Psychopharmaka und Drogen - Burkhard Voß - E-Book

Psychopharmaka und Drogen E-Book

Burkhard Voß

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Beschreibung

Do psychotropic drugs change the personality? Do antidepressants make you fat? What do antidepressants and rocket fuel have in common? Will cannabis soon become an approved psychotropic drug? And can medicinal plants such as lavender help with anxiety? This book provides a wealth of facts about psychoactive substances. More than 100 questions and answers describe the triumphant progress of psychoactive drugs and other substances in a way that is easily understood, explaining their modes of action and historical developments, risks and wrong turns & garnished with anecdotes, controversies and fascinating details. Well-founded basic information about psychopharmacology has never before been conveyed so entertainingly.

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Der Autor

 

Dr. med. Burkhard Voß ist Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut mit eigener Praxis in Krefeld. Nach Studium und Facharztausbildung leitete er von 2001 bis 2004 den Sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt Krefeld. Seit Jahren schreibt er regelmäßig Kolumnen und Glossen für diverse Zeitschriften. Interessensschwerpunkt ist hierbei die Kritik der Medikalisierung und Psychologisierung der Gesellschaft.

Burkhard Voß

Psychopharmaka und Drogen

Fakten und Mythen in Frage und Antwort

Verlag W. Kohlhammer

Für Anna

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1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-037074-6

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-037075-3

epub:   ISBN 978-3-17-037076-0

mobi:   ISBN 978-3-17-037077-7

Wenn ich noch in irgendetwas Vertrauen hatte, dann in Chemie. Benjamin von Stuckrad-Barre

Danksagung

Ganz herzlich möchte ich mich zunächst einmal bei meinen Patienten bedanken, die mir alles über Wirkungen und Nebenwirkungen von Psychopharmaka und Drogen erzählt haben, die sie im Laufe ihres Lebens eingenommen bzw. konsumiert haben. Hört man ihnen genau zu, erfährt man so manches, was nicht in Lehrbüchern oder Beipackzetteln zu lesen ist.

Rechtsanwältin Anja Kroppen las das Kapitel »Rechtliche Fragen« gegen und brachte es auf den juristisch neuesten Stand. Herr Dr. Ruprecht Poensgen lektorierte gründlich und gab dem Text den letzten Schliff. In die Schriftform gegossen hat ihn schließlich Frau Elke Baumgardt, wie immer hoch engagiert und positiv. Ganz besonderer Dank gilt Herrn Ion-George Anghelescu, der meine zahlreichen Fragen zu Psychopharmaka nicht nur umfassend, sondern auch in atemberaubender Schnelligkeit beantwortete. Eine E-Mail-Antwort kam nach 2 Minuten und 37 Sekunden – Chapeau!

Krefeld, im März 2020

Dr. med. Burkhard Voß

Geleitwort

von Ion-George Anghelescu

Die Psychiatrie ist ein Teilgebiet der Medizin, überschreitet dieses aber bei Weitem.

Dies ist der Leitsatz des Autors im vorliegenden Buch. Dem kann man nur zustimmen. Kein zweites Fach- bzw. Teilgebiet der Medizin ist so eng mit gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Strömungen des Zeitgeistes verwoben. Dies wirkt sich selbstverständlich auch auf die unterschiedlichen Therapieformen aus. Waren es bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts hinein noch tiefenpsychologische Therapien oder Psychoanalyse, die nahezu für den Goldstandard gehalten wurden, so ist es heute bei den meisten psychischen Erkrankungen die Kombination aus einer psychopharmakologischen und einer verhaltens- bzw. gesprächstherapeutischen Behandlung. Worin der Erfolg der Psychopharmaka begründet ist, aber auch welche Risiken und Abwege damit verbunden sind, dies gelingt dem Kollegen Voß in klarer und verständlicher Sprache hervorragend darzustellen. Interessant und spannend zu lesen sind zugleich auch die Historien der einzelnen Substanzen, abgerundet durch wenig bekannte Anekdoten. Wer beispielsweise weiß schon, dass Marilyn Monroe mit einem Stich in die Kapsel für eine schnellere Wirkung des süchtig machenden Medikamentes sorgte?

Abgerundet werden die Ausführungen durch Exkurse zu kontrovers diskutierten Themen wie beispielsweise die inflationäre Ausweitung des Begriffes »Psychisch krank«. Damit schließt dieses Buch eine Lücke zwischen kritischer Psychopharmakologie und aktuellen Zukunftsfragen, die das Fach der Psychiatrie betreffen und damit auch die Menschen, die in ihr tätig sind oder mit ihr als Patienten oder deren Angehörige in Berührung kommen.

Liebenburg, im Januar 2020

Prof. Dr. med. Ion-George Anghelescu

Inhalt

Danksagung

Geleitwort

von Ion-George Anghelescu

Einleitung

1 Psychopharmaka – Grundlagen

1.1 Was sind Psychopharmaka?

1.2 Seit wann gibt es Psychopharmaka?

Exkurs: Krankheit oder Störung?

1.3 Verändern Psychopharmaka die Persönlichkeit?

1.4 Können Psychopharmaka aggressiv machen?

1.5 Können Psychopharmaka das Gedächtnis beeinträchtigen?

1.6 Können Psychopharmaka auch psychische Krankheiten verursachen oder auslösen?

1.7 Können Psychopharmaka Depressionen auslösen?

1.8 Lösen Psychopharmaka epileptische Anfälle aus?

1.9 Schließen sich Psychopharmaka und Psychotherapie aus?

Exkurs: Die Suche nach der Ursache – nicht immer eine weise Entscheidung

1.10 Sollten Psychopharmaka vor oder nach dem Essen eingenommen werden?

1.11 Was ist ein Non-Responder?

1.12 Wie baut der Organismus Psychopharmaka ab?

1.13 Psychopharmaka und Schwangerschaft, kann das gut gehen?

1.14 Können Persönlichkeitsstörungen durch Psychopharmaka geheilt werden?

1.15 Verursachen Psychopharmaka Haarausfall?

1.16 Welche Psychopharmaka werden zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit eingesetzt?

1.17 Was ist Gehirndoping?

Exkurs: Warum Selbstoptimierung nicht immer eine gute Idee ist

2 Antidepressiva

2.1 Was sind Antidepressiva?

2.2 Wie wirken Antidepressiva?

2.3 Was sind die bedeutsamsten Nebenwirkungen von Antidepressiva?

2.4 Bei welchen Störungen, Erkrankungen werden Antidepressiva vorzugsweise angewandt?

2.5 Wie lange sollten Antidepressiva gegeben werden?

Exkurs: Kann eine Depression hausgemacht sein?

2.6 Warum wirken Antidepressiva nicht sofort?

2.7 Fördern Antidepressiva Suizidalität?

2.8 Warum können chronische Schmerzpatienten von Antidepressiva profitieren?

2.9 Machen Antidepressiva dick?

2.10 Machen Antidepressiva abhängig oder gar süchtig?

2.11 Warum sollten klassische Antidepressiva nicht bei Demenz gegeben werden?

2.12 Ist bei einem Wechsel des Antidepressivums erneut mit einem verzögerten Wirkeintritt zu rechnen?

2.13 Ein Libidomangel ist ein häufiges Symptom bei Depressionen. Warum tritt dies auch häufig bei Antidepressiva auf, die doch gegen Depressionen helfen sollen?

2.14 Können Vitamin D-Präparate Antidepressiva ersetzen?

Exkurs: Vitamine, Obst und Gemüse, vegane Kost – kann man das auch übertreiben?

2.15 Kann ein Antidepressivum glücklich machen?

2.16 Was hat ein Raketentreibstoff mit Antidepressiva zu tun?

2.17 Antidepressiva und Trauerarbeit – Wie passt das zusammen?

Exkurs: Braucht Trauern überhaupt professionelle Hilfe?

2.18 Könnte man nicht die Nebenwirkung Gewichtszunahme in der Therapie Anorexia nervosa ausnutzen?

2.19 Lithium ist wie Natrium ein salzbildendes Metall aus der Gruppe der Alkalimetalle. Wie kam man überhaupt auf die Idee, dass es bei bestimmten psychischen Krankheiten helfen könnte?

Exkurs: Was ist eine biopolare Erkrankung?

2.20 Muss bei einer bipolaren Störung manchmal ein Leben lang ein Stimmungsstabilisator wie bspw. Lithium eingenommen werden?

2.21 Gibt es Psychopharmaka, die das Selbstbewusstsein stärken?

2.22 Welche Psychopharmaka werden bei Zwangsstörungen eingesetzt?

2.23 Wie lange ist die Wirklatenz bei Zwangsstörungen?

2.24 Kann eine regelmäßige Ausdauersportart Psychopharmaka ersetzen?

2.25 Was ist eine atypische Depression?

Exkurs: Ist Burnout eine ernstzunehmende Erkrankung?

2.26 Wie effektiv sind eigentlich Antidepressiva?

2.27 Ist Ketamin das Antidepressivum der Zukunft?

3 Antipsychotika

3.1 Was sind Antipsychotika?

3.2 Wie wirken Antipsychotika?

3.3 Was sind die bedeutsamsten Nebenwirkungen von Antipsychotika?

3.4 Bei welchen Störungen, Erkrankungen werden Antipsychotika vorzugsweise angewendet?

3.5 Wie lange sollten Antipsychotika gegeben werden?

3.6 Wann wird ein Antidepressivum mit einem Antipsychotikum kombiniert?

3.7 Verursachen Antipsychotika die Parkinson’sche Krankheit?

3.8 Woher stammt das Wort Neuroleptikum?

3.9 Können Psychopharmaka Nervenzellen töten?

4 Benzodiazepine

4.1 Was sind Benzodiazepine?

4.2 Wie wirken Benzodiazepine?

4.3 Was sind die bedeutsamsten Nebenwirkungen von Benzodiazepinen?

4.4 Bei welchen Störungen, Erkrankungen werden Benzodiazepine angewendet?

4.5 Wie lange sollten Benzodiazepine gegeben werden?

4.6 Was ist ein »Hangover«?

4.7 Helfen Beta-Blocker bei Angsterkrankungen?

4.8 Beeinträchtigen Benzodiazepine das Gedächtnis?

5 Drogen

5.1 Was sind Drogen?

5.2 Warum machen Drogen süchtig?

5.3 Wie wirken Opiate?

5.4 Bewirken Opiate eine komplette Schmerzausschaltung?

5.5 Was ist der Unterschied zwischen Heroin und Morphin?

5.6 Wie wirkt Cannabis?

5.7 Wird demnächst Cannabis ein Psychopharmakon?

5.8 Was sind Endocannabinoide?

5.9 Wie wirkt Kokain?

5.10 Warum wird Kokain üblicherweise gesnieft und nicht geraucht oder i. v. injiziert?

5.11 Wie wirkten Amphetamine?

5.12 Warum ist die Droge Amphetamin bei ADHS keine Droge?

5.13 Wie lange müssen ADHS-Medikamente eingenommen werden?

5.14 Warum macht Nikotin süchtig?

5.15 Wie wirkt Ecstasy?

5.16 Wie erklärt sich die anregende Wirkung von Koffein?

5.17 Koffein eine Droge – ist das nicht übertrieben?

5.18 Wie können Lösungsmittel und Schnüffelstoffe suchterzeugend wirken?

5.19 Was ist das Gefährliche an LSD?

5.20 Was sind k.o.-Tropfen?

6 Alkohol

6.1 Wie wirkt Alkohol?

6.2 Ab wann ist bei übermäßigem Alkoholgenuss mit einer Entzugssymptomatik zu rechnen?

6.3 Wird Alkohol heute noch als Arzneimittel eingesetzt?

6.4 Warum wird bei einer Alkoholvergiftung keine Magenspülung durchgeführt?

6.5 Was versteht man unter Anticraving-Substanzen?

6.6 Was versteht man unter Kreuztoleranz?

6.7 Warum vertragen Männer mehr Alkohol als Frauen?

6.8 Gibt es ethnische Unterschiede in der Verträglichkeit des Alkohols?

6.9 Alkohol und Psychopharmaka – schließt sich das streng aus?

7 Naturheilmittel

Exkurs: Naturheilmittel und schulmedizinische Präparate – ein Widerspruch?

7.1 Johanniskraut – keinerlei Nebenwirkungen?

7.2 Ginkgo bei Demenz?

Exkurs: Wie diagnostiziert man eine Demenz in fünf Sekunden?

7.3 Hilft Lavendel gegen Angst?

7.4 Wogegen wirkt das Extrakt der Passionsblume?

7.5 Klosterfrau Melissengeist – Was wirkt da auf die Psyche?

7.6 Wie wirkt Kava-Kava?

7.7 Wird Diazepam ausschließlich im Labor hergestellt?

8 Rechtliche Fragen

8.1 Beeinträchtigen alle Psychopharmaka die Fahrtauglichkeit?

8.2 Warum und wann führt Alkohol zur Schuldunfähigkeit?

8.3 Ist ein unter Psychopharmaka unterschriebener Vertrag anfechtbar?

8.4 Wann dürfen Psychopharmaka ohne Einwilligung des Patienten gegeben werden?

8.5 Falls bei einem Psychopharmakon gravierende Nebenwirkungen auftreten, wer haftet? Arzt oder Pharmafirma?

8.6 Was ist eine Off-Label-Verordnung?

8.7 Darf man chronisch schlechtgelaunten Zeitgenossen Psychopharmaka unbemerkt ins Essen geben?

8.8 Warum dürfen Psychologen keine Psychopharmaka verschreiben?

Exkurs: Justiz und Medizin – die beste Ehe aller Zeiten

9 Kuriosa

9.1 Wirken Psychopharmaka auch bei Tieren?

9.2 Wenn die Haut der Spiegel der Seele ist, werden somit Psychopharmaka auch bei bestimmten Hautkrankheiten eingesetzt?

9.3 Wie vertragen sich Psychopharmaka mit Homöopathie?

9.4 Seit wann weiß man, dass Hormone eine Wirkung auf die Psyche haben?

Exkurs: Warum die Moleküle Östrogen und Testosteron voneinander träumen

9.5 Was versteht man unter »biochemischer Kastration«?

9.6 Warum bringt Lachgas die Menschen zum Lachen?

9.7 Warum machen manche Antiallergika müde?

Exkurs: Von wegen akademischer Schubladenzieher

9.8 Gibt es Impfstoffe in der Prävention psychischer Erkrankungen?

Exkurs: Algorithmen in der Medizin – nicht immer ein Segen

Quellen und weiterführende Literatur

Internetquellen

Sachwortregister

Einleitung

Dieses Buch wird seinen Leserinnen und Lesern die Wirkungsweise und geschichtlichen Ursprünge von Psychopharmaka und Drogen leicht verständlich und interessant zugleich nahebringen. Es wendet sich nicht nur an Ärzte und Studenten, sondern auch an interessierte Laien und Patienten, die sich über Psychopharmaka und Drogen grundsätzlich orientieren möchten.

Psychische Erkrankungen sind so alt wie die Menschheit selbst. Und von Anfang an haben die, die helfen wollten, sich nicht nur religiöser Rituale, Gebete oder aufbauender Gespräche bedient, sondern ebenso versucht, durch chemische Substanzen den Geist zu beeinflussen. Die meisten dieser Substanzen werden heute als Drogen gehandelt. Die ersten Psychopharmaka, die nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelt wurden, lösten Anfang der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts fast eine Revolution in der Psychiatrie aus. Allmählich setzte sich von da an die Erkenntnis durch, dass psychische Erkrankungen mit der Biologie des Gehirns und der Genetik ebenso viel zu tun haben wie mit frühkindlichen Erfahrungen und psychosozialem Stress.

Vielleicht werden einige Leser im Laufe der Lektüre dieses Buches darüber verwundert sein, dass den historischen und philosophischen Aspekten ein so breiter Raum gegeben wird. Der Einsatz von Psychopharmaka ist jedoch eng mit den (sich kontinuierlich weiterentwickelnden) Strömungen des jeweiligen gesellschaftlichen Zeitgeistes verbunden. So war es bis weit in den 1980er-Jahren unter Psychotherapeuten nahezu verpönt, Psychopharmaka bei ihren Patienten überhaupt einzusetzen. Der Erfolg dieser Substanzen im weiteren Verlauf hat aber dazu geführt, dass Psychotherapeuten inzwischen schon seit vielen Jahren ihre Patienten zu Psychiatern schicken, um durch eine begleitende psychopharmakologische Behandlung eine gelingende Psychotherapie erst zu ermöglichen.

Zu beobachten ist zugleich, dass manche Psychopharmaka gezielt dazu eingesetzt werden, jenseits von psychischen Erkrankungen kognitive Leistungen und Konzentration zu verbessern. Der Begriff »Hirndoping« bringt dies auf den Punkt. Schon im Jahr 2000 bemerkte hierzu ein US-amerikanischer Arzt ohne Ironie: »Die Leistungen im Studium hängen von der Qualität bestimmter Apotheken am Ort ab« (Fukuyama 2004, S. 67). Die Bewertung menschlichen Verhaltens und dessen Klassifikation als psychische Erkrankung sollte deswegen immer im jeweiligen historischen Kontext gesehen werden.

Dieses Buch möchte somit als eine Entdeckungsgeschichte der Psychopharmaka mit sozialpsychologischer Grundierung verstanden werden, der auch die regelmäßig eingeflochtenen historischen Anekdoten dienen. Die Grundlage dazu bildeten die Fragen, die mir Patienten in meiner über 20-jährigen klinischen Tätigkeit stellten.

1          Psychopharmaka – Grundlagen

1.1       Was sind Psychopharmaka?

Das Wort Psychopharmaka stammt aus dem Griechischen. Psycho heißt Seele, Pharmakon die Gabe, das Gift. Nimmt man diese weite Definition, dann sind auch Drogen gemeint, die zur Schmerzlinderung oder zur Flucht in eine Phantasiewelt eingesetzt werden. Substanzen dieser Art gibt es wahrscheinlich, seit es Menschen gibt. So war Kokain in der religiösen Kultur und Lebenspraxis der indigenen Bevölkerung Südamerikas tief verwurzelt. Es ließ den vom Schicksal Gebeutelten seine Sorgen vergessen und vertrieb Müdigkeit und Hungergefühle.

1.2       Seit wann gibt es Psychopharmaka?

Die Sumerer wandten schon 4000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Opium in Form von Schlafmohn zur besseren Duldung von chronischen und schmerzhaften Erkrankungen an. Wandernde Ärzte in der Antike verabreichten Sterbenden eine Mischung aus Opium und Wein. Aus einem ca. 1600 vor Christus stammenden Papyrus geht Palmwein als Arzneibestandteil hervor. Bier wurde zuerst von den Ägyptern gebraut.

Die Geschichte der Psychopharmaka im engeren Sinne beginnt mit dem Neuroleptikum Chlorpromazin Anfang der 1950er-Jahre, welches erstmals eine effektive Behandlung der Schizophrenie ermöglichte ( Kap. 3.8).

Exkurs: Krankheit oder Störung?

Die Ursache der meisten psychischen Erkrankungen wird heute im Wesentlichen auf biologische, psychische und soziale Faktoren zurückgeführt. Man geht immer mehr davon aus, dass biologische, psychische und soziale Faktoren sich keinesfalls ausschließen, sondern im Gegenteil ergänzen. Obwohl nur schwer nachvollziehbar, ist die zunehmende Auffassung in der modernen Psychiatrie diejenige, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen organischen und psychischen Erkrankungen gibt. Die Gewichtung ist jedoch jeweils eine andere. Während bspw. bei Morbus Alzheimer oder Hirntumoren die biologischen Faktoren die maßgebliche Rolle spielen, liegt der Schwerpunkt von Erkrankungen wie Depressionen, Phobien, Angsterkrankungen etc. auf der Psychodynamik. Unter Psychodynamik versteht man u. a. die bewussten und unbewussten Motive unseres Verhaltens sowie die Grundlagen ihrer Entstehung durch biographische Einflüsse.

Auch wenn Fachkreise heute zu Recht das sog. triadische System nicht mehr als zeitgemäß betrachten, bietet das mit ihm verbundene Modell weiterhin einen ersten, didaktisch einfachen Zugang zum Verständnis der unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen ( Abb. 1.1).

Jede psychische Veränderung oder Erkrankung kann im Rahmen dieses Modells einer Spitze des Dreiecks zugeordnet werden. Wie eingangs erwähnt, lassen die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte eine solche strikte Trennung dieser Erkrankungseinheiten nicht mehr zu. Beispielsweise spielen auch bei den endogenen Psychosen psychodynamische Faktoren eine Rolle und bei neurotischen Störungen biologische. Am besten

Abb. 1.1: Das triadische System zur Einordnung psychiatrischer Erkrankungen (aus Voß 2019, S. 101; Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Adlerstein Verlags, www.adlerstein-verlag.de)