Programmgestaltung im Krafttraining - Mark Rippetoe - E-Book

Programmgestaltung im Krafttraining E-Book

Mark Rippetoe

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Jeder Kraftsportler kennt das Problem, dass er nach Wochen des intensiven Trainings plötzlich ein Plateau erreicht. Die Trainingsreize regen seine Muskeln nicht zu weiterem Wachstum an, und der Sportler erzielt keine Fortschritte mehr. Wenn er nun sein Trainingsprogramm nicht verändert, sodass die Muskeln neuen Belastungen ausgesetzt werden, wird er seine Leistungsfähigkeit nicht weiter steigern können. Programmgestaltung im Krafttraining beschäftigt sich mit der Frage, wie ein effektives Trainingsprogramm gestaltet werden muss, um kontinuierlich Fortschritte zu erzielen. Das Buch beschreibt detailliert die Mechanik des Trainingsprozesses, beginnend bei der grundlegenden Physiologie der Adaptation. Spezifische Trainingspläne für Einsteiger, geübte und sehr erfahrene Kraftsportler helfen dabei, die gesteckten Ziele zu erreichen. Dieses bewährte und komplett aktualisierte Standardwerk ist ein Muss für alle, die Hanteltraining betreiben oder unterrichten, für Gewichtheber, Kraftdreikämpfer oder CrossFitter und ihre Trainer, aber auch für Athleten anderer Sportarten, die ihre Leistung im Krafttraining verbessern wollen.

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Seitenzahl: 595

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2016

© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

© 2013 by The Aasgaard Company

Die englische Originalausgabe erschien 2013 bei The Aasgaard Company unter dem Titel Practical Programming for Strength Training.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Kimiko Leibnitz

Redaktion: Matthias Michel

Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann, dem Original nachgebaut

Satz: Satzwerk Huber, Germering

Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien

Printed in the EU

ISBN Print: 978-3-86883-771-1

ISBN E-Book (PDF): 978-3-95971-025-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-026-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.muenchner-verlagsgruppe.de

INHALT

Vorwort

1 Einleitung

Krafttraining

Ein theoretischer Ansatz

Probleme?

2 Anpassung

Das allgemeine Anpassungssyndrom

Übertraining verstehen

Faktoren, die sich auf die Erholung auswirken

Wie hart und wie viel Periodisierung

3 Kraft: Die Grundlage für Leistung

Trainingsspezifität

4 Die Physiologie der Anpassung

Muskelkontraktion: Die Grundlage für Bewegung

Energiestoffwechsel: Den Muskel mit Treibstoff versorgen

Trainingsinduzierte Muskelanpassungen

Neuronale Integration: Wie der Muskel zur Bewegung stimuliert wird

Hormone: Mediatoren der physiologischen Anpassung

Kardiovaskuläre Überlegungen

Körperliches Potenzial

Im Rückwärtsgang: Detraining

5 Grundlagen der Trainingsprogramme

Wiederholungen

Sätze

Pause zwischen den Sätzen

Häufigkeit der Workouts

Auswahl der Übungen

Variation der Übungen

Übungsreihenfolge

Bewegungsgeschwindigkeit

Warm-up

Stretching

Das Trainingstagebuch

6 Anfänger

Die Grundlagen der Programmgestaltung für Anfänger

Grundlegende Programmvariablen

Das Starting-Strength-Modell

Der fortgeschrittene Anfänger

Modifikationen des Anfängerprogramms für besondere Zielgruppen

7 Geübte

Allgemeine Überlegungen

Die Texas-Methode

Das Split-Modell

Das Starr-Modell

8 Fortgeschrittene

Die Geschichte der Periodisierung

Eine Einführung in die fortgeschrittene Programmgestaltung

Das Pyramidenmodell

Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück

9 Besondere Zielgruppen

Frauen

Jugendliche

Ältere Kraftsportler

Trainierende nach der Rehabilitation

Autoren

Bildnachweise

Register

VORWORT

Als ich vor zehn Jahren der Redaktion des Strength and Conditioning Journal das Konzept vorstellte, wonach beginnende, geübte und fortgeschrittene Kraftsportler unterschiedliche Trainingsprogramme benötigen, galt das geradezu als Ketzerei. Mein Artikel wurde seinerzeit unabhängig voneinander von zwei Gruppen von Fachgutachtern abgelehnt, die darauf beharrten, dass eine Wellenperiodisierung für jedes Leistungsniveau gelten müsse und meine Behauptung, selbiges treffe nicht auf Anfänger zu, nur meine völlige Unkenntnis wissenschaftlicher Ordnungsprinzipien beweise. Seither hat sich einiges getan, und ich hoffe, dass dieses Buch seinen Teil dazu beitragen wird aufzuzeigen, dass die körperliche Anpassung derselben Entwicklungskurve folgt wie alle progressiven Phänomene, die sich ihrem maximalen Potenzial nähern. Das Buch hat sich bisher über 90.000-mal verkauft und mehr Menschen dabei geholfen, stärker zu werden als jedes andere Buch, mit Ausnahme von Starting Strength: Einführung ins Langhanteltraining.

Die ersten beiden Auflagen wollten dem Leser Anregungen für die Gestaltung eigener Programme geben – und einen Überblick über die Grundprinzipien von Stress/Erholung/Anpassung verschaffen. Das Buch war als Vorlage für die Entwicklung von Programmen gedacht, die dem Umstand Rechnung tragen, dass jeder Kraftsportler abhängig von seinem Leistungsniveau unterschiedlich auf Stress reagiert. Wie sich zeigte, war unter unserer Leserschaft das Interesse an Details besonders groß – man wünschte sich mehr Beispiele für konkrete, zielgruppenspezifische Programme. Hier sind sie.

Dr. Stef Bradford ist der kluge Kopf und das kreative Genie hinter dem verbesserten, aktualisierten Material. Sie hätten eine weitaus schlechtere Meinung von mir und meiner Expertise, wenn Sie wüssten, wie viel von dem, was ich von mir gebe, eigentlich von ihr stammt. Aber das bleibt unser kleines Geheimnis.

Was die detaillierten Programme anbelangt, die wir hinzugefügt haben: Andy Baker kann sie besser erstellen als jeder andere, den ich kenne, und dabei nehme ich mich selbst nicht aus. Als wir beschlossen, das Buch mit mehr Beispielen zu ergänzen, war er meine erste Wahl. Er hat ein gutes Gespür für realistische Zahlen und Progressionen, und die meisten der vorliegenden Pläne stammen aus seiner Feder. Wenn Sie jemals die Chance erhalten, Andy dazu zu bringen, Ihnen bei Ihrer Trainingsgestaltung zu helfen, sollten Sie die Gelegenheit unbedingt ergreifen.

Meine andere erste Wahl fiel auf Matt Reynolds. Als ein weiterer wahrer Meister des Programmdesigns ist er stets mit zahlreichen Projekten beschäftigt, er nahm sich aber freundlicherweise die Zeit, für Kapitel 8 ein Programm für Fortgeschrittene zu konzipieren. Wenn Andy beschäftigt ist, sollte man Matt anrufen. Oder umgekehrt.

Dr. Jordan Feigenbaum und Dr. Jonathon Sullivan sahen zahlreiche Teile des Manuskripts für uns durch. Jordan gab uns sehr viele wertvolle Tipps, die die Genauigkeit und Verständlichkeit der ersten fünf Kapitel verbesserten, und Sully ist stets ein weitsichtiger und verlässlicher Ansprechpartner, wenn es um die Interaktion des Menschen mit dem Leben und seinen Komplikationen geht. Immer wenn bestimmte Themen meinen Wissenshorizont übersteigen, verlasse ich mich auf diese beiden Jungs.

Die Erfahrungen, die wir in den letzten vier Jahren gesammelt haben, wurden durch zahlreiche wichtige Mitarbeiter unseres Seminarprogramms möglich gemacht. Tom Campitelli (der auch unser Fotograf ist), Michael Wolf, Steve Hill, Jordan Feigenbaum, Matt Reynolds, Paul Horn und viele andere, die gerade erst angefangen haben, haben ein optimales Arbeitsklima geschaffen, in dem wir alle voneinander lernen können. Ohne sie wäre diese Neuauflage nicht möglich gewesen.

Wie üblich ließ Mary Conover alles stehen und liegen und erstellte das Register, was diesem Buch einen enormen Mehrwert verleiht.

Vielen Dank auch an Sie, die Leser unserer Bücher und Teilnehmer unserer Veranstaltungen. Ihr wertvolles Feedback hat die Entwicklung dieser Auflage von Programmgestaltung im Krafttraining in Gang gesetzt.

– Rip

Wichita Falls, Texas

November 2013

1 EINLEITUNG

Willkommen zu Programmgestaltung im Krafttraining. Hier schlagen wir einen etwas anderen Weg ein, um das Konzept von Krafttraining vorzustellen – und zwar indem wir zuerst erklären, was es nicht ist. Es werden oft drei Begriffe verwendet, um zu beschreiben, was im Kraftraum passiert oder auch nicht: „körperliche Aktivität“, „unverbindliche sportliche Betätigung“ (exercise) und „Training“. Dieses Buch befasst sich ausschließlich mit dem letztgenannten Begriff, und deshalb sollten wir die ersten beiden Begriffe vorab klären, damit wir „Training“ davon absetzen und im Anschluss daran ausführlich erklären können.

Körperliche Aktivität ist das, was man laut der American Heart Association (AHA) jede Woche praktizieren sollte. „Körperliche Aktivität ist alles, was dazu führt, dass man seinen Körper bewegt und Kalorien verbrennt“, lautet ein Zitat auf der Website der Vereinigung, das deutlich macht, was vonseiten der AHA für die Erhaltung der Gesundheit als notwendig betrachtet wird. Aber wenn man diese Definition beim Wort nimmt, gehört praktisch alles außer Sitzen und Liegen in diese Kategorie. Wir halten nicht besonders viel von diesem Konzept, weil selbst Senioren einen produktiveren Ansatz verfolgen können, um ihren körperlichen Zustand zu bewahren bzw. zu verbessern, als sich über eine willkürlich festgesetzte Dauer hinweg zu bewegen.

Körperliche Fitness ist ein verwandtes Konzept. Kilgore und Rippetoe definierten sie 2006 im Journal of Exercise Physiology Online [9(1), S. 1–10] wie folgt:

Der Besitz einer ausreichenden Menge an Kraft, Ausdauer und Mobilität, welche die erfolgreiche Teilnahme an Beruf, Freizeit und Familienleben ermöglicht und einer funktionellen phänotypischen Expression des menschlichen Genotyps entspricht.

Diese Definition stellt auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber älteren Versuchen dar, das Konzept zu quantifizieren, weil es nicht nur einen Rahmen bildet, der für das gesamte Leben Gültigkeit besitzt, sondern auch eine evolutionsgeschichtlich nachvollziehbare Definition liefert, das heißt, warum es von einem genetischen Standpunkt aus notwendig ist, fit zu sein. Die optimale Expression des menschlichen Genotyps ist dieser Definition nach ein fitter Mensch, und das ist auf vielen Ebenen befriedigend.

Weil wir Athleten sind, weigern wir uns jedoch, an dieser Stelle aufzuhören. Wir streben danach, die Expression „körperlicher Fitness“ zu optimieren, indem wir mehr tun als uns lediglich nicht hinzusetzen, und zwar weil wir ehrgeizig sind – vielleicht nur uns selbst gegenüber, aber trotzdem. Wir streben danach, unsere konditionellen Fähigkeiten zu verbessern, indem wir Mittel anwenden, die die AHA vermutlich für übertrieben hält, weil sie weit über ihre Zielsetzung hinausgehen, die in erster Linie darin besteht, nicht an einem Herzinfarkt zu sterben.

Doch auch „unverbindliche sportliche Betätigung“ und „Training“ sind Konzepte, die wir uns genauer ansehen sollten. Die Begriffe werden oft synonym verwendet, was allerdings ein Fehler ist. Der Begriff „Workout“ wird in beiden Kontexten verwendet, um ein zeitlich festgesetztes Ereignis zu beschreiben, das einen körperlichen Stress bewirkt (normalerweise betrachten wir das Schieben eines liegengebliebenen Autos nicht als „Workout“, obwohl es unter Umständen genauso anstrengend sein kann). Sowohl die unverbindliche sportliche Betätigung als auch das Training verwendet Workouts, allerdings unterscheiden sich die beiden Ansätze konzeptionell erheblich voneinander.

Eine unverbindliche sportliche Betätigung ist eine körperliche Aktivität, die wegen der Wirkung ausgeübt wird, die sie heute produziert – jetzt, in diesem Augenblick. Jedes Workout wird mit dem Zweck ausgeführt, einen Stress zu erzeugen, der die unmittelbaren Bedürfnisse des Hobbysportlers befriedigt: Kalorien zu verbrennen, sich zu verausgaben, ein Anschwellen des Bizeps zu erzielen, sich zu dehnen – man spult eine bestimmte Anzahl von Übungen ab und geht dann wohlig erschöpft nach Hause. Bei derunverbindlichen sportlichen Betätigung handelt es sich demnach um eine körperliche Aktivität, die man wegen des Effekts betreibt, der sich während des Workouts oder unmittelbar danach einstellt. Man kann seine Workouts jahrein, jahraus völlig gleich gestalten, solange sie ihren Zweck erfüllen und das Gefühl hervorrufen, das man heute spüren will.

Für Athleten, die ein ganz konkretes Leistungsziel vor Augen haben, ist aber Training das Mittel der Wahl. Training wird in diesem Zusammenhang als eine körperliche Aktivität verstanden, die dazu dient, ein langfristiges Leistungsziel zu erreichen. Es geht daher mehr um den gesamten Prozess und weniger um die einzelnen Workouts, aus denen sich dieser Prozess zusammensetzt. Und da der Prozess zu einem bestimmten Zeitpunkt (unabhängig von der Anzahl und Länge der Workouts) ein klar festgelegtes Ergebnis zur Folge haben soll, muss er sorgfältig geplant werden. Training hat eine langfristige Verbesserung zum Ziel, und dies erfordert sowohl die Zeit als auch die Bereitschaft, das befriedigende Gefühl zu verschieben, ein Ziel erreicht zu haben, bis es tatsächlich eingetreten ist.

Die meisten Menschen sind keine leistungsorientierten Athleten, die an Wettkämpfen teilnehmen, sehen sich selbst auch nicht als solche, und haben kein konkretes Ziel vor Augen außer vielleicht abzunehmen und „in Form“ zu kommen, was ähnlich ist wie „körperlich fit“ zu sein, nur ohne die ganze Diskussion über Phänotypen und genetische Veranlagung. Deswegen reicht es den meisten Leuten auch völlig aus, sich unverbindlich sportlich zu betätigen. Die Fitnessindustrie ist sich dieser Tatsache bewusst und nur allzu gerne bereit, diesen Wunsch zu erfüllen. Maschinenbasierte Workouts, denen die Ausgewogenheit und die systemischen Belastungskomponenten des Langhanteltrainings fehlen, werden in erster Linie für diese Form der körperlichen Aktivität benutzt. Das ist auch bei Programmen wie P90X, CrossFit oder allen anderen Ansätzen der Fall, für die DVDs angeboten werden und die Ihnen versprechen, Sie und Ihre Muskeln zu „verwirren“. Moderne Fitnesstudios sind ausschließlich auf diese Form der körperlichen Aktivität ausgerichtet, weil Training im Vergleich dazu unprofitabel ist. Ein herkömmliches Fitnessstudio behält 55 Prozent der Nutzfläche Cardio-Geräten vor, auf denen man den immer gleichen Bewegungsablauf ausführt und dabei zum Beispiel fernsehen kann. Auf den verbleibenden 45 Prozent der Fläche sind Kraftstationen aufgestellt, mit denen die Studiomitarbeiter wenig Arbeit haben – sie sind einfach zu bedienen, schnell erklärt und leicht zu reinigen.

In vielen Studios gibt es freie Gewichte nur in Form von Kurzhanteln, aber keiner der dort angestellten Mitarbeiter hat auch nur die leiseste Absicht, Ihnen zu zeigen, welche sinnvollen Übungen man mit ihnen machen kann. Es handelt sich im Grunde um Verkaufsorganisationen und nicht um Sporteinrichtungen, und wenn Kunden, die eine teure Mitgliedschaft abgeschlossen haben, nach drei Besuchen nicht wiederkommen, interessiert das auch niemanden. Ihr Geschäftsmodell basiert darauf, Sportstudenten (die Kurse wie Sportphysiologie, Biomechanik oder Ähnliches belegen) als billige Arbeitskräfte anzustellen, denen man geringfügig mehr als den Mindestlohn bezahlt – junge Leute, die nicht wirklich wissen, wie man Langhantelübungen unterrichtet, und die vor allem dieses Buch nicht gelesen haben. Dieses Geschäftsmodell hängt von einer hohen Kundenfluktuation pro Nutzfläche ab, vor allem während der Stoßzeiten, und – wie die Studiogestaltung nahelegt – der hauptsächlichen Verwendung von Cardio-Geräten durch diejenigen Mitglieder, die sich immerhin dazu aufraffen, ins Studio zu gehen. Der Gedanke ist, dass Mitglieder etwa 20 Minuten an den Kraftstationen herumspielen, 30 Minuten auf dem Laufband oder Ergometer zubringen und dabei fernsehen, anschließend duschen und dann das Weite suchen. Die Angestellten haben daher überwiegend die Aufgabe, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Ein solches Umfeld reicht völlig aus, wenn man sich lediglich unverbindlich sportlich betätigen will, aber ein zielgerichtetes Training ist dort nahezu unmöglich.

Inzwischen ist die Branche dabei, sich rapide zu verändern – und sich hoffentlich in eine andere, bessere Richtung zu entwickeln. Das in der Fitnessindustrie gängige Modell von 55 Prozent Cardio-Geräte und 45 Prozent Kraftstationen wird allmählich von Einrichtungen für „Functional Training“ verdrängt, die eine intensivere körperliche Aktivität ermöglichen und Langhantel-, Körpergewichtsübungen und Sprints zu anstrengenden Workouts kombinieren, die tatsächlich die Zielsetzung erfüllen und einen ausreichend hohen Stress auslösen, um eine Anpassung zu bewirken. Dies steht in deutlichem Kontrast zu den immer schneller wachsenden Studioketten, die in ihrer Nutzerordnung praktisch untersagen, Übungen mit einer ausreichend hohen Intensität auszuführen oder sich körperlich so weit an seine Grenzen zu bringen, dass es auch einmal etwas lauter werden könnte. Der Nachteil vieler Functional-Training-Einrichtungen ist das schlecht geschulte Personal, das überwiegend aus zwar hochmotivierten jungen Leuten besteht, denen allerdings die Erfahrung und das Know-how fehlt, mit dem sichergestellt wäre, dass sich die Mitglieder eine korrekte Technik aneignen, mit der sie sich nicht verletzen. Aber so hart ein Workout of the Day (WOD) oder eine CrossFit-Box auch sein mögen – was dort geboten wird, kann trotzdem nicht als Training bezeichnet werden.

Training braucht Zeit, fachmännische Anleitung und Engagement für das Ziel, auf das man hintrainiert. Es bedarf der Planung, des Inputs von Leuten, die den Prozess kennen und wissen, was man tun muss, um diesen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, und man muss willens sein, die Tatsache zu begreifen, dass jedes Workout nur dann einen Wert hat, wenn es dem roten Faden folgt, der zum Erreichen des angepeilten Ziels führt.

Das heißt nicht, dass die Workouts keinen Spaß machen oder dass die kleinen Fortschritte, durch die sich ein erfolgreiches Workout auszeichnet, den Trainierenden nicht mit Genugtuung erfüllen sollen – das ist schließlich ein Gefühl, nach dem jeder Athlet strebt. Aber für den Trainierenden bedeutet es eben auch, dass sich alle Puzzleteile zu einem großen Gesamtbild zusammenfügen müssen; ein Gesamtbild, das die meisten Leute, die sich lediglich unverbindlich sportlich betätigen, niemals in seiner Ganzheit sehen werden und vermutlich nicht einmal kennen.

Krafttraining

Das Thema dieses Buchs ist nicht die unverbindliche sportliche Betätigung, sondern Training, und zwar Krafttraining. In jeder Sportart muss trainiert werden, wenn man erfolgreich sein will, und das Training für Langstreckenläufer erfolgt mit Sicherheit nach denselben Prinzipien, die wir Kraftsportler anwenden, um stark zu werden: Man holt den Athleten ab, wo er aktuell steht, und plant von dort ausgehend seine Leistungssteigerung. Wir nutzen primär anaerobe Widerstandsübungen, Langstreckenläufer hingegen nutzen primär aerobe Ausdauerübungen. Aber die Auffassung von Training ist in beiden Fällen dieselbe – wir spazieren nicht in den Kraftraum und spielen mit Kurzhanteln herum, genauso wenig wie ein Läufer auf die Bahn marschiert und seine Zeit mit Hopserläufen vertändelt, bis er genug davon hat. Training bedeutet Planung, und Planung setzt voraus, dass wir wissen, was wir tun müssen, um die konditionellen Fähigkeiten des Athleten zu verändern.

Krafttraining ist ein Programm, das die Fähigkeit des Athleten erhöht, Muskelkraft gegen einen externen Widerstand zu erzeugen. Es folgt einer logischen Progression, die ihren Anfang im aktuellen Kraftniveau des Athleten nimmt und sich zu mehr Kraft hin bewegt. Damit eine solche Progression erfolgreich ist, müssen zwei Dinge passieren.

Erstens ist eine korrekte Beurteilung des aktuellen Kraftniveaus des Athleten erforderlich, wenn wir Pläne machen wollen, die zu einer Steigerung desselben führen sollen. Diese Beurteilung kann und sollte idealerweise während des Coachings der Übungen erfolgen, die der Athlet in diesem Programm nutzt, da die Übungen sowieso korrekt unterrichtet und perfektioniert werden müssen. Beim Erlernen der Übungen gilt es mit zunehmend mehr Gewicht zu arbeiten, da wir lernen müssen, schwerere Gewichte zu heben, wenn wir stärker werden sollen. Ein eigener Test zu Beginn des Programms kostet nur unnötig Zeit und ist zudem nicht besonders aussagekräftig, da der Test selbst einen Stressreiz darstellt, der eine Anpassung herbeiführt. Wenn der Test intensiv genug ist, um die aktuelle konditionelle Fähigkeit korrekt zu beurteilen, verändert die aus dem Stress des Tests resultierende Anpassung die konditionelle Fähigkeit des Testsubjekts bereits, wodurch die Daten für jeden Zeitpunkt nach dem Test verfälscht werden. Es ist viel effizienter, den ersten Trainingstag zu nutzen, um sowohl das Material vorzustellen, die Übungen zu erlernen und die Fähigkeiten des Trainierenden zu beurteilen. Da das Programm an diesem Punkt beginnt und von dort ausgehend für praktisch alle angehenden Kraftsportler zunimmt, wird das zweite Workout nahtlos an das erste Workout anknüpfen, und man hat zwei Fliegen – die Anleitung und die Beurteilung – mit einer Klappe geschlagen.

Zweitens muss ein Programm so konstruiert sein, dass es auf möglichst effiziente Weise den Zweck erfüllt, beim Athleten einen Kraftzuwachs zu bewirken. Wie wir noch sehen werden, umfasst dies die Anwendung einiger grundlegender Trainingsprinzipien, die auf dem Konzept Stress/Erholung/Anpassung beruhen, sowie eine korrekte Beurteilung, die Auskunft darüber gibt, wie weit der Athlet von seinem Potenzial für körperliche Anpassung entfernt ist.

Als Stress bezeichnet man jedes Ereignis, das eine Veränderung des physiologischen Zustands eines Organismus herbeiführt. Das kann ein hartes Workout sein, aber ebenso ein Sonnenbrand, ein Bärenangriff oder drei Monate Bettruhe. Stress stört die Homöostase (Gleichgewichtszustand), das heißt die normalen physiologischen Bedingungen, die im Organismus herrschen. Die Erholung von einem Stressreiz ist eine Maßnahme, auf die der Organismus zurückgreift, um sein Überleben zu sichern, indem er den Zustand wiederherstellt, der vor dem Stress bestand, und diesen um einen kleinen zusätzlichen Puffer erweitert für den Fall, dass der Stress wieder eintritt (sofern dies möglich ist – nach einem Sonnenbrand wird die Haut dunkler, Bären könnten hingegen ein ganz anderes Problem darstellen). Diese Anpassung an den Stress ist die Strategie des Organismus, in einem Umfeld zu überleben, in dem Lebewesen einer Vielzahl sich verändernder Einflüsse ausgesetzt sind. Die Fähigkeit zur Stressanpassung ist demnach ein wesentliches Merkmal allen Lebens.

In unserem Szenario wird der Stress durch die gewissenhafte Verwendung der Langhantel erzeugt, welche die Bedingungen für die gewünschte Anpassung schaffen kann – also die Entwicklung einer verbesserten Fähigkeit, mit unseren Muskeln Kraft zu erzeugen. Aber wie jeder andere Organismus, der wiederholt einem Stress ausgesetzt wird, erzeugen die vorausgehenden Stressreize eine Reihe von Anpassungen, die den Organismus fundamental verändern. Man ist offensichtlich nicht dasselbe körperliche Wesen, das man bei seiner Geburt war, und das ist nicht nur das Ergebnis normaler Wachstumsprozesse, sondern auch der Stressreize, mit denen man im Laufe der Zeit in Kontakt kommt.

In unserem Trainingsszenario haben diese früheren körperlichen Stressreize eine Auswirkung auf die Art von Stress, dem wir uns weiterhin aussetzen können, weil Ihr aktueller Anpassungszustand Auskunft darüber gibt, an welcher Stelle Ihres ultimativen Anpassungspotenzials Sie sich gerade befinden. Die Fähigkeit des Menschen, sich an Stress anzupassen, ist individuell verschieden und begrenzt, und das gilt nicht nur in einem unmittelbaren Sinn für akuten Stress, sondern auch über eine längere Dauer hinweg für chronischen Stress. Diese Grenze wird durch die genetische Veranlagung sowie durch bestimmte andere körperliche Bedingungen bestimmt, und sie kontrolliert in letzter Instanz das Potenzial des Individuums in Bezug auf seine athletische Leistungsfähigkeit. Auch in anderen Bereichen des menschlichen Lebens wird das Potenzial durch Prozesse eingeschränkt, die auf ähnliche Weise funktionieren, und deshalb stellen außergewöhnliche Menschen in jedem Tätigkeitsfeld nicht die Norm, sondern die Ausnahme dar. Diese Konzepte sind in Abbildung 1-1 zusammengefasst.

Der Weg, den man bereits zurückgelegt hat, um sich dieser Grenze zu nähern, gibt vor, wie viel Raum für potenzielle Verbesserungen noch bleibt. Ein untrainierter 17-jähriger Jugendlicher und ein routinierter 38-jähriger Kraftsportler befinden sich jeweils am entgegengesetzten Ende des Spektrums ihres körperlichen Potenzials. Der Jugendliche hat seine potenzielle Kraft noch nicht entwickelt, und der fortgeschrittene Kraftsportler ist logischerweise schon sehr stark, weil er die letzten 20 Jahre damit zugebracht hat, immer stärker zu werden. Der Jugendliche hat noch sein ganzes Potenzial vor sich, während der erfahrene Kraftsportler sein Potenzial schon weitgehend ausgeschöpft hat. Der Jugendliche wird ziemlich leicht und schnell stärker, während der bereits starke Kraftsportler monatelang einem komplexen Programm folgen muss, um selbst eine kleine Verbesserung zu erzielen. Es ist leichter, stärker zu werden, wenn man noch nicht besonders stark ist. Die Leistungssteigerung, die der Jugendliche nach nur einem Workout verbucht, kann größer ausfallen als die Fortschritte, die der erfahrene Kraftsportler in sechs Monaten erzielt. Je nachdem, wo man gerade steht, kann das motivierend oder ziemlich frustrierend sein.

Das Spektrum menschlicher Leistung spiegelt das Prinzip der abnehmenden Erträge wider, das in zahllosen Beispielen in der Natur und im menschlichen Leben beobachtbar ist. Die Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit, Klavierspielen lernen und die Konstruktion eines schnelleren Autos sind Beispiele für Dinge, die einfach beginnen und in Bezug auf Energie, Zeit oder Geld schließlich so schwierig und teuer werden, dass es nahezu unmöglich ist, sich ihrer Obergrenze zu nähern. Und wenn die menschliche Leistungsfähigkeit nicht auf dieselbe Weise funktionieren würde – einfach am Anfang, schwierig am Schluss –, hätte es nie jemand geschafft, in einem Jahr seinen Squat um 90 kg zu steigern, und in jeder Meisterschaft würden immer neue Weltrekorde aufgestellt werden.

Und so offensichtlich das auch ist, wird diese Gesetzmäßigkeit in Fitnessprogrammen normalerweise ignoriert. Stattdessen wird uns beigebracht, dass ein Anfänger die verschiedenen Übungen, die er anschließend in sein Training aufnimmt, gleich mit einem Maximalgewicht probieren soll. Diese Übungen sind ihm aber noch fremd, und deswegen kann er sie nicht so gut ausführen, dass ein solcher Maximaltest auch wirklich aussagekräftig wäre. Anhand dieser schlechten Daten stellt der Fitnessexperte ein Programm auf, das für unseren fortgeschrittenen Kraftsportler besser geeignet wäre als für unseren Anfänger, der nun die meiste Zeit mit submaximalen Belastungen arbeitet und das Hantelgewicht nur zu festgelegten Zeitpunkten erhöhen darf, womöglich sogar nur einmal im Monat. Ein solcher Plan trägt der tatsächlichen, schnellen Anpassungsfähigkeit eines Anfängers in keiner Weise Rechnung, weil dieser sich in der Vergangenheit nie schnell anpassen musste, was bedeutet, dass er noch über sehr viel Anpassungspotenzial verfügt und deshalb durchaus dazu in der Lage ist.

Schlimmer noch: Das Thema langfristige Fortschritte wird meistens ebenfalls sträflich vernachlässigt. Spricht man es an, heißt es in der Regel, man solle warten, bis das Hantelgewicht, mit dem man 8 bis 12 Wiederholungen und 4 bis 5 Sätze absolvieren kann, zu leicht wird – und sich dann ein wenig steigern. Es wird kein Versuch unternommen, den Fortschritt wirklich voranzutreiben, aber falls das trotzdem einmal passieren sollte, ist es vermutlich in Ordnung, solange man sich dabei nicht verletzt.

Das ist die Regel, die gängige Meinung, die bezüglich der Verordnung von Übungen herrscht. Und alles, was diesem Muster entspricht, wird von sämtlichen Fitnessverbänden, die Zertifizierungen anbieten und Ratschläge erteilen (Bezahlen Sie erst nach bestandener Prüfung!), als korrekt und richtig anerkannt, weil dieser Ansatz evidenzbasiert ist, das heißt, er entspricht dem, was die nach wissenschaftlichen Kriterien bewertete einschlägige Fachliteratur empfiehlt.

Aber eine unverbindliche sportliche Betätigung ist nicht gleich Training, und deshalb weicht der Weg, den wir einschlagen, um Workouts so zu planen und zu gestalten, dass man damit auch stärker wird, deutlich von dem Ansatz der gerade erwähnten Verbände ab, denen es in erster Linie darum geht, Personal Trainer und Kursleiter für den Einsatz in der Praxis vorzubereiten.

Ein theoretischer Ansatz

Unser Trainingsansatz berücksichtigt die Tatsache, dass jeder Trainierende ein Programm erhalten muss, das seiner aktuellen Position auf der in Abbildung 1-1 dargestellten Kurve Rechnung trägt. In diesem Buch beziehen sich die Begriffe „Anfänger“, „Geübter“ und „Fortgeschrittener“ übrigens auf die Zeit, die nötig ist, damit sich ein Kraftsportler von einer trainingsinduzierten Störung der Homöostase erholt. Diese Begriffe werden nicht benutzt, um die Kraft eines Trainierenden oder seine absolute athletische Leistungsfähigkeit zu beschreiben. Das wird vielleicht in verschiedenen Sportarten anders gehandhabt, aber unsere Verwendung der Begriffe bezieht sich speziell auf das Modell in Abbildung 1-1.

Weil ein Anfänger noch nie systematisch mit Gewichten trainiert hat, die eine stetige, allmähliche Kraftzunahme bewirken, stemmt er Hanteln, die im Verhältnis zu seinem ultimativen körperlichen Potenzial für die Entwicklung der verschiedenen Kraftformen zu leicht sind. Das kann auch dann der Fall sein, wenn er seit Jahren regelmäßig ins Fitnessstudio geht, aber eben nicht planvoll trainiert. Ein Anfänger kann sich in einem Zeitfenster von 48 bis 72 Stunden von einer Trainingseinheit erholen. Er kann also am Montag „schwer“ trainieren und schon am Mittwoch für die nächste „schwere“ Einheit bereit sein. Jemand, der sich auf diesem Leistungsniveau befindet, ist von seinem eigentlichen körperlichen Potenzial noch weit entfernt und besitzt weder die Kraft noch die neurale Effizienz, um einen Stress zu erzeugen, der so groß wäre, dass er sich nicht zügig davon erholen könnte. In einem solchen Fall ist „schwer“ nicht wirklich „schwer“. Mit zunehmender Verbesserung der Maximal- und Schnellkraft verbessert sich auch die Erholungsfähigkeit. Regenerationsvorgänge lassen sich genauso trainieren wie andere körperliche Parameter, und dieser Faktor spielt für den Trainingsfortschritt eine extrem wichtige Rolle. Es ist aber auch wichtig, sich vor Augen zu führen, dass durch eine unangemessene und exzessive Trainingsbelastung Regenerationsvorgänge durchaus verzögert werden können. Bevor ein Fortschritt bzw. eine Leistungssteigerung eintreten kann, muss immer erst eine Erholung stattfinden.

Wir verstehen unter einem Anfängerjemanden, für den der Stress eines einzelnen Workouts und die Erholung von diesem einzelnen Stress ausreicht, um bis zum nächsten Workout eine Anpassung herbeizuführen. So ist es dem Anfänger möglich, in jedem Workout der Anfangsphase seine Arbeitssätze mit einem höheren Hantelgewicht zu absolvieren, wodurch sich in relativ kurzer Zeit ein enormer Kraftzuwachs einstellt. Der Athlet befindet sich in dieser Zeit in einer Phase seiner Trainingskarriere, in der sich seine Kraft und Fähigkeiten am schnellsten verbessern können, sofern dies von jemandem richtig gesteuert wird, der den Prozess und das Potenzial versteht, das in unserem Nachwuchssportler steckt.

Das Ende der Anfangsphase wird durch ein Leistungsplateau eingeläutet, das in der Regel zwischen dem dritten und dem neunten Trainingsmonat eintritt, obwohl es aufgrund individueller Unterschiede – hinsichtlich der genetischen Veranlagung und der korrekten Steuerung der Umgebungsvariablen, die die Erholung betreffen – Abweichungen geben kann. Bei der Programmgestaltung für Anfänger handelt es sich im Grunde um das lineare Progressionsmodell, das in unserem Buch Starting Strength: Einführung ins Langhanteltraining bereits vorgestellt wurde (riva Verlag, 2015).

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Anfänger (in Bezug auf das Hanteltraining) an Inaktivität angepasst ist und daher auch mit einem Trainingsprogramm Fortschritte machen könnte, das nicht speziell darauf zugeschnitten ist, bei den Langhantel-Grundübungen eine Steigerung der Kraft zu erzielen. Sätze mit 20 Wiederholungen zum Beispiel würden bei einem Anfänger auch die absolute Kraft für eine schwere Einzelwiederholung verbessern. Ein zuvor inaktiver Anfänger kann sein 1 RM (Wiederholungsmaximum) im Squat aber sogar auch schon durch Radfahren verbessern. Das wäre bei Geübten oder Fortgeschrittenen nicht möglich, weil bei ihnen die Verbesserung der Maximalkraft, Schnellkraft und Masse eng mit der angemessenen Anwendung spezifischer Trainingsprogramme verknüpft ist.

Ein Anfänger wird mit jedem Workout zwei Dinge erreichen: Er „testet“ seine Kraft mit einer neuen, höheren Belastung, und dieser Test zwingt seinen Körper dazu, für das nächste Workout stärker zu werden. Wenn er es schafft, die vorgegebene Anzahl von Sätzen und Wiederholungen mit einer 5 kg schwereren Hantel zu stemmen, ist das ein Beleg dafür, dass das vorherige Workout eine erfolgreiche Kraftsteigerung bewirkt hat, und führt dazu, dass sein Körper sich weiter anpasst und für das nächste Workout wieder etwas stärker wird. Sofern diese Anfangsphase richtig gesteuert wird, bringt sie für die große Mehrheit der Kraftsportler die meisten und produktivsten Kraftsteigerungen, die sie in ihrer gesamten Trainingslaufbahn erzielen werden.

Die Anfangsphase nähert sich ihrem Ende, wenn sich keine leichten Zuwächse mehr einstellen und es immer schwieriger wird, von einem Workout zum nächsten Fortschritte zu erzielen. Es müssen dann kleinere Sprünge zwischen zwei Gewichten vorgenommen und ausgereizt werden, aber selbst dann stagniert früher oder später der Fortschritt trotz aller Bemühungen, die Erholung zu optimieren.

Der geübte Kraftsportler steht vor anderen Problemen. Wenn er anfängt, Trainingsbelastungen zu meistern, die näher an seinem körperlichen Potenzial liegen, wird seine Erholungsfähigkeit durch den einwirkenden Stress anders beeinflusst. Die Erholung dauert länger – sie umspannt dann einen Zeitraum, in dem normalerweise mehrere Workouts stattfinden würden. Praktisch gesehen lässt sich ein entsprechendes Programm am effizientesten mit einem wöchentlichen Plan steuern. Der Geübte hat die Fähigkeit entwickelt, sein System einem Stress auszusetzen, der eine längere Erholungsdauer erfordert, während gleichzeitig der Stress, der für eine Störung der Homöostase notwendig ist, allmählich seine zuvor ausreichende Erholungsfähigkeit übersteigt (48 bis 72 Stunden). Damit das Gleichgewicht zwischen Stress und Erholung erhalten bleibt, muss die Trainingsbelastung über einen längeren Zeitraum variiert werden, und es bietet sich in diesem Zusammenhang die Woche als Zeiteinheit an, um das Training zu organisieren. Am Anfang könnte die eigentlich erforderliche Zeit kürzer als eine Woche sein – vielleicht fünf Tage –, doch wächst sie gegen Ende dieses mittleren Leistungsniveaus auf acht bis neun Tage an. Der entscheidende Faktor ist die zielbewusste Verteilung der gestiegenen Arbeitslast in einem Muster, das einerseits einen ausreichend hohen Stress gewährleistet, andererseits aber den gestiegenen Zeitaufwand für die Erholung berücksichtigt. Der Schlüssel für ein erfolgreiches Training ist in dieser Phase der sportlichen Entwicklung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen beiden wichtigen und entgegengesetzten Phänomenen: der Notwendigkeit eines größeren Stresses und der damit einhergehenden Verlängerung der Erholungsdauer. Die einfache Aufteilung von Trainingsbelastungen pro Woche fördert die Erholung nach einem oder mehreren schwereren Workouts während der jeweiligen Belastungsphase und lässt sich darüber hinaus gut in den Alltag integrieren.

Geübte profitieren davon, mehr Übungen auszuführen als Anfänger. Auf dieser Stufe bauen Athleten ihre Fertigkeiten mit neuen Bewegungsmustern aus, und dabei entwickeln sie gleichzeitig ihre Kompetenz zur Aneignung neuer Fertigkeiten. In dieser Phase werden aus Trainierenden echte Athleten, die sich ihrem Sport endgültig widmen und zu diesem Zeitpunkt einige wesentliche Entscheidungen treffen müssen, die sich auf ihre gesamte weitere sportliche Karriere auswirken können. Diese Entscheidungen lassen sich erheblich effektiver treffen, wenn man zuvor mit einer großer Vielfalt an Trainings- und Wettkampfoptionen in Kontakt gekommen ist.

Das Ende dieser Trainingsphase ist erreicht, wenn sich nach einer Reihe von zunehmend schwerer werdenden wöchentlichen Trainingsblöcken ein Leistungsplateau einstellt. Abhängig von der individuellen Belastungstoleranz und Trainingsdisziplin kann das nach frühestens zwei bis vier Jahren der Fall sein. Mindestens 75 Prozent aller Trainierenden werden über dieses mittlere Stadium hinaus keine weitere Steigerung der Programmkomplexität benötigen – denn schließlich sagt das gestemmte Gewicht oder die Anzahl der Trainingsjahre nichts über das körperliche Leistungsniveau einer Person aus. Praktisch das gesamte Krafttraining für Athleten, die keinen Kraftdreikampf oder olympisches Gewichtheben betreiben, kann mit diesem Modell realisiert werden. Diese Athleten sind eigentlich keine Kraftsportler im ursprünglichen Sinn, sondern benötigen mehr Kraft, um in einer anderen Sportart erfolgreich zu sein. Deshalb trainieren sie auch nicht ausschließlich im Kraftraum, sondern widmen einen Großteil ihrer Trainingszeit der Ausübung ihrer eigentlichen Sportart. Dadurch verlängert sich diese Entwicklungsphase in einem solchen Ausmaß, dass selbst sehr versierte Athleten möglicherweise niemals alle Vorteile eines Kraftprogramms auf diesem Leistungsniveau ausreizen werden.

Abbildung 1-1. Die verallgemeinerte Beziehung zwischen Leistungssteigerung und Trainingskomplexität im Verhältnis zur Zeit. Man beachte, dass die Anpassung an das Training im Laufe der Trainingskarriere abnimmt.

Fortgeschrittene, die Langhanteltraining auf höchstem Niveau betreiben, kommen relativ nah an ihr ultimatives körperliches Potenzial heran. Dieser kleine Bruchteil aller Trainierenden besteht beinahe ausschließlich aus Kraftdreikämpfern und olympischen Gewichthebern, da Sportler, die nicht an entsprechenden Wettkämpfen teilnehmen, in der Regel nicht diesen Zeit- und Trainingsaufwand betreiben können. Die Arbeitstoleranz des Fortgeschrittenen ist ziemlich hoch, was nicht zuletzt darauf zurückgeführt werden kann, dass die Erholungsfähigkeit des Athleten ebenfalls trainierbar ist. Allerdings sind die Trainingsbelastungen, die der Fortgeschrittene bewältigen muss, um eine Anpassung zu erzielen, ebenfalls ziemlich hoch, weil alle Anpassungen, die den Athleten überhaupt erst auf dieses Niveau gebracht haben, bereits stattgefunden haben. Trainingsvolumen und -intensität sind sehr hoch und erfordern längere Erholungszeiten als in den vorigen Phasen. Die Parameter für Belastung und Erholung müssen komplexer, variabler und über einen längeren Zeitraum hinweg gehandhabt werden. Zusammengenommen beträgt die Dauer der für einen Fortschritt notwendigen Belastungs- und Erholungsphasen zwischen einem und mehreren Monaten. Wir könnten zum Beispiel eine Woche mit hartem Training zubringen, um die Homöostase zu stören. Auf diese Trainingswoche könnten drei oder vier Wochen mit leichteren Belastungen folgen, damit eine vollständige Erholung und Anpassung eintreten kann. Die Leistungskurve steigt dabei in der Regel kaum an (Abbildung 1-1), nähert sich sehr langsam dem maximalen körperlichen Potenzial, und es muss ein hoher Trainingsaufwand betrieben werden, um selbst kleinste Verbesserungen zu erzielen. Aus diesem Grund ist die Anzahl der Übungen bei Fortgeschrittenen normalerweise kleiner als bei Geübten; sie benötigen keine neuen Bewegungsmuster und Stressformen, da sie sich schon spezialisiert und an diejenigen angepasst haben, die für ihren Sport spezifisch sind.

Eine komplexe Manipulation von Trainingsparametern ist für Fortgeschrittene durchaus angemessen. Die meisten Trainierenden werden allerdings niemals eine Entwicklungsstufe erreichen, die eine solche Periodisierung notwendig macht, da sie vor Erreichen dieser Phase oft ihre aktive Laufbahn beenden.

Ein Spitzenathlet ist jemand, der nach dem Standard der Sportart, in der er Wettkämpfe bestreitet, auf höchstem Niveau Leistung erbringt. Unter diese Definition fallen auch Geübte, die auf nationalem oder internationalem Niveau Wettkämpfe in anderen Sportarten bestreiten. Dieser Fall tritt nur sehr selten ein, aber wir alle kennen Überflieger, die aufgrund ihres Talents und ihrer genetischen Veranlagung in ihrer Sportart schnell vorangekommen sind und dabei wesentlich weniger Opfer bringen mussten als die meisten ihrer Kollegen. Der Spitzenathlet ist ein Sonderfall des Fortgeschrittenen. Er zählt zu einer kleinen Schar von Menschen, die sich durch eine günstige genetische Veranlagung auszeichnen und zufällig motiviert sind, sich diesem Sport zu verschreiben – trotz der großen körperlichen Strapazen und dem eingeschränkten Sozialleben, das sie in Kauf nehmen müssen. Sie sind aufgrund ihres Erfolgs bei ihrem Sport geblieben und haben beschlossen, auf diesem Niveau zu trainieren, weil sich der Aufwand für sie lohnt.

Das bisherige Training hat den Athleten schon sehr nah an sein ultimatives Leistungspotenzial gebracht, und wenn er darüber hinaus Fortschritte erzielen will, benötigt er eine wesentlich größere Programmkomplexität, die jeden noch so kleinen Raum für Verbesserungen nutzt, der vielleicht vorhanden, aber noch nicht ausgeschöpft ist. Diese körperlich bereits bestens angepassten Athleten müssen sehr komplexe Trainingsprogramme durchlaufen, die sich durch hochvariable Stressreize sowie eine vergleichsweise einfache Übungsauswahl auszeichnen, welche sie näher an ihr ultimatives Leistungspotenzial bringen. An diesem Punkt kann sich das Programm über einen Zeitraum von mehreren Monaten, einem Jahr oder sogar einem olympischen Vier-Jahres-Turnus erstrecken. Jeder Ansatz für das Training solcher Athleten ist extrem individuell und übersteigt die Zielsetzung dieses Buchs. Deutlich weniger als 0,1 Prozent aller Trainierenden werden, ungeachtet ihrer Trainingsvergangenheit, dieses Niveau erreichen.

Im Gegensatz zu Anfängern oder Geübten müssen Fortgeschrittene eine Menge intensiver Arbeit verrichten, um die Homöostase zu stören und eine Anpassung zu erzwingen. Das heißt, dass sich der für einen Fortschritt erforderliche Stress der maximal zu bewältigenden Arbeitslast, die der Körper auf sich nehmen und von der er sich in angemessener Zeit wieder erholen kann, stark annähert. Ein Fortgeschrittener, der zehn Sätze Squats machen muss, um eine Verbesserung zu erzielen, wird vielleicht bei neun Sätzen schon keinen Unterschied mehr merken – und bei elf Sätzen gerät er bereits ins „Übertraining“. Das Fenster für Fortschritte ist also extrem klein.

Aber wenn die Arbeitslast nicht steigt, werden sich weder die Leistung noch die Erholungsvorgänge verbessern, da keine Störung der Homöostase eintritt, die den Körper dazu zwingen würde, Anpassungsvorgänge einzuleiten. Wie in Abbildung 1-1 dargestellt, steht die Trainingsbelastung in direktem Zusammenhang mit dem Leistungsniveau, auf dem sich der Sportler befindet. Die Fähigkeit eines Anfängers, sich an sein Training anzupassen, unterscheidet sich massiv von der eines Geübten oder Fortgeschrittenen, und deshalb ist es wichtig, dass das Programmdesign den physiologischen Parametern Rechnung trägt, durch die sich jede Phase der Entwicklung auszeichnet. Die größte Zeitverschwendung im Kraftraum ist es, einem Anfänger den Trainingsplan eines Fortgeschrittenen zu geben.

Probleme?

Wenn das alles so offensichtlich ist, warum erkennen die großen Fitnessverbände dieses Muster dann nicht und passen ihre Glaubenssätze entsprechend an? Kann es sein, dass die akademischen Einrichtungen, die für die gängige Lehrmeinung verantwortlich sind, dieses offensichtliche Muster nicht näher untersucht haben, und dass es deshalb nicht in den Fachzeitschriften behandelt wurde, die gemeinhin als Hüter der Lehrmeinung gelten?

Anders gefragt: Warum sind Colleges und Universitäten, deren Aufgabe es ist, Studenten zum Bachelor- oder Masterabschluss in Sportwissenschaft zu verhelfen, und die gleichzeitig das Lehrpersonal unterstützen müssen, nicht in der Lage, ein Phänomen zu untersuchen, das sich über etliche Jahre erstreckt und hoch motivierte, wettkampforientierte Athleten betrifft, die dem Institut folglich nicht als Testpersonen zur Verfügung stehen und ihr Training nicht verändern würden, um die Anforderungen einer komparativen Studie über verschiedene Trainingsmethoden zu erfüllen?

Die Antwort ist in meiner Frage bereits enthalten: weil sie es nicht können. Studien, die in der Lage wären, vorhandene Trainingsmethoden für Athleten effektiv zu untersuchen und zu vergleichen, können im Rahmen der Einschränkungen des universitären Lehrbetriebs nicht entworfen und durchgeführt werden. Das Institut hat Zugriff auf Studenten im Grundstudium, die als Testpersonen zur Verfügung stehen; praktisch alle diese jungen Leute gelten als Anfänger und reagieren auf jedes Trainingsprotokoll mit dem Anfängereffekt, das heißt, alles funktioniert mehr oder weniger reibungslos. Man hat auch Zugriff auf Senioren mit genug Zeit, als Testpersonen zu fungieren. Was man aber normalerweise nicht hat, ist ein Zugriff auf Leistungssportler, die es sich leisten könnten, ihr Training für eine Studie zu verändern, die von jemandem entworfen wurde, der mit den Anforderungen ihrer Sportart gar nicht vertraut ist. Ein Semester dauert etwa drei Monate. Masterstudenten sind zwei bis drei Jahre am Institut. Sie müssen jedes Jahr wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichen, um in der Forschung und Lehre wettbewerbsfähig zu bleiben oder die Wünsche des Lehrstuhlinhabers zu erfüllen, damit dieser vor dem Dekan oder Universitätspräsidenten in einem möglichst günstigen Licht erscheint. Die für das Studiendesign und die Methodik zuständigen Personen hätten unbedingt selbst schon einmal mit korrekt entworfenen Trainingsprogrammen in Kontakt kommen müssen, um die erforderlichen Voraussetzungen für diese Aufgabe zu besitzen und die richtigen Fragen zu stellen. Solche Leute sind an Sportfakultäten sehr selten anzutreffen, so seltsam das auch klingen mag. Die dort tätigen studentischen Hilfskräfte und wissenschaftlichen Mitarbeiter versuchen entweder ihren Abschluss zu machen, an einen Lehrauftrag zu kommen, weniger Kurse zu halten, mehr zu veröffentlichen oder in den Ruhestand zu gehen. Das klingt nach einem harten Urteil, und es soll auch nicht heißen, dass diese Leute durchtrieben wären. Aber Fakt ist nun einmal, dass die meisten sportwissenschaftlichen Universitätsabteilungen keinen Zugriff auf das Konzept oder die Daten haben, die ein echtes Training ausmachen, und demzufolge ihre Leute auch nicht darauf vorbereiten können, selbiges in die Tat umzusetzen.

Als Fazit bleibt, dass das Thema Training in der Literatur kaum Berücksichtigung findet und diese Leerstelle mit wissenschaftlichen Artikeln über unverbindliche sportliche Betätigung gefüllt wird. Das liegt daran, dass die unverbindliche sportliche Betätigung aufgrund ihres Wesens für sportwissenschaftliche Fakultäten zugänglich ist, Training dagegen nicht. Angesichts der aktuellen Verhältnisse wird sich an dieser Situation so schnell wohl auch nichts ändern.

Weil die Fachliteratur von Artikeln über unverbindliche sportliche Betätigung dominiert wird, ist es nahezu unmöglich, ein „evidenzbasiertes Verfahren“ (womit Übungsverordnungen gemeint sind, die sich ausschließlich auf Abhandlungen über unverbindliche sportliche Betätigung berufen) zu etablieren, das sich dem tatsächlichen Training von Athleten widmet. Der Versuch, auf der Grundlage eines Textkorpus, der sich mit der unverbindlichen sportlichen Betätigung einer kleinen Teilmenge der Allgemeinheit befasst (Studenten und Senioren), Schlussfolgerungen über das Training von Athleten ziehen zu wollen, kann nicht produktiv sein und war es noch nie, und keine noch so große Beweihräucherung wissenschaftlicher Veröffentlichungen wird jemals etwas daran ändern.

Empirismus ist ein erkenntnistheoretischer Ansatz, der davon ausgeht, dass das Wissen um ein Subjekt nur durch seine unmittelbare sinnliche Wahrnehmung erlangt werden kann – durch empirische Evidenz. Darunter verstehen manche Leute Daten, die aus einem kontrollierten Experiment in einer formellen Studienumgebung gewonnen werden. Diese Herrschaften sind in der Regel zugleich jene Zeitgenossen, die daran beteiligt sind, diese Art von Daten zu erzeugen, und sie könnten die Abwesenheit eines experimentell generierten Datensatzes als eine Abwesenheit von Wissen auffassen. Im Gegensatz dazu ist Rationalismus eine andere Erkenntnistheorie, die Vernunft und logische Analyse als ausreichende Testmethode von Wissen und Wahrheit betrachtet. Die Abwesenheit experimenteller Daten ist kein unüberwindbares Hindernis für jemanden, der in der Lage ist, ein Problem durch rationale Analyse zu lösen, weil die Einzelheiten aus allgemeinen Prinzipien genau abgeleitet werden können.

Die Beobachtungen erfahrener Individuen – in diesem Fall erfahrener Coaches, die seit Jahrzehnten mit Tausenden von Athleten zu tun haben – gelten unter denjenigen Wissenschaftlern, die Arbeiten über unverbindliche sportliche Betätigung veröffentlichen, als „anekdotenhafte“ Berichte, die nicht besonders ernst zu nehmen sind. Das ist eine falsche Auffassung der Definition des Begriffs „empirisch“, der nämlich sehr wohl auf die direkten, informierten Beobachtungen erfahrener Trainer zutrifft. Die empirische Evidenz, die in einer experimentellen Studie gesammelt wird, ist nur eine Variante der empirischen Evidenz, und sie ist genauso von Beobachtung abhängig wie der erfahrene Trainer, der Daten durch Beobachtung sammelt. Sie ist daher auch genauso wertvoll, vor allem wenn man die Tatsache bedenkt, dass Daten aus einer Studie nur so gut sind wie die Methoden, mit denen sie gewonnen wurden.

Die wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit unverbindlicher sportlicher Betätigung befassen, haben durchaus ebenfalls ihre Schwächen. Die untersuchten Populationen sind in der Regel klein, oft weniger als 20 Personen pro Gruppe. Es handelt sich dabei in den seltensten Fällen um trainierte Athleten, sondern meist um untrainierte College-Studenten, bei denen jede körperliche Belastung eine Anpassung bewirkt. Das sind keine guten Voraussetzungen, um zwei Übungsmethoden bzw. ihre Wirkungen miteinander zu vergleichen, und Fragen in Bezug auf unseren Begriff von Training lassen sich damit schon gar nicht beantworten. Oft sind die Methoden schlecht konstruiert (beispielsweise eine Studie über Squats an der Smith-Maschine), lassen jede Quantifizierung des untersuchten Bewegungsmusters außer Acht (Was genau ist ein Squat? Wie tief muss er sein? Welcher Hüftwinkel liegt vor? Betrifft dies die Muskelrekrutierung? Wie wird das gemessen?) oder offenbaren die Unfähigkeit der Tester, die Interaktionen mit der untersuchten Population zu standardisieren („Strengen Sie sich jetzt wirklich an.“). Manchmal läuft die Untersuchung nicht lang genug, um eine aussagekräftige Antwort auf die gestellte Frage in Erfahrung zu bekommen, da die Testpopulation aus Studenten besteht, die nur für ein Semester verfügbar sind. Wichtiger noch: Wenn die Studie von einer Person geleitet wird, die unerfahren ist und nicht weiß, dass die untersuchte Frage an sich dämlich ist („Kann man mehr Gewicht im Bankdrücken stemmen, wenn man a) auf einer Bank oder b) auf einem Gymnastikball liegt?“) und wenn die Gutachter der Fachzeitschrift nicht die Erfahrung haben zu wissen, dass der Studienleiter eine dumme Frage stellt, dann findet dämliche, aber dennoch expertengeprüfte und „evidenzbasierte“ Forschung Eingang in die Literatur und trägt zu dem bekannten Problem nur noch weiter bei.

Die Beobachtung, dass mehrere Sätze mit jeweils 5 Wiederholungen bei gleichbleibendem Hantelgewicht die nützlichste Anzahl an Sätzen/Wiederholungen sind, um über eine lange Karriere im Langhantelsport hinweg seine Kraft zu entwickeln, ist eine auf der beobachteten Evidenz beruhende Schlussfolgerung, und sie ist genauso immun gegen vorgefertigte Meinungen und genauso anfällig für erfahrungsbedingte Verzerrungen wie eine kontrollierte Doppelblindstudie. Beide Methoden haben ihre Einschränkungen, aber durchaus ihre Berechtigung. Es gibt vielleicht keine absolut neutrale Beobachtungsweise, aber in Ermangelung anderer Daten sind die informierten Beobachtungen von Trainern die besten Daten, die wir haben, und die Schlussfolgerungen, die aus ihnen gezogen werden, sind den Extrapolationen schlechter Studien über unverbindliche sportliche Betätigung haushoch überlegen. Sofern es einen Mangel an experimentellen Daten gibt – und der liegt zurzeit leider vor, wenn man Trainingsmethoden untersucht, die über Themen wie Gewichtsverlust oder die Hypertrophie der Oberschenkel kaum hinausgehen –, erzielt man mit einer Kombination aus Empirismus und Rationalismus die besten Ergebnisse.

In Ermangelung brauchbarer experimenteller Daten, die durch expertengeprüfte Studien in Bezug auf die langfristigen Wirkungen des Hanteltrainings gewonnen wurden, haben wir gar keine andere Wahl, als uns auf die Beobachtungen von Hunderttausenden von Trainern und Athleten zu verlassen, die sich durch Versuch und Irrtum ihren Weg gebahnt und durchaus nachvollziehbare Erfahrungen gesammelt haben. Und das macht jeden guten Programmdesigner für Langhanteltraining ganz automatisch zu einem Rationalisten. Dieser Prozess – wenn er logisch, effektiv und produktiv, also rational sein soll – muss durch ein umfassendes Wissen aus den Bereichen Physiologie, Chemie und Physik unterstützt werden, da sich gezeigt hat, dass den „Sportwissenschaften“ häufig die Präzision und der Horizont fehlen, die für diese Aufgabe notwendig sind. Der gut vorbereitete Coach hat entweder einen „harten“ wissenschaftlichen Abschluss oder andere weitreichende Erfahrungen in den Fächern Biologie, Anatomie, Physiologie, Physik, Chemie und vermutlich auch Psychologie. Lehrwerke aus diesen Bereichen gehören in die Bibliothek eines jeden Trainers, der zudem über eine Menge praktischer Erfahrung verfügen und viele Tausend Stunden damit zugebracht haben sollte, Kraftsportlern auf der Gewichtheber-Plattform zu betreuen, um seine Fähigkeiten als Langhantel-Coach abzurunden.

2 ANPASSUNG

Training beruht auf dem Prozess, einem physischen Stress ausgesetzt zu werden, sich von diesem Stress zu erholen und sich dadurch daran anzupassen, damit alle wesentlichen Lebensvorgänge fortan in sämtlichen Szenarien fortgesetzt werden können, in denen dieser Stress auftritt. Das ist ein so grundlegendes biologisches Konzept, dass die Fähigkeit, sich an widrige Bedingungen (Stress) anzupassen, zu den Hauptkriterien für die Definition von Leben zählt. Will der Trainer oder Athlet produktiv trainieren und nicht einfach nur einer schweißtreibenden, aber unverbindlichen sportlichen Betätigung nachgehen, muss er dieses Phänomen verstehen. Dieses Verständnis beginnt mit Dr. Hans Selye.

Am 4. Juli 1936 wurde in der Fachzeitschrift Nature ein wissenschaftlicher Artikel mit dem Titel „A Syndrome Produced by Diverse Nocuous Agents“ (dt.: „Ein Syndrom, das durch diverse schädliche Stoffe produziert wird“) veröffentlicht. Die Grundannahme von Selyes Abhandlung lautet, dass ein Organismus eine bestimmte Reihe unmittelbarer Reaktionen und langfristiger Anpassungen durchläuft, nachdem er mit einem externen Stressor in Berührung gekommen ist. In unserem Kontext handelt es sich hierbei um das Stemmen einer Langhantel.

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