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Entspannt und wach im Hier und Jetzt "Das größte aller Wunder ist es, lebendig zu sein. Achtsamkeit ermöglicht uns, dieses Wunder zu berühren." Thich Nhat Hanh Einsamkeit macht vielen Menschen Angst. Doch der Rückzug aus dem hektischen Alltag in die Stille des Alleinseins bietet enorme Chancen: Dieses Buch begleitet Sie auf dem Weg zu sich selbst und zeigt mit vielen Übungen, wie Sie die Kraft des Für-sich-Seins nutzen, um inneren Frieden zu finden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und neuen Lebensmut zu schöpfen.
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Seitenzahl: 90
Veröffentlichungsjahr: 2018
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HERVÉ MAGNIN
Die Kraft des Alleinseins
Hervé Magnin ist Psychotherapeut und Coach.
Der Musiker, Singer-Songwriter und erfolgreiche Autor illustriert seine Themen wie Selbstliebe und Angstbewältigung auch in seinen Liedern und Konzerten.
Die Originalausgabe ist 2010 unter dem Titel La positive solitude bei Éditions Jouvence, S.A., Chemin du Guillon 20, Chase 184, CH-1233 Bernex, erschienen.
www.editions-jouvence.com
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eBook-Ausgabe 2018
© 2010 Éditions Jouvence
© der deutschsprachigen Ausgabe 2015 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München Übersetzung: Claudia Seele-Nyima
Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Layout und Satz: Veronika Preisler, München
Konvertierung: Bookwire
ePub: 978-3-95803-206-4
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1 Mittwoch, 19. Mai
Uns mit der Einsamkeit vertraut machen
Erkenne dich selbst …
Unzulänglichkeit und Abhängigkeit
2 Donnerstag, 20. Mai
Belastende Isolation
Andere zurückweisen
Von der Isolation zur Einsamkeit
3 Freitag, 21. Mai
Liebe
Stille
Die Krise
Kreativ sein
4 Samstag, 22. Mai
Freiheit
Das Absolute
Und zum Schluss: Das Relative
Anmerkungen
Buchempfehlungen
Champagny-en-Vanoise, es ist zehn Uhr morgens und ich habe Angst. Einsamkeit macht Angst. Nicht jedem und auch nicht immer auf die gleiche Weise. Normalerweise ist ja eher das Unbekannte angsteinflößend. Ist dann etwa die Einsamkeit etwas Unbekanntes für mich? Was für ein Schwindel wäre das: ein Essay von mir über ein Thema, von dem ich nichts weiß, in einer Reihe, die Experten zu Wort kommen lässt! – Aber: Ja, ich kenne die Einsamkeit! Ich meine sie sogar recht gut zu kennen, gut genug jedenfalls, so hoffe ich, dass mein diesbezügliches Wissen und meine Erfahrungen Ihnen von Nutzen sein können. Ich kenne jene Einsamkeit, die mir bisweilen meine Angehörigen anvertrauen. Und die Einsamkeit der mir unbekannten Menschen, die spüren, dass ich ein offenes Ohr für sie habe, ist mir ebenso wenig fremd wie die der Klienten, die in meine psychotherapeutische Praxis kommen. Und ich habe die Einsamkeit gesehen, die Künstler, Philosophen, Mystiker, Misanthropen und Weise in der Öffentlichkeit zeigen. Diese Seiten möchte ich jedoch nicht als distanzierter Beobachter schreiben. Ich habe mir fest vorgenommen, mit meiner eigenen Einsamkeit in Kontakt zu treten, um meine Überlegungen zu diesem Thema, das zunächst Furcht einflößt, mit Ihnen zu teilen. Ist es ein großes Paradox, allein zu sein, um sich anderen mitzuteilen? Wenn Sie wollen, lassen Sie uns darüber diskutieren, allein und gemeinsam!
Ich habe Angst. Einsamkeit macht mir manchmal Angst. Es gibt unzählige Formen der Einsamkeit. Ich kenne nur einige davon. Heute Morgen, beim Aufwachen an diesem unbekannten Ort, wurde ich von Entdeckerrausch erfasst. Mich wirklich ein paar Tage ganz allein in die Abgeschiedenheit zurückziehen, um ein Buch über Einsamkeit zu schreiben, das ist eine ebenso amüsante wie beunruhigende Vorstellung. Dieser Ort ist einmalig schön, er könnte mich mit seinem Charme ablenken. Der Berg vor meinem Fenster hat eine beeindruckende Präsenz. Ich bin also objektiv nicht allein. Die Einsamkeit, mit der ich mich hier vertraut machen möchte, ist eine Stimmung, eine geistige Verfassung. Deswegen habe ich mir überlegt, dass die Natur und ein unbekannter Ort als Umgebung mich weniger vereinnahmen und ablenken werden als mein alltägliches Universum voller Gewohnheiten. Ob das so funktionieren wird, ist jedoch alles andere als gewiss, denn ich brauche nur meinen Blick, meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten – das an diesem Ort noch dazu mit Sicherheit etwas Schönes ist –, um aus meiner Innerlichkeit herauszugleiten.
Wie dem auch sei, mein Mobiltelefon ist jedenfalls ausgeschaltet. Eigentlich hätte ich es auch zu Hause lassen können. So bleibt die Versuchung bestehen. Werde ich stark genug sein, bei dringenden Fällen, die so selten tatsächlich eintreten, nicht nachzugeben? Was das Internet anbelangt, bin ich unbesorgt. Hier ist keine Verbindung möglich. Obwohl: Wäre ich ein echter »Internet-Junkie«, könnte ich in weniger als einer Viertelstunde an einem Ort sein, wo ich Zugang zum Internet hätte. Ich bin mit dem Auto hergekommen und befinde mich weder in der Wüste noch im Dschungel, sondern nur zwei Stunden von meinem Zuhause entfernt. Als ich jung war, habe ich diese Art von Einsamkeit, die in unseren Städten nicht ohne Weiteres zu finden ist, aktiv und intensiv gesucht. Vier Jahre lang bereiste ich die Welt allein. Die Anziehungskraft, die große Weiten auf mich ausübten, führte mich in unwirtliche Gegenden, erfüllt von Einsamkeit. Natürlich trieb mich teilweise auch Stolz dazu, der Gefahr allein auf mich gestellt gegenüberzutreten. Doch ich spürte auch sehr gut, dass in der Erfahrung der Einsamkeit eine initiatorische Kraft liegt. Und trotz meiner Jugend hatte mich meine Intuition diesbezüglich nicht getäuscht. Während meiner ganzen Kindheit malte ich mir Initiationsriten aus, bei denen ein alter Weiser einem Jugendlichen den Auftrag gibt, sich allein auf den Weg zu machen und gereift zurückzukehren. Du wirst ein Mann sein, mein Sohn … Bis heute ist das Gedicht von Rudyard Kipling in meiner Kinderseele und im Herzen des Vaters, der ich nicht bin, gegenwärtig:
Kannst du zum Volke ohne Plumpheit sprechen,
Und im Verkehr mit Großen bleibst du schlicht;
Lässt du dich nicht von Freund noch Feind bestechen,
Schätzt du den Menschen, überschätzt ihn nicht.
Füllst jede unerbittliche Minute
Mit sechzig sinnvollen Sekunden an:
Dein ist die Erde dann mit allem Gute,
Und was noch mehr, mein Sohn:
Du bist ein Mann!
Rudyard Kipling1
Die angeblich so feierliche Kommunion und das Abitur fand ich als Rituale ziemlich fade. Es war viel cooler, in der Savanne einem Löwen zu begegnen und wieder heil aus der Sache herauszukommen. Aber brauchen wir wirklich die Seele eines Kriegers, um dem furchteinflößendsten Gegner von allen gegenüberzutreten – uns selbst? Nicht unbedingt. Es sei denn, dass aus dieser kampflustigen und narzisstischen Begegnung die schönste Freundschaft geboren wird – »die, die jeder sich selbst schuldig ist«, wie der französische Philosoph und Essayist Michel de Montaigne sagt. Kann es sein, dass es eine stabile Selbstachtung fördert, mit sich allein zu sein?
Die Wüste macht es nahezu unmöglich, vor sich selbst zu fliehen. Ich meine aber, dass ich es heute nicht mehr nötig habe, jeden Rückzug konkret unmöglich zu machen. Die Seite, die vor mir liegt, ist nicht mehr völlig unbeschrieben. Meine Angst hat ihre Macht über mich verloren. Diese Einsamkeit ist selbst gewählt, und ich bin davon überzeugt, dass ich frei wählen kann, ob ich allein sein will oder nicht. Eine Illusion? In meinem Leben, in dem ich als kinderloser Junggeselle allein auf mich gestellt bin, verbinden mich E-Mail und Smartphone jeden Tag mit anderen. Ich bin kein Angestellter in einem Unternehmen, arbeite also nicht fünf Tage pro Woche an einem bestimmten Ort, den ich aufsuchen muss, um Kollegen und Kunden zu treffen. Meine beruflichen und privaten Begegnungen sind unregelmäßig. An vielen Tagen sehe ich niemanden. Diese Form der Einsamkeit ist für mich alltäglich und relativ. Ich bin hierhergekommen, um eine andere zu entdecken.
In der Wohnung, die mir netterweise zur Verfügung gestellt worden ist, bemerke ich einen Fernseher. Zu dieser Tageszeit sehe ich normalerweise, während ich esse, eine Quizsendung im Fernsehen, dann die Ein-Uhr-Nachrichten. Es ist eine Versuchung, doch dann mache ich mir ein Sandwich und nehme meine einsame Arbeit wieder auf. Manchmal, wenn ich meine Einsamkeit spüre, versuche ich vergeblich, eine Leere zu füllen, indem ich esse. Diese fruchtlose Kompensation kenne ich nur zu gut und beuge mich oft ihrem neurotischen Diktat. Ich bin einfach ein »Herdentier« und brauche andere. Mein Freund Charles erinnert mich immer wieder daran – obwohl es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass ich es vergesse –, dass meine Freunde, meine Lieben da sind. Sogar die Leute, die mir auf die Nerven gehen, wirken beruhigend auf mich, indem sie mich mit der Welt verbinden. Doch ich kenne auch die verborgenen Tugenden der echten Einsamkeit, derjenigen, die das Gegenteil der Leere ist, nämlich Fülle. Um unsere unaufhörliche Flucht vor der Einsamkeit zu rechtfertigen, präsentiert unsere Kultur sie wie eine Feindin, die bekämpft werden muss. Der Kampf gegen Ausgrenzung ist verständlich und legitim. Mangelnde Zuwendung ist unter Umständen so schmerzlich, dass sie zum Tod führen kann, den die Betreffenden irrtümlich für angenehmer halten als die Ablehnung. Isolation kann bei einem Menschen, der nicht darauf vorbereitet ist, schweres Leiden verursachen. Ich wiederhole:
Unbekanntes macht Angst. Doch vor der Einsamkeit zu fliehen bewirkt letztlich nur, dass wir weiterhin nichts über sie erfahren, und hält damit unseren Argwohn aufrecht.
Da ich aufmerksam die Ratschläge befolgt habe, die mein Freund, der Fuchs, mir gegeben hat, hier also einige Lektionen, wie wir uns mit uns selbst vertraut machen können.2
Die Einsamkeit, die gibt es nicht. Das will uns zumindest Gilbert Bécaud in seinem berühmten Chanson3 glauben machen.
Nun bin ich ganz allein zu Haus
Und das macht mir auch nichts mehr aus
Rundfunk und Fernsehen sind da
Die Gegenwart ist dadurch nah
Mein Stammtisch wartet schon auf mich
Hab Freundinnen auch ohne dich
Die Angst vergeht scheinbar durch Ablenkung. Und die Einsamkeit schwindet, meint man, wenn eine neue Person auftaucht. Andere Mütter haben eben auch schöne Töchter … Zerbrochene Liebesbeziehungen sind offenbar eine bleibende Quelle der Inspiration für Künstler. So heißt es bei Bécaud weiter: »Du denkst, mein Kind, ich leide sehr, du glaubst, für mich wär’s zu schwer, doch Menschen gibt es fern und nah, die ich bisher nie richtig sah, denn unsere Welt ist doch sehr groß …« Der kanadische Autor und Regisseur Robert Blondin entgegnet darauf auf seine Weise, indem er sagt, dass »die Freiheit sehr schlecht mit einer simplen Verschiebung der Abhängigkeit vereinbar ist«.
Wenn man immer vor der Einsamkeit flieht, können einem natürlich am Ende Zweifel kommen, ob sie überhaupt existiert. Doch es gibt sie tatsächlich – und vielleicht sind Sie ihr, ebenso wie ich, schon begegnet. Man findet sie in der Sahara ebenso gut wie im Dschungel der Städte.