Psychodynamische Interventionen in Familien mit chronischer Krankheit - Silke Wiegand-Grefe - E-Book

Psychodynamische Interventionen in Familien mit chronischer Krankheit E-Book

Silke Wiegand-Grefe

0,0

Beschreibung

Existiert in einer Familie chronische – körperliche oder psychische – Krankheit, so wirkt sich das auf die ganze Familie aus. Insbesondere sind die Kinder in ihrer Entwicklung gefährdet. Sie übernehmen häufig Verantwortung in der Familie für Eltern und Geschwister, sind einer Reihe von körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt, erleben widersprüchliche Gefühle, wie Desorientierung und Verwirrung oder Schuld- und Schamgefühle. Oftmals fühlen sie sich in ihrer Situation auch einsam, verlassen und sozial isoliert und wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Umso wichtiger ist frühzeitige professionelle Unterstützung. Silke Wiegand-Grefe beschreibt, wie Psychodynamische Interventionen in Familien mit chronischer Krankheit helfen können.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 83

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Herausgegeben vonFranz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Silke Wiegand-Grefe

PsychodynamischeInterventionen in Familienmit chronischer Krankheit

Vandenhoeck & Ruprecht

Für Manfred Cierpka

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-99822-0

Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de

Umschlagabbildung: Paul Klee, Vogelgarten, 1924/akg‐images

© 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällenbedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Vorbemerkung

1Zentrale Begriffe, Gegenstand und Konzepte psychodynamischer Familieninterventionen

2Abgrenzung psychodynamischer Familieninterventionen von anderen Schulen

3Bewältigung von Herausforderungen im familiären Entwicklungsverlauf

4Familien mit chronischer Krankheit

4.1Familien mit psychisch kranken Eltern

4.2Familien mit einem chronisch kranken Kind

5Klinische Konzepte in der Arbeit mit Familien mit schwerer chronischer Krankheit

5.1Die psychodynamische Familienintervention CHIMPs für Familien mit psychisch kranken Eltern

5.2Die psychodynamische Familienintervention CHROKODIL für Familien mit einem chronisch kranken Kind

6Implikationen für die Praxis – ein Plädoyer für eine Reform des Medizinsystems zu einer Familienmedizin

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 60 bis 70 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Die spätmoderne Familie steht vielfältig unter gesellschaftlichem Druck. Auch wenn sich die äußeren Formen gewandelt haben und unterschiedliche Modelle von Familien gesellschaftlich akzeptiert werden: Immer geht es um Lebensgemeinschaften von Erwachsenen und ihren Kindern, immer geht es im Kern um Beziehungskultur, Bindungen und einen emotionalen Dialog. Die Lebensmaximen von Flexibilität und Mobilität in der Arbeitswelt, der Leistungsdruck und die Alltagssorgen bezüglich drohender Verarmung setzen in vielen Familien aber dem emotionalen Dialog der Beteiligten Grenzen. Zeitmangel, Generationskonflikte, Energieverluste in erfolgsorientierten Entwicklungsräumen, die Auseinandersetzung mit den neuen Medien und Orientierungsprobleme in zunehmend komplexen gesellschaftlichen Umwelten stellen hohe Anforderungen an die Elterngeneration wie an die Kinder. Familien brauchen Unterstützung. Sie sind jene Verantwortungsgemeinschaften, in denen die zukünftige Generation heranwächst. Familie ist nicht nur Privatsache und eine Suche nach persönlichem Glück. Familien sind Aufbauelemente der Gesellschaft, sie sind in öffentlichem Interesse.

Hilfestellungen bei Familienproblemen bieten Familieninterventionen, die als präventive oder therapeutische Maßnahmen konzipiert sind. In diesem Buch werden Theorie und Praxis psychodynamischer Familieninterventionen vorgestellt. Psychodynamische Konzepte für zwei besondere Risikogruppen stehen dabei im Mittelpunkt: Familien mit chronisch psychisch kranken Eltern und Familien mit chronisch somatisch kranken Kindern.

Die psychotherapeutische Praxis der Familieninterventionen setzt nicht mehr die Anwesenheit aller Familienmitglieder voraus, vielmehr wird mit dem »Problemsystem« gearbeitet. Ein flexibles Arrangement ermöglicht die Bearbeitung eines bestimmten Familienproblems nach dem Grundsatz, das kleinste mögliche System zur Therapiesitzung einzuladen, das durch dysfunktionale Beziehungen gekennzeichnet ist und den intrafamiliären Problemdruck erhöht. Die therapeutische Arbeit konzentriert sich schließlich darauf, Veränderungen in den Beziehungsstrukturen der einzelnen Familienmitglieder herbeizuführen, um bestimmte Probleme zu lösen, Konflikte zu bearbeiten und Symptome zu verbessern.

In Familien mit psychisch kranken Eltern sind die Kinder in hohem Maße belastet. Nicht selten beobachtet man eine transgenerationale Kontinuität psychischer Störungen. Kinder und Jugendliche in Familien mit psychisch kranken Eltern haben ein mehrfach erhöhtes eigenes Risiko, auch einmal eine psychische Störung zu entwickeln. Dabei spielen die familiären Belastungen – neben einer möglichen genetischen Prädisposition – eine ganz entscheidende Rolle. Die psychische Erkrankung der Eltern geht häufig mit Beeinträchtigungen der Familiendynamik und der familiären Beziehungsgestaltung einher.

Familien mit einem chronisch kranken Kind sind wiederum in ihrer Alltagsgestaltung deutlich beeinträchtigt. Die schweren chronischen Erkrankungen haben unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensqualität der Kinder durch Schmerzen, umfassende medizinische Interventionen mit unangenehmen Begleiterscheinungen und eine andauernde Krankheitsüberwachung. Die Eltern wiederum stehen unter einem enormen Belastungsdruck in der Bewältigung ihres Alltags, wobei nicht nur die Auseinandersetzung mit der Bedrohung durch die Krankheit eine Rolle spielt, sondern auch die Gestaltung sozialer Beziehungen, Partnerprobleme, finanzielle Belastungen, Probleme im Beruf und die Organisation des Haushalts den elterlichen Kräftehaushalt verzehren.

Silke Wiegand-Grefe stellt in ihrem Buch eine psychodynamische Familienintervention vor, die diesen Familien Hilfe bieten kann. Dabei geht es um die Reflexion der Paar- und Familiendynamik und um Krankheitsbewältigung, wobei ein besonderer Fokus auf den inner- und außerfamiliären Beziehungen liegt. Schließlich wird eine problemfokussierte Diagnostik angestrebt. Die Gesprächsinterventionen sind in Elterninterventionen, Kindergespräche und Familiengespräche gegliedert. Sie dienen einer Abnahme des familiären Belastungsdrucks. Diese Kurzintervention kann einer umschriebenen Hilfestellung dienen oder der Auftakt für länger angelegte Interventionen sein.

Silke Wiegand-Grefe hat ein klar gegliedertes, gut lesbares Buch zum Thema geschrieben, das viele wichtige Informationen enthält. Es ist dem Familientherapeuten Manfred Cierpka gewidmet.

Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch

Vorbemerkung

Die Anforderungen, die sich an moderne Familien in unserer Gesellschaft stellen, sind hochkomplex. Mit diesen zunehmenden Anforderungen der Gesellschaft werden auch die Herausforderungen und die Probleme, die Familien heutzutage bewältigen müssen, immer komplexer. Dabei reicht die Bandbreite von einem Anspruch beruflich höchstmöglicher Flexibilität moderner Arbeitnehmer und Arbeitgeber über private Herausforderungen in Beziehungen, etwa bei Patchworkfamilien, die sich nach Trennung und Scheidung zusammenfinden, bis hin zu Anforderungen an Familien in der Auseinandersetzung mit der jungen Generation im Zuge zunehmender Globalisierung und Medienvielfalt. Vielfach sind in der modernen Gesundheitsversorgung daher nicht nur Therapie und Behandlung bereits vorhandener Symptome und Erkrankungen, sondern zunehmend in allen Bereichen öffentlichen Lebens auch Präventionen gefragt: vor Süchten, vor Gesundheitsrisiken, vor psychischer Erkrankung. Dabei sind die Übergänge zwischen Therapie und Prävention vielfach fließend. Um dem Rechnung zu tragen, wird in diesem Band nicht von Therapie oder Familientherapie auf der einen Seite und von Beratung oder Familienberatung oder Prävention auf der anderen Seite gesprochen, sondern von Familieninterventionen. Dieser Begriff umfasst therapeutische und präventive Interventionen gleichermaßen und wird als übergeordneter Begriff verwendet. In diesem Buch werden Theorie und Praxis psychodynamischer Familieninterventionen und ein psychodynamisches Konzept für zwei ausgewählte Risikogruppen vorgestellt.

Ich möchte mich mit diesem Büchlein bei Manfred Cierpka bedanken. Manfred Cierpka hat mich gelehrt – wissenschaftlich und klinisch –, psychoanalytisch mit Familien zu arbeiten. Seine wertschätzende, respektvolle, freundlich-annehmende Haltung in der Arbeit mit Familien, seine Fähigkeit, gelingende Präventionskonzepte in die Lebensumwelt von Kindern einzubringen, und sein Engagement für belastete Familien und ihre Kinder sind mir wegweisend. Er ist mir ein steter Berater und Begleiter bei der Entwicklung unserer Konzepte. Ich möchte ihm dafür herzlich danken und ihm dieses Büchlein widmen.

1Zentrale Begriffe, Gegenstand und Konzepte psychodynamischer Familieninterventionen

Einer der Pioniere deutschsprachiger Familientherapie, Horst-Eberhard Richter, forderte bereits in den 1970er Jahren in Anlehnung an N. W. Ackerman, einen der bedeutenden amerikanischen Pioniere auf dem Gebiet der Familientherapie, dass sich die Behandlung nach dem Problem, nicht nach einer technischen Methode richten müsse (Richter, 1970). So finden in Familieninterventionen eine Reihe von Techniken Anwendung, die in ihrer Herkunft zwar einer bestimmten familientherapeutischen Schule zugeordnet werden können, häufig aber auch übergeordnet eklektisch verwendet werden (Hansen, 2012). In der Zielvorstellung klassisch psychodynamischer Familieninterventionen werden eine Mehrzahl relativ unterschiedlicher Methoden angewandt, die einen Familienkonflikt im Unterschied zu einem individuellen Binnenkonflikt zum Gegenstand haben und deren Ziel in der (zumindest partiellen) Überwindung dieses Konfliktes besteht. Einzelne Techniken, die häufig auch in psychodynamischen Familieninterventionen angewendet werden, sind beispielsweise die Arbeit mit dem Genogramm, Familienskulpturen, Familienbrett oder Familienaufstellungen. Für die eingehende Beschäftigung mit diesen verschiedenen Interventionstechniken wird auf die Lehrbücher zur Familiendiagnostik und Familientherapie verwiesen, beispielsweise von Cierpka (1996) oder Hansen (2012). Aktuelle Übersichten zur klinischen Paar- und Familienpsychologie finden sich bei Hantel-Quitmann (2015) oder Bodenmann (2016).

Die Praxis moderner Familieninterventionen ist schon seit etwa Ende der 1980er Jahre nicht mehr dadurch charakterisiert, dass alle Familienmitglieder in Familieninterventionen anwesend sind. Familientherapeuten