Pull the Trigger - J. L. Drake - E-Book
NEUHEIT

Pull the Trigger E-Book

J. L. Drake

0,0

Beschreibung

*** Erster Titel einer Serie *** Endet mit einem Cliffhanger *** Für 18+ *** Kann Trigger enthalten *** »Ich bin nicht dein Prince Charming, Tess.« »Prince Charming wird überbewertet, Trigger. Menschen wie wir brauchen jemanden, der genauso kaputt ist wie sie selbst. Das gleicht das Ganze aus.« Ich wurde vom Teufel selbst großgezogen. Vom Jungen mit Schrammen wurde ich zum Mann mit dem Finger am Abzug. Das Töten ist das einzige, was den Aufruhr in meinem Inneren eindämmen kann. Ich kämpfe jeden Tag mit meinen Dämonen, doch dann verändert sie alles. Das Problem ist nur: Wenn du Zeit deines Lebens im Dunkeln gewandert bist, ist es dann wirklich klug ins Licht zu treten? Mit ihrer neuen Devil's-Reach-Reihe über den gleichnamigen Motorradclub schafft J. L. Drake es wieder, ein Netz aus Verrat, Mord und atemberaubender Spannung zu spinnen. Und mittendrin die beiden Hauptcharaktere: Trigger als Präsident des MC, der in seinem Leben nichts anderes kennt als Dunkelheit und Gewalt. Und Tess, die vor ihren eigenen Dämonen flieht. Geradewegs in die Arme des gefährlichen, aber auch anziehenden Trigger.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 413

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




J.L. Drake

Pull theTRIGGER

Devil’s Reach | Teil 1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2020

© 2020 by LAGO Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2019 bei Limitless Publishing, LLC unter dem Titel TRIGGER. © 2017 by J.L. Drake. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Alfons Winkelmann

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: Catharina Aydemir

Umschlagabbildung: shutterstock.com/Gleb Guralnyk, FXQuadro

Satz: Satzwerk Huber, Germering

Druck: CPI books GmbH, Leck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95761-192-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-264-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-265-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.lago-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Meiner dunklen Seite – weil sie endlich befreit ist.Bitte sehr.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Danksagung

Prolog

Früher sah ich ihnen immer beim Spielen auf der Straße zu, wenn sie den Ball zwischen die Hütchen schossen und die Hände in die Höhe warfen. Sie klatschten sich ab, sie lachten und unterbrachen ihr Spiel für ein Eis, wenn der Wagen um die Ecke kam, jeden Samstag zur gleichen Uhrzeit.

Sie setzten sich in den Schatten, zupften an Grashalmen und erzählten einander erfundene Geschichten. Manchmal, in den Sommerferien, blieben sie bis nach Einbruch der Dunkelheit draußen und spielten Wer hat Angst vorm bösen Mann? Niemand! Und wenn er aber kommt? Dann laufen wir davon. Das heißt, bis sie mich entdeckten.

Dann rannten alle weg. Zu ihren Fahrrädern. Verschwanden.

Warum?

Weil ich unheimlich war … und unheimlich ist furchterregend.

Kapitel 1

Trigger

Klick! Klick! Klick!

»Shit!« Ich drehte mich zurück und verfehlte nur knapp die Stoßstange eines Sattelschleppers. Er hupte, während er nun neben uns fuhr. Zwei weitere Kugeln sausten dicht an meinem Kopf vorbei und rissen den Spiegel über mir ab. Der Fahrer des Sattelschleppers schrie uns an, während er sich bemühte, weiter geradeaus zu lenken.

Ich stopfte mein leeres Magazin in den Stiefel und griff nach meinem Ersatzmagazin, als ein weiterer Laster auf die Hupe drückte, um uns zu zeigen, dass wir auf seiner Spur waren. Die Felsen standen zu dicht am Straßenrand, sodass kein Raum für uns blieb, und die anderen holten auf.

Ich richtete meine leer geschossene Waffe auf den Fahrer links von mir. »Langsamer!« Als er nicht sofort reagierte, zielte ich auf seinen Reifen. Seine Hand fuhr hoch, und er nickte mehrmals.

Er ging vom Gas, sodass Cooper und ich vor ihn schlüpfen konnten. Coopers Rad stieß gegen das meine, ich streckte die Hand aus, nutzte den Schwung, den ich hatte, und packte seine Schulter, um ihn zu stabilisieren. Das Röhren unserer Motorräder hallte durch die Berge und machte meine Männer darauf aufmerksam, dass wir kamen.

»Brick!« Ich hielt die Hand hoch, und er warf mir ein Magazin zu. Rasch setzte ich es mithilfe meines Oberschenkel ein.

In dem Moment, als ich sie im Rückspiegel auftauchen sah, gab ich meinen Männern ein Zeichen, sich bereit zu machen. In einer raschen Bewegung rutschte unser schwarzer Transporter auf den Standstreifen vor uns. Die hinteren Türen gingen auf, und wir vier verteilten uns, während meine beiden Prospects mit ihren Halbautomatik herauskamen. Es war ein wunderschöner Anblick. Orangefarbenes Licht erhellte den Morgenhimmel, während ihnen Kugeln in die Brust flogen und Blut über die Fahrbahn spritzte. Dann lagen drei weitere Stripe Backs zerfleischt da, sodass ihre Leute sie aufsammeln konnten. Sie hatten nach unserem Köder geschnappt, und unser Plan hatte perfekt funktioniert. Auch wenn wir uns deswegen keinen runterholen würden, so hatten wir doch eines nachdrücklich klargestellt: Verarscht meinen Club nicht.

Ich grinste Brick zu, als wir beide unsere Cabo Wabo Anejo Tequila-Flaschen wegwarfen.

Wir nahmen Geschwindigkeit auf und waren schon weit weg, bevor die Polizei auch nur gerufen würde.

Gerade als wir die Stadtgrenze erreichten, surrte mein Handy. Das Display, das an meiner Lenkstange befestigt war, leuchtete auf.

Cary: Sei morgen früh fertig.

Gut. Besser, die Furcht vor dem, was da kommt, einsickern lassen, als sie rasch zum Ende zu bringen.

Ich gab den Männern Zeichen, dass es an der Zeit war. Ich entschied mich für die Seitenstraßen, damit wir besser sichtbar wären, und drosselte, so schwer es auch fiel, unsere Geschwindigkeit, um zu zeigen, dass wir es nicht eilig hatten.

Es funktionierte. Ein paar hiesige Ladenbesitzer winkten uns zu, bevor sie ihre Stahlgitter für die Nacht herabzogen. Mud, der Besitzer des örtlichen Surfshops, hatte seinen Laden für seine nächtliche Tour verlassen und nickte uns zu.

Rail und Cooper trennten sich, während Brick und ich zur Rückseite unseres Clubhauses fuhren und uns an die Arbeit machten.

*

»Ahhh.« Speichel sprühte von seinen Lippen, aber der größte Teil sammelte sich in seinen Mundwinkeln. Er sah aus wie ein wilder Hund. Seine Pupillen weiteten sich, als sie sich auf die winzige Pipette konzentrierten, die über ihm hing. »Bitte, nicht, ich tu alles!«

Brick warf mir einen Blick zu und schüttelte den Kopf. Ich stimmte zu. Es war ermüdend. So gern ich ihm diese Bemerkung ja aus dem Kopf geprügelt hätte, so wenig konnte ich etwas gegen menschliche Reaktionen tun. Es lag in ihrer DNA, um ihr Leben zu betteln. Ich habe mir stets das Versprechen gegeben, dass ich es, wenn meine Stunde schlüge, wie ein Mann nehmen würde. Schweigend.

Aufgrund der Hitze der Hängelampen klebten mir die Haare am Nacken. Wir mussten wirklich die Klimaanlage einschalten.

Der Schlachtraum, wie ich ihn benannt hatte, verfügte über geflieste Wände vom Boden bis zur Decke, die sich leicht reinigen ließen. Es gab einen riesigen Abfluss in der Mitte des Raumes für die größeren Brocken, die wir eilig runterspülen mussten. Keine Fenster, keine Kameras, nur viel Ausrüstung, um damit zu arbeiten.

Brick strich dem Bastard die Haare aus dem verschwitzten Gesicht, damit er mich besser sehen konnte. Ich leckte mir die Lippen, und als ich mich auf Augenhöhe zu ihm begab, versteiften sich meine Männer. Ich begab mich nie auf jemandes Augenhöhe, außer, ich wollte etwas nachdrücklich klarstellen. Sein Blick begegnete dem meinen und suchte nach der Spur einer Seele. Leider war ich ohne eine geboren worden.

Ich beugte mich herab, sodass er selbst die Leere erkennen konnte, die in mir lebte. Sobald er sich darauf konzentriert, einen Blick hinter den Vorhang geworfen und ich seine Erkenntnis gesehen hatte, sagte ich ruhig: »Jeder stirbt irgendwann. Wir alle haben eine Wahl, und du hast die deine getroffen.« Ich winkte Brick, in Position zu gehen und seine Augenlider aufzuspreizen. Die leuchtend rosafarbene Haut bemühte sich, wieder zurückzugehen, kam jedoch gegen Bricks Finger nicht an. Der Mann zitterte und trat um sich, aber mein Gesichtsausdruck sagte ihm, er solle stillhalten.

Ich hielt die Pipette über sein Auge, drückte das Gummi und ließ den winzigen Tropfen Bleichmittel herabfallen, sodass er die Pupille bedeckte. Das Gekreisch des Mannes machte mich kurzzeitig taub, aber mir war das Geräusch willkommen. Zu dieser Methode griff das Schicksal, um mir dafür zu danken, dass ich das Werk des Teufels übernahm.

Er trat um sich und bockte, während sich der winzige Tropfen seinen Weg durch seine Hornhaut brannte, ihn blendete, sie auffraß und weiter ins Gehirn drang. Sein Brustkorb hob und senkte sich, und Schweiß sammelte sich an seinem Schlüsselbein, während sein Hals sich bei dem Schmerz anspannte.

Das Hochgefühl, das mir sein Entsetzen schenkte, verschaffte mir einen Steifen, und mein Herz raste. Ich schluckte heftig, um meine strohtrockene Kehle zu befeuchten, während ich damit fortfuhr, sein linkes Auge zu blenden. Dafür war ich gemacht. Es war das, was mich von den anderen Motorradgangs um mich herum trennte. Ich zeigte keine Gnade und bestrafte jene, bei denen es nötig war, durch ihre größten Ängste. Ich wusste, dass man, nur wenn man nichts hatte, durch nichts berührt werden konnte.

»Brick.« Ich streckte die Hand aus, und er reichte mir ein Jagdmesser. Ich ging um den Stahltisch herum und holte tief Luft.

»Du hast zu viel gesehen«, flüsterte ich, während er darum kämpfte, mit seinen umwölkten Augen zu sehen, wo ich war. »Du hast zu viel gehört.« Ich packte sein rechtes Ohr, zog es vom Schädel weg und schnitt es ab. Sein Gesicht zuckte, sein Mund öffnete sich, und seine Wunde triefte rasch vor Blut, aber er blieb nach wie vor stumm. »Du hast mich bestohlen.« Ich hielt seine Hand unten und schnitt ihm die Finger am zweiten Glied ab. Ich warf sie beiseite, drückte auf seine offene Handfläche und stoppte dadurch den Blutfluss. Jetzt widmete ich mich seinem Körper.

Er fuhr ruckartig zur Seite und übergab sich in einem lautlosen Schrei. Zu viel Schmerzen aus zu vielen Richtungen konnten einen so weit bringen, sich zu übergeben.

»Du warst Teil dieser Familie und hast dich mir lieber widersetzt. Du wirst mir nie wieder ungehorsam sein.« Ich hob die Klinge über meinen Kopf und trieb sie ihm direkt in die Schulter, wobei ich hoffte, dass ihn das endgültig in den Wahnsinn treiben würde. »Nur falls du daran denkst, dass Rache die Antwort ist …« Brick warf mir ein Springmesser zu, während Rail seinen Kopf packte und ihm die Zunge herauszog. Die Klinge fuhr mitten durch.

Schweigen. Nichts außer dem Summen der Lampen.

»Wir sehen uns unten.«

Die Stimme in meinem Kopf kehrte zurück, also winkte ich Brick zu, schnappte mir meinen Kram und ging.

Ich winkte Morgan zu, der während seiner Raucherpause telefonierte, dann setzte ich mir den Helm auf und wischte mir die Hände sauber. Daraufhin zog ich den Motor hoch, lenkte in die Sonne und fuhr hinaus auf die glühend heiße Straße. Die Jungs konnten sich um den Rest kümmern.

Der Motor war heiß, und ohne es richtig zu bemerken, ließ ich meine Gedanken dorthin wandern …

Der glühend heiße Schürhaken streifte über meine Wade, und ich fuhr mit einem Aufkreischen zurück. Tränen strömten mir über die schmutzigen Wangen, und ich zog die Knie an die Brust hoch. Die Hitze verbrannte die Hautoberfläche und fuhr dann den Muskel hinab, wo sie sich zu einer Decke reinsten Schmerzes ausbreitete.

»Hör auf!«, schrie ich, verzweifelt darauf hoffend, dass es ihn langweilte und er zu etwas anderem überginge. Ich war vier Jahre alt, und dies war das fünfte Mal, dass er es getan hatte.

»Komm her, Junge!« Seine gewaltige Hand griff nach mir, aber ich drückte meinen Rücken ganz dicht an die Wand unter dem Tisch und machte mich so klein, wie ich nur konnte.

Er kniff die braunen Augen zusammen, während er den Schürhaken zurückzog. Er ließ ihn zu Boden fallen, fluchte, holte sich ein frisches Bier aus dem Kühlschrank, knallte es laut auf den Tisch und ging.

Mein Herz hämmerte, bis es mir in der Brust schmerzte.

Wenn er mich hätte haben wollen, hätte er leicht unter den Tisch kommen können. Allen war ein fitter Mann mit Muskeln, die sämtlichefalschen Arten von Frauen anzogen, ein starkes Kinn und ausgeprägte, breite Schultern mit einer schlanken Taille.

Ich steckte die Furcht weg und drehte mich zur kühlen Mauer um, drückte meine Wange dagegen, suchte etwas Erleichterung von der schrecklichen Hitze in meinem Bein. Ich schloss die Augen, blieb bis zum Morgen unter dem Tisch und wusste, dass jetzt alles wieder von vorn beginnen konnte.

Ich blinzelte, um den Kopf klar zu bekommen, lenkte auf einen staubigen Weg und machte mich hinauf in die Berge.

Der gelbe Trailer saß auf Zementblöcken. Die Räder waren schon vor Jahren abmontiert worden. Die Schiebefenster standen offen, und zerbrochene Jalousien sprangen im Wind herum. Der Ort war eine Müllhalde, und ich wusste nicht so recht, warum er darauf bestand, es dabei zu lassen, aber das war seine Entscheidung. Er hatte sich dieses Recht vor vielen Jahren erworben.

Ich wich unter einen schattigen Baum zurück, stellte den Motor ab, nahm den Helm vom Kopf und hängte ihn an den Griff meiner mattschwarzen Kawasaki Vulcan 900.

Ich wandte mich um und entdeckte, dass eine Bierdose auf mich zuflog. Ich fing sie auf und öffnete sie langsam, um nicht vollgespritzt zu werden.

»Tag?«, ertönte seine krächzende Stimme.

Ich ließ mich auf einem alten Klappstuhl nieder, der sich mir in die Beine bohrte. »Drei Stripe Backs erledigt und einer meiner Männer futsch.«

»Jemand verletzt?«

»Nö.«

»Prospect gestohlen? Oder geplaudert?«

»Gestohlen.«

»Was hast du entfernt?«

»Finger. Augen. Schulter. Ohr. Ein wenig Zunge.« Ich rückte zurecht, damit mir die Holzstange nicht in die Hüfte schnitt. »Der Scheiß ist uralt, Gus.«

»Ich bin alt.« Er tat meine Bemerkung ab, wie immer. »Wie viel?«

Ich setzte den Helm ab und wischte mir das lange Haar aus dem Gesicht.

»Etwas über vierzigtausend.«

Gus schüttelte den Kopf und rieb sich das Knie. Drei Stichwunden an derselben Stelle würden jeden schachmatt setzen. »Grund?«

»Spielt das eine Rolle?« Ich warf meine leere Dose in den Mülleimer, bevor ich nach einer weiteren griff. Meine staubigen Stiefel landeten schwer auf seinem Holztisch.

»Wo ist er?«

»Hab mir gedacht, die Jungs könnten ihren Spaß haben.«

Er nickte.

Wir saßen schweigend da. Ich mochte ja kein großer Redner sein, aber ich hasste die Stille. Mein Knie ging hoch und runter, und Gus verstand den Wink. Er beugte sich herüber und tippte auf sein Handy, und einen Augenblick später füllte die Band Disturbed das Schweigen, und ich stieß einen langen Atemzug aus, als die Gitarrentöne meine Ohren trafen und mich beruhigten.

»Hunger?«, fragte er unbeholfen, als er sich aus seinem Stuhl erhob. Er richtete sich gerade auf, und dabei neigte sich sein zerschlagener Körper zu einer Seite. Wegen einer Schusswunde im Rücken hing sein Kopf immer nach rechts. Gus war sechzig, aber seine Seele war dreißig.

»Nein.« Ich leerte mein Bier und stand auf. »Ich sollte zurückfahren.«

Er folgte mir zu meinem Motorrad. »Treffen morgen?«

»Ja, um elf.« Ich setzte meinen Helm auf.

»Neue Sendung?«

»Ja.«

»Bis morgen«, wiederholte er mit einem kleinen Nicken.

Ich hob zwei Finger zum Abschied und ließ den Motor an.

Ich wand mich durch den Verkehr. Das Bike war ein Teil von mir, und ich fuhr Motorrad, so lange ich zurückdenken konnte. Gus hatte immer gescherzt, dass ich gelernt hatte zu fahren, bevor ich das Laufen gelernt hatte. Für mich war es das Nächste an Freiheit.

Zwei Scheinwerfer blitzten in meinen Spiegeln auf, ein Zeichen, dass ich an den Straßenrand fahren sollte. Ich wartete, bis ich sicher wusste, wer es war, aber er ließ die Scheinwerfer immer auf dieselbe Weise aufblitzen. Einmal kurz, einmal lang. Ich zog auf die andere Spur hinüber, fuhr an der Tankstelle ab und parkte auf dem Seitenstreifen.

Der Mustang kam hinter mir zum Stehen und Officer Doyle hievte sich aus dem Wagen. Ich saß schmunzelnd auf meinem Motorrad und sah ihm zu, wie er sich viel Zeit ließ, zu mir zu kommen.

»Trigger, hab mir gedacht, dass du es bist.« Er hatte die Stimme leicht gehoben, um den Zuschauern etwas zu bieten. Alle kannten mein Bike, und alle sahen liebend gern zu, wenn ich stinksauer über idiotische Bullen wie Doyle wurde.

»Sie haben mich gefunden«, sagte ich herumspielend. »Nun, da Sie mich gefunden haben, was kann ich für Sie tun?«

Doyle hielt den Zuschauern den Rücken zugekehrt, nahm seine Sonnenbrille ab und putzte sie an seinem übergroßen Hemd. »Ich habe gehört, dass ihr Jungs gestern Nacht etwas in Schwierigkeiten geraten seid.«

»Weiß nicht genau, wovon Sie reden.« Ich zuckte die Achseln. »Was ist passiert?«

»Elis Jungs hat’s erwischt.«

Hui. »Sind sie am Leben?«

»Zwei Tote, einer noch nicht tot.«

»Ich war es nicht.«

Er grinste höhnisch und beugte sich näher. Er roch nach Kirschkaugummi. »Und falls doch?«

Ich lachte über seine Schauspielerei. Ich hätte gewettet, dass Doyle seine Waffe nie woanders als auf dem Schießstand abgefeuert hatte. »Sie wollen mir etwas sagen, Doyle?«

Er verdrehte meinen Rückspiegel, um sich die Krawatte zu richten, und es juckte mich in den Fingern, seine zu brechen. »Ich kenne dich schon lange, Trigger. Ich weiß auch, wann du lügst.«

Ich sah auf die Menge, die nichts Besseres zu tun hatte, als zuzuschauen, und sagte sehr vorsichtig, weil ich wusste, dass mein Schalter gleich umschlagen würde: »Sie haben keine Ahnung, wer ich wirklich bin. Wenn Sie Probleme mit meinen Jungs haben, kommen Sie mit einem Beweis zu mir.«

»Deine Jungs haben besser sehr, sehr gute Alibis.«

»Tun Sie mir einen Gefallen, Doyle. Geben Sie Ihrer Schwester einen Kuss von mir.« Als er mir gerade den Stinkefinger zeigen wollte, setzte ich mich auf mein Bike und schleuderte einen Sandsturm hoch, bevor ich die Auffahrt zur Schnellstraße hinabraste.

Ich ließ mir von der Maschine die Nerven beruhigen, während ich mich zwischen den Autos hindurchschlängelte. Es dauerte nicht lange, bis ich wieder auf meinem eigenen Territorium war und die Straße hinab- und in das verlassene Kino einfuhr, das ich besaß und wo ich mein Bike unterstellte. Ich nahm den Aufzug zu meiner Wohnung.

Ich brauchte etwas Zeit zum Nachdenken.

»Wir alle gehen voran, und meine Vergangenheit holt mich ein. Die Zeit geht mir aus, und meine Tage sind gezählt. Zu stark, um wegzulaufen, zu stolz, um sich zu verstecken, dafür werde ich bezahlen, dafür werde ich sterben«, sang ich und sah zu, wie die Lichter unter mir flackerten. Ich lehnte mein Gewicht an die warme Steinmauer, die Santa Monica überblickte, hatte meine Gitarre auf meinen Schenkel gestützt und zupfte die Saiten zu einem meiner eigenen Songs.

Ich konnte meilenweit sehen. Dies war meine Stadt, und dies war mein Ort. Alle wussten, wenn ich hier war, sollten sie mich in Ruhe lassen, verdammt! Ich strich mit dem Feuerstein über Metall und hielt die zuckenden Funken ans Ende des Joints. Mit einem tiefen Zug fuhr der Rauch geschmeidig weit hinab in meine Lungen. Ich spürte, wie er in mir tanzte. Ich kniff die Augen zusammen, legte den Kopf in den Nacken und formte ein O mit den Lippen, ließ eine Spur weißen Rauch hinauf zu den Sternen treiben.

Der Joint rutschte weiter zwischen meine Finger, und ich strich über die Saiten, sandte Bluesrock in die Wärme der Nacht.

Meine Gedanken rasten zu jenem Morgen zurück, als sich alles geändert hatte. Die Möglichkeit, dass der Club vielleicht mehr Ratten hatte, sorgte für ein Kribbeln im Hals. Ich müsste sie mit jedem nur möglichen Mittel hinausspülen. Dann müsste ich sie mir persönlich vornehmen.

Ich legte meine Gitarre zur Seite, fuhr mir mit den Händen durch die Haare und ließ es wieder über meine Schultern zurückfallen. Ich brauchte ein Ventil, also zog ich mir die Kutte aus und hängte sie über einen alten Stuhl, sodass mich der Teufel anstarren konnte. Ich holte mein Handy hervor, machte ein Lied von The White Buffalo an, drehte die Lautstärke hoch und ließ die Stille von dem Song durchschneiden. Ich hasste Stille. Sie brachte zu viele Erinnerungen zurück. An ihn.

Ich zog mir das T-Shirt aus und spannte meinen Nacken, bog meinen Kopf vor und zurück. Dann hob ich die Arme über den Kopf und beugte mich nach hinten. Meine Finger knackten, als ich sie verschränkte und kräftig zog. Ich starrte den Boxsack eine Sekunde lang an, und dann legte ich los.

Ich kräuselte die Lippen bei dem Aufprall, der meine Muskeln wie ein Hammer traf. Schmerz war gut. Schmerz war leicht zu beherrschen. Jede andere Emotion war reine Zeitverschwendung.

Ich verdrehte den Rumpf, vollführte einen Roundhouse und trat den schwarzen Boxsack hoch in die Luft.

Peng, peng, peng, peng. Ich konnte nicht genug bekommen, bis meine Arme sich verkrampften und meine Kehle um Wasser bettelte. Ich wischte mir das Gesicht ab, schob mir das Haar aus dem Gesicht und hielt es mit meiner Baseballkappe zurück. Ich trat den Kühlschrank auf, öffnete eine kalte Bierdose und lehnte mich ans Geländer.

Endlich war die Stimme verstummt, aber ich wusste, das würde nicht lang so bleiben.

Mein Handy neben mir vibrierte.

Brick: Prospect ist entsorgt.

*

Tess

Ich schenkte mir ein weiteres Glas Wein aus der Flasche ein, die auf meinem Nachttisch stand. Ich hatte die Lampen stark abgedimmt, sah mich im Zimmer um und war dankbar, heute Nacht allein zu sein.

Ich hob das schwere Buch auf, lehnte mich zurück und zog mir die Bettdecke bis unters Kinn. Mein Blick huschte über die Seite und suchte nach der Stelle, wo ich vor einem Moment aufgehört hatte.

»Bleiben Sie bitte und lassen Sie sich von mir beschützen.« Sein Gesicht ist nur Zentimeter von ihrem entfernt. Sanft hebt er das Betttuch und trocknet ihr die Augenwinkel. »Sie müssen mir vertrauen.«

Ich ließ das Buch auf meinen Schoß fallen und schloss die Augen. Verdammt, ich musste weiterlesen. Wo war ich? Oh, ja, genau. »Haben Sie die ganze Nacht bei mir verbracht?«

Wieder ließ ich das Buch fallen. Ich bekomme dieses Buch nie ausgelesen, wenn ich mich immer wieder in sie hineinversetze, aber sollte ich das? Ich griff nach meiner Handtasche, leerte den Inhalt vor mir aus und grinste über den purpurfarbenen Vibrator in Form eines Lippenstifts, der zufällig gerade eine neue Batterie hatte. Warum nicht, zum Teufel?

Später, bevor ich das Licht ausschaltete und mich für die Nacht hinlegte, kam ich unter der Bettdecke hervor und sah zum Fenster hinaus. Ich liebte den Nachthimmel. Etwas daran war so friedlich. Eine flüchtige Bewegung erregte meine Aufmerksamkeit, und ich schaltete das Licht aus, damit ich besser sehen konnte. Oh, du meine Güte! »Hallo, Remington Tate.« Ich öffnete mein Fenster. Es war völlig abgefahren, aber nun gut …

In Santa Monica war es über dreißig Grad, dennoch trug dieser Typ einen Hoodie. Er bewegte sich so in etwa wie ein Tänzer, und seine Fäuste schlugen auf den Boxsack ein. Ich hörte das Peng, Peng, Peng, Peng, wenn seine Fäuste darauf trafen. Es war faszinierend, ihn zu beobachten. Das Dachgeschoss, auf dem er war, lag nur wenig höher als mein Fenster, und so hatte ich einen guten Blick auf ihn, von hinten erleuchtet vom Mond. Es war ein wunderschöner Anblick.

Gegen meinen Willen wurde ich müde und wusste, dass es morgen ein voller Tag werden würde. Unter anderem müsste ich Sachen auspacken, die nicht mal mir gehörten. Ich riss meinen Blick von dem Boxer auf dem Dach los und sah mich im Zimmer um. Es war viel besser als meine alte Bleibe. Nun ja, alles war besser als meine alte Bleibe. Ich schloss die Augen bei der Erinnerung und versuchte, seinen Geruch aus dem Kopf zu bekommen, obwohl ich den tiefen Schmerz immer noch spürte. Ich channelte den Schmerz in Ärger – etwas, worin ich Profi war. Trübsal blasen hatte noch nie jemanden geheilt.

Morgen sollte ich eine neue Stelle in »Helmond’s Bar« antreten. Sie mochte nur vorübergehend sein, bis ich etwas anderes gefunden hätte. Ich wollte nicht auf ewig Drinks servieren, aber verdammt, es war Geld, und das brauchte ich momentan gerade.

Mein Handy leuchtete auf, und ich lächelte über die Nachricht.

Matt: T minus acht Stunden.

Tess: Du bist besser da, wenn ich komme.

Matt: Habe ich dich jemals hängen lassen?

Mein Herz erwärmte sich etwas.

Tess: Niemals.

Ich hob meine geliebte Kamera, machte einen Schnappschuss von meinem Boxer auf dem Dach und hoffte, dass ich die Beleuchtung richtig eingestellt hatte. Ich wusste, es wäre ein Bild, das ich so leicht nicht vergessen würde.

»Nacht«, flüsterte ich, bevor ich ins Bett kroch und das Buch unter mein Kissen steckte. Ich hoffte, es würde mir gute Träume bringen.

*

Fast wäre ich in einen der Kartons hineingefallen, während ich nach dem schwarzen Lederrock und dem roten Tanktop grub, die ich auf Matts Anweisung hin tragen sollte. Einmal angekleidet, quetschte ich mich in meine hochhackigen Stiefel und warf einen Blick in den Spiegel, der an die Wand gelehnt dastand. Ich beugte mich vor und strich mit den Fingern durch meine langen blonden Haare, damit sie etwas mehr Volumen bekamen. Fünf Ketten umschlangen mein linkes Handgelenk bis halb hinauf zum Ellbogen, und meine silbernen Hoop-Ohrringe schwangen bei der Bewegung mit und verliehen mir einen zusätzlichen Farbtupfer.

Ich war nie ein Mädchen für süße Sommerkleider und Prada-Handtaschen gewesen. In meinem Innern ging immer zu viel Mist vor, um jemals etwas so Fröhliches zu tragen.

Ich schnappte mir meine Handtasche, stürzte ein Glas Orangensaft hinunter, den ich mir von der Tankstelle auf der anderen Straßenseite besorgt hatte, schloss dann die Tür ab und rannte nach unten und hinaus auf den Bürgersteig. Ich wohnte nicht weit von meiner neuen Arbeitsstelle weg, aber Matt hatte ein paar Bemerkungen dahingehend fallen lassen, dass ich vorsichtig sein sollte, welche Straßen ich benutzte. Das Problem war, er hatte nicht gesagt, welche genau. Er hatte mich angewiesen, ein Taxi zu nehmen, aber das war lächerlich. Ich hatte die Bar gegoogelt und gesehen, dass es zu Fuß lediglich eine Viertelstunde war. Tut mir leid, Matt, aber dafür rufe ich kein Taxi. Geld war etwas, von dem ich im Augenblick nicht allzu viel hatte.

Den Zettel in der Hand wandte ich mich nach Osten und ließ mich von der warmen Morgenluft wecken. Soll heißen, bis ich eine Vibration in meiner Handtasche spürte. Ich nahm den Anruf entgegen, obwohl ich die Nummer nicht kannte, und steckte den Zettel in meinen Stiefel.

»Hallo.«

»Möchtest du mir sagen, wo du momentan bist?«

Mein Blutdruck fiel ins Bodenlose.

»Was willst du?« Ich hielt meine Hand hoch, um einem Wagen anzuzeigen, dass ich gerade einfach so die Straße überqueren wollte. Der Fahrer pfiff mir hinterher, und ich zeigte ihm den Mittelfinger.

»Ich möchte bloß wissen, wo du bist. Ich habe ein Recht darauf, Tessa.«

»Nein, hast du nicht.«

Es folgte eine so lange Pause, dass ich auf das Handy hinabsah, ob die Verbindung immer noch bestand. Nach einem Augenblick zeigte das Display an, dass der Anruf beendet war. Was für ein Drama mit dieser Frau verknüpft war! Ich eilte weiter, so rasch ich konnte. Ich hätte wirklich einmal das Weglaufen üben sollen, aber sein Leben von einem Staat in einen anderen zu verlegen, war erschöpfend. Ein paar weitere Blocks und zweimal um die Ecke, und ich beschirmte meine Augen, um die Nummer an der Wand zu lesen.

Warte mal. Ich musste einen falschen Abzweig genommen haben. Verdammt.

Ich ging zurück um die Ecke und war jetzt völlig durcheinander. Ich sah ein paar Typen, die mich anstarrten. Mir war leicht unbehaglich, aber ich versuchte, ganz normal zu sein. Mit erhobenem Kopf und im Versuch, Selbstvertrauen zu zeigen, eilte ich weiter, stolperte jedoch in meinen blöden Boots und fiel auf die Knie. Mein Handy flog davon, und ich zuckte zusammen, weil ein Schmerz durch meine Beine fuhr.

»Ja, genau da, wo sie sein sollte«, rief einer der Typen, und ich wurde von Kopf bis Fuß rot.

Ich bemühte mich aufzustehen, und da ergriff mich einer am Arm und zog mich hoch wie ein Kind.

»So gut du ja auf deinen Knien ausgesehen hast, das hat so gewirkt, als ob du dir beim Sturz wehgetan hättest. Alles in Ordnung?« Mein Blick begegnete dem eines älteren Mannes von vielleicht Ende sechzig, ein furchterregender Typ. Eine tiefe Narbe lief von seinem rechten Auge zu seinem Mundwinkel herab. Er roch nach Bier, was mir buchstäblich den Atem raubte.

»Mir geht’s gut.« Ich entzog meinen Arm seinem Griff und klebte mir irgendwie ein Lächeln ins Gesicht, um nett zu erscheinen. Mir fiel seine Bikerkutte auf. Tatsächlich trugen alle so eine. Ein Schädel mit einem Teufel und einer Schlange, die aus seinem Auge kam, war auf dem Rücken aufgenäht. Satan’s Serpents.

Ich hätte entsetzt sein sollen, aber alles, was mir durch den Kopf ging, war, dass ich an meinem ersten Arbeitstag zu spät käme. Ich kann meinen besten Freund nicht im Stich lassen.

Einer der Typen reichte mir mein Handy, aber als ich danach griff, zog er es weg. Er klickte auf das Display und grinste über das Bild von mir und meiner Freundin Mags.

»Hübsches Kleid.« Er zwinkerte und reichte es mir zurück. »Trag es bei unserem Date nächste Woche.« Meine Miene wurde noch finsterer … sofern das überhaupt noch möglich gewesen war. Ich hatte mit solchen Männern zusammengelebt, und das Verhalten war ermüdend.

Er wollte noch etwas anderes sagen, aber ein lautes Donnern von etlichen Motorrädern, die eine Querstraße entlangfuhren, machte mich halb taub. Ein Schweigen breitete sich über die Männer aus.

Vier Typen auf Motorrädern wurden langsamer, als sie uns sahen. Der Verkehr schien ihnen nichts auszumachen. Sonnenbrillen verdeckten ihre Augen, aber ich wusste, dass sie uns sahen. Ich war wie erstarrt und wartete darauf, dass etwas Schlimmes geschah. Die Spannung war so heftig, dass einem das Atmen schwerfiel.

Ein paar zogen ihre Waffen, aber der alte Mann mit der Narbe schüttelte den Kopf, und sie hielten sich zurück.

Ernsthaft, wo bin ich hier, zum Teufel?

Der Teufel schob sich wieder in mein Blickfeld, nur dass auf ihren Jacken ein Schädel in der ausgestreckten Hand des Reapers, des grimmigen Schnitters, ruhte. Devil’s Reach war über ihre Schultern angebracht. Ich bemerkte, dass auf beiden Jacken Santa Monica zu sehen war.

Da ich spürte, dass die Männer beschäftigt waren, nutzte ich die Gelegenheit und schoss die Straße hinunter.

Ich fischte in meinem Stiefel nach dem blöden Zettel, auf dem ich Matts Adresse notiert hatte.

Fünfzehn Minuten später war ich schließlich angekommen – 5627 Dustin Street.

Ich starrte zum dem heruntergekommenen Gebäude mit den aufgemalten schwarzen Fenstern hoch. Es war riesig und breit, aber die wenigen Gebäude ringsumher waren verlassen, und ein paar Fensterscheiben waren zerbrochen. Ich hoffte wirklich, dass ich mich mit der Adresse vertan hatte. Ich zog am Türgriff und zu meiner Enttäuschung öffnete sich die Tür und stieß eine Rauchwolke aus. Ich hustete, um wieder zu Atem zu kommen, und als meine Augen nicht mehr brannten, erfasste ich meine Umgebung.

Heilige Scheiße …

»Was trinkst du?«, brüllte mich eine heisere Stimme von hinter der Theke an. Ich blinzelte, um den Schleier zu klären, und bemerkte einen großen Mann mit einem langen Bart, der ihm bis zum Gürtel reichte. Tattoos liefen um seinen rasierten Schädel wie die Ringe des Saturn.

Ich schüttelte den Kopf und begriff, dass es schlau sein könnte, wieder zu gehen. »Ich glaube, ich bin falsch hier.«

Er schenkte ein Glas ein, schob es in meine Richtung und nickte dabei, ich solle es nehmen. Ich ging zur Theke und dachte: Warum nicht, zum Teufel? An diesem Punkt war ich mir sicher, dass ich den Job sowieso losgeworden war. Ich kippte den Drink runter, während der Mann mir zusah. »Wo solltest du denn sein?«

Ich wartete ab, bis das Brennen vom Whisky verschwunden war, bevor ich Antwort gab. »Ich suche nach meinem Freund Matt Montgomery. Ich glaube, ich habe mir die falsche Adresse notiert.«

Er musterte mich einen Moment, und dann zuckte sein Ring in der Augenbraue, als er mich scharf in den Blick nahm.

»Brick! Gesellschaft!«, rief er über meinen Kopf hinweg.

Ernsthaft?

»Nein, ich suche einen Matt.«

»Nicht mehr.«

Hä?

Einen Augenblick später flog eine Tür auf, und heraus kam mein bester Freund, den ich seit sechs Jahren nicht mehr gesehen hatte und der eine Kutte von Devil’s Reach trug.

Okay …

Er flog zu mir hin, hob mich hoch und begrüßte mich mit einer gewaltigen, bärenhaften Umarmung.

Moment!

»Tess!« Er lächelte durch eine Masse langen braunen Haars auf mich herab, das ihm bis zu den Ohrläppchen reichte. »Du siehst toll aus!«

»Hast du weniger erwartet?«, scherzte ich, um mir einen zusätzlichen Moment zu verschaffen, die Situation zu verarbeiten. »Ähm, weiß nicht so recht, wo ich hier anfangen soll, also … was soll das mit dem Namen Brick?«

In seinem Blick flackerte etwas, bevor er erwiderte: »Spitzname.«

»Okay.« Ich bemerkte die Worte Vize-Präsident, die über seinem neuen Namen aufgestickt waren. Was war mir da entgangen?«

So bizarr die Situation ja war, ich konnte nicht leugnen, wie gut es war, ihn zu sehen. Es war wie als Kind, wenn man sich in seine Decke kuschelte. Sogleich Trost.

Ich umarmte ihn noch fester. »Du siehst völlig anders aus.« Ich zupfte an seinem langen Haar. »Gefällt mir!«

Er setzte mich wieder zu Boden, und ich tätschelte ihm den Arm und nickte zu der verdammten Bikerbar hin. »Danke für die Warnung.«

Ein schuldbewusstes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Ich wollte nicht das Risiko eingehen, dass du nicht kommst.«

»Wie gut kennst du mich?« Ich schüttelte den Kopf und fühlte mich bereits besser. »Alles ist besser als zu Hause.«

Er griff nach meiner Hand und schob meine Armreifen hoch, um meine Handgelenke zu überprüfen. Mit zusammengepressten Lippen strich er mit seinem Finger über die senkrechte Narbe an meinem linken Handgelenk.

»Ich kenne dich besser als sonst wen.«

Ich zog meine Hand weg und schob die Armreifen zurück.

»Wie geht’s dir?« Bevor ich Antwort geben konnte, warf er mir diesen Blick zu. »Ohne den Blödsinn, Tess.«

Ich trat zurück und bemerkte, dass der Barkeeper uns schamlos belauschte.

»Gut. Wie ich sage, bin froh, weg zu sein. Du wirst mich rumführen?«

Seine Schultern sackten zusammen, aber er fragte nicht weiter nach. Stattdessen blickte er über meine Schulter auf irgendetwas.

»Ja, das kann ich tun.« Er winkte über die Bar. »›Helmond’s Bar‹. Das ist die Clubbar.«

»Okay.« Ich sah, dass ihr Bild in Schwarz und Grau auf die Wand gemalt war, und es gab drei Frauen, die von irgendetwas high waren. Zwei von ihnen waren über einen Stuhl und eine Bank verteilt, und die andere saß splitterfasernackt und breitbeinig auf einem Billardtisch.

»Nichts, was du nicht früher schon gesehen hättest.« Brick zuckte die Achseln.

Ein kleiner Junge von vielleicht sechs Jahren kam hinter der Theke hervorgerannt. Er hatte etwas dabei, das, wie ich hoffte, eine Wasserpistole war und fing an, der Frau auf dem Stuhl ins Gesicht zu schießen. Sie sah ihn mit schmalen Augen an, bevor sie ihm die Pistole wegnahm und durch den Raum schleuderte.

»Mach dich für die Schule fertig.«

Ich schüttelte den Kopf, bevor ich sah, wohin Brick zeigte. »Das sind die Ol’ Lady von Gus und sein Sohn. Du wirst ihn später kennenlernen.« Ich nickte, und er fuhr fort: »Durch diese Schwingtüren«, er zeigte zur Wand unterhalb des Logos von Devil’s Reach, »geht’s zum Büro des Präsidenten und zum Versammlungsraum. Die meiste Zeit sind die Türen offen, aber bei einem Treffen bleiben sie geschlossen, und die Bar macht dicht.« Er winkte mir, ihm hinter die Bar und durch weitere riesige, schwere Türen zu folgen. Meine Vermutung lautete, dass sie kugelsicher waren.

Zuerst ging es nach links. Die Flure waren breit und die Fußböden gekachelt. Die Wände waren in einem dunklen Beigeton gestrichen, und zu meiner Überraschung war es nicht allzu heruntergekommen, nicht wie die Front des Gebäudes. Nach ein paar raschen Blicken aus den Fenstern sah ich, dass das Gebäude hufeisenförmig angelegt war, mit einem Raum für Partys in der Mitte.

»Das sind die Schlafzimmer für uns Führungsleute. Präsident, Vizepräsident, Sergeant-at-Arms, Schatzmeister und so weiter. Das ist meins.« Er zeigte rasch hin, bevor er mich umdrehte und den Flur zurückführte. Sobald wir durch die riesigen Türen waren, öffnete er eine weitere und ließ mich eintreten. Zwei Frauen, die so aussahen, als wären sie so alt wie meine Mutter, und ein Typ, der etwa von der Größe eines Hauses war, funkelten mich an.

»Küche. Kein Grund, dir ihre Namen zu nennen. Sie haben null Persönlichkeit, und selbst, wenn es anders wäre, verlassen sie nie diesen Raum, also ist es sinnlos.«

»Hi.« Ich winkte, und der Typ sagte kichernd etwas auf Spanisch, also zuckte ich die Achseln. »Hätte nie gedacht, dass ein Bikerclub so gut leben könnte.«

»Wir sind nicht wie die meisten Bikerclubs.« Brick lachte, als er mir die Tür öffnete, damit wir die Küche verlassen konnte. »Unten gibt es weitere Schlafräume.«

»Was ist mit der Tür da am Ende?« Ich bemerkte dieselbe Art von Türen wie die, durch die wir in die Wohnbereiche gekommen waren, auch am Ende des Flurs.

»Ah, da geht es nach draußen. Sie sind normalerweise abgeschlossen, also benutze einfach die hier.« Er tippte auf die Tür vor mir. »Okay, nun die Regeln.« Er führte mich hinaus, vielleicht weg von lauschenden Ohren. Ich wusste es nicht.

Der Innenhof bestand größtenteils aus Beton mit vielen Bäumen, die dem eigentlichen Gebäude Schatten spendeten. Es gab einen riesigen rechteckigen Pool mit einer kleinen Umkleidekabine gleich daneben, deren Äußeres perfekt zu dem massiven steinernen Grill passte. Ein paar Tische und Liegestühle waren darum verteilt, und ein alter verrosteter Pick-up stand, verborgen zwischen einigen Bäumen, an der Steinmauer, die das Areal begrenzte. Es war ein völlig friedlicher Anblick, so viel stand fest.

»Kapiere schon, das ist ganz schön viel auf einmal.« Brick sah mich mit einem zugekniffenen Auge an. Ich saß so, dass er die Augen eigentlich nicht zusammenkneifen musste.

»Nicht so schlimm.«

»Wenn du nicht bei der Arbeit bist, kannst du hier rauskommen. Normalerweise sind wir hier. Die Jungs holen ihre Familien für das Abendessen freitags rüber. Du arbeitest mit Morgan. Er ist gut, redet nicht viel, aber er bringt dir jede Menge bei. Hast du ein Problem, sprich mit ihm.«

»Morgan hat eine Familie?«

»Nö. Du hast Gus’ Ol’ Lady auf dem Stuhl gesehen. Sie heißt Vib. Sie ist ein Junkie, aber sie sollte kein allzu großes Problem darstellen. Sie haben zwei Kinder, Den und Fin. Das sind kleine Racker, aber sie gehören zur Familie, also lieben wir sie.«

Wahnsinn. Ich stand nicht so sehr auf Kinder.

»Rail und Cooper sind zwei weitere von den wichtigen Jungs, die hier leben. Rail denkt nur mit seinem Schwanz, also halte dich von ihm fern. Cooper ist … na ja, du kannst dich mit ihm anfreunden. Ich erlaube dir das.«

Ich schlug ihn auf den Arm.

»Rühr die Drogen nicht an. Da sind jede Menge im Umlauf. Wir Jungs auf der höheren Etage rühren sie nicht an. Trigger, der Präsident, möchte, dass wir sauber bleiben. Du kannst Pot rauchen, aber keinen Koks nehmen, okay?«

»Hast du mich jemals mit einem Röhrchen in meiner Nase erlebt?«

»Sind sechs Jahre her. Da hat sich viel verändert.«

»Wie dein Name.«

Er lachte düster. »Ja, ein paar von uns haben nach unserem ersten Mord einen Spitznamen angenommen.«

»Danke für diese Erläuterung.«

»Denk an Rail.« Da lachte er, stand auf und bot mir eine Hand. »Komm schon.« Er hielt mich fest an der Hand, als wir wieder nach drinnen gingen. »Hast du irgendwelche Probleme, kommst du zu mir. Versprochen?«

»Versprochen.« Ich wartete darauf, dass er die Tür hinter mir schloss, und mir fiel auf, dass es in der Bar wesentlich lebhafter zuging. Wenigstens hatte die Nackte auf dem Billardtisch die Beine geschlossen. »Also, wo genau arbeite ich?«

Er ruckte mit dem Kopf zur Theke hinüber. »Morgan«, rief er dem Barkeeper zu, als wir zu ihm traten. »Das ist Tess. Sie ist die neue Barkeeperin.« Morgan verzog keine Miene, sondern öffnete nur die hölzerne Klappe, um mich hinter die Theke zu lassen. »Hi.« Matt zog mich näher zu sich. »Von jetzt an heiße ich Brick, okay?«

»Ja, das hat sich mir schön in den Kopf eingebrannt.«

»Wir akzeptieren nur Bares.« Morgan legte gleich los. »Die Jungs mit den Schädel-Patches am Kragen trinken für umsonst. Sonst niemand, keine Ausnahmen.« Ich unterließ die Bemerkung, dass er mir gerade einen Drink spendiert hatte. »Wir servieren nur Bier und harte Sachen.« Er zeigte auf die Flaschen. »Du bist sauber?«

Verwirrt sah ich ihn an.

Als ich nicht reagierte, drehte er meine Arme um und musterte meine Haut auf Spuren. »Zieh die Schuhe aus.«

»Bitte?«

»Sie ist sauber«, brüllte Brick als Warnung herüber. Morgan nickte einmal und machte sich daraufhin wieder ans Erklären, als hätte er nicht gerade gefragt, ob ich heroinabhängig war.

»Du kannst trinken, aber werd nicht betrunken«, murmelte er, strich sich über den dünnen Bart und drehte ihn um seine Finger, als würde er nachdenken. »Nenn ihn nicht Matt. Sein Name ist Brick. Es ist respektlos im Club. Er hat sich diesen Namen verdient.«

Das hatte ich kapiert, obwohl nie das Wort verdient gefallen war.

»Stell keine Fragen nach Sachen, die du nicht beantwortet haben möchtest«, brummelte Morgan, und Brick schien zuzustimmen.

Ein Ruf aus einem Raum auf der anderen Seite, dem ein lauter Krach folgte, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Ich sah Brick an, der bloß den Kopf schüttelte. Ich sollte es offenbar ignorieren.

Morgan reichte mir einen weiteren Drink. »Hast du je zuvor hinter der Theke gestanden?«

»Habe ich.«

»Du musst bloß die Etiketten lesen, ein Glas einschenken und rechnen können.« Er stieß sein Glas gegen das meine und kippte den Drink hinunter, und ich tat es ihm gleich.

»Jegliche Trinkgelder, die du bekommst, gehören dir. Solange die Abrechnung stimmt, ist alles in Ordnung. Achte darauf, etwas Heißes anzuziehen, die Jungs sollen schließlich was fürs Auge bekommen.«

»Ist nicht weiter schwer.«

Morgan warf erst Brick einen gelangweilten Blick zu, dann mir. »Ich gebe ihr Zeit bis zum Ende der Schicht, dann ist sie weg.«

»Danke.« Ich sah zu Brick hinüber, der mir spielerisch zuzwinkerte.

Eine Tür wurde aufgeworfen, und heraus taumelte ein Mann mit einem Gesicht voller Blut. Er kam zur Theke gestolpert. Ein Auge war offen, das andere zugeschwollen. Ich bemerkte, dass Morgan zurücktrat, um zu sehen, wie ich mit der Situation umging. Sie erschütterte mich nicht. Nicht viel erschütterte mich mehr. Bricks Reaktion auf die Situation stellte klar, dass der Typ auf ihrer schwarzen Liste stand. Ich knallte ein Glas auf die Theke, schenkte etwas Whiskey ein, und als er danach griff, schob ich es zur Seite.

»Sieben fünfzig.«

Er starrte mich mit seinem wässrigen, blutunterlaufenen Auge an. Er benötigte eine Sekunde, aber er begriff, dass ich nicht so tat als ob, und verzog das Gesicht.

»Ey, Schlampe, gib mir den Drink.«

»Sieben fünfzig.« Ich schob die Hüfte vor und hob das Kinn, um die Stellung zu halten.

Er griff erneut danach, aber ich schob es weiter weg. Er hatte nicht den Schädelpatch, den Morgan erwähnt hatte, und ich würde ihm den Drink nicht für umsonst lassen. Der Typ beugte sich vor, packte mich fest am Arm und zog mich nah an sein Gesicht. Bei dem Gestank nach Blut und Schweiß musste ich schlucken.

»Hör mal, du kleines Nuttengesicht. Du möchtest wohl wissen, wie sich das anfühlt, eine Faust ins…« Im einen Augenblick bedrohte er mich, und im nächsten wurde sein Kopf von einer sehr zerschlagenen Hand auf die Theke geknallt.

Ich sprang zurück und sah einen massigen Mann, dessen Nase nur Zentimeter vor dem Gesicht des Arschlochs schwebte. Seine Augen waren voller Mordlust, und er zischte: »Verschwinde, du Arsch.« Daraufhin hob er ihn hoch und warf ihn zu Boden, als ob er so gut wie nichts wiegen würde. Augenblicke später war das Arschloch verschwunden, und ich blieb zurück und starrte den großen, schlanken Mann an, der ein höllisches grünes Paar Augen hatte. Ich vergaß zu atmen, als sich sein Blick in meinen bohrte. Sein weißes T-Shirt war blutverschmiert, seine Knöchel waren aufgerissen, und seine Unterlippe war gesprungen. Sein dunkles, gelocktes Haar reichte ihm hinab bis über das Schlüsselbein.

Ich rieb mir den Arm, und der Schmerz ließ langsam nach.

»Er ist draußen«, sagte der Mann knurrend zu Brick. Obwohl er mich weiterhin anstarrte. »Kümmere dich darum.«

»Werd ich«, gab Brick von irgendwoher in der Nähe zur Antwort. Seine Finger strichen über meine Schulter. »Alles in Ordnung mit dir, Tess?«

»Ja.«

»Trigger, das ist Tessa.« Brick räusperte sich. »Sie ist die, von der ich dir erzählt habe.«

Trigger? Oh, ja, der Präsi.

»Tess«, verbesserte ich ihn.

Trigger sprach kein Wort, sah mich jedoch weiterhin unverwandt an. Dann glitt sein Blick meine Vorderseite hinab und wieder nach oben. Seine tätowierte Hand zupfte an seinem kurzen Bart. Meine Haut war heiß, meine Brust brannte, und meine Kehle wurde trocken. Bei der höllischen Mutter, hatte er einen durchdringenden Blick! Obwohl ich Männer wie ihn kannte und sie alle gleich waren, überraschte mich meine Reaktion dennoch.

Trigger beugte sich vor und griff hinter die Theke, den Blick nach wie vor fest auf mich gerichtet. Er holte die Whiskeyflasche hervor und warf den Verschluss neben mich. Er leerte ein Viertel, löste dann den Blick und konzentrierte sich auf Brick.

»Sie werden sie bei lebendigem Leib fressen.« Seine Stimme war leicht heiser, aber mein Ärger überwog alles andere.

»Ich finde diese Unterstützung von euch Jungs ja echt klasse.« Ich kicherte und ignorierte seinen Gesichtsausdruck. Brick zog scharf die Luft ein, und ich vermutete, dass die Leute nicht so zu ihm sprachen, wie ich es gerade tat, aber das machte mir nichts weiter aus.

Ich arbeitete eine lange Schicht durch und nahm es mit jedem auf, der an die Theke kam und wieder ging. Ich stellte mich taub gegenüber jedem Gespräch, das nicht mich betraf. Ich hatte das Gefühl, dass mir jeder ein Bein stellen wollte. Also hielt ich den Mund, erledigte meinen Job und sorgte dafür, dass jeder bezahlte. Brick hielt sein Wort, hing in der Nähe herum und stellte sicher, dass mir nichts passierte.

Morgan half mir ein paar Mal, aber die meiste Zeit kam ich allein zurecht. Am Schichtende setzte ich mich mit Brick in eine Nische, und er bestellte uns ein spätes Abendessen.

Es war ziemlich viel los, der Rauch wurde dichter, und die Musik hämmerte.

»Wann bist du dazugestoßen?«, fragte ich, unmittelbar bevor ich in meinen Burger biss.

Ich war überrascht, wie gut er war. Das meiste Essen in Bars ist ätzend. Ich war nicht wählerisch. Ich hatte sogar mal vom Teller eines Fremden gegessen, aber ich wusste, wann ein Essen gut war, und dieses hier war verdammt gut.

»Vor sechs Jahren.« Ich sah zu ihm hoch. »Gleich nachdem du zurückgegangen bist. Ich folgte einem Hinweis, dass mein Vater Teil von Devil’s Reach war. Er ist jetzt tot, aber ich wurde akzeptiert, aufgenommen und bin rasch die Karriereleiter in der Familie aufgestiegen.«

Ich musterte seine Kutte und entdeckte den Schädel vorn und den VP-Patch.

»Trigger ist der Präsident, ich bin Vize und Rail, von dem ich dir den Rat gegeben habe, dich fernzuhalten, steht unter mir. Du wirst ihn morgen kennenlernen.«

Ich verdrehte die Augen. »Gefällt dir dieses Leben?«

Er stopfte sich eine Handvoll Fritten in den Mund und spülte mit seinem Bier nach. »Ja, bisher das beste Leben.« Er beäugte mich, während er nachdachte. »Haben sie dich so leicht ziehen lassen?«

»Was ist denn das für eine Geschichte von heute früh mit diesem blutigen Typen?«

Brick tippte mit dem Ringfinger gegen seine Flasche. Ich merkte ihm seine Verärgerung darüber an, dass ich seinen Fragen auswich. »Hat den Club bestohlen. Weiß deine Mom, dass du hier bist?« Ich wollte erneut das Thema wechseln, aber er warnte mich dadurch, dass er die Arme verschränkte.

»Sie weiß, dass ich nicht in Vegas bin.« Ich schüttelte den Kopf bei der Erinnerung an diesen Morgen. »Ich muss meine Telefonnummer ändern.«

»Ich besorge dir eine neue«, fügte er rasch hinzu. »Ist das in Ordnung für dich mit der Wohnung? Tut mir leid, dass sie nicht näher dran ist, aber daran arbeite ich jetzt.«

»Nein, nicht. Sie ist perfekt. Vielen Dank. Sobald ich was Geld reinbekomme, zahle ich …«

»Nein, wirst du nicht.« Er schnitt mir das Wort ab und warf jemandem über die Bar hinweg einen Blick zu. »Nur hau dieses Mal nicht ab. Wenn du etwas brauchst, komm zu mir und ich helfe dir.« Er sah zu mir zurück, dann hinab auf meinen Bauch. »Wann hast du dir dieses Tattoo machen lassen?«

Ich schloss kurz die Augen und hasste es, dass er darauf zu sprechen kann. Ich zog mein T-Shirt ein Stück herab und rückte im Sitz umher.

»Tess.«

»Zwei Monate … nachdem du gegangen bist.«

»Wie war die Beerdigung?«

Ich schnaubte laut und unterdrückte meinen Schmerz. »Kein Geld, keine Beerdigung.«

Er biss kurz die Zähne zusammen, bevor er sagte: »Sie haben nie ausgeholfen?«

»Du vergisst, dass sie eine Regel des Hauses gebrochen hat, Brick«, brummelte ich düster.

»Wo ist sie?«

»Bei einer Freundin.«

»Alles in Ordnung mit ihr?«

Schließlich sah ich ihm voll in die Augen. »Wär’s bei dir so?«

Ich sah, wie sich sein Brustkorb hob und senkte, während er darüber nachdachte. »Nein. Ich wünschte, du hättest mich nicht verlassen, als du’s getan hast.«

»Du weißt, warum ich gegangen bin. Sinnlos, zurückzublicken. Es ist nicht …«

»Brick!«, rief ein großer Mann mit einer Brille mit dünnem Goldrand und einem freundlichen Lächeln in unsere Richtung.

»Shit, ich muss gehen.« Er schob sich hinter dem Tisch hervor. »Das ist Big Joe, Triggers rechte Hand. Wenn er dich ruft, gehst du hin. Sein Gebell ist nicht annähernd so groß wie sein Biss.« Er zwinkerte mir zu, während sich mir der Magen umdrehte. »Bleib hier. Wenn du mein Zimmer haben willst, es ist die zweite Tür rechts. Nimm das Bett. Ich habe ein Sofa. Wenn du gehen willst, wird Morgan dich nach Hause bringen.« Er beugte sich herüber, gab mir einen raschen Kuss auf die Wange und ging.

Nachdem ich meinen Burger verputzt und den Rest von Bricks Fritten geklaut hatte, schnappte ich mir meine Handtasche und ging auf die ruhige Straße hinaus. Mir war es wohler dabei, zu Fuß nach Hause zu gehen, als noch weitere Zeit innerhalb dieser Mauern zu verbringen.

Ich brauchte frische Luft.

Etwa ein Dutzend Bikes parkten draußen, und ich fragte mich, welches davon Brick gehörte. Eines war völlig schwarz und sah aus, als ob es mehr als ein Haus kosten würde. Es war interessant, mit dünnen goldenen Linien, die sich an den Rändern des Bikes entlangzogen. Wenn man genauer hinsah, konnte man schwache Zeichnungen erkennen, die verblassten, wenn man vorbeiging. Es war verdammt sicher ein Wahnsinnsteil.

Meine Absätze knallten auf dem Pflaster, und ich genoss die kühle Brise auf meiner heißen, verklebten Haut. Ich konnte eine Dusche kaum erwarten.

Drei Blocks, dann rechts, sechs weitere Blocks, dann ein … hmmm …