Psychoedukative Interventionen mit Krebspatienten - Joachim Weis - E-Book

Psychoedukative Interventionen mit Krebspatienten E-Book

Joachim Weis

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Beschreibung

Psychosoziale Belastungen bei einer Krebserkrankung lindern - Flexible Anwendungsformen: Interventionen für Einzel- und Gruppensetting, stationär wie ambulant - Expertise: Baut auf langjähriger klinischer Erfahrung der AutorInnen mit psychoedukativen und psychotherapeutischen Interventionen auf - Wirksamkeit: Wissenschaftlich belegt im Rahmen eines von der Stiftung Deutsche Krebshilfe geförderten Forschungsprojektes Die Psychoedukation als Unterstützung von Krebspatientinnen und -patienten ist mittlerweile auch im deutschen Gesundheitssystem anerkannt. In Rehabilitationskliniken, Krebsberatungsstellen oder in der ambulanten Psychotherapiepraxis ist sie eine der wirksamsten Maßnahmen. Dieses Buch bietet ein strukturiertes Programm für alle, die mit an Krebs erkrankten Menschen arbeiten. In allen Phasen der Erkrankung kann eine professionelle psychosoziale Unterstützung für die Betroffenen sinnvoll und hilfreich sein, um die vielfältigen Belastungen besser bewältigen zu können. Nach Erläuterung der Grundlagen und des Forschungsstands leitet das Manual direkt in die praktischen Sitzungen über: - Gesundheitsförderung bei Krebs - Krankheit und Stress - Krankheitsverarbeitung und Gesundheitskompetenz - Subjektive Bedürfnisse und personale Ressourcen - Umgang mit belastenden Gefühlen - Kontakt zu nahestehenden Personen - Gespräche mit ÄrztInnen und anderen professionellen HelferInnen - Belastungen und Bewältigung in Beruf und Alltag Der Schwerpunkt des Programms liegt auf den psychosozialen Problemlagen der Betroffenen und zielt auf die Klärung ihrer Bedürfnisse, die Aktivierung von Ressourcen sowie die Unterstützung und Förderung der Krankheitsverarbeitung ab. Zu den einzelnen Sitzungen stehen Arbeitsblätter und Übungen bereit, die auch online ausgedruckt werden können. Dieses Buch richtet sich an: PsychoonkologInnen, PsychotherapeutInnen, FachärztInnen für Psychotherapie und psychosomatische Medizin, FachärztInnen Psychiatrie, PädagogInnen, SozialpädagogInnen, SozialarbeiterInnen, GesundheitspädagogInnen

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Seitenzahl: 224

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Joachim Weis ■ Ulrike Heckl ■ Susanne Seuthe-Witz

Psychoedukative Interventionen mit Krebspatienten

Das Therapiemanual

Impressum

Prof. Dr. phil. Joachim Weis

Psychologischer Psychotherapeut

Universitätsklinikum Freiburg

Tumorzentrum/CCC Freiburg

Stiftungsprofessur Selbsthilfeforschung

Hugstetter Str. 49, 79106 Freiburg

[email protected]

Susanne Seuthe-Witz, Dipl. Soz. Päd.

Werderstr. 33, 79379 Müllheim

[email protected]

Dr. phil. Ulrike Heckl

Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie)

Psychoonkologin (WPO)

Supervisorin (systemisch)

Stadtstr. 11, 79104 Freiburg

Praxis für Psychotherapie und Psychoonkologie

[email protected]

Die digitalen Zusatzmaterialien haben wir zum Download auf www.klett-cotta.de bereitgestellt. Geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM40035

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Schattauer

www.schattauer.de

© 2021 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von Yoann Boyer (Unsplash)

Lektorat: Marion Drachsel

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Printausgabe: ISBN 978-3-608-40035-9

E-Book: ISBN 978-3-608-12100-1

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20512-1

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

Vorwort

1 Einführung

2 Krankheit und Gesundheit

2.1 Das Modell der Salutogenese

2.2 Stellenwert der Salutogenese in der Psychoonkologie

2.3 Die Bedeutung von Stress und Stresserleben für Krankheit und Gesundheit

3 Psychosoziale Belastungen und Komorbidität bei Krebs

3.1 Allgemeine Übersicht

3.2 Spezielle Belastungen

3.2.1 Tumorassoziierte Fatigue

3.2.2 Kognitive Leistungseinschränkungen

3.2.3 Progredienz-/Rezidivangst

3.2.4 Berufliche Reintegration

3.3 Psychische Komorbidität bei Krebspatienten

4 Krankheitsverarbeitung

4.1 Definition der Krankheitsverarbeitung

4.2 Einfluss personaler und sozialer Ressourcen auf den Prozess der Krankheitsverarbeitung

4.3 Diagnostik der Krankheitsverarbeitung

4.4 Krankheitsverarbeitung und Salutogenese

4.5 Krankheitsverarbeitung und soziale Unterstützung

4.6 Krankheitsverarbeitung und Informationssuche

4.7 Krankheitsverarbeitung und Patientenkompetenz

5 Psychoedukation in der Onkologie: Hintergrund und Forschungsstand

5.1 Einführung: Überblick und Konzeptentwicklung

5.2 Strukturelemente

5.2.1 Zielgruppe der Interventionen

5.2.2 Art und Dauer der Interventionen

5.3 Wissenschaftliche Evidenz psychoedukativer Interventionen bei Krebspatienten

5.3.1 Forschungsüberblick und Fragestellungen

5.3.2 Ergebnisse

5.4 Spezifische Anwendungsprogramme in der Onkologie

6 Einführung in das Manual

6.1 Methodische Elemente des Gruppenprogramms

6.2 Voraussetzungen zur Durchführung als Gruppenprogramm

6.2.1 Hinweise für den Gruppenleiter

6.2.2 Räumliche und apparative Ausstattung

6.2.3 Zusammensetzung der Gruppe

6.2.4 Vorgespräche

6.3 Ablaufstruktur der Sitzungen

6.3.1 Eingangsrunde zur aktuellen Befindlichkeit

6.3.2 Informationen zum thematischen Hintergrund

6.3.3 Abschluss der Sitzung

6.4 Erläuterungen zu methodischen Elementen

6.4.1 Clustertechnik

6.4.2 Elfchen

6.4.3 Rollenspiel

6.4.4 Hausaufgaben

6.4.5 Gelenkte Imagination

6.5 Modifikationen des Manuals für die Anwendung in verschiedenen Settings

6.5.1 Allgemeine Hinweise

6.5.2 Modifikation für die stationäre Rehabilitation

6.5.3 Modifikation als Einzelintervention in der ambulanten Versorgung

7 Die Sitzungen im Einzelnen

7.1 Sitzung 1: Gesundheitsförderung bei Krebs

7.1.1 Thematischer Hintergrund

7.1.2 Zielsetzung

7.1.3 Sitzung 1 im tabellarischen Überblick

7.1.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

7.2 Sitzung 2: Krankheit und Stress

7.2.1 Thematischer Hintergrund

7.2.2 Zielsetzung

7.2.3 Sitzung 2 im tabellarischen Überblick

7.2.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

7.3 Sitzung 3: Krankheitsverarbeitung und Gesundheitskompetenz

7.3.1 Thematischer Hintergrund

7.3.2 Zielsetzung

7.3.3 Sitzung 3 im tabellarischen Überblick

7.3.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

7.4 Sitzung 4: Subjektive Bedürfnisse und personale Ressourcen

7.4.1 Thematischer Hintergrund

7.4.2 Zielsetzung

7.4.3 Sitzung 4 im tabellarischen Überblick

7.4.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

7.5 Sitzung 5: Umgang mit belastenden Gefühlen

7.5.1 Thematischer Hintergrund

7.5.2 Zielsetzung

7.5.3 Sitzung 5 im tabellarischen Überblick

7.5.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

7.6 Sitzung 6: Kontakt zu nahestehenden Personen

7.6.1 Thematischer Hintergrund

7.6.2 Zielsetzung

7.6.3 Sitzung 6 im tabellarischen Überblick

7.6.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

7.7 Sitzung 7: Gespräche mit Ärzten und professionellen Helfern

7.7.1 Thematischer Hintergrund

7.7.2 Zielsetzung

7.7.3 Sitzung 7 im tabellarischen Überblick

7.7.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

7.8 Sitzung 8: Belastungen und deren Bewältigung in Beruf und Alltag

7.8.1 Thematischer Hintergrund

7.8.2 Zielsetzung

7.8.3 Sitzung 8 im tabellarischen Überblick

7.8.4 Inhaltlicher Ablauf

Arbeitsmaterialien

Literatur

Sachverzeichnis

Vorwort

Die psychoonkologische Versorgung von Tumorpatientinnen und -patienten1 hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist heute ein integraler Bestandteil der medizinischen Diagnostik und Behandlung. Dennoch bestehen immer noch gravierende Versorgungslücken insbesondere im ambulanten Bereich oder auch im Bereich der Versorgung der anwachsenden Zahl der Langzeitüberlebenden einer Tumorerkrankung, die sehr lange nach Beendigung ihrer medizinischen Behandlung teilweise sogar lebenslang unter körperlichen und seelischen Folgeproblemen wie beispielsweise Fatigue, Niedergeschlagenheit, Depression, Rezidiv- oder Progressionsangst oder kognitiven Leistungseinschränkungen leiden. Daher ist es in der Psychoonkologie von großer Bedeutung, konkrete und strukturierte Hilfestellungen für Krebspatienten in allen Phasen ihrer Erkrankung zu geben.

Seit vielen Jahren arbeiten wir in der psychoonkologischen Beratung und psychotherapeutischen Behandlung von Tumorpatienten sowohl im Bereich der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung als auch in der Akutversorgung oder stationären onkologischen Rehabilitation. Aus unserer langjährigen Erfahrung wissen wir, wie wichtig psychosoziale Entlastung, aber auch ressourcenorientierte Arbeit und das Aufzeigen neuer Wege im Umgang mit der Erkrankung und ihrer Folgen für die betroffenen Menschen sind. Hierbei haben wir von unseren Patienten immer wieder die Rückmeldung erhalten, wie wichtig ihnen konkrete Hinweise und strukturierte Hilfestellungen für ihren Verarbeitungsprozess sind.

Das vorliegende Buch mit dem strukturierten Manual baut auf unserer langjähriger klinischen Erfahrung mit psychoedukativen und psychotherapeutischen Interventionen auf. Vor diesem Hintergrund haben wir verschiedene Konzepte der Psychoedukation mit Ansätzen der kognitiven Verhaltenstherapie, Transaktionsanalyse und Poesie-Bibliotherapie erweitert und auf die spezifischen Bedürfnisse und Problemlagen der Tumorpatienten ausgerichtet. Unser im Jahr 2006 erschienenes Buch zur Psychoedukation mit Krebspatienten (Weis et al. 2006) ist bei den Psychoonkologen verschiedener Fachdisziplinen auf positive Resonanz gestoßen. Seit Erscheinen dieses Buches hat sich die psychoonkologische Versorgung insbesondere im Bereich der ambulanten psychosozialen Krebsberatung verändert, in der auch psychoedukative Ansätze erfolgreich einbezogen werden können. Wir haben in den letzten Jahren kontinuierlich an der Weiterentwicklung des psychoedukativen Konzeptes gearbeitet und legen mit diesem Buch eine komplett überarbeitete Neuauflage vor. In dieser Neuauflage haben wir die Forschungsliteratur aktualisiert und die Fortschritte sowie die Weiterentwicklung der psychoonkologischen Versorgung einbezogen. Die Komprimierung des Programms auf acht thematische Sitzungen trägt nach unseren Erfahrungen der Tatsache Rechnung, dass Krebspatienten häufig zeitlich begrenzte und überschaubare Unterstützungsangebote suchen und benötigen. Zugleich erlaubt der modulare Ansatz auch die Erweiterung im Hinblick auf verschiedene ambulante oder stationäre Einzel- oder Gruppensettings oder die Verwendung einzelner Elemente in der psychosozialen Krebsberatung oder in der Einzelpsychotherapie.

Wir hoffen mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der psychoonkologischen Beratung und Behandlung leisten zu können.

Joachim Weis, Ulrike Heckl und Susanne Seuthe-Witz

Freiburg, Oktober 2020

1 Einführung

Mit jährlich annähernd 500 000 Neuerkrankungen zählt Krebs zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Bei den Frauen ist die Brustkrebserkrankung mit jährlich ca. 72 000 Neuerkrankungen die häufigste Tumorerkrankung(1), bei den Männern das Prostatakarzinom mit jährlich nahezu 60 000 Neuerkrankungen (Robert Koch-Institut 2016). Wie bei vielen anderen chronisch körperlichen Erkrankungen sind die Ursachen der Krebserkrankung zumeist multifaktoriell und häufig nicht genau bekannt, jedoch liegen neben einer genetischen Disposition wesentliche Ursachen im Bereich des »Lebensstils« der Betroffenen (v. a. gesundheitliches Risikoverhalten wie Rauchen, Ernährung, Sonnenexposition, Bewegungsmangel). Wenngleich hinsichtlich der Sterblichkeit für einige Krebsarten wie beispielsweise Hodenkrebs oder maligne Lymphomerkrankungen ein Rückgang in den letzten Jahren festzustellen ist, sind die Tumorerkrankungen nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache für beide Geschlechter geblieben. Durch die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten können immer mehr Krebsbetroffene auch über längere Zeiträume mit einer Krebserkrankung leben. Zugleich nimmt auch die Anzahl derjenigen Patienten zu, die tumorfrei sind, aber durch die Tumortherapie lebenslange Folgeprobleme haben.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Krebspatienten mit zahlreichen körperlichen und psychosozialen Belastungen konfrontiert sind. In allen Phasen der Erkrankung kann eine professionelle psychosoziale Unterstützung für die Betroffenen sinnvoll und hilfreich sein, um die vielfältigen Belastungen besser bewältigen zu können. In dem breiten Spektrum der professionellen psychoonkologischen Unterstützungsangebote nehmen psychoedukative Interventionen einen wichtigen Stellenwert ein. Die S3-Leitlinie für psychologische Diagnostik, Beratung und Behandlung erwachsener Krebspatienten (im Folgenden S3-Leitlinie Psychoonkologie(1) genannt) (AWMF 2014) empfiehlt psychoedukative Interventionen als eine der wirksamen Maßnahmen zur Unterstützung von Krebspatienten. Das vorliegende Buch mit dem strukturierten Manual baut auf langjähriger klinischer Erfahrung mit psychoedukativen und psychotherapeutischen Interventionen der Autorinnen und Autoren auf und stellt eine komplett überarbeitete Neuauflage des im Jahre 2006 erschienen Buches dar (Weis et al. 2006). Das psychoedukative Gruppenprogramm wurde im Rahmen eines von der Stiftung Deutsche Krebshilfe geförderten Forschungsprojektes wissenschaftlich evaluiert und hat sich als wirksam erwiesen (Weis et al. 2007). Der Schwerpunkt des Programms liegt auf den psychosozialen Problemlagen der Krebspatientinnen und Krebspatienten und zielt auf die Klärung der daraus resultierenden Bedürfnisse, die Aktivierung von Ressourcen sowie die Unterstützung und Förderung der Krankheitsverarbeitung ab.

In einem Theorieteil (Kap. 1 bis Kap. 5) werden die für das Programm wichtigen Hintergrundinformationen sowie theoretischen Konzepte vorgestellt. Im Kapitel 6 wird das Konzept unseres psychoedukativen Programms erläutert und in den Kapiteln 7.1. bis 7.8 werden die einzelnen Sitzungen zusammen mit den dazugehörigen Arbeitsmaterialien dargestellt.

2 Krankheit und Gesundheit

2.1 Das Modell der Salutogenese

In den vergangenen drei Jahrzehnten ist der Begriff der Gesundheit(1) vermehrt in den Blick des öffentlichen Interesses und der medizinischen Wissenschaften gerückt. Ausgehend von der mittlerweile veralteten Definition der WHO von 1949, nach der Gesundheit als ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen definiert wird, wurden in der Folge verschiedene Konzepte vorgelegt, nach denen Gesundheit als ein dynamischer Prozess und im Laufe einer Biografie eines Menschen in stetiger Veränderung begriffen wird.

Dabei spielt Gesundheitsförderung(1) im Sinne der Primärprävention von Krankheiten eine wichtige Rolle. Im Kontext einer bereits vorliegenden Krankheit wie einer Tumorerkrankung geht es jedoch nicht um Fragen der Vorbeugung einer Krankheit, sondern um die Frage der Verhinderung von Verschlimmerung, Folgeproblemen und Rezidiven im Sinne der Sekundär- und Tertiärprävention. Auf der psychischen Ebene bedeutet das für die Patienten, die Verarbeitung ihrer Krankheitssituation zu verbessern und damit zu ihrer Genesung aktiv beitragen zu können.

In der Onkologie versteht man unter der primären Prävention(1) die Krebsvorbeugung also die Verhinderung einer Krebserkrankung. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen Tabakkonsum, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, zu viel Alkohol, UV-Licht, Belastungen durch Schadstoffe am Arbeitsplatz und aus der Umwelt. Über die Beeinflussung des Lebensstils kann das Risiko einer Krebserkrankung reduziert werden. Unter der sekundären Prävention wird die Krebsfrüherkennung verstanden, die eine frühzeitige Behandlung ermöglicht und dadurch mit besseren Heilungschancen verbunden ist. Die tertiäre Prävention(1) besteht darin, über Nachsorgeuntersuchungen Rezidive oder das Fortschreiten der Erkrankung, aber auch Folgen der Therapie frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Der Beitrag der Psychologie zur Gesundheitsförderung liegt darin, den Menschen zu einem positiveren Umgang mit ihrer Lebenssituation, ihren Lebensgewohnheiten und ihren krankheitsbedingten Belastungen zu befähigen bzw. sie dabei zu unterstützen. Dazu gehören:

eine aufmerksame Beobachtung der körperlichen Fähigkeiten hinsichtlich Leistungsgrenzen

eine aufmerksame Beobachtung des emotionalen Befindens

das Bewusstmachen eigener Bedürfnisse

eine offene Kommunikation im sozialen Umfeld

Kenntnisse über potenziell schädigendes Verhalten

Die Suche nach Ursachen von Erkrankungen hat das medizinische Denken über Jahrhunderte geprägt und sehr viel zum medizinischen Fortschritt beigetragen. Über lange Zeit war in der Medizin das Pathogenesemodell(1) das vorherrschende Paradigma, das sich mit den Ursachen von Krankheiten beschäftigt und den Menschen in krank oder gesund einteilt. Beispiele für medizinische Errungenschaften, die auf dem Pathogenesemodell aufbauen, sind die Entdeckung von Erregern oder krankheitsverursachenden Keimen, aber auch modernere Konzepte wie Risikofaktoren oder Lebensstil. Mit der Zunahme von chronischen Erkrankungen, deren Ursachen meist multikausal bedingt sind und die häufig nicht geheilt werden können, wurden die Phänomene Krankheit und Gesundheit aus neuen Perspektiven betrachtet. Ausgehend von der übergeordneten Leitfrage »Was erhält Gesundheit« wurden die gesundheitserhaltenden Faktoren zunehmend in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt.

Nähert man sich dem Begriff der wörtlichen Übersetzung, dann leitet sich die Salutogenese(1) ab von salus (lat.): Heil, Gesundheit, Rettung und Genesis (griech.): Entstehung, Ursprung. Es geht also um Entstehung von Gesundheit im Sinne eines komplexen Geflechtes von psychischen, physischen und sozialen Faktoren.

Wenngleich sich salutogenetische Gedanken bei verschiedenen Autoren in der Medizin, Psychologie oder Philosophie aufzeigen lassen, geht der Begriff der Salutogenese in unserem heutigen Verständnis auf den Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923–1994) zurück. Ihm kommt das Verdienst zu, den Begriff eingeführt und das Konzept der Salutogenese als eines der umfangreichsten Modelle zur Bedeutung von Protektivfaktoren(1) ausgearbeitet zu haben. Seine Forschungen beschäftigten sich mit der Frage, warum und auf welche Weise Menschen trotz verschiedener (mikrobiologischer, chemischer, physikalischer, psychologischer, sozialer und kultureller) krankheitserregender Bedingungen gesund bleiben. In seinem Konzept der Salutogenese, das er in einem Zeitraum von ca. zehn Jahren entwickelte, spielen die personalen und sozialen Ressourcen(1) eine wesentliche Rolle, wobei sein Forschungsinteresse auf den personalen Ressourcen liegt (Antonovsky 1997). Die zentrale personale Ressource ist in seinem Modell das Kohärenzgefühl(1) (sense of coherence), ein Konstrukt, das ausdrückt, in welchem Umfang jemand ein generalisiertes, überdauerndes, trotzdem auch dynamisches Gefühl des grundlegenden Vertrauens besitzt. Das Kohärenzgefühl beinhaltet ein positives Selbstbild hinsichtlich der eigenen Handlungsfähigkeit, der Bewältigungsmöglichkeit externer und interner Lebensbedingungen mit dem Bestreben, den Lebensbedingungen einen subjektiven Sinn zu geben und sie mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Drei Komponenten spielen dabei eine wesentliche Rolle:

Verstehbarkeit – die Fähigkeit, komplexe Lebenszusammenhänge und Lebensprozesse zu verstehen

Handhabbarkeit oder Machbarkeit – die Überzeugung, das eigene Leben gestalten zu können

Bedeutsamkeit oder Sinnhaftigkeit – der Glaube, dass das Leben einen Sinn hat

In der salutogenetischen Sichtweise werden Gesundheit und Krankheit als zwei Pole auf einem Kontinuum verstanden, d. h. jeder Mensch ist mehr oder weniger gesund und mehr oder weniger krank. Ziel ist es, die Faktoren zu fördern, die dazu beitragen, dass Menschen sich immer mehr in Richtung Gesundheit entwickeln. Dabei ist es wichtig, den ganzen Menschen mit all seinen Facetten, Möglichkeiten und Grenzen im Auge zu haben. Hierbei spielt die Biografie eines Menschen eine wichtige Rolle, aus der die individuellen Faktoren identifiziert werden können, die ihn Richtung Gesundheit auf dem angesprochenen Kontinuum führen. Gleichzeitig betont Antonovsky aber auch, dass das Leben immer auch durch Stressfaktoren(1) beeinflusst wird, psychosozialer Stress per se aber nicht gesundheitsschädigend sein muss, sondern auch gesundheitsfördernd sein kann, wenn er von der betreffenden Person als eine Herausforderung erlebt wird (Bengel 1997; Weis 1997).

2.2 Stellenwert der Salutogenese in der Psychoonkologie

Die Auseinandersetzung mit einer Krebserkrankung geht mit starken Gefühlen einher, wie existenzieller Verunsicherung, Ohnmacht, dem Gefühl des Ausgeliefertseins und des Kontrollverlustes. Viele Patienten richten ihr Augenmerk häufig nur noch auf das erlebte Defizit. Sie nehmen sich selbst gegenüber einen pathogenetischen Blickwinkel ein.

Psychoonkologische Behandlungsansätze(1) richten sich darum insbesondere darauf, diese Sichtweise zu verändern und die Selbstkontrolle der Patienten zu fördern, vorhandene Ressourcen wahrzunehmen und zu stärken und sie in ihrer Krankheitsverarbeitung(1) zu unterstützen. Gesundheitserhaltende Faktoren sollten im Mittelpunkt des therapeutischen Arbeitens stehen und den Patienten helfen, so konstruktiv wie möglich mit den Bedrohungen und Krisen umzugehen. Zielsetzungen therapeutischen Handelns sind dabei:

Stärkung des Selbsthilfepotenzials (Selbstkontrolle, Selbstverantwortung)

Ermutigung zu offenem Ausdruck von Gefühlen, insbesondere Angst, Wut und andere sogenannte negative Gefühle

Reduktion von Angst, Depression, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit

Verbesserung des Selbstwertgefühls und der mentalen Einstellung zur Krebserkrankung

Förderung der verbleibenden Gesundheit und personaler Ressourcen

Verbesserung der Kommunikation zwischen Patienten, Partnern und Angehörigen

2.3 Die Bedeutung von Stress und Stresserleben für Krankheit und Gesundheit

»Stress(1)« ist ein umgangssprachlich viel benutzter, aber wenig differenzierter Begriff. Er wird sowohl für stressauslösende Bedingungen verwendet wie auch für die Befindlichkeit der betroffenen Person benutzt und spielt auch in der Diskussion um das Belastungserleben bei Krebspatienten eine große Rolle. Zum besseren Verständnis von Belastungsfaktoren(1) und Belastungserleben bei Krebspatienten werden im Folgenden die grundlegenden Zusammenhänge des Phänomens Stress verdeutlicht (Heinrichs et al. 2015).

Stressauslösende Bedingungen werden als Stressoren bezeichnet. Stressoren können alle Anforderungen oder Belastungen sein, die bei einer Person eine Stressreaktion auslösen. Dazu zählen auch seelische Stressoren, wie negative Denkmuster, die Neigung zu Ungeduld, Ärger, Wut, Angst, Feindseligkeit, Versagensängste, Zeit- und Leistungsdruck, zu hohe Erwartungen, Unterforderung, Überforderung, Nichterfüllung wesentlicher Bedürfnisse, Enttäuschung oder Hilflosigkeit. Je unbekannter eine Situation ist, je weniger sie vorhersehbar ist und je weniger der Betroffene die Einschätzung hat, dass er sie beeinflussen kann, desto belastender wird er sie empfinden und mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Stressreaktion antworten.

Unter Stressreaktionen(1) werden alle Prozesse zusammengefasst, die aufseiten der betroffenen Person als Antwort auf einen Stressor in Gang gesetzt werden. Stressreaktionen können auf der körperlichen, kognitiv-emotionalen Ebene und auf der Verhaltensebene beschrieben werden.

Stressreaktionen auf der körperlichen Ebene zeigen sich vor allem in den folgenden Symptomen:

Die Herzschlagrate steigt an, weil das Herz besser durchblutet und leistungsfähiger wird.

Der Blutdruck steigt.

Der Blutzuckerspiegel steigt.

Die Atmung wird schneller, weil die Bronchien sich erweitern.

Die Muskelspannung erhöht sich, weil die Skelettmuskulatur vermehrt durchblutet wird.

Personen unter Stress beschreiben aber beispielsweise auch einen trockenen Mund, einen Kloß im Hals, ein flaues Gefühl im Magen, Herzrasen oder -stolpern. Oft klagen sie über eine ungewöhnliche Müdigkeit.

Stressreaktionen auf der Verhaltensebene beschreiben alle Verhaltensweisen, die Personen in belastenden Situationen zeigen, z. B.:

ungeduldiges Verhalten

konfliktreicher Umgang mit anderen Menschen, wie gereiztes, aggressives Verhalten, »aus der Haut fahren«

Suchtverhalten wie Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum, Esssucht

Kognitiv-emotionale Stressreaktionen umfassen intrapsychische Vorgänge, wie Gedanken und Gefühle, die von belastenden Situationen ausgelöst werden:

Gefühle der inneren Unruhe, Nervosität oder des Gehetztseins

Leere im Kopf (Blackout)

Denkblockaden

Gedankenkreisen, Grübeln

Konzentrationsstörungen

Leistungsstörungen

Scheuklappeneffekt: Rigidität

Problemtrance

Die Stressreaktionen auf allen drei Ebenen können sich wechselseitig beeinflussen und sich im Sinne eines Circulus vitiosus auch gegenseitig negativ verstärken.

Physiologisch werden diese Reaktionen durch das komplexe Zusammenspiel des zentralen Nervensystems, des vegetativen Nervensystems und des hormonellen Systems bewirkt. Dabei steht die Ausschüttung von Hormonen in der Nebennierenrinde (u. a. Cortisol) und im Nebennierenmark (u. a. Adrenalin) im Vordergrund. Bei entsprechender Stimulierung wird über den sympathischen Teil des vegetativen Nervensystems das Nebennierenmark angeregt. So kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Noradrenalin. Beide Hormone versetzen den Organismus in die Lage, sehr schnell zu reagieren (»Notfallreaktion«). Gleichzeitig kommt es im Hypothalamus zur Freisetzung des Corticotropin-Releasing-Faktors (CRF). Es handelt sich dabei um ein Hormon, das über ein Gefäßsystem zur Hypophyse gelangt, dort die Sekretion des Hormons Adrenocorticotropin (ACTH) bewirkt, das wiederum in der Nebennierenrinde die Freisetzung von Cortisol anregt. Dieses Hormon hat Einfluss auf die Bereitstellung von energielieferndem Blutzucker bis zur Einflussnahme auf das Immunsystem (von Dawans & Heinrichs 2018).

Die Auswirkungen von Stress auf die Gesundheit sind ein Thema, das Patienten häufig beschäftigt, insbesondere ob Stress im Beruf oder in privaten Lebenssituationen ihre Krebserkrankung verursacht haben könnte oder den weiteren Verlauf der Erkrankung ungünstig beeinflussen kann.

Biologisch betrachtet ist Stress(2) eine notwendige Reaktion des Körpers, einer Gefahr zu begegnen, nämlich Energie für Kampf oder Flucht bereitzustellen. Auch in unserem normalen Alltag ermöglicht uns diese Reaktionsfähigkeit auf schnell wechselnde Lebensumstände zu reagieren. Auf der körperlichen Ebene erfolgt nach den ersten Stressreaktionen eine Anpassungsphase, in der sich der Körper wieder auf Normalniveau zurückreguliert, auch wenn der Stressauslöser weiter einwirkt. Folgt aber hierauf keine Erholungsphase, kann es zur Erschöpfung der körperlichen Reaktionsfähigkeit kommen. Grundsätzlich ist eine körperliche Aktivierung, die durch einen Stressor ausgelöst wird, nicht gesundheitsschädlich, sofern die Stresssituation nicht langfristig bestehen bleibt.

In der sozialen Stresstheorie werden die beiden Konzepte »Eustress« und »Distress« gegenübergestellt. Das Konzept Eustress(1) beschreibt im Stresserleben eines Menschen die Bewertung von Belastungen als Herausforderung, bei denen sich die Person als kompetent erlebt, um die Belastungssituation gut meistern zu können. Eine mittlere Aktivierung wird meist als angenehme Anspannung erlebt und ist Voraussetzung für eine optimale Leistung. Das Konzept Distress(1) dahingegen beschreibt das Belastungserleben als eine Überforderung mit lang anhaltender Aktivierung sowie Anspannung ohne Erholungsmöglichkeiten. Die Grenzen zwischen Eustress und Distress sind in der Regel fließend. So kann sich eine positive Herausforderung sehr schnell in Distress umwandeln. Was Menschen als Stress erleben, ist daher interindividuell sehr unterschiedlich. Was von einem als belastend erlebt wird, wird von jemand anderem als anregend empfunden. Wie jemand auf stressauslösende Situationen reagiert, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Bedeutung die jeweilige Situation für die betroffene Person hat und wie sie die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten einschätzt bzw. die Unterstützung, die ihr zur Verfügung steht, auf die sie zurückgreifen kann.

Psychoneuroimmunologische Studien(1) zeigen, dass psychosoziale Belastungssituationen das Immunsystem nachhaltig beeinflussen können (Schubert 2015). Darunter fallen primäre und sekundäre Antikörperreaktionen, B- und T-Lymphozytenfunktionen und NK-Zell-Zytotoxizität (natürliche Killerzellenaktivität). Vor allem chronische Belastungen scheinen das Immunsystem zu schwächen und zu gesundheitlichen Störungen zu führen oder den Verlauf bestehender Krankheiten negativ zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang sind es jedoch vor allem die kritischen Veränderungen des Gesundheitsverhaltens, die aufgrund von Stress und den daraus erfolgenden Stressreaktionen, wie beispielsweise Zigaretten- oder Alkoholkonsum, zu wenig Schlaf, zu wenig Entspannung oder zu wenig Bewegung, zu gesundheitlichen Problemen führen.

Während die Beeinflussung der Krebsentstehung durch Persönlichkeitsmerkmale(1) mittlerweile als widerlegt gilt (Bergelt 2016), ist eine kausale Beziehung zwischen Stress und der Entstehung einer Krebserkrankung nach wie vor unklar. Im Rahmen von experimenteller Forschung ist es sehr schwierig, die Vielzahl der interagierenden Variablen zu kontrollieren und die immunologischen Parameter zu verschiedenen relevanten Zeitpunkten zu erfassen. Außerdem müssen gleichzeitig der subjektiv erlebte Stress, die der jeweiligen Person zur Verfügung stehenden Verarbeitungsstrategien und das Ausmaß an sozialer Unterstützung berücksichtigt werden. So lässt sich zusammenfassen, dass der kausale Zusammenhang zwischen emotionalen Belastungen, psychischen Stressfaktoren und Depression auf die Entstehung einer Krebserkrankung bislang nicht eindeutig belegt werden konnte (Ahn et al. 2016; Nakaya 2014; Wang et al. 2020). Etwas mehr Belege finden sich hinsichtlich der Bedeutung psychischer Komorbidität(1), vor allem einer diagnostizierten Depression, für den Verlauf (vor allem die Mortalität) einer Krebserkrankung (Wang et al. 2020). Die zahlreichen Befunde werden im Wesentlichen erklärt mit der geringeren Behandlungsadhärenz von depressiven Patienten, mit der Tendenz zu Isolation und Rückzug und der damit verbundenen geringeren Bereitschaft, Unterstützungsangebote wahrzunehmen. In der Leitlinie Psychoonkologie wird die Bedeutung einer frühzeitigen Erkennung über Screeningverfahren herausgestellt und bei Vorliegen einer Depression die leitliniengerechte Behandlung empfohlen (AWMF 2014).

Inwieweit psychische Stressoren als Einflussfaktoren in der wissenschaftlichen Diskussion zukünftig eine Rolle spielen werden, wird von der weiteren Entwicklung des Fachgebiets der Psychoneuroimmunologie(1) abhängen, welche die komplexen Zusammenhänge zwischen endokrinem, neuronalem und immunologischem System erforscht, bislang jedoch noch keine direkt für die Tumorerkrankung übertragbaren Befunde nachgewiesen hat (Hefner & Csef 2017; Schubert 2015).

Die Frage der psychosozialen Mit-Verursachung einer Krebserkrankung stellt sich nach neueren Befunden vor allem auf der Ebene der Sozialepidemiologie sowie des individuellen Lebensstils(1). So zeigen sozialepidemiologische Studien klare Zusammenhänge zwischen Krebsmorbidität und sozialen Aspekten wie die Schichtzugehörigkeit (Hashim et al. 2019). Mögliche Erklärungen für einen Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und Krebsmorbidität liegen dabei neben Faktoren des Lebensstils in der Gesundheitskompetenz, der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung, des Vorsorgeverhaltens und den Vorbeugungsmaßnahmen. Darüber hinaus zeigt die Verhaltensmedizin, dass durch das Konzept der Lebensweisen und Risikofaktoren psychische Ursachen auch als vermittelnde und indirekte Faktoren in Betracht gezogen werden müssen. Das Konzept der Lebensweisen und Risikofaktoren(1) liefert in Bezug auf die Primärprävention wichtige Erkenntnisse, steht aber in der Erklärung möglicher zugrunde liegender psychischer Steuerungsmechanismen noch in den Anfängen. Es ist jedoch anzunehmen, dass individuelle Verhaltensweisen wie Sonnenexposition, Ernährungsgewohnheiten oder das Rauchen durch verschiedene psychische und soziale Einflussmerkmale gesteuert werden. Hier dürfte in den nächsten Jahren ein wichtiges Forschungsgebiet auch für die Psychoonkologie liegen, wobei die Erkenntnisfortschritte der Gesundheitspsychologie und Gesundheitswissenschaften hier einzubeziehen sind.

Es bleibt festzuhalten, dass hinsichtlich der Bedeutung des psychischen Wohlbefindens (vor allem Stress und Depression) für die Entstehung und den Verlauf einer Tumorerkrankung bisher heterogene Befunde vorliegen und mit geringfügigen Unterschieden diese wissenschaftlich als nicht eindeutig belegt gelten. Nach neueren Erkenntnissen wirken psychische Faktoren als mögliche Kovariaten in der Krebsentstehung nicht direkt auf pathogenetische Prozesse, sondern indirekt über den Lebensstil oder die soziale Schichtzugehörigkeit. Diese Informationen werden von den meisten Patienten als Entlastung aufgenommen und helfen ihnen bei der Suche nach neuen Zukunftsperspektiven und neuen Wegen für eine situationsangepasste Krankheitsverarbeitung.

3 Psychosoziale Belastungen und Komorbidität bei Krebs

3.1 Allgemeine Übersicht

Eine Tumorerkrankung ist durch zahlreiche körperliche sowie seelische Belastungen gekennzeichnet, die das Leben der Betroffenen durch Beschwerden und Einschränkungen der Funktionsfähigkeit in Beruf und Alltag negativ beeinflussen. Die psychosozialen Aspekte einer Tumorerkrankung sind wissenschaftlich häufig untersucht worden, sodass wir über ein umfangreiches Wissen hinsichtlich der spezifischen psychosozialen Belastungen und der psychischen Komorbidität verfügen.

Bereits bei Vorliegen eines Krebsverdachts können für die Betroffenen je nach Dauer der Diagnostikphase psychische Belastungen(1) und starke Verunsicherung entstehen. Die Mitteilung der Krebsdiagnose wird von den meisten Patienten als ein schwerer Schock erlebt, verbunden mit Gefühlen existenzieller Lebensbedrohung, Ohnmacht, Kontrollverlust und Irreversibilität (Weis et al. 2016