Psychosynthese - Systematisch-Integrativ! - Ursel Neef - E-Book

Psychosynthese - Systematisch-Integrativ! E-Book

Ursel Neef

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Beschreibung

In dieser Einführung werden die zentralen Begriffe, Prinzipien und Arbeitsweisen der Psychosynthese im Kontext eines modernen methodischen Leitfadens vorgestellt. Ursel Neef, die Gründerin des Wuppertaler Instituts für Psychosynthese und Interpersonale Psychologie, zieht mit der von ihr entwickelten Systematisch-Integrativen Psychosynthese (SIPS) zugleich ein Resümee aus ihrer inzwischen 25jährigen Arbeit als Therapeutin und Lehrerin. Georg Henkel, nach seiner SIPS-Ausbildung selbst Dozent am Institut, erschließt u. a. die Struktur, die Roberto Assagioli seiner Arbeit mit Patienten zugrundelegte, aus unterschiedlichen Perspektiven.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 101

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Psychosynthese-Akademie Bd. 1

Ursel Neef / Georg Henkel

PSYCHOSYNTHESE –

SYSTEMATISCH-INTEGRATIV!

EINE EINFÜHRUNG

© 2014 Ursel Neef / Georg Henkel.

Umschlaggestaltung, Abbildungen & Layout:

Ursel Neef / Georg Henkel

Redaktionelle Mitarbeit: Dr. Sven Kerkhoff

Umschlagmotiv: Petra Karl

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-8346-0 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugäng-lichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Palare e scrivere agli altri con più fuoco. Scuoterli, ‘animarli’, suscitarli, infiammarli per le glorie delle realizzazioni spirituali e per la santità e l’urgenza del servizio salvatore –

Lasst uns zu den Anderen mit mehr Feuer sprechen und schreiben. Sie erschüttern, beseelen, entflammen für das Leuchten des spirituellen Seins und für die Heiligkeit und Dringlichkeit des heilenden Dienstes –

Roberto Assagioli

Inhaltsverzeichnis

„Wovon das Herz voll ist …“

I. Gelebte Psychosynthese: Roberto Assagioli

„Freiheit im Gefängnis“

Disidentifikation

Liebe und Wille

Freude und Humor

Lebendige Spiritualität

Die Entwicklung der Psychosynthese

Assagiolis Herkunft und Werdegang

Ein ganzheitliches Modell der menschlichen Psyche

Konsequenzen für die therapeutische Arbeit

„Die Grenze der Psychosynthese ist die Tatsache, dass sie keine Grenze hat“

„Die Psychologie der Zukunft“

II. „Ich bin ein Zentrum reinen Selbst-Bewusstseins“

Assagiolis Ei-Diagramm

Das befreite Ich

III. Systematisch-Integrative Psychosynthese (SIPS)

Als Erstes: Ich sehe die Welt nicht wie sie ist, sondern wie ich bin

Als Zweites: Innere Bilder und Innerer Beobachter

Als Drittes: Schulung des Willens

Als Viertes: Teilpersönlichkeitsarbeit

Als Fünftes: Arbeit mit dem Inneren Kind

Als Sechstes: Das (Höhere) Selbst

Als Siebtes: Der Therapeut als Instrument der Heilung

Zum Schluss

Wenn Sie jetzt neugierig geworden sind

Psychosyntheseadressen für den deutschsprachigen Raum

Danksagung

Die Autoren

„Wovon das Herz voll ist …“

Der zentrale Seminarraum im Wuppertaler Institut für Psychosynthese und Interpersonale Psychologie liegt mit drei Seiten in einem schönen alten Garten, der während des Lernens und Lehrens immer wieder als Ort der vielfältigen Inspiration aufgesucht werden kann. Es ist ein Platz zum Wachsen und Entwickeln. Es ist die gemeinschaftliche Stätte zur kreativen Entfaltung.

An dieser Stelle entstand unsere Idee, das Erfahrene und Gelernte miteinander in eine virtuelle Psychosynthese-Akademie einzubringen. Ihr Anliegen wird es sein, das Wissen und die Methodik der Psychosynthese auf einem hohen Qualitätsniveau allgemein zugänglich zu präsentieren. Wir freuen uns, dass nun nach einer sehr schönen Zeit gemeinsamer und vertrauensvoller Arbeit das erste Buch erscheinen kann.

In dieser ersten Arbeit soll Ihnen die Systematisch-Integrative Psychosynthese (SIPS) vorgestellt werden. Wir verfolgen damit zunächst zwei Ziele: Zum einen möchten wir einen grundlegenden, gut verständlichen Einstieg in die Psychosynthese und die wegweisende Arbeit ihres Begründers, Roberto Assagioli, bieten. Zum anderen möchten wir mit SIPS eine Systematik in die sehr offene Struktur der Psychosynthese hineinbringen, die den neuesten Entwicklungen und Erkenntnissen aus Psychologie und Neurologie Rechnung trägt. Sie soll helfen, den individuellen Weg der Bewusstseinsentwicklung in seinem inneren Aufbau verständlich und nachvollziehbar zu machen. Innerhalb der großen Fülle der psychosynthetischen Richtungen und Anwendungen ist SIPS ein erprobter Weg für die eigene wie für die therapeutische Praxis. Im großen Haus der Psychosynthese möchten wir mit diesem speziellen Ansatz einen Raum bewohnen.

Wir beide wünschen uns, dass durch diese Einführung in die am Wuppertaler Institut entwickelte und gelehrte Systematisch-Integrative Psychosynthese viele Neugierige Lust bekommen, sich mit den wunderbaren Möglichkeiten der psychosynthetischen Arbeit näher vertraut zu machen. Wir hoffen aber auch, dass wir den Professionellen aus der Beratungs und therapeutischen Praxis neue und wichtige Impulse für ihre Arbeit geben zu können. Die Psychosynthese ist eine hochwirksame und facettenreiche Methode zur Entwicklung von menschlichem Bewusstsein und entsprechend ist sie bereits in vielen Ländern gut etabliert. Wir wünschen uns, dass sie auch in Deutschland den ihr angemessenen Platz in der Therapielandschaft bekommt. Wenn wir hierzu einen Beitrag leisten können, haben sich unsere Mühen gelohnt.

Mit Freude können wir am Ende dieser ersten Arbeit feststellen, dass sich neue Mitstreiter für unser Anliegen gefunden haben und wir weiter machen werden! In Fortsetzung zu diesem Buch arbeiten wir zurzeit an einem SIPS-Praxisbuch der klassischen Psychosynthese-übungen und ihrer methodischen Umsetzung. Es wird unter anderem genaue Anleitungen zu den Werkzeugen und Übungen bieten, auf die im Rahmen dieser Einführung nur kurz eingegangen werden kann.

Wir haben das Buch für Sie geschrieben. Machen Sie es zu Ihrem eigenem. Wir sehen uns im Garten der Psychosynthese!

Ursel Neef – Georg Henkel

I. Gelebte Psychosynthese: Roberto Assagioli

Georg Henkel

Nachfolgendes biographisches Porträt von Roberto Assagioli beleuchtet vor allem solche Aspekte seiner Persönlichkeit und seiner Arbeit, die zu einem grundlegenden Verständnis der von ihm begründeten psychotherapeutischen Richtung, der Psychosynthese, beitragen können. Assagiolis besonderes Charisma, sein liebenswürdiger Humor und seine Menschlichkeit sind ohne Zweifel von sehr großer Bedeutung für sein erfolgreiches Arbeiten gewesen. Seine charismatische Erscheinung wurde aber im Hintergrund immer von seinen handwerklichen und technischen Fähigkeiten im therapeutischen Arbeiten begleitet. Beides zusammen macht die Psychosynthese als Bewusstseinsschule so erfolgreich! Besonders spannend ist dabei, was Assagioli zum Verhältnis von Therapeut und Patient, zu den Voraussetzungen erfolgreicher psychosynthetischer Arbeit und zur Struktur des gesamten Prozesses geschrieben hat. Hier gibt es viel Erstaunliches und Erhellendes zu entdecken.

Ich möchte Sie einladen, mich auf dieser Entdeckungsreise zu begleiten!

Roberto Assagioli (1888-1974)

Foto: R. Assagioli, Handbuch der Psychosynthese, Rümlang 2004. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Nawo-Verlags

„Freiheit im Gefängnis“

Es gibt eine Episode aus dem Leben Roberto Assagiolis, in der die Essenz seiner Lehre, der Psychosynthese, besonders klar und deutlich erkannt werden kann: 1940 wurde Assagioli wegen seiner pazifistischen Haltung angezeigt und verhaftet. Im faschistischen Italien Mussolinis hatte er wegen seiner jüdischen Herkunft und der Gründung eines Instituts für Psychosynthese schon seit Längerem mit Schwierigkeiten kämpfen müssen; 1938 war das Institut in Rom geschlossen worden. Nun wurde er zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Es ist bezeichnend, dass er auf diese Episode nicht mit Bitterkeit und Groll, sondern vielmehr mit Dankbarkeit zurückblickt. Er begriff diese äußere Krise als eine Möglichkeit zu innerem Wachstum:

Ich erkannte, dass ich frei war, entweder die eine oder andere Einstellung gegenüber der Situation einzunehmen, ihr den einen oder den anderen Wert beizumessen, sie in dem einen oder in dem anderen Sinne zu nutzen.1

In dieser Aussage Assagiolis klingen bereits zwei zentrale Prinzipien an, die charakteristisch für die von ihm entwickelte Psychosynthese sind: die DisIdentifikation von Gedanken und Gefühlen, um echte Gelassenheit und Wahlfreiheit zu erlangen, und der Wille, gut für sich zu sorgen und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

DISIDENTIFIKATION

Assagiolis Selbstzeugnis ist ein vorzügliches Beispiel dafür, wie sehr er selbst in der Lebenskunst der Disidentifikation geübt war, so dass er seine Situation nicht als Beschränkung, sondern als Fülle von Möglichkeiten – er spricht sogar von Privilegien! – wahrnehmen konnte:

Ich hätte mich auflehnen oder passiv unterordnen können; dahinvegetieren oder mich dem Genuss des Selbstmitleids hingeben und die Märtyrerrolle einnehmen. Ich hätte die Situation auch auf sportliche Art und mit Humor nehmen und sie als neues und interessantes Erlebnis betrachten können. Ich hätte eine Ruhe-Kur daraus machen können oder eine Zeit des intensiven Nachdenkens über persönliche Belange oder über mein vergangenes Leben oder über wissenschaftliche und philosophische Probleme. Oder ich hätte die Situation nutzen können, um mich einem Training psychologischer Fähigkeiten zu unterziehen und um psychologische Experimente an mir selbst durchzuführen; schließlich hätte ich auch ein spirituelles Retreat daraus machen können.

Ich verstand, dass es nur von mir selbst abhing, dass ich frei war, die eine oder mehrere dieser Tätigkeiten oder Haltungen auszuwählen, und dass diese Wahl bestimmte unumgängliche Wirkungen hat, die ich voraussehen konnte und für die ich voll und ganz verantwortlich war. Mein Geist hatte keinerlei Zweifel an dieser essentiellen Freiheit und Macht und auch nicht an den Privilegien, die sich mir boten, und an der Verantwortung mir selbst, meinen Freunden und dem Leben gegenüber.2

Assagioli erkennt, dass er die Wahl hat, wie er seine Situation bewertet und damit umgeht. Er ist kein Opfer der Umstände, sondern gestaltet diese mit. Er weiß, wie er für sich sorgen kann, statt sich in Sorgen über sich selbst zu verlieren. Auf gewisse Weise erschafft er selbst in diesem Moment seine Wirklichkeit überhaupt erst. Dabei wirkt das, was Assagioli so treffend als „Magie unserer Einstellung“ bezeichnet.3 Man lässt sich nicht leben, man lebt selbst. Und so zu leben, ist eine Kunst.

Freilich bedarf es dazu einer Konzentration und Koordination im seelischen Haushalt: Verschiedene widerstreitende Impulse erscheinen im Feld von Assagiolis Bewusstsein; trefflich charakterisiert er in obigem Text deren Eigenarten und ‚Botschaften‘. In der psychosynthetischen Arbeit spricht er bei diesen seelischen Impulsen auch von „verschiedenen Selbsten“ oder „Teilpersönlichkeiten“. Zum besseren Verständnis dieses Begriffs hilft ein Blick in seine therapeutische Praxis weiter: Wenn Assagioli mit Patienten arbeitete, leitete er sie u. a. an, bislang unbewusst wirksame Gedankenmuster und Affekte wahrzunehmen, um sich dann von diesen zu disidentifizieren, d. h. den Gedanken und Gefühlen gegenüber in eine BeobachterRolle zu gehen (statt unbewusst mit ihnen identifiziert zu sein). Die Gedankenmuster und Gefühle wurden dazu personifiziert. Assagioli erkannte, dass seelische Impulse in der Gestalt von Teilpersönlichkeiten von Patienten selbst viel unmittelbarer in ihrer Dynamik erlebt und bearbeitet werden konnten, als wenn er mit ihnen über diese Impulse lediglich analysierend geredet hätte. Gerne benutzte er das Bild von Musikern in einem Orchester, die einer kompetenten Leitung bedürfen, um gut zusammenzuspielen. Der Patient wurde zum Dirigent seines Seelen-Orchesters, bei dem die Pulte mit verschiedenen Teilpersönlichkeiten besetzt sind. Erst alle zusammen erzeugen den vollen sinfonischen ‚Klang des Lebens‘ und dies auch nur dann, wenn die Führung wach und willensstark ist. Assagioli unterstützte seine Patienten darin, ihr inneres Orchester zu einem harmonischen Ensemble zu formen, das der ‚Partitur des Lebens‘ unter ihrer Leitung virtuos folgt, statt unsicher und reflexartig dagegen anzuspielen.

Auf diese Weise gewannen seine Patienten Selbst-Kompetenz, d. h. sie selbst lernten, mit ihren inneren Antrieben und seelischen Bewegungen souverän umzugehen und sie als wechselnde Rollen zu begreifen, die sie auf der Bühne des Lebens spielen.

Doch zurück zu Assagiolis Selbstzeugnis: Leicht lassen sich verschiedene Selbste oder Teilpersönlichkeiten identifizieren. Da ist der Kämpfer, der sich auflehnt; dann der Demütige, der sich passiv in die Verhältnisse fügt; hier macht sich der Verzweifelte oder Dramatiker, der sich aufgibt („dahinvegetiert“) bemerkbar und dort äußert sich der Wehleidige, der sich selbst bedauert und sein Schicksal als negative Auszeichnung bzw. als Mittel zur Selbsterhöhung im Leiden („Märtyrer“) begreift. Es melden sich aber auch der distanzierte Humorist bzw. innere Narr Assagiolis oder die Teilpersönlichkeit des neugierigen Wissenschaftlers, der das Ganze nicht weiter persönlich nimmt, sondern als interessantes Selbstexperiment auffasst. Der Reflektierende sieht darin gar die Möglichkeit, eine Auszeit zur Rekreation zu nehmen und sich einfach mal zu entspannen! Man erkennt, dass manche Teilpersönlichkeiten einen eher begrenzten Horizont haben und weniger flexibel in ihren Reaktionen sind als andere. Einige sind auf bloßen Selbsterhalt aus (und sei es auf niedrigstem Anpassungsniveau), andere haben offenbar so große Ressourcen, dass sie der Situation mit weiser Gelassenheit gegenübertreten können und sie regelrecht transzendieren („spirituelles Retreat“). Wir erkennen auch, dass sich viele Impulse bzw. Teilpersönlichkeiten komplementär verhalten und in einer gewissen Polarität zueinander stehen.

Was für ein psychologisch interessantes seelisches Personal! Und was für eine innere Freiheit, seine Lebensverantwortung als große Chance zu begreifen und all diesen Persönlichkeitsanteilen grundsätzlich akzeptierend und mit Aufmerksamkeit zu begegnen und dabei stets offen für die Erfordernisse des Moments zu bleiben! Es geht bei Assagioli am Ende immer weniger um die äußere Situation als um die innerseelischen Prozesse der Bewertung, Verarbeitung, Verweigerung oder Hingabe, die dadurch ausgelöst werden. Hier liegt für ihn die eigentliche Arbeit, denn äußerlich gibt es ja gerade nur wenig zu tun oder zu erreichen. Welcher Anteil wird schließlich die Oberhand behalten? Wie werden die verschiedenen Impulse harmonisiert? Lassen sich die ängstlichen oder unglücklichen Anteile transformieren und integrieren?

Das entscheidet Assagiolis bewusstes Ich (das man auch als ‚bewusstes personales Selbst‘ bezeichnen kann). Um überhaupt in die Lage zu kommen, frei wählen und gestalten zu können, muss das Ich grundsätzlich disidentifiziert sein, d. h. selbst-bewusst. Darum spricht Assagioli auch von Selbstidentifikation und meint damit die „Erfahrung reiner Selbst-Bewusstheit, unabhängig von irgendeinem Inhalt oder einer Funktion des Ich im Sinne von ‚Persönlichkeit‘“.4