Wir können auch anders. Wer improvisieren muss, hat sich nicht vorbereitet, heißt es. Ganz falsch!, sagen Musiker, Hirnforscher, Schauspieler und Experten für große Organisationen. Sie glauben: Planlos geht's oft besser. Aber wie? Die großen Themen der Zeit sind manchmal kompliziert. Aber oft genügt schon eine ausführliche und gut recherchierte GEO-Reportage, um sich wieder auf die Höhe der Diskussion zu bringen. Für die Reihe der GEO-eBook-Singles hat die Redaktion solche Einzeltexte als pure Lesestücke ausgewählt. Sie waren vormals Titelgeschichten oder große Reportagen in GEO.
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Seitenzahl: 16
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Herausgeber:
GEO
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Gruner + Jahr GmbH & Co KG,
Am Baumwall 11, 20459 Hamburg
www.geo.de/ebooks
eISBN: 9783652007153
Improvisation: Wir können auch anders
Von Jürgen Schaefer
Wer improvisieren muss, hat sich nicht vorbereitet, heißt es. Ganz falsch!, sagen Musiker, Hirnforscher, Schauspieler und Experten für große Organisationen. Sie glauben: Planlos geht’s oft besser. Aber wie?
Von Jürgen Schaefer
Die Bedingungen: lausig. Die Band: erst kurz zuvor zusammengewürfelt. Der Bandleader lädt die Musiker in eine frühere Kirche, in der sich das Studio befindet; für jede Aufnahme bekommen sie 48,50 Dollar. Den Begleittext für die Plattenhülle schreibt nebenbei der Pianist. Die Musiker erfahren erst im Studio, was sie spielen sollen, und statt einer Partitur gibt es nur: Tonleitern. Die Stücke haben keine Namen und werden hinterher spöttisch „Na und“ und „Freddie, der Schmarotzer“ getauft. Und unter diesen Namen weltberühmt: Denn so entsteht 1959 „Kind of Blue“, eine der erfolgreichsten Jazzplatten aller Zeiten.
Auf der Suche nach unerhörten Tönen hatten Trompeter Miles Davis und Pianist Bill Evans einen Klang gefunden, der sich mit ewigen Werken der Musikgeschichte messen kann. Sie hatten, unter widrigen Umständen in einer ehemaligen Kirche, ein Meisterstück zusammen…improvisiert.
Improvisation hat einen schlechten Ruf – bei uns: Perfektion gilt als deutsche Leittugend. Wer vorausschauend plant, hat die Zukunft im Griff; wer improvisieren muss, stolpert dagegen ziellos durch die Welt. Unvorbereitet!, steht in der deutschen Wikipedia.
Das muss man nicht so sehen. Die englische Wikipedia bezeichnet Improvisation immerhin als „Fähigkeit“, etwa die, mit unvorhergesehenen Situationen umzugehen.
Haben wir da womöglich etwas falsch verstanden?
Bereiten wir mit unseren Plänen den Boden für Mittelmaß, wo Meisterwerke entstehen könnten?
Sollten wir Improvisation etwa nicht als Schwäche von Dilettanten verachten – sondern stattdessen als Kunst der Könner feiern?
Nur Verlierer brauchen einen Plan; Könner improvisieren. Aber ist das wirklich so einfach?
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