Psychodynamische Therapie der Persönlichkeitsstörungen -  - E-Book

Psychodynamische Therapie der Persönlichkeitsstörungen E-Book

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Beschreibung

State of the Art bei Persönlichkeitsstörungen Theorie: Fundiertes Wissen von Expert:innen Anwendungsfelder: Gruppe, Jugendliche, höheres Lebensalter, stationäres Setting u.v.m. Neue Behandlungstechniken: Psychodrama-Therapie, Umgang mit negativer Übertragung Wie wirkt die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) bei Persönlichkeitsstörungen? Dieses Buch stellt theoretische Konzepte sowie Anwendungsfelder und Behandlungstechniken vor. Expert:innen aus den Bereichen Borderline-, narzisstische, antisoziale und Traumafolgestörungen gehen auf wichtige Aspekte der Therapie mit der jeweiligen Patienti:innengruppe ein: Was ist State of the Art bei der psychodynamischen Borderline-Therapie? Welche neuen Ansätze und Modifikationen gibt es für eine wirkungsvolle Behandlung? Was gilt es speziell bei Jugendlichen zu beachten und wie gelingt Gruppentherapie? Dieses breit gefächerte Buch bringt Sie auf den aktuellen Stand und erweitert Ihr Wissen rund um die Behandlungsmethode TFP.

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Seitenzahl: 735

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Dies ist der Umschlag des Buches »Psychodynamische Therapie der Persönlichkeitsstörungen« von Mathias Lohmer, Susanne Hörz-Sagstetter, Mathias Lohmer, Anna Buchheim, Ulrich Schultz-Venrath, Michael Rentrop, Maya Krischer, Philipp Martius, Birger Dulz, Gerhard Dammann, Petra Holler, Stephan Doering, Marion Braun, Werner Köpp, Gabriele Kehr, Agnes Schneider-Heine, Martina Drust, Corinna Wernz, Jonni Brem, Christiane Rösch, Bernhard Grimmer, Krisztina Csaky, Bernhard Brömmel

Mathias Lohmer (Hrsg.)

Psychodynamische Therapie der Persönlichkeitsstörungen

Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) bei Borderline-, Narzissmus- und Traumafolgestörungen

Mit einem Geleitwort von Otto F. Kernberg

Schattauer

Impressum

Besonderer Hinweis

Die in diesem Buch beschriebenen Methoden sollen psychotherapeutischen Rat und medizinische Behandlung nicht ersetzen. Die vorgestellten Informationen und Anleitungen sind sorgfältig recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen weitergegeben. Dennoch übernehmen Autor und Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendeiner Art, die direkt oder indirekt aus der Anwendung oder Verwertung der Angaben in diesem Buch entstehen. Die Informationen sind für Interessierte zur Weiterbildung gedacht.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2024 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © Adobe Stock/Thomas

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Marion Drachsel

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40170-7

E-Book ISBN 978-3-608-12261-9

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20656-2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Geleitwort

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Einleitung

Danksagung

Teil I

Grundkonzepte

1 Psychodynamische Therapie der Persönlichkeitsstörungen – aktuelle Entwicklungen und die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)

Einführung

1.1 Dimensionale Diagnostik und Kernbergs Theorie der Persönlichkeitsorganisation: Ein tieferes Verständnis von Persönlichkeitsstörungen

1.1.1 Das Alternative DSM-5-Modell für Persönlichkeitsstörungen (AMPD)

1.1.2 Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen nach ICD-11

1.1.3 Kernbergs Modell der Persönlichkeitsorganisation

1.2 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung

1.3 Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie

1.4 TFP im Wandel der Zeit: neue Entwicklungen

1.4.1 Veränderung von Symptomen und Indikatoren des Schweregrads

1.4.2 Veränderungen der Bindung, Mentalisierung und Struktur

1.4.3 Behandlung von Persönlichkeitsstörungen auf neurotischem Niveau

1.4.4 Behandlung von narzisstischen Störungen

1.4.5 TFP-Extended für alle Niveaus der Persönlichkeitsorganisation

1.5 TFP im Vergleich zu anderen Behandlungsansätzen zur Therapie von Persönlichkeitsstörungen

1.5.1 DBT – TFP

1.5.2 MBT – TFP

Fazit

2 Veränderungsprozesse von Bindung, Mentalisierung und Struktur durch Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)

Einführung

2.1 Die Übertragungsfokussierte Therapie (TFP) aus bindungstheoretischer Sicht

2.2 Messinstrumente für die Evaluation struktureller Veränderungen als Therapieerfolg in der TFP

2.2.1 Das Adult Attachment Interview

2.2.2 Skala zur Reflexiven Funktion

2.2.3 Das Strukturierte Interview zur Persönlichkeitsorganisation

2.3 Veränderung von Bindungsrepräsentationen, Mentalisierungsfähigkeit und Persönlichkeitsorganisation durch Übertragungsfokussierte Therapie

Fazit

3 Psychoanalytisches Standardverfahren und Übertragungsfokussierte Psychotherapie

Einführung

3.1 Das Setting und die Anwendung psychoanalytischer Techniken in der analytischen Psychotherapie

3.1.1 Diagnostik

3.1.2 Die Deutung in der Behandlung

3.1.3 Die Übertragungsanalyse in der Behandlung

3.1.4 Die Rolle der äußeren Realität

3.1.5 Die Rolle der Realitätsprüfung

3.1.6 Die technische Neutralität in der Behandlung

3.1.7 Die Nutzung der Gegenübertragung in der Behandlung

3.2 Die Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung

3.2.1 Die Bedeutung der Diagnostik und die Vermittlung der psychoanalytischen Techniken

3.2.2 Die Vermittlung des Verständnisses von freier Assoziation

3.2.3 Die Vermittlung der Deutungskompetenz

3.2.4 Das Erlernen der Übertragungsanalyse

3.2.5 Die Nutzung der Gegenübertragung für die Standardanalyse und die TFP

3.2.6 Das Erlernen der technischen Neutralität

Fazit

4 Modifikation psychoanalytischer Standardtechnik bei schwer gestörten Patienten: Unterstützung der Mentalisierung als Vorbereitung von Übertragungsdeutungen

Einführung

4.1 Geschichte der Modifikationen in der Psychoanalyse

4.2 Die Wichtigkeit der Strukturdiagnostik für Modifikationen in der analytischen Psychotherapie

4.3 »Mentalisierung« – eine Definition mit Anwendungsperspektive für die Psychotherapie

4.3.1 Fallbeispiele

4.3.2 Weitere Überlegungen zur interaktiven Figur der letzten Gesprächsepisode

4.4 Keine Beliebigkeit von Technikmodifikationen

Fazit

5 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) und Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)

Einführung

5.1 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)

5.1.1 Ähnlichkeiten von TFP zu TP

5.1.2 Unterschiede von TFP zu TP

5.2 Mentalisierungsbasierte Psychotherapie (MBT)

5.2.1 Dimensionen des Mentalisierens

5.2.2 Prämentalisierende Modi

5.2.3 Therapeutische Technik

5.2.4 Forschungsergebnisse

Fazit: TFP, MBT und TP

6 Die Angst des Therapeuten vor der negativen Übertragung

Einführung

6.1 Prämisse: Eine hilfreiche therapeutische Beziehung ist eine, die schwierige Erfahrungen ermöglicht

6.2 Therapeutische Motive: Warum aber tun wir uns das an?

6.3 Die Biografie der Therapeuten: Welche Rolle spielen unsere frühkindlichen Erfahrungen bei der idealisierenden Abwehr von Konflikten?

6.4 Masochistische Gegenübertragung

6.5 Gegenübertragungswiderstand: »Die Übertragung ist dort, wo der Gegenübertragungs-Widerstand am größten ist«

6.6 Die Rolle des Über-Ich: Schuldgefühle und Wiedergutmachung

6.7 Widerstand: Wollen Patienten überhaupt verstanden werden?

6.8 Therapeutische Möglichkeiten: Was hilft?

Fazit

7 Die Supervision in der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP) schwerer Persönlichkeitsstörungen

Einführung

7.1 Besonderheiten der TFP-Supervision

7.1.1 Über das Erlernen und Praktizieren von TFP durch Supervision

7.1.2 Choreografie der Supervision

7.1.3 Spezielle Methoden in der Supervision – das Rollenspiel und Life-Supervision

7.2 Fallbeispiel einer TFP-Supervision

Fazit

Teil II

Spezielle Patientengruppen

8 Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung und TFP

Einführung

8.1 Zur Kontroverse um eine adäquate Behandlungstechnik

8.2 Ätiologie, Neurophysiologie, Symptomatik, Diagnostik und Komorbidität der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung

8.2.1 Definition Traumatisierung und Ätiologie der Traumafolgestörung

8.2.2 Neurophysiologische Grundlagen der Traumafolgestörung

8.2.3 Symptomatik der Traumafolgestörung

8.2.4 Diagnostisches Vorgehen (S3-Leitlinien, AWMF) und Erhebung der Anamnese

8.3 Traumaspezifische Erinnerungsverarbeitung und Bildung von Gedächtnisstrukturen

8.3.1 Explizites und implizites Gedächtnis

8.3.2 Behandlungstechnische Schlussfolgerungen aus der Gedächtnisforschung

8.4 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)

8.5 Traumaadaptierte TFP-Therapie

8.5.1 Traumatische Affektdysregulation

8.5.2 Das Wiederkehren des Traumatischen in Übertragung und Gegenübertragung

8.5.3 Lässt sich ein sensumotorisches Therapiekonzept in die TFP integrieren?

Fazit

9 Narzissmus und Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)

Einführung

9.1 Strukturelle Diagnose

9.1.1 Differenzialdiagnosen

9.1.2 Persönlichkeiten mit narzisstischen Zügen auf neurotischem Niveau

9.1.3 Der pathologische Narzissmus

9.1.4 Der maligne Narzissmus

9.1.5 Antisoziale Persönlichkeitsstörung

9.2 Behandlungsvereinbarung

9.3 Therapeutische Haltung und Behandlungstechnik

9.3.1 Essentials der Therapeutischen Haltung

9.3.2 Frühe Behandlungsphase: Fokus auf den Konsequenzen der Grandiosität

9.3.3 Komplikationen und Behandlungstechnik

9.4 Probleme der Gegenübertragung

Fazit

10 Pathologischer Narzissmus im Jugendalter

Einführung

10.1 Narzisstische Persönlichkeitsstörung im Jugendalter

10.2 Übertragungsfokussierte Psychotherapie für Jugendliche mit pathologischem Narzissmus (TFP-A und -N)

10.3 Einbeziehung der Eltern und anderer wichtiger Bezugspersonen

10.4 Kasuistik: »Mira«

Fazit

11 Antisoziale Persönlichkeitsstörung und TFP

Einführung

11.1 Abwehrmechanismen der Antisozialen Persönlichkeitsstörung

11.2 Gegenübertragung

11.3 Fallbeispiele

Fazit

12 Die Herrschaft des »verfolgenden« Objekts

Einführung

12.1 Paranoia als ubiquitäres sozialpsychologisches Phänomen

12.2 Entwicklungspsychologische Einordnungen – Das verfolgende Objekt als Teil der inneren Welt

12.3 Klinische und behandlungstechnische Aspekte im Umgang mit verfolgenden Objekten

12.3.1 Paranoide Regulationsmodi zur Kontrolle des Objekts

12.3.2 Konsequenzen für die Behandlungstechnik

Fazit

13 Eine objektbeziehungstheoretische Sicht der Hysterischen/Histrionischen Persönlichkeitsstörung?

Einführung

13.1 König Ödipus

13.2 Sigmund Freud – der Ödipuskomplex und die Entstehung der Hysterie

13.3 Rupprecht-Schamperas Konzept der frühen Triangulierung

13.4 Klinische Aspekte

13.4.1 DSM-5

13.4.2 Otto Kernbergs Typologie

13.5 Beziehungsgestaltung und Sexualität

13.6 Übertragungsmuster in der Behandlung hysterischer und histrionischer Persönlichkeiten

13.7 Fazit

14 Borderline-Persönlichkeitsstörung und TFP bei älteren Menschen

Einführung

14.1 (Borderline-)Persönlichkeitsstörungen im Alter

14.2 Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen bei älteren Menschen

14.2.1 Therapiebeginn – Diagnostik

14.2.2 Aspekte der therapeutischen Haltung

14.3 TFP bei älteren Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung

Fazit

Teil III

Besondere Settings

15 Modifizierte Gruppenpsychotherapie für Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen – Perspektiven der TFP

Einführung

15.1 TFP-relevante Elemente für die Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen in der Gruppe

15.2 Überlegungen zu einer TFP-bezogenen Anwendung der psychoanalytischen Gruppentherapie bei schweren Persönlichkeitsstörungen

15.2.1 Von der Skepsis zur Zuversicht – Zur Behandelbarkeit schwerer Persönlichkeitsstörungen in der Gruppe

15.2.2 Grundlagen der TFP-Gruppentherapie

15.2.3 Hass und Wut in der TFP-bezogenen Gruppentherapie

15.3 TFP-Interventionen in der Gruppenpsychotherapie mit schweren Persönlichkeitsstörungen

15.3.1 Therapeutische Haltung und Behandlungstechnik

15.3.2 Gruppenleitung

15.3.3 Negative Affekte in der Gruppenpsychotherapie mit schweren Persönlichkeitsstörungen – aktive Ansprache

Fazit

16 Prinzipien der stationären Behandlung mit Übertragungsfokussierter Psychotherapie (TFP)

Einführung

16.1 Störungsspezifische stationäre TFP-Behandlung

16.1.1 Grundlagen eines stationären TFP-Settings

16.2 Indikation für eine stationäre TFP

16.3 Bestandteile der stationären TFP-Behandlung

16.4 Therapiephasen: Ablauf einer stationären TFP

16.4.1 Vorphase

16.4.2 Diagnostikphase

16.4.3 Therapievereinbarungsphase

16.4.4 Anfangsphase

16.4.5 Fokusbildung

16.4.6 Mittelphase

16.4.7 End- und Übergangsphase

16.4.8 Intervallbehandlungen

16.5 Stationäre Krisenintervention und akutpsychiatrische Behandlung

Fazit

17 Selbst und Objekt auf einer Bühne – Aspekte und Besonderheiten der Übertragungsfokussierten Psychodrama-Therapie

Einführung

17.1 Die Psychodrama-Therapie

17.1.1 Grundlagen

17.1.2 Methoden des Psychodramas

17.1.3 Psychodramatisches Geschehen auf der individuellen Ebene

17.2 Die Psychodrama-Therapie bei Borderline-Persönlichkeitsorganisation

17.2.1 Wahrnehmung und Darstellung von gespaltenen Selbst- und Objektbildern auf der Psychodrama-Bühne

17.2.2 Klärung, Konfrontation, Interpretation mit psychodramatischen Werkzeugen

17.2.3 Arbeit mit Übertragung – Gegenübertragung auf der psychodramatischen Bühne

17.2.4 Feedback aus der Gruppe und die Rolle der verbalen Verarbeitung

17.3 Unterschiede der psychodramatischen Behandlung von Patienten mit Borderline- und Neurotischer Persönlichkeitsorganisation

17.3.1 Genetische Szenen in den Hintergrund stellen

17.3.2 Vermeidung des Rollentauschs

17.4 Verstehen und Bearbeiten gruppendynamischen Geschehens mithilfe von Übertragungsprozessen

17.5 TFP und Psychodrama – Was können wir miteinander verbinden?

Fazit

Literaturverzeichnis

Sachverzeichnis

Geleitwort

Mathias Lohmer und seinen Co-Autoren gelingt mit der hier vorliegenden Arbeit eine spannende, originelle und differenzierte Synthese einer modernen Sichtweise von Persönlichkeitsstörungen sowie deren Symptomatologie, inneren Strukturen und Entwicklungsverläufen im Lichte einer zeitgenössischen psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie. Die psychoanalytische Objektbeziehungstheorie ermöglicht nicht nur ein besseres Verständnis von Persönlichkeitsstruktur. Sie illustriert darüber hinaus die gesamte Bandbreite psychoanalytischer Behandlungstechnik und ermöglicht eine Neujustierung unseres behandlungstechnischen Vorgehens und unserer psychoanalytischen Interventionen im Rahmen psychoanalytischer Psychotherapien für bestimmte Persönlichkeitsstörungen. Die Wirksamkeit dieser Psychotherapien ist empirisch bestätigt. Die psychoanalytische Objektbeziehungstheorie geht neben einer Verbesserung auf Symptomebene auch mit der Auflösung pathologischer Persönlichkeitssyndrome im Sinne struktureller Integration einher.

Auf dem Hintergrund all dieser Entwicklungen, die im Verlauf der einzelnen Kapitel nachgezeichnet werden, bieten Mathias Lohmer und seine Co-Autoren eine detaillierte Beschreibung neuer Behandlungsansätze – allen voran der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP), die eine grundlegende strukturelle Veränderung bei den meisten schweren Persönlichkeitsstörungen zum Ziel hat – sowie vergleichbarer Zielsetzungen und Wirksamkeitsnachweisen anderer Therapieverfahren: der Mentalisierungsbasierten Psychotherapie (MBT), der Tiefenpsychologischen Psychotherapie (TP) und auch der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Psychotherapie (DBT).

Die ausführliche Darstellung von Behandlungsstrategien und taktischem Vorgehen im Rahmen einer TFP-Behandlung, ihre sorgfältige Unterscheidung hinsichtlich klassischer psychoanalytischer Techniken sowie der Einsatz von Interventionen, die in beiden Verfahren anzutreffen sind, erleichtert es Leserinnen und Lesern, die zentralen Aspekte der Übertragungsfokussierten Psychotherapie als eine spezifische Form der psychoanalytischen Psychotherapie nachzuvollziehen. Die Anwendung der Übertragungsfokussierten Psychotherapie auf psychoanalytische Gruppenpsychotherapie sowie im stationären Bereich zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen sind Beispiele dafür, wie sich Forschung und klinische Erfahrung in diesem Bereich beständig weiterentwickeln. Der vorliegende Band ist nicht nur eine exzellente Zusammenfassung dieses Ansatzes, sondern liefert mit seiner Klarheit, Tiefe und konzeptuellen Integration einen Beitrag zur wünschenswerten Verbindung von deskriptiver Psychiatrie, psychoanalytischer Theorie und klinisch-psychotherapeutischer Praxis.

Otto F. Kernberg, M.D., Direktor des Personality Disorder Institutes, New York-Presbyterian Westchester Behavioral Health Center, White Plaines, N.Y.

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Marion Braun

Hagenstraße 27, 14193 Berlin

[email protected]

Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin für Erwachsene, psychoanalytische Gruppentherapeutin, systemische Paar- und Familientherapeutin. Mitgliedschaften: DPG, DGPT, D3G, ISTFP (International Society for Transference-Focused Psychotherapy), Mitglied des Training and Education Committee der ISTFP.

Jonni Brem

Erlachgasse 95/5, 1100 Wien, Österreich

[email protected]

Langjähriger Leiter der Männerberatung Wien, seit 1987 im forensisch psychotherapeutischen Feld und im Gefängnis tätig. Schwerpunkt: Arbeit mit Sexualstraftätern, Fortbildung für Therapeuten, Kriminalpolizisten und Justizmitarbeiter.

Bernhard Brömmel

Breitenseer Straße 20–22/16, 1140 Wien, Österreich

[email protected]

Dr. med., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut (Katathym Imaginative Psychotherapie, KIP), Lehrtherapeut (Österreichische Gesellschaft für Angewandte Tiefenpsychologie und Allgemeine Psychotherapie, ÖGATAP), TFP-Trainer und -Supervisor (International Society for Transference-Focused Psychotherapy, ISTFP), Vize-Präsident TFP-Austria, arbeitet in eigener Praxis in Wien.

Anna Buchheim

Institut für Psychologie

Universität Innsbruck

Universitätsstraße 5–7, 6020 Innsbruck, Österreich

[email protected]

Univ.-Prof. Dr. biol. hum., Diplom-Psychologin, Professorin für Klinische Psychologie und Leiterin des Forschungszentrum Gesundheit und Prävention über die Lebensspanne an der Universität Innsbruck, Psychoanalytikerin (DPV, IPA, DGPT), Stellvertretende Vorsitzende der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Ulm (DPV), TFP-Dozentin für TFP (ISTFP), Mitglied des ISTFP-Research-Committes, Vizepräsidentin der Gesellschaft zur Erforschung und Therapie von Persönlichkeitsstörungen e. V. (GePs), Mitglied des Organisationsteams des IKTPP und der DPV-Sommeruniversität. Veröffentlichungen zum Thema Klinische Bindungsforschung, Klinische Psychologie, Psychoanalyse, Neurowissenschaften, Psychotherapieforschung, Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP), Gesundheitspsychologie, Präventionsforschung.

Krisztina Csáky-Pallavicini

Rácz Aladár út 23, 1121 Budapest, Ungarn

[email protected]

Diplom-Psychologin, klinische Fachpsychologin, Psychodrama-Psychotherapeutin und Lehrtherapeutin der Ungarischen Vereinigung für Psychodrama. TFP-Therapeutin, Dozentin und Supervisorin, Leiterin der Arbeitsgruppe »TFP-Group-Budapest«. Veröffentlichungen zum Thema Persönlichkeitsstörungen, Sucht und Gruppenprozesse.

Gerhard Dammann (1953–2020)

Dr. med., Dipl.-Psych., Psychoanalytiker (IPA), bis zu seinem Tod Chefarzt und Spitaldirektor der Psychiatrischen Dienste Münsterlingen und der Psychiatrischen Dienste Thurgau, Schweiz. Er beschäftigte sich zeitlebens mit dem Thema Persönlichkeitsstörungen.

Stephan Doering

Medizinische Universität Wien

Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie

Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, Österreich

[email protected]

Prof. Dr. med., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalytiker, Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV, IPA). Leiter der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien. Lehrtherapeut der International Society of Transference-Focused Psychotherapy (ISTFP). Forschungsschwerpunkte: Diagnostik und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen, Psychotherapieforschung.

Martina Drust

Sredzkistraße 35, 10435 Berlin

[email protected]

Diplom-Sozialpädagogin, M.A. Germanistik/Philosophie, Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (VAKJP, DDPP), Dozentin und Supervisorin an verschiedenen Ausbildungsinstituten, Dozentin und Supervisorin für TFP-A (ISTFP, DGTFP). Veröffentlichungen zu Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter und zur übertragungsfokussierten Behandlung von Kindern und Jugendlichen.

Birger Dulz

Colonnaden 70, 20354 Hamburg

[email protected]

Dr. med., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Psychiatrie und Psychotherapie. Bis September 2021 Chefarzt der Klinik für Persönlichkeits- und Traumafolgestörungen der Asklepios Klinik Nord in Hamburg. In eigener Praxis tätig. Gründungsvorsitzender Deutsche Gesellschaft TFP e. V. (DGTFP). Federführender Herausgeber von PTT (Persönlichkeitsstörungen – Theorie und Therapie). Mitbegründer und bis 2021 Sprecher der Planungsgruppe vom Hamburger Symposium Persönlichkeitsstörungen. Dozent und Supervisor für TFP (ISTFP). Veröffentlichungen vor allem zum Thema Persönlichkeitsstörungen.

Bernhard Grimmer

Brandesstrasse 5, 78464 Konstanz, Schweiz

[email protected]

PD Dr. phil., Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker (DGPT), Coach (POP Düsseldorf), Dozent und Supervisor für TFP (ISTFP). Leitender Psychologe des Psychotherapiebereichs der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen (CH). PD Universität Zürich. Veröffentlichungen zu Persönlichkeitsstörungen, stationärer Psychotherapie und der therapeutischen Beziehung.

Susanne Hörz-Sagstetter

Psychologische Hochschule Berlin (PHB)

Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin

[email protected]

Dr. phil., Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin (DGPT), Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie (Schwerpunkt Psychodynamische Psychotherapie) an der Psychologischen Hochschule Berlin. OPD-Trainerin, Dozentin und Supervisorin für TFP (TFP-Institut München, ISTFP). Wissenschaftliche und therapeutische Schwerpunkte sowie Veröffentlichungen zu den Themen Diagnostik und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen, Psychodynamische Diagnostik, Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP), Psychotherapieforschung, DSM-5-Alternativmodell für Persönlichkeitsstörungen.

Petra Holler

Burgweg 15, 94034 Passau/Hals

[email protected]

Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin (DGPT), Supervisorin und Lehranalytikerin (BLÄK), Dozentin und Supervisorin für TFP (ISTFP), Veröffentlichungen zum Thema Persönlichkeitsstörungen.

Gabriele Kehr

Warmbrunner Straße 46–48, 14193 Berlin

[email protected]

Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Lehranalytikerin. Mitgliedschaften: Institut für Psychotherapie Berlin, DPG, DGPT sowie International Society for Transference-Focused Psychotherapy (ISTFP). Member of the Adolescent TFP Committee of the ISTFP. Ihr Forschungs- und Publikationsschwerpunkt sind die Analyse und Einzelfallbeschreibungen von TFP-Behandlungen Jugendlicher und Erwachsener.

Werner Köpp

Maaßenstraße 8, 10777 Berlin

[email protected]

Priv. Doz. Dr. med., Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie, Psychoanalytiker, Lehranalytiker, Facharzt für Innere Medizin. Tätigkeit in eigener psychoanalytischer Praxis. Lehrbeauftragter an der IPU Berlin. Mitgliedschaften: Institut für Psychotherapie Berlin, DPG, DGPT sowie ISTFP (International Society for Transference-Focused Psychotherapy). Forschungs- und Publikationsschwerpunkte sind Essstörungen, Ausbildungsfragen sowie Übertragungsfokussierte Psychotherapie.

Maya Krischer

KJP Uniklinik Köln

Robert-Koch-Straße 10, 50931 Köln

[email protected]

Priv.-Doz., Dr. rer. nat., Diplom-Psychologin, Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Supervisorin (VAKJP), Leiterin der Tagesklinik für Jugendliche mit Persönlichkeitsstörungen an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie der Uniklinik Köln, Dozentin und Supervisorin für TFP-A (ISTFP, DGTFP). Veröffentlichungen zu Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter sowie zur Wirksamkeit psychodynamischer Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter.

Mathias Lohmer

Feilitzschstraße 36, 80802 München

[email protected]

Dr. Phil., Diplom-Psychologe, Psychoanalytiker (DPV, IPA, DGPT), Coach, Supervisor und Organisationsberater (DGSv). Mitbegründer von M19-Manufaktur für Organisationsberatung und IPOM (Institut für Psychodynamische Organisationsberatung München). Dozent und Supervisor für TFP (ISTFP). Veröffentlichungen zum Thema Persönlichkeitsstörungen, Organisationsdynamik und Führung.

Philipp Martius

Praxis am Schlossplatz

Dr.-Karl-Aschoff-Straße 2, 55543 Bad Kreuznach

[email protected]

Prof. Dr. med., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin (BPM), Sozialmedizin. Psychotherapeut (Einzel und Gruppe), Lehrtherapeut und Supervisor, Balintgruppenleiter (DBG), Organisationsberater (M19 München). Vorsitzender TFP-Institut e. V. München, Trainer und Supervisor für TFP (ISTFP). Publikationen zu Kunsttherapie, Rehabilitation und TFP.

Michael Rentrop

kbo-Inn-Salzach-Klinikum gGmbH

Klinische Sozialpsychiatrie

Gabersee 7, 83512 Wasserburg am Inn

[email protected]

PD, Dr.med., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefarzt des Fachbereichs Klinische Sozialpsychiatrie am kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg/Inn. TFP-Therapeut, Dozent und Supervisor (ISTFP). Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu den Themen schizophrene Psychosen und Persönlichkeitsstörungen, Herausgeber des Klinikleitfadens Psychiatrie/Psychotherapie.

Christiane Rösch

Psychiatrische Klinik Münsterlingen, Psychotherapiestation für Persönlichkeitsstörungen

Klosterstrasse 8, 8596 Münsterlingen, Schweiz

[email protected]

https://tfp-switzerland.ch

Diplom-Psychologin, Lehranalytikerin (DGPT), Gruppenlehranalytikerin (D3G, SGAZ), Dozentin und Supervisorin für TFP (ISTFP). Therapeutische Leiterin Psychotherapiestation für Persönlichkeitsstörungen in Münsterlingen (CH), Vorstandsmitglied, verantwortlich für Fort- und Weiterbildung TFP-Schweiz, Veröffentlichungen zum Thema Persönlichkeitsstörungen.

Agnes Schneider-Heine

Lindenstraße 30a, 81545 München

[email protected]

Dr. med. Dipl. Psych., Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin (DGPT, DGP), Lehranalytikerin und Supervisorin (DGPT). Supervisorin für TFP (ISTFP/SSTFP). Veröffentlichungen zu den Themen TFP und Traumatherapie, Abwehr und Widerstand, Bedeutung des Behandlungsrahmens.

Ulrich Schultz-Venrath

Institut für Gruppenanalyse und Mentalisieren in Gruppen (IGAM e. V.)

Praxis für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalyse, Gruppenanalyse und mentalisierungsbasierte Gruppenpsychotherapie

Johannes-Müller-Straße 61, 50735 Köln

[email protected]

Prof. Dr. med., Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker (DPV, IPA, DGPT), Gruppenlehranalytiker (D3G), MBT-Therapeut und MBT-Supervisor. Mitbegründer des Instituts für Gruppenanalyse und Mentalisieren in Gruppen (IGAM). Vorstandsmitglied in MBT-D-A-CH und in der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Köln/Düsseldorf. In ärztlicher Privatpraxis für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Köln tätig. Veröffentlichungen zu MBT in Gruppen- und Einzeltherapien, Geschichte der Psychoanalyse, Psychosomatik und Gruppenanalyse. Herausgeber der Reihe »Mentalisieren in Klinik und Praxis« und Autor des »Lehrbuchs Mentalisieren« (4. Aufl.) bei Klett-Cotta. Zusammen mit Ludger M. Hermanns Herausgeber von »Gruppenanalyse in Selbstdarstellungen« (2023). Sprecher des Beirats für Wissenschaft und Forschung der D3G und Herausgeber von »Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gruppenanalyse«.

Corinna Wernz

Agnesstraße 16, 80798 München

[email protected]

Dr. med., Fachärztin für psychosomatische Medizin/Psychoanalyse, Lehranalytikerin und Supervisorin der Akademie für Psychoanalyse München (DGPT/DPG/ISTFP), Dozentin und Supervisorin des TFP-Instituts München, Studium der Humanmedizin, Germanistik, Philosophie, Stipendiatin und Dozentin der Studienstiftung. Veröffentlichungen zu behandlungstechnischen Themen zu Persönlichkeitsstörungen.

Einleitung

2013 erschien mein Buch »Borderline-Therapie« in der 3. Auflage – schon damals waren viele Kollegen1 an einzelnen Kapiteln beteiligt gewesen.

Zehn Jahre später liegt hier nun ein neues Buch zum Thema vor – mit wichtigen Erweiterungen: Es geht nun um Persönlichkeitsstörungen generell und die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) mit ihren Weiterentwicklungen. Als Autoren habe ich viele Kollegen gewinnen können, die zugleich ausgewiesene Experten in diesem Gebiet und gute Freunde und Weggefährten sind. Es sind Autoren aus Deutschland, Österreich und Ungarn, sicherlich weil hier der engste kollegiale Austausch besteht; jüngst hat sich auch ein Dachverband der deutschsprachigen TFP-Institute (DGTFP) innerhalb der »International Society for Transference-Focused Psychotherapy« (ISTFP) zusammengefunden.

In der Folge möchte ich mit dem Leser einen kleinen Rundgang durch die Kapitel unternehmen und ihn mit dem vertraut machen, was ihn erwartet. Allen Beiträgen ist gemeinsam, dass konzise konzeptuelle Überlegungen durch anschauliche Fallbeispiele illustriert werden.

Im erste Teil Grundkonzepte geben Susanne Hörz-Sagstetter und ich in Kapitel 1 den aktuellen Stand der Psychodynamischen Therapie der Persönlichkeitsstörungen wieder. Dabei geht es um die neuen dimensionalen diagnostischen Konzepte, einen Abriss der Borderline-Persönlichkeitsstörung im engeren Sinne, eine verdichtete Darstellung der TFP als psychodynamische Behandlungsmethode sowie um einen Vergleich mit den beiden anderen dominierenden psychotherapeutischen Ansätzen im Feld: der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) und der Mentalisierungsbasierten Therapie (MBT).

In Kapitel 2 stellt Anna Buchheim dar, wie sich Veränderungen in Psychopathologie und Strukturniveau von Patienten durch Veränderungen in Bindungsmustern und Mentalisierung darstellen lassen, und referiert wichtige Forschungsergebnisse dazu.

Marion Braun und Werner Köpp zeigen in Kapitel 3, wie sich das psychoanalytische Standardverfahren (höherfrequente Psychoanalyse im Liegen) von TFP unterscheidet und wo wichtige Gemeinsamkeiten liegen. Dabei werden Themen wie Übertragungsdeutung, technische Neutralität, aber auch Fragen einer zeitgemäßen Ausbildung diskutiert.

Im Zentrum der TFP steht eine moderne Variante von Übertragungsdeutungen – Werner Köpp und Gabi Kehr arbeiten in Kapitel 4 heraus, wie eine Förderung von Mentalisierung eine Voraussetzung für die Behandlung schwer gestörter Patienten mit einer klassischen Behandlungstechnik darstellt.

Das Konzept von »Mentalisierung« wird in Kapitel 5 wieder aufgenommen, in dem Ulrich Schultz-Venrath als Vertreter der MBT und ich den Vergleich von MBT und TFP aus Kapitel 1 fortsetzen, vertiefen und zugleich deutlich machen, wie die in Deutschland übliche Methode der Tiefenpsychologischen Psychotherapie (als eine Variante der Psychodynamischen Psychotherapie) von diesen beiden Ansätzen profitieren könnte. Dieses Kapitel stellt damit eine Entsprechung zu den Kapiteln 3 und 4 dar, in denen die Auseinandersetzung mit dem psychoanalytischen Standardverfahren (psychoanalytische Psychotherapie) im Mittelpunkt steht.

Ein besonderes Anliegen von TFP ist es, den oft ängstigenden Umgang mit der negativen Übertragung handhabbar zu machen, weil der Versuch, diese Problematik durch supportive Techniken zu umgehen, oft für das Scheitern von Psychotherapien und viel Leid auch der Psychotherapeuten verantwortlich ist. In Kapitel 6 stellt Bernhard Brömmel anhand prägnanter Fallbeispiele dar, in welche Verwicklungen wir mit unseren Patienten häufig geraten und wie ein konzeptuell wohlüberlegter Umgang mit negativer Übertragung und Gegenübertragung aussehen kann.

Den Abschluss des ersten Teils bildet Kapitel 7 mit einer Darstellung über die Supervision von schweren Persönlichkeitsstörungen im Rahmen des TFP-Ansatzes von Susanne Hörz-Sagstetter und mir. Dies ist deswegen so wichtig, weil – wie schon in Kapitel 6 ausgeführt – die Arbeit mit diesen Patienten voller Verwicklungen und Verstrickungen ist, die durch eine gute Supervision aufgelöst werden können. Die notwendige, manualbezogene Supervision ist systematischer und strukturierter als eine übliche psychodynamische Supervision.

Den zweiten Teil Spezielle Patientengruppen eröffnen Agnes Schneider-Heine und Michael Rentrop in Kapitel 8 mit einer detaillierten und sehr praxisnahen Zusammenführung der klassischen strukturorientieren TFP und der modernen Traumatherapie. Damit wird eine wichtige Lücke innerhalb der TFP gefüllt und überzeugend dargestellt, warum und wie beide Arbeitsweisen bei Patienten mit Traumafolge- und Persönlichkeitsstörungen integriert werden können und sollten.

In den letzten Jahren hat sich der Fokus der Psychodynamischen Psychotherapie der Persönlichkeitsstörungen von der Beschäftigung mit der Borderline-Störung im engeren Sinne (→ hierzu die Darstellung in Kap. 1) stark auf eine (nach der Kernberg-Kohut-Debatte der 1970er-Jahre) neue Debatte der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung verschoben – entsprechend der Zunahme narzisstischer Phänomene als einer kulturellen Entwicklung. Corinna Wernz und ich zeigen in Kapitel 9, welche wichtigen Modifikationen der Behandlungstechnik mit dieser Patientengruppe notwendig sind und wie diese gemäß der unterschiedlichen Schweregrade der narzisstischen Störung angewandt werden können.

Das Thema »pathologischer Narzissmus« wird in Kapitel 10 von Martina Drust und Maya Krischer wieder aufgegriffen und auf die Behandlung von Jugendlichen angewendet. Sie weisen darauf hin, dass der Arbeit mit den Eltern eine zentrale Rolle für den Therapieerfolg zukommt.

Eine extreme Ausprägung der narzisstischen Pathologie stellt die Antisoziale Persönlichkeitsstörung dar. Jonni Brem und ich demonstrieren in Kapitel 11, wie eine psychodynamische forensische Psychotherapie an Grenzen der Behandelbarkeit mit diesen Störungen arbeiten kann und welche wichtige Rolle dabei der Blick auf die spezifischen Abwehrmechanismen sowie der Umgang mit der eigenen Gegenübertragung spielen.

In den Bezirk der Phänomene von Paranoia und Aggression und damit auch der Psychodynamik von Verschwörungstheorien begeben wir uns in Kapitel 12, in dem Petra Holler den Umgang mit Patientengruppen beschreibt, die – ähnlich wie von Bernhard Brömmel in Kapitel 6 dargelegt – schwer zu behandeln sind und oft eine negative Übertragung entwickeln, die dann eine negative Gegenübertagung nach sich zieht. Hier wird erneut deutlich, dass die Analyse sowie die reflektierte und dosierte Mitteilung von Aspekten der Gegenübertragung einen zentralen und sehr wirksamen Bestandteil der TFP-Behandlungstechnik darstellen.

Eine differenzierte Beschreibung der Hysterischen (neurotisches Niveau) und Histrionischen (Borderline-Niveau) Persönlichkeitsstörung nimmt Stephan Doering in Kapitel 13 vor. Er betont dabei die unterschiedlichen Darstellungen der ödipalen Grundproblematik je nach Strukturniveau und die Folgen für Übertragung, Gegenübertragung und Behandlungstechnik.

Neben der Arbeit mit jungen Patienten, wie in Kapitel 10 beschrieben, spielt auch die Arbeit mit älteren Menschen, welche unter einer Persönlichkeitsstörung leiden, angesichts des demografischen Wandels eine immer wichtigere Rolle. Philipp Martius zeigt in Kapitel 14, welche besondere Herausforderung eine Arbeit mit dieser Patientengruppen für die Psychodynamische Psychotherapie darstellt und wie TFP als Methode darauf eingehen kann.

Gegenstand des dritten Teils bilden schließlich besondere Behandlungssettings.

In Kapitel 15 berichten Christiane Rösch und Philipp Martius über die modifizierte Gruppenpsychotherapie nach dem TFP-Modell im stationären und ambulanten Setting. Der Fokus liegt dabei auf der Bewältigung negativer und potenziell destruktiver Affekte und Verhaltensweisen in der Gruppe.

Das Thema »Arbeit mit Gruppen« und »Therapeutische Gemeinschaft« wird in Kapitel 16 von Birger Dulz, Bernhard Grimmer, Gerhard Dammann und mir über stationäre Psychotherapie weitergeführt. Dies ist eine Zusammenfassung des aktuellen Buchs über stationäre TFP (»Borderline-Persönlichkeitsstörung: Stationäre Übertragungsfokussierte Psychotherapie« von Dulz et al. 2022). Es ist zugleich eine Erinnerung an meinen 2021 verstorbenen Freund und Kollegen Gerhard Dammann, den wir alle schmerzlich vermissen. In diesem Kapitel wird Bezug zu den Anfängen der TFP genommen, welche als stationäre TFP in New York (Cornell University, Westchester Division in White Plains) ihren Ausgang genommen hat.

Den Abschluss bildet Kapitel 17 von Krisztina Csáky-Pallavicini. Die Autorin berichtet über die Nähe von TFP und Psychodrama-Psychotherapie und zeigt, wie beide Traditionen voneinander profitieren und miteinander verbunden werden können.

Danksagung

Mein Dank gilt zuerst den Mitgliedern des Personality Disorder Institutes in New York, die über viele Jahre hinweg die Entwicklung von TFP als einer zentralen Methode der Psychodynamischen Psychotherapie vorangetrieben haben.

Durch meinen Studienaufenthalt 1982 bis 1983 in White Plains hatte ich das Privileg, zu Beginn meiner klinischen Spezialisierung das Entstehen von TFP an diesem Ort (und damals noch der Klinik in White Plains, N.Y.) miterleben zu können.

Dieser Dank gilt insbesondere Otto Kernberg, John Clarkin, Frank Yeomans, Diana Diamond und Eve Caligor.

Weiterhin gilt mein Dank Peter Buchheim, der in München Ende der 1990er-Jahre TFP als Behandlungsmethode im deutschsprachigen Bereich initiierte und unermüdlich förderte.

Cord Benecke danke ich für vielfältige Anregungen und die bedeutende Rolle, die er für das Fortbestehen der psychodynamischen Therapie an den deutschen Universitäten und Ausbildungsgängen innehat.

Corinna Wernz danke ich für die enge Zusammenarbeit und inspirierende Unbestechlichkeit in vielen konzeptuellen Fragen, Supervisionen und in der Lehre.

Mein Dank gilt allen Autoren dieses Buchs, die in kurzer Zeit ihre Beiträge verfassten und überarbeiteten – die Zusammenarbeit und Freundschaft mit ihnen ist mir ein wichtiger Quell von Freude und Beheimatung in einer Gemeinschaft, die sich der ständigen Verbesserung der Psychotherapie für Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen in Forschung und Praxis verpflichtet fühlt – damit Patienten eine gute Behandlungsmöglichkeit finden und Psychotherapeuten sowie therapeutische Teams zufrieden ihrer Arbeit nachgehen können. Auch den vielen internationalen Kollegen der ISTFP, die eine anregende und haltende Gemeinschaft bilden, gilt mein Dank.

Und schließlich danke ich Nadja Urbani vom Schattauer Verlag, die dieses Buchprojekt mit Enthusiasmus und schnellen Lösungen begleitet hat, Marion Drachsel, die mit großem Sprachgefühl und hilfreichen Vorschlägen das Lektorat innehatte, sowie Lisa Wehner, die sich mit hohem Engagement und kreativer Genauigkeit der Betreuung der Manuskripte widmete.

München, im Herbst 2023

Mathias Lohmer

Teil I

Grundkonzepte

Susanne Hörz-Sagstetter und Mathias Lohmer

1 Psychodynamische Therapie der Persönlichkeitsstörungen(1) – aktuelle Entwicklungen und die Übertragungsfokussierte Psychotherapie(1) (TFP)

Einführung

Die psychodynamische Therapie der Persönlichkeitsstörungen befindet sich in einer stürmischen Entwicklung, die wir in diesem Kapitel abbilden möchten. So ereignen sich wichtige Veränderungen im Bereich der Diagnostik, in denen das Funktionsniveau der Persönlichkeit mehr in den Fokus rückt – darüber wird in Abschnitt 1.1 berichtet. In Abschnitt 1.2 wird auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) im engeren Sinne eingegangen – in den weiteren Kapiteln des Buches werden dann vor allem die anderen Persönlichkeitsstörungen auf Borderline-Niveau nach Kernbergs Modell diskutiert. Die Übertragungsfokussiere Psychotherapie (TFP) ist eine Methode, die ursprünglich zur Behandlung der BPS entwickelt wurde und mit ihrem dimensionalen Ansatz die neue diagnostische Bewegung gut aufgreifen kann – sie wird in Abschnitt 1.3 in ihren Grundlagen kurz skizziert (ausführlicher → Yeomans et al. 2017), ihre Grundelemente tauchen auch in den folgenden Kapiteln dieses Buches immer wieder auf. Die TFP hat sich seit den ersten Publikationen (Clarkin et al. 2001b) kontinuierlich weiterentwickelt – wovon ja auch dieses Buch Zeugnis ablegt. Zentrale aktuelle Entwicklungen werden in Abschnitt 1.4 referiert und dann in den weiteren Kapiteln dieses Buches ausgeführt. Und schließlich ist TFP eine Methode im Konzert weiterer Methoden zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung, die den Leitlinien (DGPPN 2022; Stoffers-Winterling und Lieb 2022; Storebø et al. 2020) entsprechen. In Abschnitt 1.5 werden Ähnlichkeiten und Unterschiede im Vergleich zu Dialektisch-Behavioraler Therapie (DBT) und Mentalisierungsbasierter Therapie (MBT) skizziert. Die Methode der MBT wird dann in Kapitel 5 von Ulrich Schultz-Venrath noch ausführlicher vorgestellt werden.

1.1 Dimensionale Diagnostik(1) und Kernbergs Theorie der Persönlichkeitsorganisation(1): Ein tieferes Verständnis von Persönlichkeitsstörungen(2)

FALLBEISPIEL 1

Ein 43-jähriger Mann stellt sich zur Psychotherapie vor. Er fühlt sich von seinen Mitmenschen nicht verstanden, sieht sie oft als ihm unterlegen an, schildert lange Phasen von Niedergeschlagenheit und Panikattacken. Er habe Schwierigkeiten, eine Partnerin zu finden, »die mit meinem Intellekt mithalten« könne, obwohl er sich eigentlich nach einer Beziehung sehne. Der Therapeutin fällt auf, dass er wenig Interesse an den Gefühlen und Erlebensweisen seiner Mitmenschen zeigt und dass er sie auch in der therapeutischen Arbeit wiederholt kritisiert.

Wie kann der Fall aus Sicht der herkömmlichen Diagnostik, aus Sicht der neuen Persönlichkeitsdiagnostik nach dem DSM-5-Alternativmodell und aus Sicht der Theorie Otto Kernbergs diagnostiziert werden? Welche Behandlungsimplikationen ergeben sich?

Nach der herkömmlichen ICD-Diagnostik werden bei diesem Fallbeispiel eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung, eine depressive Episode sowie eine Panikstörung festgehalten. Die Behandlungsschwerpunkte können auf die narzisstische und Selbstwertproblematik, die interpersonellen Probleme sowie die Depressivität und Panikattacken gesetzt werden.

Bei der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen(1) (PS) ist ein Paradigmenwechsel erfolgt. Es war jahrzehntelang der Ansatz der DSM- und ICD-Klassifikationssysteme bestimmend, bei dem Diagnosen kategorial vergeben wurden, basierend auf bestimmten festgelegten diagnostischen Kriterien. Jede Störung wird kategorial diagnostiziert, ohne Berücksichtigung des Schweregrads oder der spezifischen Merkmale eines individuellen Patienten. In den letzten Jahren hat sich mit der Einführung des DSM-5-Alternativmodells für Persönlichkeitsstörungen (APA 2015) sowie der neuen Persönlichkeitsstörungsdiagnostik nach ICD-11 (WHO 2023) ein Paradigmenwechsel vollzogen und die dimensionale Diagnostik hat an Bedeutung gewonnen. Dimensionale Diagnostik(2) bezieht sich auf die Bewertung und Messung von Merkmalen und Symptomen entlang eines Kontinuums, anstatt Störungen nach festen diagnostischen Kategorien zu erfassen. Gerade im Kontext von Persönlichkeitsstörungen hat die Einführung dimensionaler Ansätze dazu geführt, dass Kliniker eine umfassendere und präzisere Einschätzung der individuellen Beeinträchtigung, des Funktionsniveaus und der Persönlichkeitszüge ihrer Patienten vornehmen können.

1.1.1 Das Alternative DSM-5-Modell für Persönlichkeitsstörungen(1) (AMPD)(1)

Das »Alternative DSM-5-Modell für Persönlichkeitsstörungen« (AMPD) (APA 2015) ist ein neu eingeführtes Modell zur dimensionalen Erfassung von Persönlichkeitsstörungen. Das AMPD ist ein Hybrid-Modell, das eine kategoriale Diagnostik von sechs Persönlichkeitsstörungen ermöglicht, darüber hinaus jedoch auf dimensionalen Kriterien basiert: der theoretisch begründeten Skala zur Erfassung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit (SEFP) (Bender et al. 2011) und den auf psychometrischen Analyseverfahren beruhenden pathologischen Persönlichkeitsmerkmalen (Krueger et al. 2012).

Das Funktionsniveau der Persönlichkeit umfasst Fähigkeitsbereiche, die das Selbst – Identität und Selbststeuerung – und interpersonelle Beziehungen – Empathie und Intimität – betreffen. Ein Erfassen der Beeinträchtigungen auf diesen vier Dimensionen auf der SEFP kann als Diagnostik des Schweregrads der Persönlichkeit gesehen werden und gilt bei der Diagnostik nach AMPD als Kriterium A.

Kriterium B nach AMPD beinhaltet 25 pathologische Persönlichkeitsmerkmale, die sich zu fünf Domänen zusammenfassen lassen (APA 2015):

(1)negative Affektivität (vs. (1)emotionale Stabilität), damit wird ein häufiges und intensives Erleben vieler starker negativer Emotionen und Affekte erfasst

(1)Verschlossenheit (vs. (1)Extraversion), womit die Vermeidung sozio-emotionaler Erfahrungen und Rückzug aus zwischenmenschlichen Interaktionen sowie eingeschränktes affektives Erleben und eingeschränkter affektiver Ausdruck gemeint sind

(1)Antagonismus (vs. (1)Verträglichkeit), womit Verhaltensweisen, die die Person in Widerspruch zu anderen bringt, ein übertriebenes Gefühl der eigenen Wichtigkeit, Abneigung gegenüber anderen sowie Anspruchshaltungen und mangelnde Berücksichtigung der Bedürfnisse anderer abgebildet werden

(1)Enthemmtheit (vs. (1)Gewissenhaftigkeit), was eine Ausrichtung auf sofortige Belohnung, impulsives Verhalten und mangelnde Berücksichtigung früherer Lernerfahrungen oder zukünftiger Konsequenzen meint

(1)Psychotizismus (vs. (1)Adäquatheit), welche das Auftreten verschiedener kulturell unpassender, seltsamer, exzentrischer Verhaltensweisen und Gedanken in formaler und inhaltlicher Hinsicht abbildet

Nach dem »Alternativen DSM-5-Modell für Persönlichkeitsstörungen« (AMPD) liegt eine Persönlichkeitsstörung vor, wenn das Funktionsniveau der Persönlichkeit mindestens mittelgradig beeinträchtigt ist (Kriterium A) und mindestens ein pathologisches Persönlichkeitsmerkmal eine klinisch relevante Ausprägung aufweist (Kriterium B).

Eigentlich sollte das AMPD die kategoriale Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen im DSM-IV (APA 1994) ersetzen, doch wurde es nach kontroversen Auseinandersetzungen in Sektion III (»In Entwicklung befindliche Instrumente und Modelle«) des DSM-5 platziert. Die traditionelle Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen aus dem DSM-IV hingegen wurde unverändert in die Standarddiagnostik (Sektion II) des DSM-5 übernommen.

1.1.2 Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen(1) nach ICD-11(1)

Auch in der ICD-11 (WHO 2023), die im deutschsprachigen Raum für Kliniker das zentrale System zur Diagnostik ist, wurde die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen (PS) komplett verändert: Hier werden ebenfalls die Funktionsbeeinträchtigungen von Personen mit PS bezogen auf sich selbst als auch bezogen auf andere dimensional beurteilt. Zusätzlich besteht optional die Möglichkeit, die prominenten maladaptiven Persönlichkeitseigenschaften dimensional einzuschätzen; es handelt sich hier – ähnlich den Dimensionen des DSM-5 AMPD – um die Dimensionen:

Negative Affektivität

Distanziertheit

Dissozialität

Enthemmung

Anankasmus

Inhaltlich korrespondieren diese Dimensionen in hohem Masse mit den fünf DSM-5 AMPD-Dimensionen, mit Ausnahme der Dimension Psychotizismus, welche in das DSM-5 AMPD aufgenommen wurde, anstelle dessen die Dimension Anankasmus (im Sinne von Perfektionismus, rigide Beschränkung emotionalen Ausdrucks, Perseveration) in der ICD-11 enthalten ist. Die bisher geltenden PS-Diagnosen werden mit der ICD-11 abgeschafft, als einzige bleibt zusätzlich zur Einschätzung des Schweregrads die Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Mustern aus mehreren prominenten Merkmalen (z. B. affektive Instabilität, impulsives Verhalten, selbstverletzendes und suizidales Verhalten, intensive Ärgergefühle und -ausbrüche, instabiles Identitätsgefühl, Leeregefühle sowie dissoziative Erlebnisweisen) bestehen. Diese veränderte Diagnostik hat unter anderem das Ziel, zu einer Entstigmatisierung und besseren klinischen Verständlichkeit der Hauptprobleme bei Persönlichkeitsstörungen beizutragen (Herpertz 2018; Herpertz et al. 2022; Tyrer et al. 2014).

FALLBEISPIEL 1 (Fortsetzung)

Nach dem Alternativmodell für Persönlichkeitsstörungen des DSM-5 (AMPD) und der ICD-11 könnte unser Patient wie folgt diagnostiziert werden: mittelgradige Beeinträchtigung des Funktionsniveaus der Persönlichkeit, besondere Schwierigkeiten im Bereich Identität/Selbstwert, Selbststeuerung/Selbstreflexive Funktion (Dimensionen der Selbstfunktion), in den Bereichen Empathie/Verständnis und Anerkennung des Erlebens und der Motive anderer, Nähe/Wunsch und Fähigkeit, anderen Menschen nahe zu sein (Dimensionen der Interpersonelle Funktion).

Nach den problematischen Persönlichkeitsfacetten und -merkmalen (Kriterium B des AMPD) können hier hohe Ausprägungen von Grandiosität und Suche nach Aufmerksamkeit (Facetten der Dimension Antagonismus) sowie Vermeidung von Nähe sowie Depressivität (Facetten der Dimension negative Affektivität) festgehalten werden. Zusätzlich werden die symptomorientierten Diagnosen einer depressiven Episode sowie eine Panikstörung vergeben.

Der therapeutische Fokus kann auf die Beeinträchtigungen des Funktionsniveaus der Persönlichkeit gerichtet werden, insbesondere auf die Bereiche der Selbstreflexiven Funktion, der Empathie und des Wunschs nach engen Beziehungen.

Warum sind diese neuen Modelle für die psychodynamische Diagnostik und Psychotherapie interessant?

Das Funktionsniveau der Persönlichkeit wurde entwickelt, um die grundlegende Pathologie aller PS und ihren Schweregrad zu erfassen und somit einen Mehrwert gegenüber der kriteriumsorientierten Diagnostik des DSM zu schaffen (Skodol et al. 2011). Aus psychodynamischer Sicht hat das Funktionsniveau der Persönlichkeit eine starke Ähnlichkeit mit dem Konzept des Strukturniveaus (Arbeitskreis OPD 2023) oder der Persönlichkeitsorganisation (PO) (Kernberg 1992). Hervorgehoben werden oft die Ähnlichkeit der drei Konzepte (Blüml und Doering 2021; Hörz-Sagstetter et al. 2021) und die Relevanz für die therapeutische Arbeit: Anhand der Schweregradbeurteilung der Dimensionen der Persönlichkeit können Therapieziele festgelegt und therapeutische Interventionen maßgeschneidert angepasst werden (Bach und Simonsen 2021). Für die Therapie von Persönlichkeitsstörungen spielt gerade diese Auswahl von Behandlungsschwerpunkten und dimensionale Beurteilung eine Rolle.

1.1.3 Kernbergs Modell der Persönlichkeitsorganisation(1)

Kernberg und Kollegen (Clarkin et al. 2007a; Kernberg und Caligor 2005) haben ein Modell der Persönlichkeitspathologie formuliert, das auf der zeitgenössischen psychodynamischen Objektbeziehungstheorie basiert. Dieser Ansatz kombiniert eine dimensionale Betrachtung des Schweregrads der Persönlichkeitspathologie mit einer kategorialen Klassifizierung auf der Grundlage von beschreibenden Merkmalen, die mit der DSM-5 AMPD-Diagnostik gut übereinstimmen (Blüml und Doering 2021; Hörz-Sagstetter et al. 2021; Kampe et al. 2018). Das Niveau der Persönlichkeitsorganisation hat prognostische Auswirkungen und kann zur differenzierten psychotherapeutischen Behandlungsplanung herangezogen werden. Kernbergs Modell der Persönlichkeit ist um das Konzept der Identität organisiert und unterteilt Persönlichkeitsstörungen(1) in solche, die durch eine konsolidierte Identität(1) gekennzeichnet sind, und solche, die sich durch eine Identitätsdiffusion(1) kennzeichnen (Tab. 1-1).

Struktu­relle Kriterien

Normale Persön­lich­keits­organisa­tion

Neurotische Persönlich­keits­organisa­tion(1)(1) (NPO)

Borderline-Persönlich­keits­organisa­tion(1)(1) (BPO)

Identität

Konsoli­dierte Identität

Konsolidierte Identität

Identitäts­diffusion

Objekt­beziehun­gen

Dauerhafte und tiefe Beziehun­gen zu anderen

Tiefe Beziehungen; einzelne Konflikte mit bestimmten Personen

Unterschiede je nach Niveau der BPO: beein­trächtigte zwischen­mensch­liche Bezie­hungen

Abwehr­mechanis­men

Reifere Abwehr­mecha­nis­men; Flexibilität

Reifere Abwehr­mecha­nis­men; Rigidität

Primitive Abwehr­mecha­nis­men

Aggression

Modulierte Wut

Gehemmte Aggression

Unterschiede je nach Niveau der BPO: Selbst- und fremd­gerichtete Aggression

Moralische Werte

Stabil, unabhängig, indi­vi­dua­lisiert

Schuldgefühle; mangelnde Flexi­bili­tät

Unterschiede je nach Niveau der BPO: wider­sprüch­liche Werte; Fehlen bestimmter Werte

Realitäts­prüfung

Intakte Realitäts­prüfung

Intakte Realitäts­prüfung

Intakte Realitäts­prüfung, gewisse Beein­trächti­gung der sozialen Realitäts­prüfung

Tab. 1-1: Strukturelle Kriterien und Ebenen der Persönlichkeitsorganisation(2) (mod. nach Hörz et al. 2011)

Die neurotische Ebene der Persönlichkeitsorganisation (NPO) ist ebenso wie die normale Persönlichkeit durch eine vollständig konsolidierte Identität(2) gekennzeichnet. Eine konsolidierte Identität ist mit einer stabilen, gut differenzierten, komplexen, realistischen und kohärenten Erfahrung von sich selbst und anderen ausgezeichnet. Im Gegensatz dazu ist das Borderline-Niveau der Persönlichkeitsorganisation (BPO) durch das Syndrom der Identitätsdiffusion(2) gekennzeichnet. Eine schlecht integrierte Identität geht mit einer instabilen, oberflächlichen, wenig differenzierten, verzerrten und diskontinuierlichen Erfahrung von sich selbst und anderen einher. Im Modell der Objektbeziehungstheorie sind Abwehrmechanismen auf primitiver Ebene, die auf Spaltung basieren (z. B. Spaltung, Idealisierung/Abwertung, projektive Identifizierung, Verleugnung), für die Aufrechterhaltung der fragmentierten und wenig integrierten Erfahrung von sich selbst und anderen verantwortlich. Im Gegensatz dazu ist eine konsolidierte Identität bei Neurotischen Persönlichkeitsstörungen verbunden mit verdrängungsbasierten und reifen Abwehrmechanismen wie Intellektualisierung, Reaktionsbildung und Sublimierung.

Personen, die auf einer Borderline-Ebene der Persönlichkeitsorganisation organisiert sind, unterscheiden sich von Personen mit atypischen psychotischen Störungen dadurch, dass sie eine intakte Realitätsprüfung aufweisen. Identitätspathologie(1) ist jedoch mit Defiziten in der Fähigkeit verbunden, die Motivationen und inneren Zustände anderer genau zu erfassen, was manchmal als Fähigkeit zur Mentalisierung bezeichnet wird (Fonagy et al. 2002), und soziale Hinweise genau zu lesen. Diese Defizite werden im Kontext der BPO mit einer Beeinträchtigung der sozialen Realitätsprüfung in Verbindung gebracht. Im Gegensatz dazu ist die soziale Realitätsprüfung bei Personen, die auf neurotischem Niveau organisiert sind, wie auch bei der normalen Persönlichkeit, gut entwickelt.

Die Ebene der BPO, die durch eine Identitätspathologie, das Vorherrschen von auf Spaltung basierenden Abwehrmechanismen und Defiziten der sozialen Realitätsprüfung gekennzeichnet ist, deckt ein relativ breites Spektrum ab und ist konzeptuell breiter gefasst als die Borderline-Persönlichkeitsstörung im eng umschriebenen Sinn. Die BPO umfasst nach Kernbergs Modell eine große Anzahl von DSM-Persönlichkeitsstörungen, so die Borderline-Persönlichkeitsstörung, die Narzisstische Persönlichkeitsstörung, die Schizoide Persönlichkeitsstörung oder auch die Antisoziale Persönlichkeitsstörung (→ Yeomans et al. 2017).

Am oberen Ende des BPO-Spektrums verfügen die Patienten über eine gewisse Fähigkeit zu abhängigen, wenn auch beeinträchtigten Beziehungen, haben im Allgemeinen eine relativ intakte oder nur geringfügige Pathologie des moralischen Funktionierens und sind in den meisten Situationen nicht offenkundig aggressiv.

Im Gegensatz dazu weisen Personen am unteren Ende des BPO-Spektrums eine schwere Pathologie der Objektbeziehungen auf, haben klinisch signifikante Defizite in der moralischen Funktionsweise und sind offen aggressiv. Während Personen aus der Gruppe mit hoher BPO bei strukturierten Behandlungen eine relativ günstige Prognose haben, sind Personen aus der Gruppe mit niedriger BPO weitaus schwieriger zu behandeln und haben eine eher schlechtere Prognose.

Die neurotische Ebene der Persönlichkeitsorganisation (NPO) unterscheidet sich von der normalen Persönlichkeit durch die Rigidität der Persönlichkeitsfunktion. Während die normale Persönlichkeit in der Lage ist, flexibel und adaptiv mit externen Stressoren und internen Konflikten umzugehen, neigt die neurotische Persönlichkeit dazu, sich auf starre und bis zu einem gewissen Grad maladaptive Reaktionen zu verlassen, was die auf Verdrängung basierenden Abwehrmechanismen der NPO widerspiegelt. Wie bei der gesunden/normalen Persönlichkeit haben Personen, die auf einer neurotischen Ebene organisiert sind, die Fähigkeit zu vollen, tiefen und reziproken Beziehungen, obwohl Personen im NPO-Spektrum Schwierigkeiten haben können, intime Beziehungen mit Sexualität zu verbinden. Die moralische Funktionsweise ist bei der neurotischen Persönlichkeit konsistent und vollständig verinnerlicht, kann aber sehr starr sein, was zu einer Neigung zu übermäßiger Selbstkritik führt.

Kernbergs Modell der Persönlichkeitsorganisation wurde mit dem Strukturellen Interview (Kernberg 1992) operationalisiert, das halbstrukturierte Interview STIPO (Strukturiertes Interview zur Persönlichkeitsorganisation(1)) ist die Weiterentwicklung, welches die in Tabelle 1-1 aufgeführten Kriterien systematisch untersucht. Das revidierte Strukturierte Interview zur Persönlichkeitsorganisation(1) (STIPO-R; Clarkin et al. 2016) als dimensionales diagnostisches Instrument, das in hohem Maße mit dem AMPD des DSM-5 und der ICD-11 in Einklang ist (Blüml und Doering 2021; Hörz-Sagstetter et al. 2021), liefert Behandlungsziele für eine psychodynamische Therapie für Persönlichkeitsstörungen, wie beispielsweise die TFP.

FALLBEISPIEL 1 (Fortsetzung)

Nach Kernbergs Modell der Persönlichkeit kann der oben genannte Patient wie folgt diagnostiziert werden: Narzisstische Persönlichkeitsstörung auf mittlerem Borderline-Organisationsniveau, besondere Beeinträchtigungen im Bereich Identität/Selbstwahrnehmung, Objektwahrnehmung und Objektbeziehungen. Symptome: depressive Störung, Panikstörung. Der therapeutische Fokus kann auf die Integration der abgespaltenen Anteile des Selbst und der Anderen und auf einen Aufbau von stabilen Beziehungen gelegt werden.

Bei der Diagnostik unseres kleinen Fallbeispiels können wir erkennen, dass bei allen Vorteilen der neuen, oben beschriebenen dimensionalen Diagnostik nach DSM-5(1) AMPD oder ICD-11(1) auch ein Nachteil besteht: Durch den Verzicht z. B. auf das Label »Narzissmus« geht auch die Essenz einer bestimmten Persönlichkeitsstörung verloren, die in der obigen Diagnostik nach dem Kernberg-Modell noch enthalten ist. Mit dieser Festlegung auf eine dominierende Persönlichkeitsstörung ist u. E. ergänzend zur Einschätzung des Funktionsniveaus und der problematischen Persönlichkeitsmerkmale besonders gut eine umfassende Verständigung über die Natur der Störung möglich.

In diesem Buch werden wir daher weiterhin auf verschiedene Persönlichkeitsstörungen auf Borderline-Funktionsniveau eingehen und die Besonderheiten in Diagnostik und Therapie herausarbeiten.

Aus Sicht des objektbeziehungstheoretischen Modells von Kernberg und Kollegen (Caligor et al. 2018; Hörz-Sagstetter et al. 2018) kann die Bestimmung der Diagnose und des Niveaus der Persönlichkeitsorganisation die differenzierte Behandlungsplanung leiten. Eine psychodynamische Therapie bei NPO ist anders ausgerichtet (DPHP; Caligor et al. 2009) als eine Intervention bei Patienten mit BPO (TFP; Yeomans et al. 2017). Personen, die auf einem neurotischen Niveau der Persönlichkeitsorganisation organisiert sind, haben eine günstige Prognose und können von relativ wenig strukturierten Behandlungen profitieren. Diese Patienten haben in der Regel keine Schwierigkeiten, ein therapeutisches Bündnis aufzubauen und aufrechtzuerhalten, und Übertragungsmuster entwickeln sich im Allgemeinen langsam, sind konsistent und subtil.

Im Gegensatz dazu benötigen Personen, die auf einer Borderline-Ebene organisiert sind, insbesondere solche im niedrigen Borderline-Spektrum, ein stark strukturiertes Behandlungssetting. Diese Personen haben große Schwierigkeiten, ein therapeutisches Bündnis aufzubauen und aufrechtzuerhalten; Übertragungsmuster neigen dazu, sich schnell zu entwickeln, sind stark affektiv aufgeladen und extrem, was – wenn sie nicht angemessen reflektiert und bearbeitet werden können – zu einem Abbruch der Behandlung führen kann.

1.2 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung(1) (BPS) im engeren Sinne ist gewissermaßen die »Leitstörung« der Borderline-Persönlichkeitsorganisation(2) und der Persönlichkeitsstörungen(1) allgemein. Zu dieser Störung wurde am extensivsten geforscht, was auch dazu führte, dass sich die aktuellen Leitlinien nur auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung beziehen (DGPPN 2022). Die grundlegenden Manuale von TFP, DBT und MBT wurden für die BPS (Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung F60.31 nach ICD-10) entwickelt.

Die folgende Tabelle 1-2 fasst die diagnostischen Kriterien der neuen Borderline-Störung nach ICD-11(1) zusammen und zeigt damit auch den im letzten Abschnitt beschriebenen Weg zu einer dimensionalen Diagnostik.

Die generellen Kriterien für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung sind erfüllt; Schweregrad mindestens leicht; zusätzlich liegt ein Borderline-Muster vor, das gekennzeichnet ist durch viele (sic!) der folgenden Kriterien:

verzweifeltes Bemühen, eine tatsächliche oder eingebildete Verlassenheit zu vermeiden

ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen

Identitätsstörung, die sich in einem ausgeprägten und anhaltend instabilen Selbstbild oder Selbstwertgefühl manifestiert

eine Tendenz zu unüberlegtem Handeln in Zuständen starker negativer Affekte, die zu ­potenziell selbstschädigenden Verhaltensweisen führen*

wiederkehrende Episoden von Selbstverletzung

emotionale Instabilität aufgrund ausgeprägter Stimmungsreaktivität*

chronische Gefühle der Leere

unangemessen starke Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren*

vorübergehende dissoziative Symptome oder psychoseähnliche Züge in Situationen hoher affektiver Erregung*

* Kriterien, die für den ICD-11-Borderline-Typus neu definiert wurden

Tab. 1-2: Kriterien der Persönlichkeitsstörung(1)(1) mit Borderline-Muster nach ICD-11 (6D11.5)

Hier wird schon deutlich, dass für die BPS einige Elemente zentral sind:

Die Verlassenheitsangst als zentrale Emotion, die sich bis zur Vernichtungsangst steigern kann. Dies kann als Auswirkung der Bindungsstörung (→ Kap 2) und der mangelnden Objektkonstanz verstanden werden: Es gibt keine stabilen und ausreichend guten inneren, haltenden Objekte, sodass die Patienten auf ständig präsente Realkontakte angewiesen sind, um sich nicht als von der Welt abgeschnitten und existenziell zutiefst bedroht zu erleben.

Der starke »Objekthunger« mit einem gleichzeitig unsicheren Gefühl für die eigenen Grenzen und die eigene Identität führt dann zu instabilen und intensiven Beziehungen, die dem bekannten Double-Bind-Muster »bleib da – geh weg« entsprechen. BPS-Patienten sind oft in besonderer Weise fähig, rasch ein Gefühl großer Nähe und Intimität zu vermitteln, neigen dazu, exklusive Beziehungen einzugehen, kommen dann aber mit dieser Nähe nicht zurecht und provozieren Konflikte und Spannungen, um wieder Distanz zu schaffen – und der Teufelskreis von Anziehung und Abstoßung beginnt von neuem. Für Partner und Therapeuten ist es oft schwer zu verstehen, warum gerade nach »guten« Beziehungsmomenten so oft ein Zerwürfnis erfolgt – versteht man aber die Angst vor Überwältigung, ja Eindringen des Anderen in den eigenen seelischen Innenraum mit einer daraus resultierenden Verwirrung über die Grenzen zwischen Selbst und Objekt, wird dieses Verhalten nachvollziehbar.

Damit sind wir bei der zugrunde liegenden Identitätsstörung, die TFP ja als die Basis der Borderline-Persönlichkeitsorganisation beschreibt (→ auch Abschn. 1.1.3) – die unterschiedlichen Selbst- und Objektrepräsentanzen sind widersprüchlich und können nicht in ein kohärentes Selbst-Konzept integriert werden.

Diese Identitätsstörung führt zu dem Muster der emotionalen Instabilität – wenn sich die Beziehung zu den inneren und äußeren Objekten (die aktivierten Dyaden; → Abschn. 1.3) ständig rasch ändern, wechseln natürlich auch die damit verbundenen Gefühlszustände, z. B. zwischen Momenten der fügsamen Abhängigkeit mit Sehnsucht oder Verlorenheit zu kalter Dominanz und Zorn. Ärger und Wut sind dabei oft undifferenziert evozierte und eingesetzte Affekte, mit denen Menschen mit einer BPS unbewusst versuchen, sich aus einer »zu eng«, »zu abhängig« oder »zu ohnmächtig« erlebten Beziehungssituation gleichsam »herauszukatapultieren«.

Die Identitätsstörung und die emotionale Instabilität führen zu vielfältigen inneren Spannungszuständen, die als kaum erträglich erlebt werden und zu dem bekannten Muster von selbstschädigendem, fremdschädigendem oder suizidalem Verhalten führen, um durch einen starken Reiz (z. B. einen Schmerzreiz) eine Entlastung zu finden. Menschen mit einer BPS (vor allem, wenn sie auch eine Traumafolgestörung aufweisen; → Kap. 8) neigen dazu, in Situationen, die als überwältigend erlebt werden, zu dissoziieren – auch hier wird dann häufig Selbstverletzung eingesetzt, um diese Zustände wieder zu beenden.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung tritt selten in Reinform auf. So konnten beispielsweise Tomko et al. (2014) zeigen, dass das Risiko bei Patienten mit BPS, an weiteren psychischen Störungen erkrankt zu sein, sehr hoch ist. In dieser Studie wurden bei 84,8 % komorbide Angststörungen, bei 82,7 % affektive Störungen und bei 78,2 % ein Substanzmissbrauch/-abhängigkeit im Laufe des Lebens diagnostiziert.

In weiteren epidemiologischen Studien werden als häufige komorbide Diagnosen eine hyperkinetische Störung (ADHS) mit 33,7 %, eine Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit 30,2 % sowie eine Bipolar-I-Störung (voll ausgeprägte Manie mit Depression) und eine Bipolar-II-Störung (Hypomanie mit Depression) mit 21,6 bzw. 37,7 % aufgeführt (Fornaro et al. 2016; Pagura et al. 2010; Tomko et al. 2014).

Auch werden im klinischen Alltag häufig mehrere Persönlichkeitsstörungen parallel zur BPS diagnostiziert – was zu einer verwirrenden Aussage und mangelnden Fokussierung führen kann. Hier hilft die im vorherigen Abschnitt beschriebene Systematik Kernbergs mit dem Modell der Persönlichkeitsorganisation weiter, da eine Diagnose z. B. lauten könnte: »BPS mit narzisstischen und abhängigen Zügen im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation«.

Die hohe Komorbidität und die – oft gefährliche – Neigung zur Selbstverletzung(1) und Suizidalität(1) stellt an die Behandlung von Patienten mit ein BPS besondere Anforderungen. Daher haben TFP und andere störungsspezifische Psychotherapien der BPS in ihren Manualen alle einen besonderen Wert auf Vereinbarungen zum Rahmen und zur Verantwortlichkeit des Patienten für seine Gesundheit und die Bedingungen der Psychotherapie gelegt (→ Abschn. 1.3 und 1.5).

Die S3-Leitlinien (DGPPN 2022) zur Behandlung der BPS plädieren des Weiteren für eine aktive Einbeziehungen von Angehörigen, bei schwerwiegenden komorbiden Störungen wie Essstörungen oder Abhängigkeitserkrankungen eine vorgeschaltete Behandlung dieser Störungen, eine zurückhaltende Psychopharmakotherapie und stationäre bzw. teilstationäre Psychotherapie (→ Dulz et al. 2022) nur zur zeitlich begrenzten Krisenintervention oder für ein zeitlich definiertes störungsspezifisches elektives Behandlungsprogramm.

Im folgenden Abschnitt wird ausgeführt, mit welchen Prinzipien die Übertragungsfokussierte Psychotherapie als psychodynamisches störungsspezifisches Therapieverfahren die Borderline-Persönlichkeitsstörung im Sinne einer Störung auf Borderline-Niveau behandelt.

1.3 Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie

Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie(2) (TFP) wurde als psychodynamisches Therapieverfahren zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsorganisation auf der Grundlage der Objektbeziehungstheorie von Otto Kernberg und seiner Arbeitsgruppe an der Cornell University entwickelt. Grundlage liefert ein Manual, welches einen Überblick und Leitfaden zu Kernannahmen, diagnostischen Konzepten, Taktiken, Techniken, Strategien und Phasen der Behandlung gibt (Yeomans et al. 2017). Ein Manual zur stationären TFP liegt inzwischen ebenfalls vor (Dulz et al. 2022). TFP richtet sich als empirisch überprüftes Verfahren (Clarkin et al. 2007b; Doering et al. 2010) an Therapeuten, die mit Patienten mit Persönlichkeitsstörungen arbeiten. Die Behandlung ist nicht nur für die Therapie von isolierten Persönlichkeitsstörungen nach DSM-5 konzipiert, sondern als Behandlung der »Borderline-Persönlichkeitsorganisation«, welche anhand eines strukturdiagnostischen Vorgehens in unterschiedliche Ausprägungen und Schweregrade unterteilt werden kann (Hörz et al. 2018; → Abschn. 1.1).

Der Fokus einer TFP-orientierten Behandlung liegt auf der Identitätsdiffusion(3)des Patienten: Die durch die Dominanz der Spaltungsabwehr aktiv auseinandergehaltenen Persönlichkeitsanteile führen zu einer Schwächung der Identität. Eine wirksame psychodynamische Psychotherapie muss dem Patienten helfen, seine – im Konfliktfall – auseinanderstrebenden Anteile wieder in ein bewusst wahrgenommenes Spannungsverhältnis zueinander (Ambivalenztoleranz) zu bringen.

Persönlichkeitsanteile fassen wir als Selbst- und Objektrepräsentanzen – sie liegen diesem Modell zufolge stets in Form von Teilrepräsentanzen vor, d. h. Anteile, die nicht in die dichotome Sicht (»alles gut vs. alles schlecht«) auf die Welt passen, werden mithilfe von Spaltung und anderer sogenannter primitiver Abwehrmechanismen vom Bewusstsein ferngehalten. Die Bilder von sich und anderen sind daher eindimensional und beleuchten jeweils nur einen Teil der Realität.

In unserem Beispiel wird die Therapeutin so zu Beginn als nur einschränkend und dominant erlebt und nicht auch als fürsorglich und verantwortlich. Diese ständig wechselnden Teil-Selbst- und -Objektrepräsentanzen sind in Form von wiederkehrenden Dyaden(1)(→ Fallbeispiel 1, Fortsetzung) miteinander verbunden und werden zumeist durch einen heftigen Affekt nach außen sichtbar (→ Abb. 1-1, rechte Seite). Ein Beispiel einer solchen Dyade ist die Verbindung einer verärgerten Selbstteilrepräsentanz und einer kontrollierenden Objektrepräsentanz, die mit einem wütenden Affekt verbunden ist. Diese Dyaden tauchen in allen relevanten Beziehungen auf – im Sinne abwehrbedingt vereinfachter Auffassungen des komplexen zwischenmenschlichen Beziehungsgeschehens.

FALLBEISPIEL 1 (Fortsetzung)

In einer therapeutischen Interaktion könnte sich eine solche Dyade so zeigen, dass sich der in unserem Beispiel erwähnte Patient von seiner Therapeutin durch deren Wunsch nach verbindlichen Terminen kontrolliert fühlt und sich mit wütendem Affekt auf diese Vereinbarung einlässt, im nächsten Moment jedoch die Dyade wechselt und Bedingungen zur Ferienplanung vorgibt: »Bei Abwesenheiten müssen Sie durch einen kompetenten Kollegen vertreten werden, Lücken kommen nicht infrage!«, mit denen er wie eine kontrollierende Instanz wirkt, der sich die Therapeutin zunächst unwillkürlich anpasst: »Natürlich sorge ich für eine durchgehend gesicherte Versorgung!«, bevor sie darüber reflektieren kann und z. B. diese Dyade auf einer Meta-Ebene thematisiert: »Ist Ihnen auch aufgefallen, wie Sie sich scheinbar meiner Forderung nach regelmäßigen Terminen gefügt haben, sich dabei aber offensichtlich klein und abhängig fühlten?« Und wenn der Patient zustimmt: »Und dann wurden Sie machtvoll und fordernd mit der Frage von Therapiepausen und ich habe mich schnell gefügt – haben Sie das bemerkt? Da hat ein richtiger Wechsel unserer Rollen stattgefunden!«

Zentrales Element der TFP-Behandlung ist es, die wiederkehrenden und sich gegenseitig abwehrenden (2)Dyaden in der Patient-Therapeuten-Beziehung zu identifizieren und sprachlich fassbar zu machen – unser kleines Beispiel oben hat das gerade gezeigt. Durch die Technik der Klärung, also des detaillierten Nachfragens mit einer technisch neutralen Grundhaltung (emotional beteiligt, aber nicht wertend), der Konfrontation mit Widersprüchen, Berücksichtigung der Gegenübertragung und Deutung des Übertragungsgeschehens fokussiert die TFP nicht nur auf eine Symptomreduktion, sondern auch auf eine Integration abgespaltener Selbst- und Objektanteile und somit einer Auflösung der Identitätsdiffusion (Abb. 1-1). Weitere Ziele sind eine Zunahme der Mentalisierungsfähigkeit und eine Verarbeitung von unverarbeiteten oder unsicheren verinnerlichten Bindungsrepräsentanzen (Buchheim et al. 2017; Doering et al. 2010; Fischer-Kern et al. 2015; Levy et al. 2006; → auch Kap. 2).

Abb. 1-1: Selbst- und Objektrepräsentanzen bei Borderline- (links) und normaler Persönlichkeitsorganisation (rechts) (mod. nach Clarkin et al. 2008)

Ein wesentliches Element der TFP ist die Behandlungsvereinbarung zu Therapiebeginn, auf die bei möglichen Verstößen oder neuen Gefährdungen der Therapie immer wieder eingegangen werden kann. Solche Vereinbarungen bilden die Grundlage eines stabilen therapeutischen Rahmens, auf den Therapeut und Patient sich verlässlich beziehen können und der sich wie ein roter Faden durch die Behandlungsphasen zieht.

Aufseiten des Therapeuten ist ein weiteres zentrales Merkmal der TFP neben der Beachtung der(1)verbalen Kommunikation eine intensive Wahrnehmung der (1)nonverbalen Kommunikation des Patienten sowie der eigenen (1)Gegenübertragungsreaktionen, um die bei schweren Persönlichkeitsstörungen charakteristischen intensiven und schnell oszillierenden Gefühle besser zu verstehen und therapeutisch nutzbar zu machen. Dazu kommt die Beobachtung der Inszenierungen des Patienten in der Übertragung und der äußeren Realität – und in der stationären und teil-stationären Psychotherapie in der therapeutischen Gemeinschaft.

Die TFP ist manualisiert. Folgende Regeln haben sich bewährt:2

Die Sicherung des(1) Behandlungsrahmens zum Schutz der Therapie und des Patienten. Besonderer Wert wird auf die Etablierung eines tragfähigen Behandlungsrahmens gelegt, der die Gefahr suizidalen und selbstdestruktiven Agierens von vornherein begrenzt, sodass innerhalb dieser verbindlich vereinbarten Grenzen eine effektive Bearbeitung der Destruktivität ermöglicht wird. Eine erste Begrenzung der Destruktivität wird durch einen »Überlebensvertrag« angebahnt, mit vertraglicher Verpflichtung zu selbstfürsorglichem Umgang. Dies bedeutet, dass der Therapeut zu Beginn jeder Stunde anhand einer inneren »Pilot List« kurz einschätzt, ob die Behandlung »sicher« ist, z. B.: Ist der Patient oder die Patientin selbst- oder fremdgefährdend, besteht eine Gefährdung des Behandlungsrahmens, der Gesundheit der Patienten oder des Umgangs mit der äußeren Realität?

(1)Abwehranalyse. Aktives Aufgreifen der innerpsychischen und interpersonalen Abwehrbewegungen, die sich in der therapeutischen Situation zeigen, beispielsweise Spaltung im Sinne eines Schwarz-Weiß-Erlebens der Situation mit nachfolgender Idealisierung oder Entwertung, Verleugnung, Projektion, projektiver Identifikation oder Dissoziation.

(1)Technische Neutralität. Dies meint eine Haltung empathischer Beobachtung, die das Klären der Wünsche, Ängste und Konflikte der Patientin möglich macht, ohne aber wertend zu sein oder für eine Seite des Konflikts Partei zu nehmen. Sollte doch einmal eine Parteinahme notwendig sein, um z. B. selbstschädigende Entscheidungen abzuwenden, ist in jedem Fall die Bedeutung mit der Patientin zu besprechen, warum der Therapeut die Haltung technischer Neutralität vorübergehend verlassen hat.

Die Übertragungsanalyse ist der Kern der Übertragungsfokussierten Psychotherapie. Hier werden die in der Übertragungsbeziehung aktualisierten, erlebbaren und beobachtbaren Interaktionsmuster (die Beziehungsdyaden) bearbeitet und im Laufe der Behandlung durch den Kontrast zwischen Übertragung und erlebter Beziehungsrealität zum Therapeuten modifiziert. Unerlässlich ist das Einhalten der Reihenfolge: Klären, Spiegeln von Widersprüchen, Deuten. Ziel des Klärens ist das Erkennen und Benennen der vorherrschenden aktuellen Affekte in der therapeutischen Situation (in unserem Beispiel: »Ist Ihnen auch aufgefallen, wie Sie erst ganz ruhig und dann ärgerlich-einlenkend wurden, als wir über die regelmäßigen Termine sprachen?«). Die vorherrschenden Affekte wie z. B. Verachtung, Scham, Aggression, Angst oder sehnsüchtiges Verlangen geben einen Hinweis darauf, welche dyadische Beziehung aktuell das interpersonelle Geschehen bestimmt. In Kapitel 8 werden die »führenden Emotionen« in der Borderline-Pathologie und der übertragungsfokussierte therapeutische Umgang ausführlich besprochen.

Darüber hinaus geht es im klärenden Prozess auch um die Verständigung über die eventuell sehr unterschiedliche Sicht auf die aktuelle Situation mit dem Ziel, eine gemeinsam geteilte Realität herzustellen.

FALLBEISPIEL 1 (Fortsetzung)

So könnte eine zusammenfassende Intervention der Therapeutin in unserem Beispiel lauten: »Jetzt haben wir herausgearbeitet, dass Regelmäßigkeit der Stunden einerseits von uns beiden als übergeordnet wichtig verstanden werden kann, bei Ihnen aber, wenn es als Forderung von mir kommt, heftigen Ärger, fremdbestimmt und das Gefühl, in Ihrer Autonomie eingeschränkt zu werden, auslöst.« Auch durch eine Konfrontation im Sinne von Spiegelung von Gegensätzlichkeiten können Widersprüche deutlich werden: »Einerseits legen Sie größten Wert darauf, dass die Therapie auf keinen Fall durch meine Urlaube unterbrochen wird, anderseits fällt es Ihnen schwer, die Notwendigkeit regelmäßiger Termine anzuerkennen.«

(1)Metaphorisches Deuten. Das Herausarbeiten der dominanten Objektbeziehungsdyade erfolgt durch metaphorisch gehaltene Interpretationsangebote der dominanten Beziehung im Hier und Jetzt (z. B. »Täter-Opfer-Dyade«: Patient erlebt sich als Opfer, Therapeut wird als Täter erlebt). Erst nach dem sorgfältigen Klärungsprozess der vorherrschenden Affekte sollte die Beziehung möglichst metaphorisch benannt werden – wiederum unbedingt mit der Einladung verbunden, dies sorgfältig gemeinsam zu betrachten. Dazu ein Fallbeispiel:

FALLBEISPIEL 2

Dies könnte in einer Situation mit einer empörten affektgeladenen Patientin und einem zunehmend verstummenden Therapeuten so aussehen: »Stellen Sie sich vor, Sie und ich, die hier gerade diese schwierige Situation erleben, sitzen auf einer Bühne. Und gleichzeitig können Sie sich vielleicht vorstellen, Sie und ich sitzen im Zuschauerraum und blicken auf die beiden auf der Bühne. Wie würden Sie beschreiben, was die da miteinander erleben und machen? … Wenn ich mir das anschaue, kommt es mir so vor, als sei es eine Situation wie zwischen einem eingeschüchterten Kind, das immer stiller wird, und einem bedrohlichen Erwachsenen – ich bin hier wie das eingeschüchterte Kind und Sie wie ein mächtiger Elternteil. Würden Sie das auch so sehen oder vielleicht gerade ganz andersherum …?«

Bearbeiten des Rollentauschs. Die Frage »Würden Sie es vielleicht gerade ganz andersherum sehen« eröffnet den Blickwinkel für die Reziprozität im Beziehungsgeschehen (Therapeut als Täter, Patientin als Opfer) und hilft dabei, die eigenen Täter- und Opferanteile zu identifizieren.

Identifikation der abgewehrten Dyade. Für den Kliniker ist es besonders wichtig, herauszuarbeiten, welche Beziehung durch die dominante Beziehung abgewehrt wird und warum (→ Abb. 1-2).

Abb. 1-2: Wechselseitige Abwehr verschiedener Teilobjektbeziehungsdyaden. Die manifeste (obere) »Angreifer-Opfer-Dyade« ist komplett abgespalten von der (unteren) Dyade »Fürsorgliche Person – umsorgtes Kind«, welche durch Spaltungsabwehr nicht zugelassen wird.

Durch die Beleuchtung und Durcharbeitung dieser wechselseitigen Abwehrfunktionen der Dyaden erlernt der Patient im therapeutischen Prozess eine reflektierende, sich und die Interaktionen beobachtende Haltung (»reflective functioning« und Mentalisierung; → Kap. 2).

Von entscheidender Bedeutung ist die Grundregel – und das Hauptziel der Therapie –, negative und positive Übertragung beidseitig aufzugreifen, um der Spaltungstendenz entgegenzuwirken und strukturelle Integration zu erreichen. Es wird ein dualer Aufmerksamkeitsfokus geschaffen für positive und negative Beziehungsaspekte (→ Kap. 6, Kap. 12). Dies ist vielleicht in Analogie zu der traumaspezifischen Behandlungsmethode der EMDR-Technik zu sehen: Hier zeigen sich erwiesenermaßen »Pendelinterventionen« als therapeutisch wirksam, die zur Förderung der kognitiven Verarbeitung infolge neuronaler Neuvernetzung zwischen belastender Exposition und Ressourcenaktivierung hin- und herpendeln (→ Kap. 8).

1.4 TFP im Wandel der Zeit: neue Entwicklungen

Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie(1), im vorigen Abschnitt in ihrer praktischen Anwendung veranschaulicht, wurde ursprünglich für die Behandlung von schweren Persönlichkeitsstörungen entwickelt (Clarkin et al. 2001b). In ihren aktuellen Entwicklungen kann sie als ein transdiagnostisches Therapieverfahren zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen auf allen Niveaus der Persönlichkeitsorganisation verstanden werden.

Die Behandlungsziele der TFP konzentrieren sich nicht nur auf Symptomveränderungen, sondern auch auf Änderungen der Persönlichkeitsorganisation, Bindung und Mentalisierung. Die TFP für schwere Persönlichkeitsstörungen (Yeomans et al. 2017) wurde in mehreren Studien zur Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) empirisch untersucht.

1.4.1 Veränderung von Symptomen und Indikatoren des Schweregrads

In einer ersten Studie führte die TFP zu einer Veränderung der Symptome der BPS, einer geringeren Suizidrate sowie zu weniger stationären Aufnahmen (Clarkin et al. 2001a). In einer randomisiert-kontrollierten Studie (randomized controlled trial, RTC) wurde die TFP mit der supportiven Therapie nach Rockland und der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) nach Linehan verglichen. Hier wurde die Wirksamkeit der TFP dahingehend bestätigt, dass alle drei Verfahren mit wesentlichen Verbesserungen im Bereich der Angst- und Depressionssymptome sowie der Suizidalität einhergingen (Clarkin et al. 2007b). Bei der TFP zeigten sich zudem noch signifikante positive Veränderungen im Bereich von Reizbarkeit und verbalen sowie direkten Angriffen. Auch in einer anderen Studie (Doering et al. 2010) konnte die Wirksamkeit der TFP im Vergleich zur Behandlung durch erfahrene Therapeuten gezeigt werden, bei der die TFP zu verschiedenen klinisch relevanten Veränderungen führte (beispielsweise weniger Therapieabbrüche, stärkere Abnahme der BPS-Symptome, weniger Suizidversuche als in der Vergleichsgruppe). Eine weitere randomisiert-kontrollierte Studie (Giesen-Bloo et al. 2006) wies nach, dass TFP in einem Zeitraum von drei Jahren die psychopathologische Störung sowie klinische Symptome signifikant reduzieren konnte. In dieser Studie erwies sich jedoch die schemafokussierte Therapie nach Young et al. (2008) als wirkungsvoller. Dies ist möglicherweise auf methodische Mängel bei der TFP-Behandlung zurückzuführen, etwa in Fragen der Manualtreue und Supervision bei den TFP-Therapeuten (Yeomans 2007).

1.4.2 Veränderungen der Bindung, Mentalisierung und Struktur

In der ersten randomisiert-kontrollierten Studie zeigten sich bei der TFP zudem noch signifikante positive Veränderungen im Bereich der Mentalisierung (»reflective functioning« nach Fonagy et al. 1998) und eine signifikante Veränderung in der Zunahme von sicherer Bindung (Levy et al. 2006