1,99 €
Immer wieder verschwinden in einem kleinen brasilianischen Dorf Menschen von einer Nacht auf die andere. Als Zamorra und Nicole den Spuren nachgehen, stoßen sie auf einen mysteriösen Totenkult. Doch die Mauer des Schweigens, die ihnen entgegenstellt wird, macht es ihnen alles andere als leicht, die Wahrheit herauszufinden. Was sicher ist: Die Menschen haben Angst - panische Angst davor, als Nächste an der Reihe zu sein.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Der Tod hat 1000 Augen
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Kümmel
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-6657-0
www.bastei-entertainment.de
Der Tod hat 1000 Augen
von Michael Breuer
Immer wieder blickte das junge Mädchen panisch über die Schulter. Im dichten Unterholz konnte Lenita die stolpernden Schritte ihrer Verfolger hören. Man war ihr dicht auf den Fersen.
Keuchend blieb das Mädchen stehen.
Lenita rannte um ihr Leben.
Ihre Knie drohten einzuknicken. Hastig klammerte sie sich an einen nahen Baumstamm. Sie wusste, wenn sie jetzt zusammenbrach, würde sie nie wieder aufstehen.
Seit Stunden hetzte man sie bereits durch den dichten Urwald, und längst hatte sie die Orientierung verloren.
Und dann erwartete sie ein Schicksal, schlimmer als der Tod …
Brasilien.
Lenita wischte sich das schweißnasse Haar aus der Stirn und versuchte das Stechen in den Lungen zu ignorieren. Die junge Frau hatte das Gefühl, am Ende ihrer Kräfte angelangt zu sein. Dennoch wusste sie, dass sie nicht aufgeben durfte. Sie musste weiter.
Dem Lärm ihrer Verfolger nach zu urteilen, war ihr das gesamte Dorf auf den Fersen. Gewundert hätte es sie nicht. Noch nie hatte es jemand gewagt, sich gegen die alten Gebote aufzulehnen und Senhor Morte zu trotzen.
Doch Lenita hatte es getan. Und deshalb musste sie jetzt die Konsequenzen tragen und um ihr Leben rennen.
Sie wusste, irgendwo vor ihr befand sich der breite Highway, der wie eine Schneise in den Dschungel geschlagen worden war und in die weit entfernten größeren Ortschaften führte. Vielleicht gelang es ihr ja, den Highway zu erreichen, bevor sie vor Erschöpfung zusammenbrach. Dann hing alles nur noch davon ab, ob es ihr gelang, einen Wagen zum Anhalten zu bringen.
Immer vorausgesetzt natürlich, es kam überhaupt ein Fahrzeug vorbei.
Es verirrten sich selten Menschen in die von allen Göttern verlassene Gegend, das wusste Lenita, aber es war die einzige Chance, die ihr blieb.
Die junge Frau biss sich auf die Lippen und stieß sich dann von dem Baumstamm ab, um ihre atemlose Flucht fortzusetzen.
Während sie weiterhetzte, dachte sie daran, wie alles begonnen hatte.
Jedes Jahr zum Himmelfahrtstag verlangte Senhor Morte ein Opfer von den Menschen, die in seinem Wirkungskreis lebten. Ein junges Mädchen sollte es sein, gerade zur Frau erblüht. In einer feierlichen Prozession wurde die Auserwählte dann von den Männern des Ortes zum Ort der Übergabe geleitet.
Was dort mit ihr geschah, konnte Lenita nur vermuten, aber man munkelte schlimme Dinge im Ort. Der Herr der Toten würde sich der Opfer bemächtigen und ihnen grauenhafte Dinge antun.
Der Legende nach herrschte er über einen alten Friedhof, der bevölkert war von schauderhaften Kreaturen, die sich vom Fleisch der Toten nährten.
Aus der Luft gegriffen waren die Geschichten nicht, so viel war der jungen Frau klar. Oft war es schon vorgekommen, dass sich die gespenstischen Wesen aus dem Wald hervorwagten und ihren Hunger auf dem kleinen Dorffriedhof stillten.
Gesehen hatte sie freilich noch niemand, aber die verstümmelten Leichen, die sie hinterließen, sprachen für sich. Die Toten sahen aus, als seien Raubtiere über sie hergefallen.
Die Möglichkeiten, dass die Verstorbenen tatsächlich Tieren zum Opfer gefallen waren, schoben die abergläubischen Dorfbewohner weit von sich. Schließlich war es noch nie vorgekommen, dass ein Jaguar eine Beute ausgrub, die sich bereits mehrere Fuß unter der Erde befand.
Auch Lenita selbst zweifelte nicht daran, dass es Kreaturen von jenseits des Grabes waren, die von Zeit zu Zeit das kleine Dorf Manacoa heimsuchten. Sie war mit den schrecklichen Geschichten über Senhor Morte aufgewachsen, und wenn nur ein Bruchteil der Geschichten der Realität entsprach, dann wollte sie lieber sterben, als dem Monster in die Hände fallen.
Und deshalb rannte sie.
Bei Anbruch der Abenddämmerung war der Dorfälteste mit seinen Begleitern an der Türschwelle ihrer Eltern aufgetaucht, um zu verkünden, dass die Wahl auf Lenita gefallen war. Aber sie hatte nicht den geringsten Willen verspürt, sich dem leibhaftigen Grauen ausliefern zu lassen. Durch das kleine Fenster ihres Zimmers hatte sie sich hinaus in die Dämmerung gezwängt, um die Flucht anzutreten.
Zunächst war sie zu Felipe gerannt. Doch der junge Mann, dem sie versprochen war, hatte ihr nicht helfen können. Noch bevor sie gemeinsam miteinander durchbrennen konnten, hatten sich die Häscher genähert.
»Geh, ich werde versuchen, sie aufzuhalten«, waren Felipes Worte gewesen, und widerstrebend war Lenita seiner Aufforderung gefolgt.
Offenbar hatte Felipe jedoch keinen großen Erfolg gehabt, denn schon nach kurzer Zeit hatten die Häscher ihre Verfolgung fortgesetzt.
Tränen schossen Lenita in die Augen, als sie an den zurückgelassenen Geliebten dachte. Ob er wohl noch lebte? Sie wusste es nicht. Die Männer hatten jedenfalls nicht ausgesehen, als seien sie zu Späßen aufgelegt.
Vor Lenita lichtete sich der Urwald plötzlich, um den Blick auf den Highway freizugeben. Das Mondlicht erhellte die breite Asphaltstrecke, die sich wie ein grauer Lindwurm durch den Dschungel wand.
Lenita warf einen letzten Blick hinter sich, dann taumelte sie auf die Straße. Weit und breit war kein Fahrzeug zu sehen, aber damit hatte das Mädchen fast schon gerechnet. Es wäre auch zu schön gewesen!
Keuchend blieb die junge Frau stehen. Nun, da sie nicht mehr rannte, spürte sie erneut, wie sie die letzten Kraftreserven zu verlassen drohten.
Aus einiger Entfernung waren laute Rufe zu hören. Lenita wusste, gleich würden sie die Verfolger eingeholt haben. Kurz überlegte sie, ob sie sich einfach in ihr Schicksal ergeben sollte. Sie war zu schwach, um weiterzurennen.
In diesem Moment hörte Lenita Motorenlärm. Ein Fahrzeug näherte sich.
Das Mädchen kreiselte herum und blickte in das grelle Licht sich nähernder Scheinwerfer. Hektisch winkend rannte sie dem Wagen entgegen und begann, um Hilfe zu schreien.
Der Fahrer stieg voll in die Eisen und brachte den Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Wütend stieg er aus.
»Verdammt Mädchen«, knurrte der bärtige Mann, »ich hätte dich fast über den Haufen gefahren! Was stimmt mit dir nicht?«
Erst jetzt schien er Lenitas Verfassung zu bemerken. Der Lärm der Verfolger war lauter geworden. Der Bärtige runzelte die Stirn. Er spürte, dass hier Gefahr im Verzug war.
»Rein in den Wagen mit dir«, sagte er und machte eine scheuchende Bewegung. Dann schwang er sich wieder hinter das Lenkrad.
Eilig startete er den Wagen und gab Gas.
Einen Moment später konnte man im Rückspiegel eine wütende Meute erkennen, die aus dem Dickicht des Dschungels brach und sich um ihr Opfer betrogen sah.
Der Fahrer warf Lenita einen Seitenblick zu. Es war offensichtlich, dass das Mädchen unter Schock stand. Man sah dem Gesicht des Bärtigen an, wie es in ihm arbeitete. Schließlich traf er eine Entscheidung.
»Ich fahre dich ins nächste Krankenhaus«, erklärte er. »Ich glaube, da bist du am Besten aufgehoben!«
Mit diesen Worten trat er das Gaspedal durch.
***
»Das ist deine Schuld! Sie ist entkommen!«, schnarrte die wütende Stimme des Dorfältesten. Mit funkelnden Augen blickte der Mann mit dem schlohweißen Bart auf Felipe hinab.
»Wenn es uns nicht gelingt, sie wieder einzufangen, wird der Herr der Toten unser Dorf strafen. Sein Zorn wird furchtbar sein!«
Unter seinen Worten schien der junge Mann sichtlich zu schrumpfen. Er wollte ebenfalls weglaufen, aber er wusste, dass eine Flucht keinen Sinn gemacht hätte.
Hinter dem im Türrahmen stehenden Ältesten hatten vier bullige Kerle Aufstellung genommen, um jede Gegenwehr im Keim zu ersticken. Die übrigen Männer des Dorfes befanden sich noch draußen im Dschungel, um Lenita zu jagen.
Felipe hoffte inständig, dass ihr die Flucht gelingen würde, denn sonst drohte ihr ein Schicksal, schlimmer als der Tod.
Allerdings sah es nun ganz so aus, als solle er stattdessen als Opfer herhalten müssen. Der Blick aus den Augen des Dorfältesten ließ keinen anderen Schluss zu.
»Du ahnst wohl schon, was dir blüht«, ließ sich dieser tatsächlich mit einem heiseren Lachen vernehmen. Er fuhr sich mit der Hand durch den schlohweißen Bart. »Deine Lenita war die Auserwählte. Da sie durch deine Mithilfe entkommen ist, wirst du dich an ihrer Stelle dem Herrn der Toten stellen müssen. Es führt kein Weg daran vorbei!«
Bis jetzt hatte Felipe mit hängenden Schultern dagestanden, nun jedoch straffte sich seine Gestalt. Es schien, als würde er sich in sein Schicksal ergeben.
»Ich verstehe«, antwortete er knapp. Er hatte mit nichts anderem gerechnet.
»Packt ihn«, erklärte der Älteste, ohne noch ein weiteres Wort mit Felipe zu wechseln.
Sofort drängten seine bulligen Begleiter ins Zimmer und stürzten sich auf den jungen Mann. Der versuchte gar nicht erst, Widerstand zu leisten. Felipe wusste, dass er gegen die Muskelberge keine Chance gehabt hätte. Und überdies befanden sich vor dem Haus zweifellos weitere Häscher, um ein Entkommen auszuschließen.
Zwei der wandelnden Kleiderschränke packten Felipe an den Oberarmen. Ihr unbarmherziger Griff erinnerte ihn an Schraubstöcke. Die Finger gruben sich brutal in sein weiches Fleisch.
»Was geschieht jetzt?«, brachte er hervor. Felipes Blick flackerte, als er sich an den Ältesten wandte.
Dessen Augen musterten den jungen Mann kalt. Seine faltigen Züge wirkten wie aus Stein gemeißelt. Er schien das Wort »Erbarmen« aus seinem Gedächtnis gestrichen zu haben.
»Du wirst jetzt erfahren, was mit den Frauen geschieht, die einmal im Jahr zum Herrn der Toten geschickt werden! Senhor Morte wird sich deiner annehmen!«
Konkreter wurde er nicht. Vielleicht wusste der Alte nicht einmal selbst, was mit den Mädchen geschah, die einmal im Jahr in den Wald zum alten Friedhof geführt wurden. Felipe schloss es nicht aus.
»Los jetzt«, wandte sich der Bärtige wieder an die Muskelmänner. »Der Herr der Toten darf nicht noch länger warten! Er wird schon ungehalten sein. Wenn wir noch mehr Zeit verlieren, wird sich sein Zorn über ganz Manacoa ergießen!«
Felipe schloss kurz die Augen, als sich die Männer in Bewegung setzten und ihn einfach aus dem Haus schleiften. Auch er selbst fürchtete sich davor, was geschehen würde, wenn der Zorn des Herrn der Toten über das Dorf kommen würde. Allerdings hing er auch an seinem Leben.
Der Gedanke, in Kürze selbst dem geheimnisvollen Senhor Morte gegenüberzustehen, ließ ihn frösteln. Am liebsten hätte er geschrien und wild um sich geschlagen, aber das hätte ihm nichts genützt.
Widerstandslos ließ er sich ins Freie zerren.
Vor dem Haus erwarteten ihn einige weitere Männer mit grimmiger Miene. Ansonsten waren die Straßen des kleinen Ortes wie leer gefegt. Die Menschen blieben in dieser Nacht lieber in ihren Häusern. Felipe wusste, dass ihm niemand zu Hilfe kommen würde. Vielleicht gefiel es den Einwohnern nicht sonderlich, was in diesen Stunden geschah, aber ihre Angst vor dem Herrn der Toten war zu groß.
Felipe war ihnen nicht einmal böse. Wahrscheinlich hätte er genauso gehandelt. Er hoffte, dass sein Opfer nicht umsonst war und es Lenita geschafft hatte, sich in Sicherheit zu bringen.
»Gehen wir«, erklärte der Dorfälteste in Richtung der Männer, die sich außerhalb des Hauses aufgehalten hatten. »Hoffen wir, dass der Herr der Toten gnädig ist!«
Überraschtes Murmeln war zu hören, aber niemand erhob Widerspruch. Der alte Mann besaß uneingeschränkte Autorität. Was er sagte, war Gesetz.
Die Gruppe setzte sich in Bewegung, und Felipe wurde in Richtung Urwald gezerrt. Wenn er sich zu langsam bewegte, machten ihm die Männer durch einen kräftigen Stoß in den Rücken Beine.
Felipe wusste, wo das Ziel ihres Marsches lag. Sie wollten zum alten Friedhof Manacoas. Dorthin, wo der Herr der Toten und seine unheimlichen Kreaturen lauerten. Hier nahm Senhor Morte die ihm dargebrachten Opfer in Empfang.
Der junge Mann hatte den Ort noch nie gesehen. Niemand traute sich dorthin. Das war auch nicht nötig. Für Beerdigungen gab es nämlich einen neuen Friedhof, der sich unmittelbar hinter der kleinen Kirche Manacoas befand.
Felipe hatte das Gefühl, der Gewaltmarsch durch das Dickicht würde Ewigkeiten währen, doch schließlich erreichte die Gruppe ihr Ziel.
Der alte Friedhof befand sich auf einer Lichtung. Es schien, als wage der Wald es nicht, ihn zu überwuchern. Hinter einer kleinen Begrenzungsmauer konnte Felipe wuchtige Grabkreuze und halbverfallene Mausoleen erkennen. Erst bei genauerem Hinsehen sah er dunkle Schatten, die sich zwischen den Begräbnisstätten bewegten. Es schien, als würden sie die Besucher aus dem Dorf erwarten.
Felipe spannte den Körper an. Nun ging doch die Angst mit ihm durch. Er bäumte sich auf, aber der Griff seiner Häscher war unbarmherzig.
»Sei stark, Junge«, zischte ihm einer zu. »Du opferst dich für das Wohl von Manacoa!«
Mit diesen Worten zerrten sie ihn auf das rostige, in den Angeln hängende Friedhofstor zu. Dort angekommen versetzten sie dem jungen Mann einen brutalen Stoß in den Rücken.
Mit einem Aufschrei stolperte Felipe auf das Gelände des Totenackers. Nur mit Mühe schaffte er es, das Gleichgewicht zu halten, und blieb mit rudernden Armen stehen.
Er blickte zurück. Die Männer aus dem Dorf machten keinerlei Anstalten, ihm zu folgen. Felipe wusste, sie würden den Friedhof unter keinen Umständen betreten. Zu groß war ihre Furcht vor dem Herrn der Toten.
»Denk gar nicht daran, irgendwelchen Unsinn zu versuchen«, schärfte ihm der Dorfälteste ein.
Felipe nickte nur. Die Mienen der Männer ließen keinen Zweifel daran, dass sie jeden Fluchtversuch unterbinden würden. Mithin blieb ihm nur die Wahl, weiterzugehen und tiefer ins Dunkel des Friedhofs vorzudringen, wo irgendwo der Herr der Toten auf ihn wartete.
Der junge Mann nahm all seinen Mut zusammen und setzte sich langsam in Bewegung. Es gab kein Zurück.
Tapfer setzte er einen Fuß vor den anderen.
Eiskalte Angst legte sich um sein Herz, als die Schatten des Friedhofs wieder in Bewegung gerieten.
Felipe blieb wie angewurzelt stehen.
Der Gestank nach fauligem Fleisch legte sich wie eine dichte Wolke über ihn. Er wusste, er war nicht mehr allein.
Und dann griffen aus dem Nichts Hände nach ihm.
Felipe begann zu schreien. Verzweifelt versuchte er sich zu wehren, aber er hatte keine Chance.
***
Château Montagne/Frankreich, einige Tage später.
Blinzelnd schlug Professor Zamorra die Augen auf. Der Duft frischen Kaffees drang ihm in die Nase. Einen Moment lang schnupperte er interessiert, bevor er schwerfällig ein Auge öffnete. Der Parapsychologe erkannte Nicole Duval. Seine Lebens- und Kampfgefährtin lehnte im Türrahmen. Während sie mit einer Hand ihre Kaffeetasse hielt, umklammerte die andere ein ofenfrisches Croissant. Im nächsten Moment biss sie auch schon herzhaft hinein.
»Was hat dich denn schon so früh aus dem Bett getrieben, Chérie?«, fragte er.
»Der Hunger, Langschläfer«, gab die Französin mit vollen Backen zurück. »Ich hatte dir ja was mitgebracht, aber du warst einfach nicht wachzukriegen!«
»Du hast dich bestimmt nur nicht genug angestrengt«, antwortete Zamorra schmunzelnd. »Du hast doch sonst auch deine Mittel und Wege …«
Der Dämonenjäger ließ den Blick über den Körper seiner Partnerin schweifen, die sich für ihren Ausflug in die Küche des Châteaus nur mit dem Allernötigsten bedeckt hatte.
Nicole bemerkte den Blick sofort. »Lustmolch«, sagte sie mit gespielter Entrüstung, um sich dann abermals dem schmackhaften Backwerk zu widmen.
Zamorra seufzte auf und warf die Decke von sich, um die Beine aus dem Bett zu schwingen. Nach den aufregenden Ereignissen der letzten Zeit hatten es Nicole und er genossen, einmal einen Abend für sich zu haben. Dabei war dem Dämonenjäger bewusst, dass die Ruhe nicht ewig andauern würde. Die Mächte der Hölle schliefen nicht. Während er sich mit Nicole der Leidenschaft und später dem wohlverdienten Schlummer hingegeben hatte, waren sie zweifellos damit beschäftigt gewesen, neue Bosheiten auszuhecken.
Noch etwas schlaftrunken kam Zamorra auf die Füße.
»Ich glaube, bevor ich zu neuen Großtaten in der Lage bin, brauche ich auch erstmal einen Kaffee«, verkündete er.
Nicole schmunzelte. Nun war es an ihr, den Blick schweifen zu lassen. Ihre Augen blieben an seiner Körpermitte hängen.
»Aber zuerst solltest du dir wohl etwas überziehen«, schlug sie vor. »Du möchtest sicher nicht, dass Madame Claire in Ohnmacht fällt, weil du dein professorales Gemächt nicht verhüllt hast! Nicht dass es nicht ein echter Hingucker wäre …«
Zamorra blickte an sich herunter. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er nackt war.
