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Entsprechend dem Verlauf von analytischen und tiefenpsychologisch fundierten Kinderpsychotherapien wird die Arbeit des Kinderanalytikers geschildert von der Diagnose über die theoretischen Grundlagen bis zum analytischen Prozess. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Rahmen, Haltung und Beziehung, einschließlich eines kurzen Kapitels zur Elternarbeit. Fallbeispiele und Beispiele aus der Literatur veranschaulichen die wissenschaftlich fundierte Darstellung und machen das Buch auch für den Anfänger verständlich. Fragen und vertiefende Literaturhinweise regen zum weiteren Studium an.
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Seitenzahl: 229
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Psychodynamische Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Perspektiven für Theorie, Praxis und Anwendungen im 21. Jahrhundert
Herausgegeben von Arne Burchartz, Hans Hopf und Christiane Lutz
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1. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-030206-8
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-030207-5
epub: ISBN 978-3-17-030210-5
mobi: ISBN 978-3-17-030211-2
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1 Einleitung
2 Anamnese und psychologische Untersuchung
2.1 Das »Hören mit dem dritten Ohr«
2.2 Das Erstinterview
2.3 Psychologische Untersuchung des Kindes
3 Exkurs zum Ödipuskomplex
3.1 Der männliche Ödipuskomplex
3.2 Der weibliche Ödipuskomplex
4 Entwicklung und Neurosenlehre
4.1 Triebtheorie
4.2 Objektbeziehungstheorie
4.3 Ich-Psychologie
4.4 Selbstpsychologie
5 Psychoanalytische Schlussbildung
5.1 Psychodynamik
5.2 Familiendynamik
5.3 Diagnose
5.4 Indikation und Prognose
6 Beginn
6.1 Initialgespräch
6.2 Initiale Idealisierung
6.3 Arbeitsbündnis
7 Rahmen
7.1 Die Schutzfunktion des Rahmens
7.2 Vertraulichkeit
7.3 Ausfallhonorar
7.4 Integrative Wirkung des Rahmens
8 Haltung
8.1 Abstinenz und Neutralität
8.2 Objektverwendung
8.3 Deutung
9 Exkurs zur Symbolisierung
10 Spiel
10.1 Spiel als Ich-Funktion
10.2 Spiel als Übergangsphänomen
10.3 Störung der Spielfähigkeit
10.4 Spiel als Medium der Analyse
10.5 Das Spielmaterial
10.6 Handlungsdialoge im Spiel
10.7 Zeichnungen
11 Beziehung
11.1 Übertragung
11.2 Projektion
11.3 Projektive Identifikation
11.4 Gegenübertragung
11.5 Handlungsdialog
11.6 Das analytische Paar
12 Prozess
12.1 Widerstand
12.2 Regression
12.3 Störungen
12.4 Deutungen
12.5 Ziel
13 Beendigung
13.1 Ziele
13.2 Abbruch
13.3 Endphase
14 Modifizierte Verfahren
14.1 Kurzzeittherapie
14.2 Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
15 Arbeit mit Bezugspersonen
15.1 Elterngespräche
15.2 Agieren in der Elternarbeit
15.3 Getrennte Eltern
15.4 Adoptiv- und Pflegeeltern
15.5 Kontakte mit Außenstehenden
Glossar
Literatur
Stichwortverzeichnis
Ein Vater bittet einen Psychoanalytiker um Hilfe, weil er sich Sorgen macht über das plötzlich veränderte Verhalten seines fünfjährigen Sohnes. Der fröhliche, aufgeweckte Junge zeigt sich immer wieder ängstlich, besonders abends, weint und traut sich nicht mehr aus dem Haus aus Angst, ein Pferd werde ihn beißen. Er ist also an einer Phobie erkrankt. Auslöser für diese Phobie war ein ihn zutiefst erschreckendes Erlebnis: Als er mit der Mutter unterwegs war, hat er gesehen, wie ein Pferd auf der Straße stürzte. Nach diesem äußeren Ereignis, das der Junge zufällig miterlebte, entwickelt sich bei ihm eine lärmende Symptomatik, die eine Psychotherapie erforderlich macht. Das Kind selbst steht unter einem starken Leidensdruck und wendet sich dem Analytiker mit großer Hoffnung und uneingeschränktem Vertrauen zu. Mit dieser positivenÜbertragung kann der Analytiker arbeiten und schließlich den Jungen von seiner Phobie befreien. Er kann das Kind deshalb heilen, weil er dessen Symptomatik versteht als Ausdruck eines intrapsychischen Konflikts, der dem Jungen nicht bewusst ist und über den dieser daher auch nicht sprechen kann. Ein solcher intrapsychischer Konflikt – in diesem Fall ein ödipaler Konflikt – ist für die Neurose typisch, und der Analytiker kann ihn dem Kind bewusst machen, indem er ihm Worte dafür gibt. Und weil er die Mitarbeit der Eltern, besonders des Vaters, der ausreichend motiviert ist, nutzen kann, kann er auch dem Jungen bei der Lösung seines Konflikts helfen und in Überwindung des Ödipuskomplexes den Weg zu seiner altersgerechten Weiterentwicklung freimachen.
In dieser kleinen Fallvignette sind die wesentlichen Elemente der Kinderanalyse enthalten. Obwohl der Analytiker Sigmund Freud den »kleinen Hans«, wie er das Kind nennt, nur einmal kurz gesehen hat, gilt diese Fallgeschichte doch als Vorläufer der späteren Kinderanalyse, wie sie von Hermine Hug-Hellmuth und nach ihr vor allem von Melanie Klein und Anna Freud weiterentwickelt wurde. Freud selbst bezeichnet die »Heilungsgeschichte« des kleinen Hans als Analyse, was sie auch aus heutiger Sicht immer noch ist, auch wenn Kinderanalytiker heute ihre kleinen Patienten in einem anderen Setting behandeln, nämlich in der Regel zweimal wöchentlich mit begleitenden Elterngesprächen alle vierzehn Tage. Was sich gut an Freuds Krankengeschichte zeigen lässt, ist die Entstehung einer neurotischen Symptomatik (Pathogenese), ihre Ursache (Ätiologie) und schließlich ihre Auflösung durch Bewusstmachen der Ursache. So hat Freud sie verstanden und dargestellt in seiner Arbeit »Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben« von 1909. Darüber hinaus lässt sich auch die positive Auswirkung einer der Heilung förderlichen Übertragungsbeziehung, eines für die Therapie unerlässlichen Arbeitsbündnisses mit den Eltern und einer die kindliche Entwicklung unterstützenden Triangulierung in dieser Kranken- und Heilungsgeschichte aufzeigen, obwohl Freud die Übertragung erst drei Jahre später entdeckte (Freud 1912) und die Triangulierung erst Jahrzehnte nach dieser Analyse durch Abelin Eingang in die psychoanalytische Diskussion im deutschen Raum fand (Abelin 1986), nachdem Lacan die Bedeutung des Vaters als dem Dritten im frühkindlichen Beziehungsdreieck herausgestellt hatte (Hopf 2014). Und schließlich können wir beim »kleinen Hans« in seinen Träumen, Phantasien und Spielen entdecken, wie gut neurotisch erkrankte Kinder symbolisieren und damit einen Ausdruck für ihre seelische Not finden können, im Unterschied zu Kindern mit ich-strukturellen Defiziten, denen diese Fähigkeit nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht. So ist seine Geschichte auch ein Vorläufer für unser heutiges Verständnis der Bedeutung von Symbolisierung, wie sie Hanna Segal 1957 beschrieben hat (Segal 1990).
Ich möchte nun versuchen darzustellen, wie wir heute, mehr als 100 Jahre nach dieser ersten Kinderanalyse, Freuds revolutionäre Entdeckung des Unbewussten und dessen Wirksamkeit im Seelenleben nutzen, um Kindern mit seelischen Nöten zu helfen. Dabei lassen sich gelegentliche Vereinfachungen nicht vermeiden. Kopernikus hatte die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums gerückt, Darwin dem Menschen seine Sonderrolle in der Evolution genommen, und Freud hat der Menschheit eine dritte Kränkung zugefügt: das Ich des Menschen ist nun nicht einmal mehr »Herr im eigenen Hause« (Freud 1917, S. 11). Auch wenn ihm diese Erkenntnis viel Anfeindung einbrachte, so hat sie doch unser Verständnis vom Seelenleben enorm erweitert und durch die Einbeziehung des Unbewussten unsere Hilfsmöglichkeiten auch für seelisch erkrankte Kinder vergrößert. Der aktuelle Stand der von Freud ausgehenden Kinderpsychoanalyse, einschließlich ihrer modifizierten Verfahren soll Gegenstand dieses Buches sein. Dabei gibt es keine scharfe Trennungslinie zwischen Analyse und Therapie, da analytisch ausgebildete und praktizierende Therapeuten immer Analytiker bleiben, »auch in modifizierten Verfahren, in denen man sich als Analytiker ebenfalls von den Besonderheiten und Problemen seines jeweiligen Patienten leiten lässt« (Zwiebel 2013, S. 271). Da es eine ausgezeichnete, aktuelle, Theorie und Praxis umfassend darstellende Übersicht über tiefenpsychologisch fundierte Therapie mit Kindern und Jugendlichen von Arne Burchartz gibt (Burchartz 2015), werde ich dieses Thema hier nur anreißen, ebenso die Elternarbeit, weil hierzu ein eigener Band in dieser Reihe erscheinen wird.
Im Verlauf meiner Darstellung werden analysespezifische Begriffe von Anfang an immer wieder auftauchen. Das liegt im Wesen der Analyse, die aus einem komplexen Zusammenspiel in einem fluktuierenden Prozess besteht. So bleiben Überschneidungen und Wiederholungen nicht aus, denn jede Trennung und Schematisierung wäre künstlich und würde den lebendigen Entwicklungen nicht gerecht. Ich hebe die Fachtermini durch Kursivschreibung hervor, werde sie aber erst nach und nach, jeweils im Zusammenhang ihrer größten Relevanz, erläutern, um den Anfang nicht mit einer Ballung theoretischer Definitionen zu überfrachten. Der interessierte Leser kann aber jederzeit die Definitionen der wichtigsten Begriffe im Glossar am Ende dieses Bandes nachlesen.
Wenn Eltern sich Sorgen machen, weil ihr Kind Auffälligkeiten zeigt, die auf eine Störung in seiner seelischen Entwicklung hinweisen, kommen sie mit ihm zum Kinderanalytiker. Dieser lernt die Familie kennen und macht sich ein Bild. Er beginnt also immer mit einer sorgfältigen Diagnostik. Die Eltern benennen das, was ihnen problematisch erscheint, und er lässt sich von ihnen schildern, wann die Symptomatik aufgetreten ist und wie sie sich bis jetzt entwickelt hat. Darüber hinaus interessiert er sich für die bisherige Lebensgeschichte des Kindes (seine Genese) und die der Eltern, auch im Zusammenhang mit der Familiengeschichte. So erhält er Informationen über Beziehungserfahrungen, Belastungen und Bewältigungsstrategien, Störungen und Ressourcen. Er weiß aufgrund seiner Ausbildung, dass ein Kind immer im Beziehungsgefüge der Familie zu sehen ist und dass es viel dafür tut, ein intrafamiliäres Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, unter Umständen dafür sogar Symptome entwickelt. Wenn es sich um ein pathologisches Gleichgewicht handelt, sorgt der , also der Symptomträger, der als behandlungsbedürftig vorgestellt wird, mit der Entwicklung seiner Symptomatik dafür, dass die übrigen Familienmitglieder bleiben können, wie sie sind. Gleichzeitig veranlasst er durch seine störende Symptomatik, dass die Familie sich Hilfe sucht. In diesem Fall ist das auffällige Kind das gesündeste Familienmitglied, weil es die Eltern veranlasst, etwas zu verändern, auch wenn ihnen zu dem Zeitpunkt meist noch nicht klar ist, dass auch sie selbst sich verändern müssen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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