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Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2000 im Fachbereich BWL - Industriebetriebslehre, Note: 2, Technische Universität Chemnitz (Institut für Betriebswissenschaften und Fabriksysteme), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Hauptziel dieser Arbeit besteht nun darin, Erkenntnisse der Systemtheorie und Organisationsforschung für Produktionsunternehmen und deren Vernetzung systematisch und wissenschaftlich zu untersuchen und Anwendungsmöglichkeiten für den Produktionsbereich kleiner unternehmerischer Produktionseinheiten aufzuzeigen. Daraus leiten sich die folgenden Unterziele ab: - Beschreibung des gegenwärtigen wissenschaftlichen Standes der Forschung bei gleichzeitiger Positionsbestimmung hinsichtlich Systemtheorie, Bildung unternehmerischer Produktionseinheiten und deren Vernetzung, - Bestimmung der Erfolgsfaktoren der Bildung unternehmerischer Produktionseinheiten und deren Vernetzung unter Berücksichtigung biokybernetischer Gesetzmäßigkeiten, - Erarbeitung eines visionären Ansatzes zur Herausbildung neuer, regional vernetzter, kleiner Produktionseinheiten, - Bestimmung von Beschreibungs- und Gestaltungsmerkmalen für den visionären Ansatz, - Beschreibung der Auswirkungen auf die Produktionsstätten. Im Ergebnis entsteht eine ganzheitliche Denkanleitung zur Bildung und Vernetzung kleiner unternehmerischer Produktionseinheiten im Bereich der Produktion. Die Arbeit zielt in Abgrenzung zu anderen Forschungsvorhaben - im Zusammenhang mit der Vernetzung von Unternehmen und der Herausbildung von Produktionsnetzen - ausschließlich auf die Untersuchung von qualitativen Aussagen ab. Der Betrachtungsbereich beschränkt sich auf kleine Produktionsunternehmen. Die Biokybernetik wird als wesentlicher Ansatzpunkt der regionalen Vernetzung und Bildung von Produktionsnetzen zu Grunde ge-legt. Volkswirtschaftliche Einflüsse, die aus der regionalen Vernetzung und der Bildung kleiner unternehmerischer Produktionseinheiten resultieren werden in dieser Arbeit nicht untersucht.
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Veröffentlichungsjahr: 2002
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Glossar
Dimensionbezogen auf die KPZ ist hier die durchgängige Sichtweise auf einen besonderen Sachverhalt. /GOME-81/
Dimensionbezogen auf Produktionsstätten ist die quantitative Ausprägung derProduktionsstättenelemente.
Funktion einer KPZbezieht sich auf die Weiterentwicklung der Kompetenz der KPZ und damit der Differenzierung von anderen KPZ´en.
Funktion eines Produktionsnetzesbesteht vorrangig darin i n gleichberechtigter Partnerschaft Kundenprobleme zu lösen und dabei den Aufbau vonVertrauenzu fördern sowie dieMachteinzelner KPZ´en in einem angemessenen Rahmen zu halten.
Genpoolist die Bezeichnung für die Speicherung der Erbinformationen einer biologischen Zelle.
Geschäftsprozessesind Teile desWertschöpfungsprozessesund können z.B. funktional in die Prozesse Marketing, Forschung, Produktion usw. unterteilt werden.Heterarchischist eineKooperationdurch wechselndeMachtund Weisungsbefugnis zwischen den Netzpartnern.
Hierarchielosist eine durchSelbstorganisationgekennzeichneteKooperationohne Machtausübung und Weisungsbefugnis der Netzpartner.
Identcodeist ähnlich dem genetischen Code der persönliche Ausweis eines Individuums imKooperationsnetz,in dem alleKompetenzendes Individuums abgelegt sind.Kernkompetenzist dieKompetenzeiner Gruppe von Individuen in Form von Gruppenkompetenz und widerspiegelt somit die Einzigartigkeit einer Organisation.Kompetenz- besteht aus Dispositionen (menschlichen Anlagen, Fähigkeiten, Bereitschaft) eines Individuums als Einzelkompetenz sowie dem Individuum zugehöriger Ressourcen.Kompetenz - und Ressourcenpool -setzt sich aus einer oder mehrerenIdentcodsvon Individuen zusammen, die in einer KPZ integriert sind. In ihm sind die Kompetenzen und Ressourcen der KPZ abgelegt. Der Pool dient dem Informations- und Datenaustausch zwischen vernetzten KPZ´en.
Kompetenzzelle(KPZ) ist die kleinste, noch lebensfähige Wertschöpfungseinheit, die ausKompetenzund/oderKernkompetenzbesteht. Die KPZ realisiert die Grundfunktionen Speichern, Bewegen und Transformieren, besitzt die Eigenschaften elementar, autonom, lebens-
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fähig im Netz und ist im hohen Maße anpassungs-, erweiterungs-, lern- und kooperationsfähig und hat damit die Voraussetzung zurSelbstorganisation.Kooperationist die Umsetzung der Vernetzung von KPZ´en oderunternehmerischen Produktionseinheitenauf operativer Ebene. Kooperation stellt eine freiwillig ausgehandelte Zusammenarbeit verschiedener Partner dar, von denen jeder bestimmte Aufgaben desWertschöpfungsprozesseszur Erreichung eines gemeinsamen Zieles übernimmt.Kooperationsnetzebestehen aus Netzknoten und deren Verbindungen. Sie stellen die Verschmelzung von strategischer und operativer Ebene der Interaktion zwischen Unternehmen, Unternehmensteilen und/oderunternehmerischer Einheitendar.Kooperatorist eineKPZoderSoftwareagentwelche die Zusammenarbeit der KPZ´en im Produktionsnetz überwacht.
Machtbedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben der Partner durchzusetzen, egal worauf diese Chance beruht.Netzknotensind Individuen und derenRessourcen,die in Unternehmen, Unternehmensteilen,unternehmerischen Einheitenund Institutionen eingebunden sind.Produktionsnetzstellt eine besondere Form desKooperationsnetzesdar, in dem überwiegend materielle Güter produziert werden.
Produktionsstättensind offene Systeme, mit den zugehörigenProduktionsstättenelementen.In der Produktionsstätte werden sowohl materielle Werte als auch ideelle Werte hergestellt.
Produktionsstättenelementesind Individuen, Arbeitsmittel, Arbeitsgegenständen sowie den Produktions- und Dienstleistungsgebäuden.
Regionist der Wirtschaftsraum mit spezifisch entwickelter technischer, wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Struktur in der Ausprägung eines Industrie- und/oder Dienstleistungsraum, der ganz spezifische Kompetenzen besitzt. Ähnlich einem natürlichen Biotop bestehen enge Vernetzungen der in der Region lebenden Individuen.
Ressourcensind alle Hilfsmittel, die zur Erhaltung der Lebensfähigkeit einer KPZ notwendig sind.
Selbstähnlichkeitbedeutet Übereinstimmung von Zielen, Visionen undStrukturenvon Kompetenzzellen in einem Produktionsnetz.
Selbstkoordinationumfasst die selbstständige Bestimmung von Methoden und Verfahren zur Aufgaben- bzw. Kundenwunscherfüllung innerhalb vorgegebener Ziele auf der operativen Ebene.
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Selbstorganisationbesteht aus der Selbstkoordination und der Selbstreferenz
Selbstreferenzist sowohl das Agieren zum Beeinflussen der Umwelt als auch das Reagieren der KPZ auf Veränderungen der Umwelt durch die Optimierung bestehender bzw. die Bildung neuer Funktionen, Dimensionen und Strukturen unter strategischen Gesichtspunkten.
Softwareagent- ist eine Softwareentität, die vom Anwender delegierte Aufgaben autonom erfüllt.
Strukturbezeichnet die räumliche und zeitliche Anordnung von Teilen in einem Ganzen.Synergiewird durch die Nutzung des Umfeldes der KPZ´en in einer Region zum gegenseitigen Vorteil erzielt. ImProduktionsnetzwird also ein größerer Nutzen erreicht werden als im Alleingang.
Unternehmerische Produktionseinheitist eine durch Autonomie, d.h. wirtschaftliche und juristische Eigenständigkeit und Selbstständigkeit gekennzeichnete Einheit (Fraktal, Segment, KPZ), die auf operativer, strategischer und normativer Ebene agiert und dabei Wertschöpfungsprozesse realisiert.
Vernetzungist die Kopplung von Unternehmen, Unternehmensteilen und/oderunternehmerischen Einheitenunter strategischen Zielstellungen, ohne jedoch wertschöpfend tätig zu sein.
Vertrauenwird als antizipiertes positiv zu bewertendes zukünftiges Verhalten des Kooperationspartners, also als ein Reduktionsmechanismus von Unsicherheit und damit als funktionales Äquivalent von Macht interpretiert
Wandlungsfähigkeitermöglicht die proaktive und reaktive Anpassung derKompetenzzellenan das Umfeld und wird durch dieSelbstorganisationund dieSelbstähnlichkeitGewähr leistet.
Wertschöpfungseinheitensind Einheiten, die sich durch die Realisierung vonGeschäftsprozessenzuWertschöpfungsprozessenvernetzen.
Wertschöpfungsprozesseumfassen alle unternehmerischen Aktivitäten zur Lösung einer Kundenanforderung. Wertschöpfungsprozesse können funktional in Teilwertschöpfungsprozesse z.B. Marketing, Forschung, Produktion usw. untergliedert werden.Wissensbasisist der Genpool einer KPZ in dem die gesamten Informationen über Erfahrung, Wissen und Entwicklung einerKPZabgelegt sind.
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In den letzten Jahren erfreut sich ein Themengebiet einer geradezu euphorischen Beliebtheit - DIE KOOPERATION. Inspiriert durch nationale und internationale Forschungen auf diesem Gebiet wurde vor fünf Jahren an der TU Chemnitz mit der Erarbeitung einen Antrages bei der Deutschen Forschungsgemeintschaft auf Einrichtung eines Sonderforschungsbereiches zum Thema „Regionale Produktionsnetze“ begonnen. Ab 1. Januar 2000 ist dieser Sonder-forschungsbereich mit dem Thema „Hierarchielose regionale Produktionsnetze“ an der TU Chemnitz eingerichtet. Die vorliegende Arbeit bildete eine wesentliche Grundlage zur Antragstellung. Gleichzeitig sind aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Finanzierungsantrag /WIRT-99/ der Jahre 2000, 2001 und 2002 zum Sonderforschungsbereich in die Arbeit eingeflossen.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden auf Grund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als Arbeitgeber, Innovator und Ausbilder das Rückgrat der deutschen Wirtschaft /BMWi-98/. Neue Wirtschafts- und Industriestrukturen passen sich in den hoch entwickelten Industrieländern den Markterfordernissen in Forschung, Entwicklung und Produktion an. Dabei zeichnen sich prinzipielle Veränderungen in den Strukturen der Wertschöpfung bis hin zur Mehrwertschöpfung (Mehr-Wertdienste) ab /WEST-99/. Hierbei spielen Kleinst- und Kleinunternehmen eine besondere Rolle als Systemanbieter komplexer Lösungen, wo sie gegenüber Großunternehmen, bei entsprechenden Organisationskonzepten der Vernetzung, nachweisbare Vorteile besitzen /BRAC-97/. Diese verfügen neben ihrer hohen Fachkompetenz jedoch über begrenzte Ressourcen und können somit nur begrenzte Teilsequenzen von Wertschöpfungsprozessen erstellen. Um trotzdem die Fähigkeit zur ganzheitlichen kundenorientierten Leistungserstellung innovativer komplexer Produkte zu behalten bzw. zu erwerben, müssen entweder fehlende Kompetenzen angelagert oder durch Kooperation vervollständigt werden.
Die derzeitigen Kooperationsformen in Produktionsnetzen bauen auf hierarchischen Strukturen in und zwischen den Unternehmen auf. So kommen beispielsweise für kleine Unternehmen oftmals große und wirtschaftlich leistungsstarke Unternehmen als Partner in Frage, mit denen über einen längerfristigen Zeitraum eine relativ stabile Kooperations beziehung aufgebaut wird. Diese Kooperationsbeziehung wird von den Großunternehmen weit gehend tech-nisch-organisatorisch sowie wirtschaftlich dominiert. Dem hierbei errungenen Vorteil relativer Stabilität stehen Nachteile der einseitigen Abhängigkeit und des nicht vorhandenen unmittelbaren Kontaktes zum Endkunden gegenüber. Während die Abhängigkeiten aber für regional bereits etablierte Unternehmen als Restriktionen wirken, entstehen insbesondere für Neu-
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gründungen innovativer Unternehmen nicht zu unterschätzende Markteintrittsbarrieren. Im Ergebnis dessen kommt es zu der Erscheinung, dass regionale Potenziale und Kompetenzen nicht vollständig genutzt werden und damit eine volkswirtschaftlich gewünschte Dynamik in der Gründung und Entwicklung kleiner Unternehmen sogar behindert wird. Gegenwärtige und zukünftige Anstrengungen zielen auf die Gestaltung neuer Wertschöpfungsstrukturen durch hierarchiearme, effiziente Produktions- und Organisationsstrukturen großer und fusionierender Unternehmen ab /GERH-98/. Kleinst- und Kleinunternehmen können jedoch aus Gründen ihrer Struktur und ihrer Ressourcensituation an dieser Entwicklung in der Regel nicht oder nur unvollständig partizipieren. Weiterhin ist aber bekannt, dass durch die regionale Vernetzung von Unternehmen Synergien erzielt werden, wie sie auch in der Natur in einem biologischen Biotop erreicht werden. Es ist also die Frage zu beantworten, ob es Unternehmen in Form wertschöpfender Einheiten geben kann, die sich ähnlich der Elemente eines natürlichen Biotops zu größeren Systemen vernetzen können, ohne dabei ihre Autonomie aufgeben zu müssen
DasHauptzieldieser Arbeit besteht nun darin, Erkenntnisse der Systemtheorie und Organi-sationsforschung für Produktionsunternehmen und deren Vernetzung systematisch und wissenschaftlich zu untersuchen und Anwendungsmöglichkeiten für den Produktionsbereich kleiner unternehmerischer Produktionseinheiten aufzuzeigen.
Daraus leiten sich die folgendenUnterzieleab:
- Beschreibung des gegenwärtigen wissenschaftlichen Standes der Forschung bei gleichzeitiger Positionsbestimmung hinsichtlich Systemtheorie, Bildung unternehmerischer Produktionseinheiten und deren Vernetzung,
- Bestimmung der Erfolgsfaktoren der Bildung unternehmerischer Produktionseinheiten und deren Vernetzung unter Berücksichtigung biokybernetischer Gesetzmäßigkeiten,
- Erarbeitung eines visionären Ansatzes zur Herausbildung neuer, regional vernetzter, kleiner Produktionseinheiten,
- Bestimmung von Beschreibungs- und Gestaltungsmerkmalen für den visionären Ansatz,
- Beschreibung der Auswirkungen auf die Produktionsstätten.
ImErgebnisentsteht eine ganzheitliche Denkanleitung zur Bildung und Vernetzung kleiner unternehmerischer Produktionseinheiten im Bereich der Produktion.
Die Arbeit zielt inAbgrenzungzu anderen Forschungsvorhaben - im Zusammenhang mit der Vernetzung von Unternehmen und der Herausbildung von Produktionsnetzen - ausschließlich auf die Untersuchung von qualitativen Aussagen ab. Der Betrachtungsbereich beschränkt sich auf kleine Produktionsunternehmen. Die Biokybernetik wird als wesentlicher Ansatzpunkt der regionalen Vernetzung und Bildung von Produktionsnetzen zu Grunde ge-
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legt. Volkswirtschaftliche Einflüsse, die aus der regionalen Vernetzung und der Bildung kleiner unternehmerischer Produktionseinheiten resultieren werden in dieser Arbeit nicht untersucht.
Die Arbeit ist insechs Hauptabschnitteunterteilt. Der erste Hauptabschnitt„Einleitung und Zielstellung“stellt das Thema, die Zielstellung, die Abgrenzung der Arbeit und die Vorgehensweise der Zielerreichung dar.
Der zweite Hauptabschnitt„Theorien zur Bildung von Netzknoten und Netzen der Produktion“gibt einen Überblick über derzeit vorhandene Erkenntnisse zur Vernetzung von Unternehmen. Der Schwerpunkt liegt aber bereits auf biokybernetischen und systemischen Ansätzen. Im Ergebnis der Auswertung der verschiedenen Ansätze werden künftige Anforderungen an Netzknoten und deren Vernetzung definiert.
Abgeleitet aus diesen Anforderungen wird im dritten Hauptabschnitt„Kompetenzzellen als Netzknoten“zum Erarbeiten eines visionären Ansatzes hinsichtlich der Bildung autonomer Netzknoten in Form von KPZ´en und deren Vernetzung durch regionale Produktionsnetze angewandt. Dieser visionäre Ansatz mündet in eine ganzheitliche Denkanleitung, die im vierten Hauptabschnitt„RegionaleProduktionsnetze aus Kompetenzzellen“ durch die Denkanleitung zur Gestaltung regionaler Produktionsnetze aus KPZ´en ergänzt wird. Im diesem visionären Ansatz werden neueste Erkenntnisse der Biokybernetik, der Chaosforschung, der Segmentierung und Fraktalisierung sowie der Kooperationsforschung berücksichtigt.
Im fünften Hauptabschnitt„Auswirkungen kompetenzzellenbasierter Netzwerke auf die Produktionsstättenstruktur“werden Auswirkungen des kompetenzzellenbasierten Vernetzungsansatzes auf die Produktionsstätten der Kompetenzzellen beschrieben und verschiedene Betreibermodelle von Produktionsstätten aufgezeigt. Weiterhin setzt sich dieser Hauptabschnitt mit dem Nutzen sowie den Vor- und Nachteilen des kompetenzzellenbasierten Vernetzungsansatzes auseinander.
Der sechste Hauptabschnitt„ Zusammenfassung und Ausblick“schließt die Arbeit ab.
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In diesem Kapitel werden theoretische und praktische Ansätze zum Herausbilden von Netzelementen als unternehmerische Produktionseinheiten und Netzen in Form von Produktionsnetzen hinsichtlich der Zielstellung der Arbeit untersucht. Im Ergebnis sollen Erfolgsfaktoren zur Herausbildung von Netzknoten und Netzen definiert werden aus denen eine ganzheitliche Denkanleitung zur Herausbildung von Netzknoten und Netzen der Produktion entwickelt wird. Dabei ist davon auszugehen, dass es sich um die Bildung komplexer vernetzter sozialer Systeme handelt in deren Mittelpunkt der Mensch als Individuum und damit dessen Lebensfähigkeit steht. Lebensfähige komplexe Systeme:
- bestehen aus verschiedenen Elementen,
- die verschiedenartig voneinander sind und
- zu einem bestimmten Aufbau vernetzt sind /VEST-93/.
Das Netz muss allerdings nicht unbedingt sichtbar1sein, sondern kann auch aus Wirkungen bestehen, die durch Kommunikation, also durch reinen Informationsaustausch entstehen. Weitere Netzknoten sind die Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände sowie Produktionsgebäude.
Die Entwicklung von Systemen, deren Abbildung und Beschreibung steht schon lange im Mittelpunkt der Betrachtung von Biologen, Chemikern und Physikern /GRAH-78/. Besonders in den letzten Jahren wurden verstärkt evolutionstheoretische Erkenntnisse in systemtheoretische Betrachtungen eingebaut, die in den Bereichen der Chaosforschung /DESE-97/, Synergetik /HAKE-81/, Evolutionsbiologie /MALI-84/ und Gehirnforschung /VEST-78/ zu neuen Erkenntnissen über Eigenschaften und Verhaltensweisen von Systemen geführt haben /SERV-91/, auf die nachfolgend eingegangen wird. Abgeleitet aus diesen Theorien werden bestehende Fabrikorganisationstheorien zur Herausbildung von Netzknoten und Kooperati-onstheorien zur Herausbildung von Produktionsnetzen an diese neuen Erkenntnisse angepasst bzw. weiterentwickelt.
1Das Netz kann auch virtuell - nur gedacht, scheinbar - bestehen.
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Anhand der Zielstellung der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen zur Bildung von Netzknoten und Netzen der Produktion nach den Schwerpunkten der Beschreibung soziokultureller Systeme, der Herausbildung von Systemelementen und deren Vernetzungen gegliedert.
Produktionsnetze sind eine Organisation sozialer Systeme2. Nach /PROB-94/ sind soziale Systeme „gemachte und spontane Ordnungen“ in denen Organisations- und Selbstorganisationsprozesse stattfinden (s. Bild 1).
Bild 1: Ordnungsbildung in sozialen Systemen
Organisieren und Selbstorganisation sind komplementäre und sich reflexiv beeinflussende Prozesse in sozialen Systemen. Weder die „totale“ Bürokratisierung3noch die „zügellose“
2Unter einem sozialen System sollen im Weiteren das Unternehmen bzw. andere Institutionen verstanden wer-
den, in denen menschliche Aktivitäten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten geregelt sind und die für eine Ziel-
erreichung notwendigen Beziehungen bestimmt wurden.
3Verlust von Anpassungsfähigkeit, Dynamik, Innovationsfähigkeit und Flexibilität.
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Selbstorganisation4werden langfristig die Lebensfähigkeit eines Systems sichern. Aufgabe des Managements ist es, die Koordination von sozialen Systemen im Spannungsfeld zwischen den Potenzialen Organisieren und Selbstorganisation zu realisieren. Dies bedeutet:
- zuerst durchsymbolisches Gestaltendem System einen Sinn zu geben, der durch gemeinsam entwickelte Visionen und Ziele getragen wird,
- in dessen Rahmen durchsubstanzielles Gestaltensich dann Organisationen herausbilden können,
- die sich anhand der Visionselbst organisierenkönnen, was anhand derSelbstkoordinationundSelbstreferenzerreicht wird.
Nun gibt es für diese Aufgaben des Managements zwei grundlegende Ansätze, deren Wurzeln imkonstruktivistisch-technomorphen/MALI-93/ bzw. mechanistischen Ansatz /MACH-93/ auf der einen Seite und demsystemtheoretisch-kybernetischen/MALI-93/ bzw. systemisch-evolutionären Ansatz /MACH-93/ auf der anderen Seite zu finden sind (Bild 2).
Diekonstruktivistisch-technomorphenAnsätze gehen dabei von der vollständigen Beherrschbarkeit komplexer Systeme aus. Besondere Kennzeichen dieser Ansätze sind:
- die Trennung von Geist und Körper5,
- die Betrachtung der Welt als eine kausale und völlig determinierte Maschine,
- die mit absoluter Sicherheit voraussagbare Zukunft jedes Teils im System /BRÖD-85/.
4Verlust von Sinn und gemeinsamen Zielen.
5Taylor trennte z. B. die Arbeit in Kopf- und Handarbeit /GOME-81/.
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Auf diesem Newton-kartesianischen Paradigma baut der Glaube der „westlichen“ Gesellschaft auf, alle Probleme mechanistisch mit Hilfe von Analyse, Logik, Vorhersage und Kontrolle lösen zu können /KERN-84,KIES-93/.
Aber es gibt auch andere Tendenzen. In vielen Bereichen der Wissenschaft findet derzeit ein massiver Umorientierungsprozess statt. Die Physik hat die Annahme des absoluten Determinismus fallen gelassen /CRES-95/, die Medizin akzeptiert nun die Zusammenhänge von geistigen und körperlichen Befinden des Menschen im Heilungsprozess /MARS-94/ und auch die Wirtschaftswissenschaften /MANN-88/ öffnen sich neueren Erkenntnissen. Hierzu zählen auch diesystemtheoretisch-kybernetischenAnsätze zur Beschreibung von Systemen. Systeme werden demnach in künstlich geschaffene und somit auch nur künstlich erhaltbare Systeme und in organisch entwickelte und somit selbst erhaltende Systeme unterschieden /KIES-93/. Letztere sind dadurch gekennzeichnet dass ein System:
- ein Individuum ist,
- akausalen Vorgängen unterworfen ist,
- durch den Wechsel von Ordnung und Unordnung6gekennzeichnet ist,
- offen ist und
- untergeordnte und übergeordnete Systeme bilden kann, mit denen es symbiotisch7vernetzt ist /VEST-93/.
Die wichtigste Eigenschaft ist dabei dieOffenheit.Lebensfähige Systeme sind immer nach außen offen bzw. von außen zugänglich. Abgeschlossene Systeme streben immer in Richtung Unordnung und würden sich selbst zerstören8. Diese Tatsache erklärt eines der Kernprobleme im Umgang mit sozialen Systemen. Diese Systeme lassen sich nicht isoliert wie eine Maschine betrachten. Es geht nicht um das einzelne Element, sondern um das Zusammenwirken des Ganzen. Hierzu liefern die Kybernetik und die Biokybernetik sowie die Cha-osforschung wertvolle Erkenntnisse.
Unter Kybernetik wird die Erkennung, Steuerung und selbsttätige Regelung ineinander greifender, vernetzter Abläufe bei minimalem Energieaufwand verstanden /BEER-73/. Wesentlichstes Prinzip der Biokybernetik im Gegensatz zur Kybernetik ist dieSelbstorganisation/VEST-93/. Biokybernetik bedeutet im Gegensatz zur Kybernetik keineswegs zentrale Steue-
6s.Chaos in Kapitel 2.1.1.2
7...Zusammenleben zum beiderseitigen Vorteil.
8s. 2. Hauptsatz der Thermodynamik: Der Zustand größerer Entropie (Chaos) ist der wahrscheinlichere Zustand
in einem geschlossenen System. Die Natur scheint also Unordnung oder Chaos vorzuziehen.
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rung und detaillierte Vorprogrammierung, sondern lediglich Impulsvorgabe zur Selbstregulation, Antippen von Wechselwirkungen zwischen Individuum und Umwelt, Stabilisierung von Systemen und Organismen durch Flexibilität sowie Nutzung vorhandener Kräfte und Energien.
Übergeordnete Führungsgrößen und Richtwerte werden in kybernetischen Regelkreisen von Außen eingegeben. In letzter Konsequenz würde das zu einem absoluten Dirigismus führen, ein solcher ist aber bei lebenden Systemen nirgendwo zu beobachten, demnach also offensichtlich nicht überlebensfähig.
Führungsgrößen und Richtwerte in biokybernetischen Regelkreisen entstehen aus dem Wechselspiel der Systeme selbst also durch Informationsaustausch und Kommunikation /DÖRN-79/.
Die Funktionsteilung der Zellen eines Organismus erfolgt durch Verständigung - also Kommunikation. Zellen besitzen einen gemeinsamen Code, mit dem sie sich verständigen können und in dem die Regeln für die Entstehung des Organismus abgelegt sind.InformationsaustauschundKommunikationsind wesentliche Voraussetzungen zur Entstehung lebensfähiger Systeme /VEST-93/.
Kommunikation spielt auch bei der Herausbildung von Hierarchien eine bedeutende Rolle. In der Natur gibt es keine Weisungshierarchie wie in derzeitigen Unternehmen, sondern eine
Feed-back-Hierarchie9. Die Kommunikation und Befehlsweitergabe läuft in beiden Richtungen, nämlich durch die bereits erwähnten Regelkreise. Grundlage der Biokybernetik ist das nichtlinearevernetzte Denken- das Denken in Kreisläufen /GOME-91/. Dieses vernetzte Denken setzt nicht nur Interdisziplinarität, Beherrschung mehrerer Fachbereiche, sondern auch Interfunktionalität10voraus, was wiederum das themen- bzw. aufgabenorientierte Denken und Handeln erfordert. Zur Schaffung und Beurteilung überlebensfähiger Systeme wurden im Rahmen einer UNESCO-Studie /VEST-83/ acht biokybernetische Prinzipien erarbeitet nach denen Systeme auf ihre Lebensfähigkeit überprüft werden können. Diese sind:
-Negative Rückkopplung11(Selbstregulation) in verschachtelten Regelkreisen dominiert über positive Rückkopplung /MARU-63/;
- Funktionen und Prozesse sindunabhängig vom Mengenwachstum12/GABO-76/;
9Entscheidungen werden durch gegenseitige Rückkopplungen getroffen.
10Beherrschung verschiedener Arbeitsebenen
11Negative Rückkopplung verhindert das „Aufschaukeln“ eines Systems, was dessen Zerstörung zur Folge hätte.
12Übergang vom quantitativen zum qualitativen Wachstum bzw. Bildung von Subsystemen
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-Prozessorientierungstatt Produktorientierung durch Produktvielfalt und -wechsel /VEST-93/;
- Nutzung vorhandener Kräfte des Umfeldes durch erzielen vonSynergien/KÖNI-92/;
-Mehrfachnutzungvon Produkten, Verfahren und Organisationseinheiten;
-Recyclingunter Kombination von Einwegprozessen zu Kreisprozessen;
-Symbiose13unter Nutzung kleinräumiger Diversität14;
-Biologisches Designbeim Schaffen von Strukturen, Funktionen und Organisationsformen berücksichtigen. /VEST-93/
Grundlage und Antrieb dieser Prinzipien sind der Wechsel von Ordnung und Chaos in offenen Systemen.
Die Chaosforschung kann im weiteren Sinne auch als Struktur- und Organisationsforschung verstanden werden. Das Hauptaugenmerk dieser Wissenschaft richtet sich dabei auf Untersuchungen über das Verhalten vonnichtlinearen dynamischen Systemen,nach evo-lutionstheoretsichen Ansätzen sind das z. B. sozio-kulturelle Systeme15.Nichtlinearitätbesagt, dass kein konstanter Faktor, der die Ursache und die Wirkung aneinander koppelt, existiert. DieDynamikwird durch die ständige Änderung der Wirkbeziehungen im Laufe der Zeit charakterisiert. /Dese-97/
Die Wirkungsweise komplexer und dynamischer Systeme ist trotz genauer Kenntnis aller Subsysteme, also dem konkreten Aufbau verbunden mit den einzelnen spezifischen Funktionen, nicht hundertprozentig nachvollziehbar. Was im Einzelnen geschieht, geschieht gesetzmäßig. Das Ganze ist jedoch immer mehr als die Summe aller Teile /DAVI-87/ und die Effekte des Gesamtsystems sind nicht prognostizierbar. Die betrachteten Systeme bzw. Prozesse erscheinen aber meist nur chaotisch. Bei näherer Analyse stellt sich heraus, dass sie eine eigene, komplexe Ordnung besitzen. Auch in scheinbar ungeordneten Systemen treten bei näherer Betrachtung immer bestimmte Ordnungsmuster zu Tage.
In nichtlinearen dynamischen Systemen gibt es zwei besonders interessante Betrachtungsebenen. Zum Ersten dieMicroebene, also alle Einzelheiten. Sie lässt prinzipiell keine Vorhersagen zu. Auf derMacroebene, folglich der Gesamtheit aller Einzelteile, werden jedoch geordnete, in ihrem Verlauf ähnliche Strukturen sichtbar. Vereinfacht lässt sich fes tstellen, dass selbst bei absoluter Unordnung auf der Microebene geordnete Muster auf der Macroe-
13Zusammenlebenzweier artverschiedener Organismen zum gegenseitigen Nutzen.
14Zusammenleben verschiedener Arten bzw. Branchen auf engsten Raum