitten in der Nacht brach er in die Zimmer aller sechs ein, um Maria zu suchen, an der er sich rächen wollte. Doch ihre Tür war fest verschlossen, da half alles nichts.

Am Morgen ging der König verkleidet wieder fort, und die sechs Mädchen fanden ihre Kleider voller Flecken. Da weinten sie bitterlich, die Älteste aber hielt ihnen eine Predigt, sie sollten mit dem Weinen aufhören, das sei zu nichts mehr nütze, es wäre vernünftiger gewesen, sie hätten nicht das Gegenteil von dem getan, was sie ihnen gesagt hatte.

Die Zeit verging, und eines Tages, als der König mit seinen Höflingen bei Tische saß, wurde ihm gemeldet, jemand wolle dem König Fischchen zum Geschenk machen, sie aber nur ihm persönlich überreichen. Er ließ den Galicier, der sie brachte, hereinkommen, und siehe da, er trug ein vergoldetes Körbchen voller Blumen, in dem lagen sechs hübsche neugeborene Babys.

Der König merkte sofort, daß die kluge Maria das ausgeheckt hatte. Die Kleinen ließ er zuverlässigen Ammen übergeben und beschloß, Maria, auf die er nun doppelt wütend war, zu töten. Er ließ ihr sagen, sie solle sich zur Hochzeit fertig machen, er wolle sie heiraten. Die Arme war sehr betrübt darüber, aber was konnte sie anderes tun? Es gab ein großes Fest mit viel Tanz, sie aber ließ in dieser Zeit eine Puppe so groß wie sie aus Süßholz machen, legte sie ins Hochzeitsbett und sich selbst unter das Bett.

Der König kam herein und führte mit seinem Schwert einen Schlag, um sie zu töten, aber da sprang ihm ein Stück Süßigkeit an den Mund, und er bereute, was er getan hatte, denn er mußte einsehen, daß Maria ebenso klug wie hübsch war. Nachdem sein Zorn verflogen war, gewann er sie sehr lieb und seufzte:

»Ach, kluge Maria, Süß im Sterben, Und bitter zu erwerben!«

Als sie sah, daß der König ihretwegen bekümmert war, kam sie unter dem Bett hervor und stellte sich vor ihn und erzählte, was sie getan hatte, um seiner ersten Wut zu begegnen. Sie kniete vor ihm nieder und sagte zu ihm als ihrem Ehegemahl, er möge sie töten, wenn er wolle. Aber er hatte sie so liebgewonnen, daß von Sterben keine Rede mehr war.

Sie aber wurde glücklich als Königin, und als ihr Vater heimkam, bat sie ihn, ihren Schwestern zu verzeihen, weil sie die Mitschuld trug und in den Garten des Königs gegangen war.

Die Schwestern heirateten Edelleute des königlichen Hofes, und so ging alles gut aus.

5. Die Steinsuppe

Ein Mönch ging betteln. Er kam an die Tür eines Bauern, aber sie wollten ihm nichts geben. Der Klosterbruder war zum Umfallen hungrig und sagte:

»Na, dann will ich sehen, daß ich mir eine Steinsuppe mache.« Und er hob einen Stein vom Boden auf, putzte die Erde ab und begann ihn zu betrachten, ob er sich für eine Suppe eignete. Die Leute aus dem Haus konnten sich vor Lachen über den Klosterbruder und über seinen Einfall nicht halten. Da sagt der Klosterbruder:

»Wie, habt ihr nie Steinsuppe gegessen? Ich kann euch sagen, das ist eine leckere Sache.«

Sie antworteten ihm:

»Nun, dann zeig uns das mal.«

Das wollte der Klosterbruder nur hören. Nachdem er den Stein saubergemacht hatte, sagte er:

»Könnt ihr mir wohl einen Topf leihen?«

Man gab ihm einen Topf aus Steingut. Er füllte ihn mit Wasser und legte den Stein hinein.

»Wenn ihr mich jetzt den Topf ans Feuer stellen ließet ...«

Man ließ ihn gewähren. Sobald der Topf zu sieden begann, sagte er:

»Mit ein wenig Schmalz würde die Suppe vorzüglich werden.« Man holte ihm etwas Schmalz. Die Suppe kochte und kochte, und die Leute aus dem Hause ließen den Mund offenstehen vor Verwunderung. Da probiert der Klosterbruder die Suppe und sagt:

»Sie ist ein wenig fade; es fehlt unbedingt eine Prise Salz.«

Man gab ihm auch noch das Salz. Er schmeckte die Suppe ab und sagte:

»Wenn jetzt noch ein paar junge Kohlblätter dazukämen, würde die Suppe himmlisch schmecken.«

Die Frau des Hauses ging in den Garten und brachte ihm zwei Kohlköpfe. Der Klosterbruder säuberte sie, zerpflückte sie zwischen den Fingern und ließ die Blätter in den Topf fallen. Als die Kohlblättchen gar waren, sagte er:

»Also, ein Stückchen Wurst würde der Sache die Krone aufsetzen ...«

Man brachte ihm ein Stück Wurst, er warf es in den Topf, und während es kochte, zog er Brot aus seinem Rucksack und schickte sich an, gemächlich zu essen. Die Suppe roch, daß es eine Wonne war. Er aß und leckte sich die Lippen ab, und nachdem er den Topf geleert hatte, blieb der Stein auf dem Boden zurück. Die Leute aus dem Haus hingen mit den Augen an ihm und fragten ihn:

»Sagt, Herr Klosterbruder, und der Stein?«

Da antwortete der Klosterbruder:

»Den Stein, den wasch ich und nehm ihn für das nächstemal mit.«

Und so kam er zu einem Essen, wo man ihm nichts geben wollte.

6. Die alte Frau und der Dieb

Es war einmal eine alte Frau, die hatte ihre Enkelin bei sich im Hause, und die Großmutter verwahrte Eier unter dem Bett. Da kam ein Räuber, der legte sich unter das Bett, und die Alte sagte zu ihrem Enkelkind:

»Kind, hol mir die Eier unter dem Bett heraus, die wollen wir zum Abendessen zubereiten.«

Die Kleine tat das und sah ein paar riesengroße Augen unter dem Bett hervorblicken, und sie sagte:

»O weh, Großmütterchen, unter dem Bett sind zwei riesengroße Augen.«

Da sagte sie:

»Schau noch mal nach, das wird nur die Katze sein.«

»Nein, Großmütterchen, es sind riesengroße Augen.«

»Dann laß mich mal selber nachsehen.«

Und da war es ein Räuber. Er hatte Schlüssel, eine Totenhand und ein paar Revolver und Dolche bei sich. Da sagte die Alte zu ihm:

»Kommt doch zu mir und meiner Enkelin ans Feuer.«

Und dann sagte sie zu ihrer Enkelin:

»Als der Großvater noch lebte, hatte er eines Tages einen großen Furunkel auf dem Rücken. Da sagte ich zu ihm: ›Komm, ich quetsch dir den Furunkel auf.‹ Und er sagte: ›Hilfe, man will mich umbringen!‹«

Und der Räuber sagte:

»Schrei doch nicht so, Alte. Es könnte dich jemand hören.«

Und sie:

»Nein: ›Hilfe, Räuber wollen mich umbringen.‹«

Und die Leute liefen vor der Tür zusammen.

»Was ist denn nur los, Alte?«

»Der Räuber hier will mich umbringen.«

Und da führten sie ihn ab und brachten ihn hinter Schloß und Riegel.

Zu Ende ist der Schwank, Gott sei Lob und Dank.

Als ich einen Teller Erbsen wollt’ kriegen, entpuppte sich alles als lauter Lügen.

7. Das Bäuerlein

Es war einmal ein Bauersmann, der arbeitete auf einem großen Landgut. Als der König auf der Jagd vorbeikam, fragte er ihn, wovon er lebe.

»Ich lebe von meiner Arbeit, zwölf Heller am Tag, die teile ich in drei Teile. Der erste ist für meine alten Eltern, die nicht mehr arbeiten können, der zweite der Unterhalt für meine Frau und mich, und den dritten verleih ich sozusagen auf Zinsen, der ist nämlich für meine Kinder.«

Dem König gefiel diese Antwort, und er sagte zu dem Bauersmann, er solle niemandem sagen, wie er die zwölf Heller einteilte, ohne daß er vorher hundertmal das Gesicht des Königs angesehen habe. Und das versprach er.

Als er wieder auf seinem Schloß war, ließ der König alle seine Edelleute zusammenrufen, und er fragte sie, ob sie erraten könnten, wer jeden Tag die zwölf Heller, die er mit seiner Arbeit verdiente, in drei Teile teilte und wie er das mache. Die Edelleute dachten hin und dachten her, bis sie schließlich entdeckten, wer gemeint war, und den Mann aufsuchten. Er wollte jedoch unter keinen Umständen sagen, wie er seine zwölf Heller einteilte. Die Edelleute drangen so sehr in ihn, daß er schließlich sagte:

»Ich erkläre es nur, wenn ich hundert Goldmünzen bekomme.«

Den Edelleuten blieb nichts anderes übrig, als seine Forderung zu erfüllen, dann sagte er ihnen, wie er die zwölf Heller einteilte. Darauf gingen die Edelleute in den Palast zurück und erzählten es dem König.

Der ließ den Bauersmann unverzüglich rufen. »Betrüger, du hast es verraten, ohne vorher hundertmal das Gesicht des Königs anzusehen.«

»Nein, Herr König, das habe ich hundertmal auf den Münzen gesehen, die Eure Edelleute mir gegeben haben.«

»Du bist ein kluger Kopf«, sagte der König, und er fragte ihn, was für ein Geschenk er sich wünsche. Da antwortete er:

»Ich möchte, daß jeder Mann, der Angst vor seiner Frau hat, mir fünf Groschen geben muß.«

»Das ist alles, was du dir wünschst?«

»Ja, Herr König, damit komme ich gut hin.«

»Dann werde ich ein solches Dekret erlassen.«

Der Mann aber wurde bei dem Hagel von Fünfgroschenstücken reich und reicher und fuhr schon in seiner eigenen Kutsche. Eines Tages fuhr er am königlichen Palast vorbei, und der König, der am Fenster stand, ließ ihn anhalten und zu sich rufen.

»Wie kannst du dir so viel leisten, wo du nur fünf Groschen von jedem Mann bekommst, der Angst vor seiner Frau hat?«

Da erzählte ihm der Mann, daß er unterwegs eine wunderschöne Prinzessin gesehen habe ... In diesem Augenblick kam die Königin herein, und der König sagte:

»Sprich leise, da kommt die Königin.«

»Also auch Eure königliche Majestät! Dann rückt mal gefälligst fünf Groschen heraus!«

Der König gab sie ihm, und unser Mann lebt noch immer herrlich und in Freuden von den fünf Groschen, die ihm jeder Mann bezahlen muß, der Angst vor seiner Frau hat.

8. Das väterliche Erbteil

Ein Mann hatte zwei Söhne, von denen sagte der jüngere eines Tages zu ihm:

»Lieber Vater, gib mir mein Erbteil, denn ich will in die Welt hinausziehen und mein Glück versuchen.«

Da gab der Vater ihm, was ihm von seiten seiner Mutter zustand, und er zog in die weite Welt hinaus.

Es verging eine geraume Zeit, und als der Junge sah, daß er kein Vermögen zusammenbekam, vielmehr nur sein Erbteil nach und nach verausgabte, beschloß er, nach Hause zurückzukehren. In seinem Heimatort erfuhr er, daß sein Vater verstorben war und daß sein Bruder das Haus in einen Palast verwandelt hatte, wo er auf großem Fuße lebte. Da ging der Junge zu seinem Bruder, erzählte ihm, wie es ihm ergangen war, und der Bruder antwortete ihm:

»Ich kann dir nicht weiterhelfen, denn unser Vater hat mir nichts vererbt, und für dich hat er nur diesen alten Kasten hinterlassen, den sollte ich nicht öffnen.«

Da nahm der Junge das väterliche Erbe entgegen und zog in eine andere Gegend. Unterwegs wollte er sehen, was in dem Kasten war, und machte ihn auf. Und siehe da, es kam ein kleiner Neger heraus, winzig klein, und der sagt zu ihm:

»Befiehl mir, was ich tun soll, Herr!«

»Ich befehle dir, daß du mir einen Palast herbeischaffst mit allem, was dazugehört, mit Kutschen und mit Lakaien, die mich bedienen.«

Gesagt, getan: es war alles zur Stelle, wie er wünschte. Jetzt lebte der Junge glücklich und zufrieden in seinem Palast, der viel schöner war als der des Königs, bis er eines Tages die Nachricht erhielt, sein Bruder werde ihn besuchen. Der Bruder wurde mit großer Festlichkeit empfangen und fragte ihn, wie er in so kurzer Zeit so viel zusammengebracht habe.

»Das war das Erbteil, das mir unser Vater hinterlassen hat.«

»Aber«, so erwiderte der Bruder, »dein Erbteil war doch ein alter Kasten.«

»Jawohl, so war es, aber in diesem Kasten liegt das Geheimnis.«

Da gelang es dem Bruder, ihm den Kasten zu stehlen und zu entfliehen, ohne daß es jemand bemerkte. In seine Heimat zurückgekehrt, öffnete er den Kasten, und sofort sagte der Neger: »Befiehl, was ich tun soll, Herr!«

»Ich will, daß mein Bruder seinen Palast verliert und sich im Gefängnis wiederfindet und daß mein Palast sich in einen verwandelt, der tausendmal schöner ist, als der seine es war.«

Alles ging in Erfüllung, und er sagte außerdem zu dem kleinen Neger:

»Ich will, daß die Tochter des Grafen Soundso mich heiratet und ich den Grafentitel bekomme.«

Alles ging in Erfüllung, wie er es wünschte, und den Kasten führte er nun immer bei sich und legte ihn beim Schlafen unter sein Kopfkissen, damit niemand ihn ihm wegnehmen konnte.

Nun hatte der Bruder, der im Gefängnis war, einen Hund und eine Katze, und sobald die erfuhren, daß ihr Herr gefangen war, taten sie alles, um zu ihm zu kommen. Als sie das erreicht hatten und hörten, daß der Graf, der Bruder ihres Herrn, ihm den Kasten gestohlen hatte, beschlossen sie beide, den Kasten aus dem Palast zurückzuholen. Weil sie dazu aber das Meer überqueren mußten, machten sie sich ein Boot aus Kürbisschale.

Im Palast erfuhren sie sogleich, daß der Graf den Kasten beim Schlafen unter seinen Kopf legte, und da sagte der Hund zur Katze:

»Ich leg mich unter das Bett, und du gehst in die Küche, tauchst deinen Schwanz in Essig und hälst ihn dann dem Grafen unter die Nase, und wenn er niest, zieh ich den Kasten weg, und wir reißen damit aus.«

So taten sie’s, und sobald sie aus dem Palast heraus waren, stiegen sie in ihr Boot und fuhren los. Da erblickten sie ein Schiff mit Mäusen, die hißten, als sie sie sahen, sofort die Kriegsflagge, aber die beiden hegten nur friedliche Absichten und taten den Mäusen nichts und erzählten ihnen, warum sie unterwegs waren. Da sagten die Mäuse:

»Wenn ihr uns nötig habt, stehen wir zu eurer Verfügung.«

»Besten Dank«, antworteten der Hund und die Katze.

Kurz vor dem Ziel ihrer Reise gerieten sie nun in Streit darüber, wer dem Herrn den Kasten bringen sollte, und bei diesem Hin- und Herreden fiel ihnen der Kasten ins Meer. Da sagte der Hund in seiner Aufregung:

»Der König der Fische stehe mir bei!«

Und sofort erschien ein großer Fisch, der sagte zu ihm:

»Hier bin ich, sag, was du willst!«

»Ich war mit der Katze unterwegs, und wir hatten einen Kasten bei uns, der ist uns ins Meer gefallen, und nur Eure Majestät kann uns helfen.«

»Ich weiß von nichts, aber ich werde meine Untertanen rufen, vielleicht wissen die etwas darüber.«

Da kamen Fische in Massen und auch eine Languste, die zog ein gebrochenes Bein hinter sich her.

»Ich hab den Kasten gesehen, er ist mir nämlich aufs Bein gefallen und hat es mir gebrochen.«

Der König der Fische gebot ihr, den Kasten herbeizubringen, und dann gab er ihn dem Hund, und sowohl der als auch die Katze zogen nach tausend Dankesbezeugungen weiter zum Gefängnis ihres Herrn und beschlossen, jetzt den Kasten gemeinsam auf dem Rücken zu tragen.

Der Herr war sehr froh, öffnete den Kasten und befahl dem kleinen Neger:

»Ich will, daß dieses Gefängnis verschwindet; ich will einen Palast gegenüber dem meines Bruders und will die Königstochter heiraten.«

So geschah es, und da ging er zu seinem Bruder und sagte zu ihm:

»Ich könnte dir Böses antun, aber will es nicht, vielmehr will ich mit dir meinen ganzen Reichtum teilen, und wir wollen von heut an gute Freunde sein.«

Ich habe vergessen zu sagen, daß der Hund und die Katze Halsbänder aus reinem Gold und Edelsteine trugen und daß sie sehr alt wurden.

9. Die drei Zitronen der Liebe

Es war einmal ein Prinz, der ging auf die Jagd. Er hatte großen Durst, und er fand drei Zitronen. Eine davon machte er auf, und da erschien ihm ein wunderschönes Mädchen, das sagte: »Gib mir Wasser, sonst muß ich sterben.«

Der Prinz hatte nichts zu trinken bei sich, und da starb das Mädchen. Der Prinz zog weiter, und da auch ihm der Durst zusetzte, machte er noch eine Zitrone auf. Diesmal erschien ihm ein anderes Mädchen, das war noch schöner als das erste und sagte ebenfalls:

»Gib mir Wasser, sonst muß ich sterben.«

Es war kein Wasser da, und das Mädchen starb. Der Prinz zog traurig weiter und gelobte, die andere Zitrone erst aufzumachen, wenn er an einen Brunnen käme. So tat er auch. Er machte die letzte Zitrone auf, und diesmal hatte er Wasser zur Hand, und das Mädchen blieb am Leben. Sein Zauber war gebrochen, und da es sehr schön war, versprach der Prinz, es zu heiraten, und er brach auf zum Schloß, um Kleider zu holen und es dann als seine Braut an den Hof heimzuholen. Während der Prinz fort war, schaute das Mädchen zwischen den Zweigen hervor, hinter denen es versteckt war, und sah eine Negerin kommen, die im Wasser ein Krüglein füllten wollte. Aber die Negerin sah nun im Wasser ein wunderschönes Gesicht abgebildet und meinte, sie selber sei es, und sie zerbrach das Krüglein mit den Worten:

»Ein so schönes Gesicht und Wasser schleppen! Das geht nicht an.«

Das Mädchen konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Die Negerin schaute auf, erblickte es und sprach voller Wut und Tücke schmeichelnde Worte und rief das Mädchen zu sich und begann, ihm den Kopf nach Läusen abzusuchen. Als das Mädchen einen Augenblick nicht achtgab, steckte sie ihm eine Nadel ins Ohr, und das Mädchen verwandelte sich auf der Stelle in eine Taube. Als der Prinz zurückkam, fand er statt des Mädchens eine häßliche, schmutzige Negerin und fragte verwundert:

»Wo ist denn das Mädchen, das ich hier zurückgelassen habe?« »Das bin ich«, sagte die Negerin.« Die Sonne hat mich braungebrannt, während Eure Hoheit mich hier allein gelassen hat.«

Der Prinz gab ihr die Kleider und nahm sie mit sich aufs Schloß, wo alle höchst erstaunt waren über seine Wahl. Er wollte sein Wort nicht brechen und fraß seine Scham still in sich hinein. Als der Gärtner seine Blumen begoß, sah er eine weiße Taube durch den Garten fliegen, die ihn fragte:

»Herr Gärtner, gebt mir Bescheid: Wie geht es dem König, Der die Negerin freit?«

Voller Verwunderung antwortete er:

»Sie essen und trinken In Saus und Braus, Und das arme Täubchen Weiß nicht ein noch aus!«

Der Gärtner berichtete dem Prinzen davon, der verwunderte sich sehr und sagte:

»Fang es mit einer Schlinge aus Stoff.«

Am nächsten Tag flog die Taube durch den Garten und stellte die gleiche Frage. Der Gärtner antwortete ihr, und das Täubchen flog weiter umher und sagte:

»Ein königliches Täubchen läßt sich nicht mit einer Schlinge aus Stoff fangen.«

Der Gärtner berichtete alles dem Prinzen. Da sagte der zu ihm:

»Dann leg ihr eine Schlinge aus Silber.«

Das tat er, aber das Täubchen flog davon und wiederholte:

»Ein königliches Täubchen läßt sich nicht mit einer Schlinge aus Silber fangen.«

Als der Gärtner ihm das Vorgefallene erzählte, sagte der Prinz: »Dann leg ihm jetzt eine Schlinge aus Gold.«

Das Täubchen ließ sich mit der Schlinge fangen. Und als der Prinz ganz traurig in den Garten kam, fand er es und begann es zu streicheln. Als er ihm mit der Hand über den Kopf strich, fand er im Ohr eine Nadel. Er zog sie heraus, und im gleichen Augenblick erschien ihm das Mädchen, das er am Brunnen zurückgelassen hatte. Er fragte es, warum ihm dieses Unglück widerfahren war, und das Mädchen erzählte ihm, wie die Negerin Maria sich im Brunnen gesehen hatte, wie sie das Krüglein zerbrochen und ihm den Kopf nach Läusen abgesucht hatte, bis sie ihm die Nadel ins Ohr stach. Der Prinz nahm es mit sich aufs Schloß als seine Frau, und vor versammeltem Hof fragte er es, was mit der Negerin Maria geschehen solle.

»Aus ihrer Haut soll eine Trommel gemacht werden, die ertönen soll, wenn ich ausgehe, und aus ihren Knochen eine Leiter, auf der ich in den Garten hinuntersteigen kann.«

Der König ließ genau ausführen, was es gesagt hatte, und sie lebten glücklich ihr ganzes Leben lang.

10. Der kleine Hans

Es waren einmal drei Brüder, einer von ihnen hieß der kleine Hans. Der kleine Hans war eine Handspanne groß, sein einer Bruder ein und eine halbe Handspanne und sein anderer eine halbe. Vater und Mutter starben, da zogen die drei in die Welt hinaus. Sie kamen an das Schloß eines Königs und klopften an das Tor und fragten, ob der König wohl einen Diener brauche. Es war der König der Türken. Er fragte sie, ob sie lesen könnten. Sie antworteten: »Nein.« Da sie nicht lesen konnten, schickte der König sie wieder fort. Da gingen sie in ein anderes Schloß, um dort ihre Dienste anzubieten. Bei diesem König sagten sie, sie könnten lesen. Der König bestellte den kleinen Hans zum Buchhalter, den, der nur eine halbe Handspanne groß war, zum Gärtner und den, der ein und eine halbe Handspanne groß war, zum Aufseher über seine Feldarbeiter.

Die beiden Brüder waren sehr neidisch auf den kleinen Hans, weil er immer im Haus bleiben konnte und sie aufs Feld gehen mußten. Sie wollten nun dem kleinen Hans eine Falle stellen, um ihn zu töten. Sie gingen also zum König und sagten zu ihm, der kleine Hans sei imstande, dem Türkenkönig eine wunderschöne Decke, die er besaß, zu entwenden.

Der kleine Hans machte sich auf den Weg, aber der Türkenkönig hatte an seinem Schloßtor einen Papagei, der schrie immer, sobald er jemanden erblickte:

»Du armer Türkenkönig wirst bestohlen!«

Der kleine Hans kam an das Tor. Er hatte viele Kuchen bei sich, denn er wollte sehen, ob er den Papagei zum Schweigen brächte, und er fragte ihn, ob er Kuchen haben wolle.

Der Papagei sagte ja, und der kleine Hans stieg zum Schloß hinauf und legte sich unter das Bett des Königs. In der Nacht begann er die Decke bald nach der einen, bald nach der anderen Seite zu ziehen. Den König ärgerte das so sehr, daß er schließlich die Decke auf den Fußboden warf. Sofort nahm der kleine Hans die Decke an sich und machte sich mit ihr auf und davon. Erst als er durch das Tor entschwunden war und sich schon ein Stück vom Schloß entfernt hatte, kam es dem Papagei in den Sinn zu rufen:

»Eile herbei, Türkenkönig, du wirst bestohlen!«

Der Türkenkönig erschien am Tor, erblickte den kleinen Hans noch und sagte zu ihm:

»Geh nur zu, denn du wirst noch öfter wiederkommen, bis du eines Tages hierbleibst.«

Und der kleine Hans antwortete ihm:

»Ja, ich komme zurück, ich komme wieder, und eines Tages nehme ich dich selbst mit.«

Er kam bei seinem König an und gab ihm die wunderschöne Decke. Als die Brüder sahen, daß er noch mit dem Leben davongekommen war, sagten sie zum König, Hänschen sei imstande, den Papagei zu holen, der das Schloßtor des Türkenkönigs bewachte. Der kleine Hans ging wieder hin und hatte viele Kuchen bei sich und gab sie dem Papagei und sagte zu ihm, er möge doch den Schnabel halten, wenn er ihn jetzt mitnehme.

Als der Papagei die Kuchen gefressen hatte und der kleine Hans ihn mitnehmen wollte, rief der Papagei:

»Eile herbei, Türkenkönig, du wirst bestohlen!«

Der Türkenkönig erschien und nahm den kleinen Hans fest, führte ihn ins Schloß zurück, fesselte ihn an Händen und Füßen und sagte zur Köchin, sie solle den kleinen Hans schlachten und ihn zum Essen zubereiten. Dann ging der Türkenkönig wieder fort. Und die Köchin machte sich daran, einen Schinkenknochen durchzusägen. Als der kleine Hans dies sah, sagte er:

»Warum willst du den selbst durchsägen? Mach mir doch die Hände frei, dann säge ich dir den Knochen in einem Augenblick durch.«

Da antwortete sie:

»Nein, denn dann läufst du mir fort.«

Und er sagte:

»Aber nein, bind mir ruhig die Hände los, mit gefesselten Füßen kann ich doch nicht fliehen.«