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Ein heilsamer Umgang mit Psychedelika wie LSD, Psilocybin, DMT und 5-MeO-DMT sowie mit Entaktogenen wie MDMA und Dissoziativa wie Ketamin ist möglich – nicht nur im klinischen Setting. Auch für das persönliche Wachstum können diese Substanzen von großem Wert sein. Psychedelische Genesung vermittelt das Wissen, das für eine potenziell transformative und therapeutisch sinnvolle Integration des Gebrauchs psychoaktiver Substanzen erforderlich ist. Der Autor berichtet aus eigener Erfahrung über die psychologischen Implikationen psychonautischer Techniken und vergleicht die Essenz psychedelischen Erlebens mit den Lehren spiritueller und schamanischer Traditionen. Er bezieht dabei auch entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Neurologie und anderen Gebieten mit ein. Ein psychosomatisch orientierter Ratgeber über den heilsamen Umgang mit Psychedelika für emotionale Reintegration, psychische Gesundung und innere Transformation. Ein Buch aus der Praxis für die Praxis.
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Seitenzahl: 199
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Marcel Levermann
Überlegungen für einen heilsamenUmgang mit Psychedelika
E-Book-Ausgabe
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© 2022 Marcel Levermann
© 2022 Nachtschatten Verlag
Der Nachtschatten Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.
Umschlaggestaltung: Nina Seiler, Zürich
Layout: Silvia Aeschbach, Bern; Nina Seiler
Druck und Herstellung: CPI, Ulm
ISBN: 978-3-03788-617-5
eISBN: 978-3-03788-621-2
HINWEIS: Der Autor ist weder Arzt, noch hat er eine psychotherapeutische Ausbildung absolviert. Dementsprechend ersetzt dieses Buch bei Bedarf nicht die Konsultation eines Mediziners oder Psychotherapeuten. Die Überlegungen in vorliegendem Werk sind keine Grundlage für jedwede Form von Diagnose oder Behandlung, sondern ausschließlich informativer Natur.
Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck sind nur mit Genehmigung des Verlags erlaubt.
1 Einleitung
2 Welt, Selbst und Trauma
2.1 Erste Überlegungen
2.2 Wer heilt wen?
2.3 Wie psychedelische Genesung vor sich geht
2.4 Was Genesung bedarf
2.5 Die Natur von Trauma
2.6 Psychedelisch-historische Entwicklung
3 Psychedelische Transformationsarbeit
3.1 Gefahren
3.2 Alter
3.3 Einsicht und Akzeptanz
3.3.1 Die Relevanz der Einsicht
3.3.2 Die Relevanz der Akzeptanz
3.4 Der Ansatzpunkt
3.5 Die Rahmenbedingungen
3.6 Während der Wirkung
3.7 Projektion
3.8 Häufigkeit
3.9 Alleine oder mit anderen?
3.10 Erlauben
4 Der Genesungsprozess
4.1 Stufe 1 – Die Freisetzung unterdrückter Energien
4.1.1 Energetische Offenheit
4.1.2 Zucken
4.1.3 Temporär heftige Anspannung
4.1.4 Weinen
4.1.5 Jaulen
4.1.6 Vibrieren
4.1.7 Körpersymmetrie
4.1.8 Von sexueller Energie zu universaler Liebe
4.1.9 Ausagieren oder Fühlen?
4.2 Stufe 2 – Die Regulation des Nervensystems
4.2.1 Grounding
4.2.2 Meditation
4.2.3 Endogene Regulation
4.3 Fazit zur Integration
4.3.1 Zusammenfassung
4.3.2 Andere Mittel wie SRI
4.3.3 Was wirklich ist
5 Bemerkungen zu einigen Substanzen
5.1 Entaktogene wie MDMA
5.1 Tryptamine und Phenethylamine
5.1.1 Substanzvielfalt
5.1.2 Mikrodosen
5.1.3 Psychedelisch wirkende Dosen
5.2 Die Kombination mit Entaktogenen
5.3 5-MeO-DMT
5.4 MDMA + 5-MeO-DMT
5.5 Ketamin
5.6 MAO-Hemmer
6 Fazit
7 Appendix: Tripnotizen
7.1 Tripnotiz 1
7.2 Tripnotiz 2
7.3 Tripnotiz 3
8 Literatur
8.1 Fußnoten
8.2 Literaturempfehlungen
Über den Autor
Dieses Buch soll niemanden dazu anregen, psychedelische Substanzen zu konsumieren. Es zu lesen könnte jedoch hilfreich sein, wenn man sie bekömmlich anwenden möchte. Viele transformative Aspekte, die psychedelische Substanzen anzustoßen vermögen, können – theoretisch – auf anderweitigen Wegen vollzogen werden. Allerdings erreichen Menschen mit Psychedelika üblicherweise ihnen derart unbekannte Bereiche, dass psychedelische Erfahrungen nicht selten den wertvollsten Lebenserfahrungen zugehörig gezählt werden. Wer sich ihrer als Hilfsmittel bedienen möchte, sollte dies mit dem notwendigen Hintergrundwissen angehen. Ein unverständiger Gebrauch kann sich psychoemotional destabilisierend auswirken. Psychedelische Substanzen sollten nicht als Ersatz für sonstige therapeutische oder meditative Praktiken angesehen werden, sondern diese ergänzen. Sowohl das Wissen, was die Wirkung dieser Substanzen auf der phänomenologischen Ebene ausmacht, als auch das Wissen, wie die Grundmechanik des Nervensystems ausgestattet ist, haben konkreten Einfluss auf die erlebte Wirkung. Ob jemand einen Führerschein absolviert hat, ist in der Regel sehr entscheidend für die Art und Weise, wie er Auto fährt. Mit Psychedelika verhält es sich ähnlich. Vermutlich sind Psychedelika für Menschen besonders interessant, die einen dionysischen Hang zur Wahrnehmungsveränderung haben. Wer grundsätzlich (die Illusion von) Kontrolle aufrechterhalten möchte, ist mit Psychedelika nicht gut beraten. Allerdings sind es üblicherweise rigide Kontrollbemühungen, von denen psychologisch relevantes Leid ausgeht.
Dieses Buch widmet sich nicht alternativen Realitätsräumen wie dem DMT-Hyperspace, sondern somatisch orientierten Genesungsvorgängen. Für viele psychedelische Erfahrungsphänomene und Genesungsvorgänge ist die Konstellation unseres Nervensystems grundlegend. Die meisten psychischen Störungsphänomene beruhen auf Traumatisierungen, die zu einem dysregulierten Nervensystem geführt haben. Die Lebensenergie kann dann nicht mehr frei fließen. Doch auch Menschen, die ohne psychologisch klassifizierbare Störung sind, unterliegen meist einer bestimmten Trübung, nämlich der limitierenden Identifikation mit gedankenbezogenen Vorgängen. Neuronales Geschehen ist die physische Erscheinung mentaler Prozesse. Psychedelische Erfahrungen sind für psychoneuronale Phänomene, die Mangelempfinden mit sich bringen, weder ein Quick Fix noch ein Long Fix, sondern ein sehr wertvolles Tool im Bereich individueller Genesungsentwicklung und transpersonaler Bewusstwerdung. Sie heben unseren Sinnzusammenhang für die Wirkungsdauer unmittelbar über unseren Status quo hinaus, so dass man von einem gezielten und verständigen Einsatz unabhängig der individuellen Entwicklungsstufe profitieren kann. Dieses Buch zeigt wegweisende Aspekte eines Genesungsvorgangs auf, ohne eine für sich stehende Anleitung zu sein. Dem Leser wird eine Wissensgrundlage sowohl für den Umgang mit Psychedelika als auch für die Basis psychoemotionalen Leids und dessen Verarbeitung dargelegt.
Psychedelisch evozierte Selbstrealisation kann ein zentraler Faktor heilsamer Änderungsvorgänge sein, ist aber kein Wundermittel. Für nachhaltige Genesung ist die Regulation unseres Nervensystems entscheidend. Je dysregulierter ein Nervensystem ist, desto verführerischer werden transzendente Ebenen, die mittels Psychedelika leicht zugänglich sind, zum Ort der Flucht aus dem Körper. Dementsprechend werden Themen wie transpersonale Bewusstseinsschichten oder fraktale Geometrie, die in anderer Literatur zum Thema Psychedelik ausgiebig verhandelt sind, in diesem Buch spärlich erwähnt. Der somatische Blickwinkel neuronaler Regulation steht im Mittelpunkt, da er für den Genesungsprozess essentiell ist.
Kapitel 2(Welt, Selbst und Trauma) zeigt unsere individuelle wie kollektive Lage auf. Die Beschaffenheit von Trauma wird als zentraler Faktor individueller wie gesellschaftlicher Entfremdung aufgeschlüsselt. Zur Veranschaulichung dient die Polyvagaltheorie, die nicht in ihren biologischen Details als Fakt, sondern als hervorragendes Schema der Grundstruktur von Trauma behauptet wird. Traumatisierung lässt sich nicht auf Schockmomente reduzieren, sondern ist in Form gestörter Beziehungen als Entwicklungstrauma ein gesamtgesellschaftliches Alltagsphänomen. Äußere Bedingungen sind auf innere Geisteshaltungen zurückzuführen und nur durch innere Transformation nachhaltig änderbar. Psychoedukation ist ein entsprechend zentraler Faktor für die Navigation der psychedelischen Erfahrung mit Genesungsintention.
Kapitel 3 (Psychedelische Transformationsarbeit) vermittelt Grundlagenkenntnisse für einen Umgang mit psychedelisch wirkenden Substanzen in genesungsbezogener Hinsicht. Dazu zählen die Erwähnung potentieller Gefahren sowie grundlegende Aspekte wie Häufigkeit, Alter, Set und Setting. Eine Betonung liegt auf der Relevanz von Einsicht illusionärer Verhaftungen sowie Akzeptanz vorhandener Verzerrungen der Lebensenergie. Ich plädiere in dem Zusammenhang dafür, heilsame Kontakterfahrungen mit anderen Menschen nicht durch den psychedelischen Weg nach Innen zu ersetzen. Bindungstrauma kann nur in einem Bindungskontext gelöst werden.
Kapitel 4(Der Genesungsprozess) stellt den somatischen Genesungsablauf zweistufig dar. Die erste Stufe entspricht der Wiederverbindung mit abgespaltenen Inhalten und deren Erlauben an der psychischen Oberfläche. Das zeigt sich an diversen körperlichen Phänomenen energetischer Erschütterung. Das Nervensystem reassoziiert in dieser Stufe dissoziierte aufgestaute Energie und bringt sie in Bewegung. Wenngleich sich Phänomene dieser Stufe temporär befreiend anfühlen können, genügt sie nicht zu nachhaltiger Harmonisierung. In der zweiten Stufe wird das Nervensystem in einen regulierteren Zustand überführt, der sich maßgeblich durch Entspannung auszeichnet. Ist Anspannung abgemildert, kann Energie freier fließen. Das Genesungsziel ist ein lockerer, meditativerer Zustand, in dem das autonome Nervensystem die potentielle Sicherheit zwischenmenschlichen Kontakts realistisch einschätzt und energetische Geschmeidigkeit sowie bestenfalls Frieden erfahren werden.
Kapitel 5(Bemerkungen zu einigen Substanzen) thematisiert beispielhaft das Wirkungspotential spezifischer Substanzen. Es wird ein Eindruck über die unterschiedlichen Effektstärken vermittelt. In Ergänzung zu Kapitel 3 sind hier weitere praktische Tipps zu finden. Neben therapeutisch hilfreichen Entaktogenen wie MDMA wird 5-MeO-DMT ausführlicher behandelt, da dies die wirkstärkste Substanz zur Auflösung von Energieblockaden und Auslösung mystischer Erfahrungen ist. Außerdem wird die antidepressive Wirkung von Ketamin beleuchtet. Zur Repräsentation des Erkenntnispotentials psychedelischer Erfahrungen runden drei Tripnotizen dieses Buch ab.
Da ich auf Aufklärung für den psychedelischen Hausgebrauch abziele, bleiben besonders potente Mittel wie Ayahuasca oder Iboga unberücksichtigt, zu deren volldosierter Anwendung eine professionelle Aufsicht ausdrücklich anzuraten ist. Zudem setzt sich dieses Buch nicht mit einer psychotherapeutischen Konstellation auseinander, in der die Substanz im Rahmen einer offiziellen Therapie eingenommen wird. Es ist eine Zusammenstellung diverser Überlegungen, die ich zur unabhängigen beziehungsweise eigenständigen heilsamen Anwendung von Psychedelika als hilfreich erachte. Daher habe ich an den Leser eine Bitte: Nimm dir aus diesem Text, was dir schlüssig erscheint und hilft, behalte anderes im Hinterkopf zur Reflexion und finde ansonsten deinen eigenen Weg. Sprache ist so relativ wie unsere Perspektiven, so dass für dich möglicherweise andere Formulierungen und Herangehensweisen hilfreicher wären, als sie hier zu finden sind. Außerdem ist Sprache a priori dual, da Bedeutung dadurch generiert wird, dass ein Zeichen etwas bedeutet, was alle anderen Zeichen nicht bedeuten. Insofern ist es unmöglich, nonduale Zusammenhänge sprachlich adäquat auszudrücken. Wer annimmt, in Sprache könnte sich Absolutes absolut ausdrücken, bewegt sich im Feld religiösen Eifers, und damit abseits transzendenter Wirklichkeit. Auch meine Perspektive ist dynamisch, so dass sich mein Detailverständnis bei Erscheinen dieses Buchs bereits verändert haben könnte. Sieh diesen Text darum bitte als Ansammlung subjektiver Überlegungen an, ohne Aussagen dogmatisch aufzuladen.
Bitte wundere dich nicht, wenn einige Zusammenhänge wiederholt formuliert werden. Die psychedelische Erfahrung wird nicht durch rationale Effizienz leichter navigierbar, sondern durch eine meditative Grundhaltung. Wiederholte Inhalte prägen sich tiefer ein und können dementsprechend leichter in außerordentlichen Erfahrungsmomenten abgerufen werden, was für rationales Lernwissen um ein Vielfaches weniger gilt.
Entsprechend essentiell ist die Frage, die als Kernlehre des indischen Nondualitätsreflektors Ramana Maharshi kommuniziert wird: Wer bin ich?
Die Frage, was wir sind, kann unterschiedlich beantwortet werden, abhängig davon, von welchem Sinnzusammenhang man spricht. Aus absoluter Perspektive sind wir das bewusste Sein an sich als formfreie Präsenz und Liebe, in der alles Leben vonstattengeht, das unlokalisierte Potential lokalisierter Existenz. Auf relativer Ebene sind wir abstrakt betrachtet Energie und konkret betrachtet eine distinkte Lebensform, die der dissoziativ-abspaltenden Formung des universalen Bewusstseins zu einem erlebnissubjektiven Organismus entspricht. Was wir als persönliche Gedanken, Überzeugungen, Verhaltensweisen und Zu- und Abneigungen kennen, sind vorprogrammierte oder antrainierte energetische Muster, die durch Repetition zum Selbstverständnis wurden. Hinter unseren Augen befindet sich niemand als Denker und Macher bis auf den unendlichen Raum Gottes. Für die identifizierten Anteile kann es immer wieder ein erschreckender Moment sein, wenn sich die Selbsterfahrung durch die Wirkung eines Psychedelikums eindrücklich verändert. Wenn an dieser Stelle Kontrollbemühung aufgegeben und sich in die Auflösung fälschlicherweise als fix gedachter Anteile ergeben wird, folgt im psychedelisierten Zustand üblicherweise ein Erlebnis von Befreiung, ein erleichtertes Aufatmen tieferer Selbstwahrheit. Es ist die Offenbarung jener Präsenz, in der die Energiemuster geschehen und die unabhängig aller Erscheinungen ist. Dass dem, was wir als persönliches Selbst erleben, kein fester Ich-Kern innewohnt, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, die man aus der psychedelischen Erfahrung ziehen kann. Gleichermaßen existiert offenkundig ein Selbst-Erleben. Die Relativität des Egos darf nicht mit einem nihilistischen Weltverständnis verwechselt werden. Das wahre Selbst ist unantastbar, weil es das absolute Sein an sich ist. Auf einer individuellen Ebene, dissoziiert von der Erfahrung der eigenen Absolutheit, kann dieses Selbst Traumatisierungen und das Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Liebe und Geborgenheit erfahren. Für diese Erfahrungen ist es Mensch geworden, bist du Mensch geworden. Auch wenn die Relationen »Ich und Andere« sowie »Zukunft und Vergangenheit« relativ sind und nicht so existieren, wie es der Ego-Verstand simuliert, erfahren wir uns als sicherheitsbedürftiges Wesen mit Gemeinschaftssinn. Diese relative Ebene, die als echte Notwendigkeit und unsere menschliche Realität erfahren wird, gilt es zu honorieren.
Wenn wir Genesung suchen, geht es darum, zu wagen, mehr Mensch zu sein, und nicht darum, ungeheilte Anteile durch Transzendenz zu umgehen. Menschsein ist zuweilen eine größere Herausforderung als sich mit Psychedelika temporär in Transzendenz zu navigieren. Wir dürfen nicht unsere relative Existenz mit der Zeitlosigkeit des Bewusstseins negieren, wenn wir die volle menschliche Erfahrung möchten. Es ist gut, wenn wir uns erlauben, schwach zu sein, irdische Bedürfnisse zu haben und Orientierung auf der materiellen Ebene zu suchen, so lange wir uns nicht darin verlieren. Das Verhältnis zur relativen Existenz ist dann gesund, wenn wir den Körper-Geist-Organismus versorgen wie eine liebende Mutter ihr Baby. Natürlich ist diese Ebene lösbar in absolute Einheit, in der Mutter und Baby zu vollkommener Liebe verschmelzen. Die Selbsterfahrung als Ego-Einheit orientiert uns allerdings in der menschlich-irdischen Welt. So sehr, wie wir uns danach sehnen, Vollkommenheit zu kosten, sollten wir uns auch erlauben, eine geerdete menschliche Relativität zu leben, die von Verständnis, Gemeinschaft, Rücksicht, Gutmütigkeit und Fürsorge für sich und andere geprägt ist. Das Sehnen nach Erleuchtung ist oft lediglich ein verkapptes Sehnen nach Entspannung und Verbindung. Ohne menschliches Geerdetsein wird Transzendenz zum Fluchtmotiv. Wenn es einen primären Plan geben soll, ist die folgende Frage ausschlaggebend: Wie sehr kann ich andere Menschen in unmittelbarer Begegnung sein lassen, ohne sie anders haben zu wollen, ohne etwas mit ihnen anstellen zu wollen? Gleichermaßen gilt das für das eigene Selbsterleben: Wie sehr kann ich ohne den Drang sein, an mir etwas verändern zu wollen, ohne mich mit anderen zu vergleichen und zu verurteilen?
Unvollkommenheit ist ein Konzeptprodukt des Denkens. Wir sind in Wahrheit ein singulärer ewiger himmlisch purer Geist, der eine selbsterschaffene Dimension von Raum und Zeit für das Erlebnis von Welt generiert. Alle Erscheinung beruht auf Gedächtnisvorgängen in diesem Geist. Wie könnte sich etwas halten ohne Erinnerung? Wie flüchtig oder konkret etwas ist, hat mit Gedächtnisstabilität zu tun. Karma beruht auf dem Prinzip quasiautomatisierter Vorgänge in der Gedächtniswelt, die sich als persönliche Merkmale und Verhaltensmuster darstellen. Es ist unser Handeln in der Unbewusstheit und Identifikation als Person. Ein wesentlicher Aspekt von Genesung ist die Erkenntnis und deren Aufrechterhaltung, dass unsere Leidensprozesse auf Erinnerung beruhen und in der Regel nichts mit dem aktuellen Moment und seinen Umständen zu tun haben. Unser Alltag wird von einer Vergangenheit beschwert, die bereits abgelaufen ist, und dennoch als unvollendetes energetisches Motiv in unserem System festsitzt. Das Jetzt an sich ist ohne Last, weil es die Präsenz der Ewigkeit bewussten Seins ist. Leid geschieht auf der relativen Ebene durch unbewussten Bezug zu einer Vergangenheit, durch somatisches Gedächtnis bezüglich bestimmter Energieformationen. Traumatisierte Existenz folgt daraus, dass ein Nervensystem sich zum Schutz in eine dysregulierte Stellung begeben hat und in dieser verharrt. In einem traumatisierten Nervensystem sind Angriffs-/Flucht- und Erstarrungs-Impulse angeregt, die in der Vergangenheit aktiviert wurden und nicht zielführend waren, aber aktiviert bleiben. Ohne das Gedächtnis der Erscheinungswelt gäbe es keine festen Erscheinungsformen, ohne körperliche und kognitive Erinnerungen gäbe es keine verfestigten Verzerrungen – die Welt würde als unbeständiges Formenspiel eines ewigen Friedens gesehen werden.
Auch wenn das Sein an sich zeitlos heile ist, erleiden wir in der temporären Erscheinungsform energetische Verzerrungen, Blockaden und fixierte Identifikation. Insofern sind wir der Raum, in dem sowohl Verzerrung als auch Heilung geschieht – heile, zu Heilender und Heilender zugleich. Eine psychedelische Substanz kann die Tür in diesen Raum öffnen. In der Wirkung einer psychedelischen Substanz werden energetische Verzerrungen unverkennbar, aber auch deren Aufhebung leichter manifest. Dabei gilt: Innere Transformation darf selbstverantwortlich angegangen und nicht spezifischen Auswirkungen psychedelischer Substanzen überlassen werden. Der Begriff der Selbstverantwortung meint hier nicht, dass man Änderung ohne Hilfe vollzieht, sondern dass man auch ohne Substanzen bereit ist, die Komfortzone zu verlassen.
Fühle dich frei in der psychedelischen Erfahrung, aber bewerte sie nicht über. Das heißt nicht, dass sie keinen Wert hat, sondern, dass ein zu starker Fokus darauf irreführend sein kann. Es besteht die Gefahr, in der Psyche den Eindruck zu installieren, dass die Einnahme dieser Substanzen notwendig ist, um das Leben wertvoll aufzuladen. Der größte Wert bist du bereits. Oft können wir das nicht direkt spüren oder begreifen, weil es nicht der Alltagserfahrung entspricht. Die psychedelische Substanz kann uns aus der Alltagserfahrung stoßen und den freiheitlichen Raum endlosen Werts offenbaren. Sie vermag zu zeigen, dass die Alltagserfahrung auf bestimmten energetischen Mustern beruht, die im Organismus vor langer Zeit etabliert wurden, und ihr keineswegs eine objektive Unausweichlichkeit zugrunde liegt. Es gibt keinen Grund für die Annahme, man müsse nur genügend substanzinduzierte Transzendenz erleben, um dauerhaft im Frieden anzukommen. Es scheint vielmehr umgekehrt: Wenn man sich sowieso täglich auf transformative Prozesse einlässt, können einzelne psychedelische Erfahrungen dabei unterstützen. Ich möchte also vor der Idee warnen, man müsste nur oft genug psychedelische Substanzen nehmen zur Reinigung, Heilung, Bewusstwerdung oder gar Erleuchtung. Das wäre ein illusionäres Gedankenprinzip des Verstandes, der über Zuführung äußerlicher Formen in der Zukunft etwas Inneres oder unbewusst bereits Vorhandenes erreichen möchte. Es geht nicht darum, nach einer Lösung in der Zukunft zu suchen. Die Erfahrung des Unerlösten ist in dir, aber du unterliegst ihr nicht. Während auf der relativen Ebene der Form ungelöste Energien in Bewegung gebracht werden, ändert das nichts an der Vollkommenheit des Absoluten. Es ändert nur, wie klar du die ewige Klarheit wahrnehmen kannst. Nach einer psychedelischen Erfahrung werden Öffnungen und Harmonisierungen von Energiemustern dazu neigen, sich in ihre geschlossenere beziehungsweise verzerrtere Formation zurückzubilden. Je weniger wachsam man ist, desto schneller wird das passieren. Dann war die psychedelische Erfahrung nur ein kurzer Trip, der keine große Bedeutung hat. So wird es nach ersten Erfahrungen sein, der Sog alter Energiemuster ist stark. Je wachsamer man ist, desto schwerer kann man es den gewohnten Mustern machen, weil sie während ihrer Wiederformierung durchschaubar werden und im Licht der Achtsamkeit geringer im Dunklen verwurzeln.
Dass wir auf der absoluten Ebene das sind, was wir suchen, ändert nichts daran, dass wir von menschlicher Fehlbarkeit geprägt sind und eines liebenden Gegenübers bedürfen. Andere Menschen können uns helfen, uns selbst besser zu verstehen, Empfindung eines Verstanden- und Aufgehobenseins zu etablieren und zu stabilisieren und neue Perspektiven aufzeigen. Als soziales Säugetier sind wir auf den Kontakt mit anderen Menschen angewiesen. Unsere Gesellschaft ist leider sehr bindungstraumatisiert. Die nonduale Einsicht zeigt, dass eigentlich alles gut ist und dass es sowas wie Ent-Bindung im Sinne von Trennung nicht wirklich gibt, denn die Absolutheit des Einen kann nicht entzweit werden. Im Bindungs- beziehungsweise Entwicklungstrauma ist dieses Urvertrauen im Individuum verloren gegangen, weil die Verbindung mit frühen Bezugspersonen nicht als sicher und geborgen erfahren wurde. Was wir brauchen, ist, uns gegenseitig Erfahrungen bedingungsloser Sicherheit und Geborgenheit zu bieten, zu ermöglichen und zu schenken. So wie ein scheues Tier langsam das Vertrauen schöpfen muss, dass vom Futtergeber keine Gefahr ausgeht, so müssen auch unsere Nervensysteme lernen, dass von anderen Menschen keine Gefahr ausgeht. Die Wahrheit ist: Von keinem Menschen geht für einen anderen Menschen eine Gefahr aus, sobald sich diese beiden Menschen wirklich begegnen, denn unter der Oberfläche mentaler Differenz wirkt die gleiche Essenz, das gleiche Bewusstsein. Ungeachtet jeglicher mentalen Programme sehnen wir uns als Säugetiere nach Geborgenheit im wärmend-vitalen Miteinander. Für die Heilung dieser größten Problematik der Menschheit benötigen wir in der menschlichen Form andere Menschen, um ein sicheres Miteinander und einen zwischenmenschlich harmonischen Energiefluss zu etablieren. Es wird nicht ausreichen, möglichst viele nonduale Erfahrungen zu aktivieren, um bindungstraumatisierte Strukturen zu überwinden. Selbst-Heilung mithilfe anderer Menschen ist Begegnung, in der wir ein Gefühl von definitiver Sicherheit und wohltuender Verbindung erleben. Ein erfahrener Schamane, der Klienten durch eine psychedelische Erfahrung begleitet, ist insofern mehr als ein technischer Wegweiser. Er ist eine maternale oder paternale Figur humaner Liebespräsenz, die dem Kind auf die Beine hilft und Stabilität verleiht.
Wer ausschließlich auf allein eingenommene Psychedelika setzt, läuft Gefahr, dass die Genesung eindimensional und ungenügend verläuft. Dann ist man möglicherweise wie ein Mönch, der ein Jahr zurückgezogen in einer Höhle lebt und dort Frieden findet. Wenn er die Höhle verlässt, ist er vielleicht bereits mit der Hektik am Bahnhof überfordert. Sein Frieden währt nur, solange er sich außerhalb bestimmter Triggerreize bewegt. Wenn ihn Trigger infantiler Traumatisierung konfrontieren, springt sein Nervensystem wieder in die Dysregulation. Eine Genesung, die nur unter bestimmten Bedingungen gilt, ist keine echte Heilung. Für vollständige Genesung muss das Nervensystem mit Situationen konfrontiert werden, die es auf Erfahrung basierend als unsicher glaubt, um unerwartete Sicherheit zu erfahren. Zudem sollten Eindrücke von Selbstwirksamkeit in Momenten notwendiger Selbstbehauptung entstehen.
Das heißt keineswegs, dass Psychedelika unbedingt mit anderen Menschen eingenommen werden müssen. Das natürliche Bedürfnis humaner Verbindung betrifft vor allem die Frage, was wir generell in unserem Leben anstellen. In den Augenblicken der psychedelischen Erfahrung hingegen offenbart sich der »Weg nach innen«, dem Hermann Hesse 1918 folgende Verse widmete:
Wer den Weg nach innen fand,
Wer in glühndem Sichversenken
Je der Weisheit Kern geahnt,
Daß sein Sinn sich Gott und Welt
Nur als Bild und Gleichnis wähle:
Ihm wird jedes Tun und Denken
Zwiegespräch mit seiner eignen Seele,
Welche Welt und Gott enthält.
Bei mindestens der ersten Substanzeinnahme ist eine Begleitung sicherlich ratsam. Auch wenn die Behauptung, dass Psychedelika niemals alleine eingenommen werden sollten, unhaltbar ist, sollte man sich von kundigen vertrauenswürdigen Menschen begleiten lassen, solange man sich nicht sicher genug fühlt, eine Session alleine zu navigieren. Je höher die Dosis ist, desto eher kann eine alleinige Einnahme zum Problem werden. Wenn man sich eindeutig und uneingeschränkt bereit fühlt, Psychedelika alleine einzunehmen, kann man bemerken, dass alleine der Weg nach Innen unmittelbarer zugänglich wird. Die Anwesenheit anderer Menschen stimuliert in uns Egoreflexe, da das Nervensystem unentwegt eine Projektionsfläche ungelöster Inhalte sucht und im Falle von Entwicklungstrauma dazu neigt, andere Menschen als mutmaßlich unsicher zu deuten. Selbst ohne Projektionstendenzen kann der Kontakt mit anderen Menschen während einer psychedelischen Erfahrung eine hemmende Wirkung auf nondualen Innengang haben, da verbale Begegnung unausweichlich dual abläuft. Summa summarum: Die psychedelische Beschreitung des Weges nach innen sollte uns nicht dazu verleiten, das Grundbedürfnis nach sozialer Wärme zu verleugnen, denn der Clou ist: Nachdem mit anderen Menschen sichere Bindungserfahrungen etabliert wurden, fällt es viel leichter, meditativ alleine zu sein.
Therapeutische Aktivierung durch Psychedelika geschieht auf mehreren Ebenen. Jede psychedelische Erfahrung, unabhängig des Inhalts, geht mit einer neuronalen Neuvernetzung einher. Psychische Probleme sind oft an rigide oder wiederkehrende Verhaltens- und Denkmuster gebunden. Stereotype Gedanken- und Reaktionsmuster können aufgehoben und durch neue Einsichten, Erkenntnisse, Körpergefühle und Verständnisse bezüglich sowohl persönlicher Anteile als auch der Dimension des Seins in der Welt überschrieben werden. Die neuronale Neuvernetzung geht meistens mit einem Abbau oder sogar einer Aufhebung von Ruminationsprozessen einher. Rumination ist oft an Depression gebunden, bedeutet eigentlich Wiederkäuen und gilt in der Psychologie als Fachterminus für den Vorgang des Grübelns über vermeintlich negative Erlebnisse, Schicksale oder Umstände. Die Konzentration gilt persönlichen Schwächen und längst geschehenen, unerwünschten Ereignissen. Neurowissenschaftlich wird der dafür zuständige Hirnbereich als Default-Mode-Network bezeichnet. Das DMN ist ein Netzwerk aus Hirnregionen, deren Aktivität stark korreliert und die bis zu 40 Prozent mehr Blutfluss als andere Hirnregionen verbrauchen. Zu den identitätsgenerierenden Funktionen des DMN zählen autobiographische Informationsverarbeitung, soziale Kategorisierung, Erinnerung der Vergangenheit, Vorstellung der Zukunft und Narration von Selbst- und Fremdverständnis. Es ist der Ort der Konstruktion der Identität sowie der distinkten Unterscheidung zwischen Ich und Anderem. Viele psychische Störungen wie beispielsweise Depression1, Zwangsstörungen2 oder Sucht3 zeichnen sich durch eine Inflexibilität der Denkmuster sowie aggressive Introspektion aus und gehen mit einer übermäßigen oder anormalen Aktivität des DMN einher. Psychedelisch wirkende Substanzen reduzieren den Blutfluss, die venöse Sauerstoffanreicherung und Oszillationskraft im DMN und heben so die egozentrische Stabilität des persönlichen Realitätskonzepts sowie konditionierte Denk- und Verhaltensweisen auf.4 Aus einer hyperorganisierten Hierarchie wird ein entropischerer Gehirnzustand, der mehr Konnektivität, Offenheit und Flexibilität mit sich bringt.5
Rekonnektivität vorher unverbundener Hirnbereiche wird durch Neurogenese ergänzt, der Neubildung von Nervenzellen. Das ist einer der Gründe, warum man sich auch nach einer herausfordernden psychedelischen Erfahrung vitaler fühlen kann. Selbst wenn die Erfahrung zeitweise emotional höchst unangenehm war, kann sie neuronale Areale belebt und eine erquickte Lebensperspektive ermöglicht haben. Dass man nach einer psychedelischen Erfahrung mehr Hier-und-Jetzt-Präsenz erfahren kann, ist nicht nur durch neuronale Veränderungen erklärbar, sondern auch durch die phänomenale Qualität der Erfahrung. Bestenfalls wird in einer mystischen Erfahrung erlebt, das Hier und Jetzt zu SEIN. Der sekundäre Bewusstseinszustand der im Laufe des Lebens konstruierten und als fix gedachten Identität wird aufgehoben, so dass das primäre Bewusstsein, in dem die Konstruktion der persönlichen Identität geschehen ist, wieder zu sich finden kann. Wenn der Schaum auf der Welle erkennt, dass er ein Aspekt eines unendlichen Ozeans ist, und Empfindungen von Separation sekundär aus konstanter mentaler Aktivität hervorgingen, realisiert sich im Schaum der Welle der Ozean. Diese Selbstrealisation geht unausweichlich mit Offenbarung von Frieden, Liebe und Glückseligkeit einher. Eine solche nonduale Öffnung transzendiert persönliche Belange und führt zu mehr Entspannung.