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Beschreibung

Im Gesundheitssystem rumort es kräftig: Medizinische Leistungsangebote werden kommerzialisiert und die Beschäftigten erleben eine permanent steigende Arbeitsbelastung. Gleichzeitig fehlt es vielen an einer adäquaten Vergütung und ausreichender Wertschätzung. Wie kann es gelingen, den Purpose – das WOFÜR von Gesundheitsunternehmen und dem Gesundheitswesen – wieder in den Mittelpunkt zu rücken? Die Transformation zu einem Purpose-orientierten Gesundheitswesen erfordert Anstrengungen auf zahlreichen Handlungsfeldern. Versorgungsprozesse müssen neu aufgebaut und digital unterstützt werden, Kommunikations- und Führungsstrukturen wirksam und wertschätzend sein. Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage nach Möglichkeiten, die Eigentumsstruktur und Finanzierung von Gesundheitsunternehmen zu gestalten. Gelingt dies, hat das positive Effekte für alle: Eine moderne und digital gestützte Versorgungsinfrastruktur führt zu einer höheren Behandlungsqualität und Patientensicherheit. Die Beschäftigten erfahren eine höhere Arbeitszufriedenheit und -sicherheit. Effektive und auf eine optimale Behandlung ausgerichtete Versorgungsprozesse ermöglichen zudem eine nachhaltigere Nutzung von Ressourcen. In diesem Buch finden Sie Konzepte und Handlungsempfehlungen. Es werden Leuchtturm-Projekte dargestellt, die den Weg zu Transformation erfolgreich geebnet haben. Alle Autor:innen bringen Praxiserfahrung mit und wissen mit den besonderen Herausforderungen umzugehen.

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F. Hoffmann C. Dittmer | N. Löber (Hrsg.)

Purpose!

Praxishandbuch für die werteorientierte Transformation des Gesundheitswesens

mit Beiträgen von

A. Angerer | C. Bietz | J. Brandt | A. Bruce | A. Burmann | I. Charalampakis | F. Dopheide | E. Eyer | M. Felger | N. Fleischhauer | A. Ghanem | K. Gottfried | F. Gramm | J. Grütters | N. Haffer | H. Haneke | D. Heins | R. Hendricks | L. Höcherl | F. Hoffmann | S. Huschi | M. Kauffmann | V. Kirchberger | S. Kurz | H. Langer | N. Löber | V. Mauck | S. Meister | S. Merkel | Y. Michaelis | E. Neugebauer | K. Piwernetz | H.H.H.W. Schmidt | H.K. Schumacher | V. Starker | C. Stellmach | D.-R. Thies | S. Thun | T. Trampert | M. Völker | H.C. Vollmar | J.A. Werner | J. Willeke

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Das Herausgeber-Team

Prof. Dr. med. Felix Hoffmann, LL.M., MaHM, M.Sc.

Purpose:Health e.V.

Dortmund

Christine Dittmer

Purpose:Health e.V.

Dortmund

Dr. rer. pol. Nils Löber, Dipl.-Kfm. (univ.)

Purpose:Health e.V.

Dortmund

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstr. 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 978-3-95466-847-2 (eBook: PDF) ISBN 978-3-95466-848-9 (eBook: ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2023

Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen wünschen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.

Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.

Produkt-/Projektmanagement: Sarah Ullerich, Berlin

Copy-Editing: Monika Laut-Zimmermann, Berlin

Layout, Satz und Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin

Titelbild: © Adobe Stock/ipopba

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Purpose!

Purpose [the intention, aim or function of something; the thing that something is supposed to achieve] 1

Im deutschen Gesundheitssystem rumort es kräftig. Die Wartezeit auf einen Arzttermin ist groß, Notaufnahmen von Krankenhäusern melden sich immer häufiger von der Notfallversorgung ab und in einigen ländlichen Regionen ist die Gesundheitsversorgung gar gänzlich gefährdet. Komplikationen und Behandlungsfehler gehören zur Tagesordnung und erschüttern unseren Qualitätsanspruch an die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems zutiefst.

Die Sicherstellung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung erfordert nicht nur leistungsfähige und digital unterstützte Versorgungsstrukturen, sondern auch Fachkräfte, die kompetent und motiviert die Versorgung sicherstellen. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen klagen jedoch über eine dauerhafte Überlastung bei zugleich unzureichender Vergütung. Die Arbeitsbedingungen sind oft geprägt von einem hohen Maß an Bürokratie, jedoch nicht von Sinnstiftung und Wertschätzung.

Es liegt auf der Hand, dass der Ausweg aus dieser Situation nicht durch Abwarten oder symbolische kleine Maßnahmen erreicht werden kann. Die Gesellschaft ist gefordert, Abhilfe zu schaffen und Strukturen aufzubauen, die eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung fördern und zugleich ein sinnstiftendes und gesundheitsförderliches Arbeitsumfeld für Beschäftigte ermöglichen.

Organisationen im Gesundheitswesen verfolgen einen höheren Sinn und Zweck – den Purpose – und stehen vor der Herausforderung, Spitzenmedizin, exzellente Arbeitsbedingungen, Ökonomie und Technologie sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Immer mehr Beschäftigte suchen in unserem Gesundheitswesen eine sinnstiftende und werteorientierte Betätigung. Die Ausrichtung am Purpose kann die Antwort darauf sein. Es ist mehr als fraglich, ob das durch noch mehr gesetzliche Regelungen in einem ohnehin sehr regulierten Rechtsbereich oder gar Verstaatlichung von Gesundheitseinrichtungen erreicht werden kann. Das hohe Maß an staatlicher Regulierung und die unflexible Unternehmensführung öffentlicher Unternehmen sind stellenweise eher Teil des Problems als dessen Lösung. Warum aber sollte es nicht möglich sein, privatwirtschaftliche Strukturen zu schaffen, die genau diese Anforderungen erfüllen und zudem wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen können? Es ist heute schon möglich, Unternehmen so zu konstituieren, dass nicht das Profitstreben im Vordergrund steht, sondern der Purpose des Unternehmens und seiner Mitarbeitenden. Gewinne verbleiben im Unternehmen, um sie in den vorher konsentierten Purpose zu investieren.

In diesem Fachbuch werden wir alle diese Aspekte betrachten und Sie, liebe Leser:innen, dabei unterstützen, selbst aktiv einen Beitrag hin zu einem Purpose-orientierten Gesundheitswesen zu leisten. Es soll Ihnen ein täglicher Begleiter sein, welcher zu Rate gezogen werden kann, wenn der Purpose für Sie, das Unternehmen oder andere Akteure im Gesundheitssystem wieder in den Vordergrund treten soll.

Die Struktur des Buchs folgt dabei unserem Denkmodell einer werteorientierten Transformation des Gesundheitswesens, dessen Grundlage der gemeinsame Purpose ist (s. Abb. 1). Einerseits werden hier einleitende, konzeptionelle und theoretische Ansätze der Purpose Economy dargestellt, andererseits werden praktische Beispiele aus der Gesundheitswirtschaft vorgestellt, bei denen bereits unterschiedliche Aspekte und Elemente eines werte- und sinnorientierten Arbeitens erfolgreich umgesetzt wurden. In Sektion 1 – Purpose-, Sinn-, und Werteorientierung (theoretische Grundlagen) wird in das Thema Purpose Economy eingeführt und Sie lernen Strategien kennen, wie Sie auf politischer und organisationaler Ebene wirksam werden können.

Abb. 1 Purpose-Framework

Sektion 2 – Ordnungsrahmen, Unternehmenskonstitution, Finanzierung, Strukturen (System/Makroebene) zeigt Ihnen, welche Alternativen zu den etablierten Rechtsformen im Gesundheitswesen bestehen und wie Gesundheitseinrichtungen finanziert werden können, bei denen das Vermögen gebunden ist und nicht als Dividende an die Eigentümer:innen ausgeschüttet werden kann. Sie werden auch den bestehenden Ordnungsrahmen hinterfragen und sich kreativ mit alternativen Strukturen, Finanzierungssystematiken und Unternehmenskonstitutionen auseinandersetzen. Um die veränderte Werteorientierung und neue systemische Strukturen innerhalb einzelner Gesundheitsunternehmen (Unternehmens/Mikroebene) effektiv zu fördern, braucht es geeignete Strukturen und (digital unterstützte) Prozesse. In Sektion 3 – Infrastruktur, Prozesse, Soft- und Hardware, Digitalisierung des Buches finden Sie zahlreiche Ansätze, wie eine digital unterstützte Prozessentwicklung gelingen kann. Mit der Systemmedizin, Value-Based Healthcare und dem Kapazitätsmanagement lernen Sie Ansätze kennen, die zu einem Paradigmenwechsel der bisherigen Gesundheitsversorgung beitragen können.

Die Umsetzung des Purpose gelingt nur gemeinsam im Team und bringt veränderte Führungskonzepte mit sich: Eigenverantwortung, agiles Arbeiten und eine konstruktive Fehlerkultur als Ausprägungen transformationaler Führung unterstützen die Beschäftigten dabei. Da große Veränderungen mit vielen neuen Herausforderungen einhergehen, nimmt auch die Qualifizierung und Weiterbildung von Beschäftigten eine zentrale Rolle ein. All das finden Sie in Sektion 4 – Führung, Kommunikation, Personal- und Fehlermanagement, Change.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen des Buches und gutes Gelingen bei Ihrem Engagement für eine Purpose-orientierte Transformation des Gesundheitswesens. Geben Sie uns doch gern ein Feedback, wenn Ihnen unser Buch dabei geholfen hat!

Felix Hoffmann, Christine Dittmer, Nils Löber

Dortmund, September 2023

1  Definition aus dem Oxford Learner’s Dictionary (https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/definition/american_english/purpose)

Inhalt

IPurpose-, Sinn- und Werteorientierung

1Purpose Economy im Gesundheitswesen: Begriffsdefinition und rechtliche GestaltungsmöglichkeitenFelix Hoffmann und Helge Knut Schumacher

2Corporate Purpose: Sinnorientierung als Basis für eine menschenwürdige MedizinAnnette Bruce

EXKURS: Praxisbeispiele des Future Friday am Universitätsspital Basel

Jenny Brandt

3Individuelle politische Handlungsoptionen zur Verbesserung der Purpose-Orientierung im GesundheitswesenMoritz Völker

4Purpose for Post-Millennials: Wie die Bedürfnisse der Generation Z das Gesundheitswesen revolutionierenJonah Grütters

EXKURS: Verankerung von Purpose und übergeordneten Kompetenzen im Medizinstudium

Jenny Brandt, Sandra Kurz und Kristina Gottfried

5Ziele und Werte – ein starkes GeschwisterpaarKlaus Piwernetz und Edmund Neugebauer

IIOrdnungsrahmen, Unternehmenskonstitution, Finanzierung, Strukturen

1Purpose-Orientierung mit Verantwortungseigentum: Warum das Gesundheitswesen eine neue Rechtsform brauchtChristoph Bietz und Jakob Willeke

2Gemeinwohlorientierte MVZ-Genossenschaften als Alternative für die hausärztliche VersorgungMartin Felger

EXKURS: Erfahrungen aus der ersten deutschen HNO-Praxis mit einer Gemeinwohl-Bilanz

Ioannis Charalampakis

3Purpose-orientierte Finanzierungsstrukturen im GesundheitssystemMaike Kauffmann und Laura Höcherl

4Good Pay: Passgenaue Vergütungssysteme im GesundheitswesenEckhard Eyer

IIIInfrastruktur, Prozesse, Soft- & Hardware, Digitalisierung

1Sinnstiftende und sinnvolle Prozessgestaltung im Gesundheitswesen: Die New-Healthcare-Management-PerspektiveAlfred Angerer

EXKURS: Der Weg zum Smart Hospital

Jochen A. Werner

2Schnittstellen in einer werteorientierten GesundheitsversorgungNina Haffer, Caroline Stellmach und Sylvia Thun

EXKURS: Genossenschaftliche Datennutzung

Henrike Langer, Horst Christian Vollmar und Sebastian Merkel

3Kapazitätsmanagement: Der Schlüssel zu wirksamen ProzessenRon Hendricks

4Mit Systemmedizin zu Präzision und PräventionHarald H.H.W. Schmidt

5Value-Based Healthcare: Fokus auf Wertschöpfung für Patient:innenValerie Kirchberger und Hannah Haneke

6Digitale Reifegradmessung und Purpose-orientierte MedizinSven Meister und Anja Burmann

7Überlegungen für ein Purpose-ReifegradmodellFelix Hoffmann und Nils Löber

IVFührung, Kommunikation, Personal- und Fehlermanagement, Change

1Purpose: Die gesunde Art zu FührenFrank Dopheide

2Agilität im Gesundheitswesen: Ein neues Verständnis von OrganisationDetlev Heins

EXKURS: Wie selbstorganisierte ambulante Pflege zu mehr Lebensqualität verhelfen kann

Yves Michaelis

3Zeitmanagement und Kommunikation: Wie ein idealer Tag auf Station gestaltet werden kannAlexander Ghanem

EXKURS: Chefarzt als Teamarbeit – Ein Erfahrungsbericht

Setareh Huschi

4Fehler und Kultur in Purpose-OrganisationenNils Löber

5Individuelle Karrierepfade im GesundheitswesenNiels Fleischhauer

6Brain-to-Brain: Neurowissenschaftliche Betrachtung des Menschen in VeränderungsprozessenTimo Trampert und Volker Mauck

7Gesundheitskommunikation: Tu Gutes und sprich darüberFrederike Gramm

8Strategien für einen erfolgreichen Change-ProzessVera Starker

EXKURS: Wie Change Management, New Work und Partizipation in Eisenberg neue Standards setzen

David-Ruben Thies

I

Purpose-, Sinn- und Werteorientierung

1Purpose Economy im Gesundheitswesen: Begriffsdefinition und rechtliche GestaltungsmöglichkeitenFelix Hoffmann und Helge Knut Schumacher

Der Ansatz der Purpose Economy besteht darin, privatwirtschaftliche Strukturen zu schaffen, bei denen nicht die monetäre Wertsteigerung des Unternehmens oberstes Handlungsziel ist, sondern die Erfüllung des Purpose des Unternehmens. Die drei Prinzipien Purpose-Orientierung, Kapitalbindung und Selbstbestimmung sollten fest in der Unternehmenskonstitution verankert werden. Im Rahmen dieses Beitrags wird zunächst das Konzept der Purpose Economy vorgestellt, um im Anschluss rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten herauszuarbeiten.

1.1Einleitung

Die Herausforderungen im Gesundheitswesen sind groß: Vom Fachkräftemangel über die viel zu langsam voranschreitende Digitalisierung bis hin zu unvorhersehbaren Ereignissen wie der SARS-CoV-2-Pandemie sind alle Beteiligten sehr gefordert und gelangen an ihre Leistungsgrenzen. Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass den vielen Menschen im Gesundheitswesen eine positive Zielvision fehlt und die vielen Aktivitäten am Ende ohne großen Effekt verpuffen.

Die etablierten Konzepte von Staatsdirigismus und Profitmaximierung in der ambulanten und stationären Versorgung kommen an ihr Ende. Dies liegt unter anderem an der fehlenden Zielgenauigkeit, suboptimalem Mitteleinsatz und dem Entzug von monetären Ressourcen aus dem System, die in Prozessverbesserungen investiert werden müssten. Die Mitarbeitenden kommen so an ihre Grenzen, weil die Anreizsetzung stets darauf abzielt, möglichst viel Menge mit so wenig wie möglich Humanressource zu erwirtschaften. Das steht konträr zu berechtigten Ansprüchen einer gesunden Work Life Balance und dem Fachkräftemangel.

Die Purpose Economy kann diese Lücke der fehlenden Zielvision schließen. Im Rahmen dieses Beitrags erfolgt zunächst eine Einführung in das Thema Purpose Economy, um anschließend aufzuzeigen, welche rechtlichen Gestaltungsoptionen dafür bestehen.

1.2Der Golden Circle

In seinem bekannten TED Talk „How great leaders inspire action“ kritisiert Simon Sinek, dass in vielen Unternehmen häufig zunächst die Frage gestellt wird, welche Aktivitäten („What“) durchgeführt werden sollten, um damit Geld zu verdienen. Dies sei eine falsche Herangehensweise, da auf diese Weise der Sinn und Zweck des Handels – der Purpose – auf der Strecke bleiben.

Link zum TED Talk

https://www.ted.com/talks/simon_sinek_how_great_leaders_inspire_action

Als Alternative stellt er ein simples, aber auch sehr wirksames Modell für ein Purpose-orientiertes Leadership vor (s. Abb. 1). Der Golden Circle bildet drei Ebenen der Entscheidungsfindung ab, auf denen jegliche Handlung beruht. Die innerste Ebene („Why“) stellt die Frage nach dem Wofür. Daraus abgeleitet werden Handlungsprinzipien („How“), die allen weiteren Aktivitäten als Leitplanken dienen sollen und die in der mittleren Ebene ihren Platz finden. Die äußerste Ebene beinhaltet schließlich alle Aktivitäten, die im Rahmen der operativen Betätigung durchgeführt werden („What“). Das „What“ beschreibt zudem die Ergebnisse, die durch das Handeln entstehen sollen, die allerdings nur in Verbindung mit dem „Why“ eine Sinnstiftung erfahren. Ein Neudenken beginnt also vom Inneren des Kreises und geht dann in die äußeren Ebenen über.

Abb. 1 Der Golden Circle nach Simon Sinek (eigene Darstellung in Anlehnung an einen TED Talk, Link im Text)

Anhand des im Jahr 2021 gegründeten Netzwerks Purpose:Health e.V. werden die drei Ebenen des Golden Circle nun erläutert.

1.2.1Purpose

Das deutsche Gesundheitswesen ist vielerorts dysfunktional und wenig zielorientiert und steht damit oft einer leistungsfähigen Gesundheitsversorgung, die eine essenzielle Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hat, im Wege.

Viele Menschen engagieren sich, das Gesundheitssystem zu verbessern und machen dabei die Erfahrung, dass es häufig sehr schwierig ist, neue Ideen umzusetzen. So entstand im Laufe der Zeit eine lockere Vernetzung aus etwa einem Dutzend Personen, die sich Gedanken um einen wertorientierten Wandel des Gesundheitswesens gemacht haben und schließlich im Mai 2021 das Netzwerk Purpose:Health e.V. gegründet haben.

Das Netzwerk ist seitdem deutlich gewachsen und verzeichnet Mitglieder aus den verschiedensten Professionen und mit sehr unterschiedlichen privaten und beruflichen Hintergründen. Trotz aller Unterschiedlichkeit findet sich im gemeinsamen Purpose eine Schnittmenge, die die Mitglieder verbindet. Einerseits haben alle Personen ein sehr großes Interesse daran, zu einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung beizutragen. Andererseits soll das Gesundheitswesen auch ein Arbeitsort für eine sinnstiftende und gesundheitsförderliche Berufsausübung sein.

Purpose: Wir wollen ein Gesundheitswesen erschaffen, in dem wir einerseits gern arbeiten möchten und andererseits im Fall der Fälle gern Patientin oder Patient sein möchten.

1.2.2Handlungsprinzipien

Die Prinzipien, die bei Purpose:Health e.V. handlungsleitend sind, sind im Rahmen eines interaktiven Diskurses entstanden, an dem alle Mitglieder teilhaben konnten und die heute das nachfolgend vorgestellte Manifest des Netzwerks bilden. Die einzelnen Positionen sind allerdings nicht als unveränderliche und dogmatische Grundlage anzusehen, sondern sollen stetig weiterentwickelt werden.

Verantwortung für Patient:innen

Jeder Mensch sollte Zugang zu einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung haben. Wir stehen für eine evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, von der in begründeten Fällen selbstverständlich abgewichen werden kann, wenn es dem Wohle der Patient:innen dient.

Hochwertige und spezialisierte Gesundheitsdienstleistungen kosten Geld. Die Gesundheitsdienstleistungen sollten aber so ausgestaltet sein, dass keine unnötigen Kosten verursacht werden.

Das Gesundheitssystem ist elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge. Eine flächendeckende und hochwertige Gesundheitsversorgung muss daher auch im ländlichen Raum sichergestellt sein.

Verantwortung für Beschäftigte im Gesundheitswesen

Mitarbeitende im Gesundheitswesen sollten die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz an die persönlichen Bedürfnisse möglichst gut anzupassen. Dazu gehören insbesondere die Möglichkeit einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Partizipation an unternehmerischen Entscheidungen.

Beschäftigte im Gesundheitswesen sind sehr gut qualifiziert und leisten hochwertige Dienstleistungen; dieser Arbeit muss auch eine angemessene Gegenleistung gegenüberstehen. Wir setzen uns für überdurchschnittlich gute Verdienstmöglichkeiten in Purpose-Unternehmen ein.

Verantwortung für unser Ökosystem

Die Erde ist unsere Lebensgrundlage und wir betrachten es als die Pflicht eines jeden Menschen, diese Lebensgrundlage zu schützen. Die negativen Auswirkungen der Gesundheitswirtschaft sollen nicht nur verringert werden, sondern wir streben einen Vorzeichenwechsel an. Statt den Schaden der Wirtschaft für das Ökosystem lediglich zu verringern, wollen wir Konzepte entwickeln, wie sich die Wirtschaft sogar positiv auf unser Ökosystem auswirken kann.

Der erste Schritt beim Schutz unseres Ökosystems besteht darin, begrenzte Ressourcen zu schonen. Damit sind insbesondere endliche Rohstoffe gemeint, aber auch die Einsparungen von erneuerbaren Ressourcen können zu einer Entlastung des Ökosystems führen.

Fokus auf Schnittstellen und Prozesse

Die Fokussierung auf die Schnittstellen und Prozesse ist essenziell für das Funktionieren des Gesundheitssystems, an dem zahlreiche Professionen und Organisationen beteiligt sind. Prozesse sollten mit einem möglichst geringen Ressourceneinsatz schnell zum Ziel führen, unnötige Prozessschritte sollten, wo immer möglich, eliminiert werden.

Wir streben eine Standardisierung von Dienstleistungen an, um eine einheitliche und immer gleichbleibende Qualität sicherzustellen. Es muss darüber hinaus ausreichend Raum für individuelle Gesundheitsdienstleistungen geben, die sich durch keinen Standard abbilden lassen.

Die Digitalisierung ist der Turbo, der Prozesse schneller, besser und effizienter macht. Wir stehen für eine sinnstiftende Digitalisierung, die dazu beiträgt, dass unzählige Einzellösungen Teil eines großen und ganzheitlichen digitalen Ökosystems werden. Hierfür ist die Anwendung international anerkannter Standards essenziell.

Wie arbeiten wir?

Das Ziel von Purpose:Health e.V. ist die Erstellung und Umsetzung von Konzepten für ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Gesundheitswesen der Zukunft. Dabei arbeiten wir evidenzbasiert und unabhängig von parteipolitischen Interessen. Wir fördern die Wissenschaft und die Bildung.

Wir halten einen wertschätzenden Umgang für ausgesprochen wichtig, um konstruktiv miteinander arbeiten zu können. Das gilt nicht nur im Umgang mit Vereinsmitgliedern, sondern auch im Umgang mit allen anderen Menschen. Konflikte auf der Sachebene lösen wir niemals auf der Beziehungsebene.

Wir möchten Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen auf zwei Wegen erreichen. Erstens stehen wir für eine konsequente Prozessorientierung, um die Kosten durch unzureichende Prozesse und Verschwendung zu minimieren. Zweitens betrachten wir auch Gewinnentnahmen von profitorientierten Finanzinvestoren als Verschwendung und setzen auf Unternehmensmodelle, die nicht auf Kapitalmaximierung ausgerichtet sind. Gewinne sollten ausschließlich zur Erreichung des Purpose verwendet oder leistungsbezogen an Mitarbeitende ausgezahlt werden.

Die Welt ändert sich und wir ändern uns mit ihr. Wir hinterfragen stetig unsere Aussagen und Aktivitäten und korrigieren den Kurs, wenn dies notwendig ist.

1.2.3Aktivitäten

Es hat etwa ein Jahr gedauert, bis sich das Netzwerk formiert und die Handlungsfelder für die operative Tätigkeit definiert hat. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt heute darauf, Leuchtturm-Projekte ausfindig und bekannt zu machen und Menschen zu vernetzen, die den wertorientierten Wandel des Gesundheitswesens gestalten möchten. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieses Buches wurden insbesondere die folgenden Aktivitäten durch das Netzwerk Purpose:Health e.V. durchgeführt:

Vernetzung von Menschen, die die Transformation des Gesundheitswesens gestalten möchten

Standes- und Bundespolitisches Engagement

Öffentliche Purpose-Talks mit wechselnden Themenschwerpunkten

Veranstaltung eines Purpose:Health-Symposiums

Zusammentragen und Evaluation wegweisender Projekte aus dem Gesundheitswesen

Herausgabe dieses Buches

Hier schließt sich der Golden Circle. Die genannten Projekte erfreuen sich allesamt großer Beliebtheit und konnten erfolgreich durchgeführt werden. Ohne den Purpose als verbindendes Element hätte den Menschen die emotionale Verbindung zu all den Projekten gefehlt und sie nicht motiviert, sich ehrenamtlich und nebenberuflich neben sehr stressigen Berufen zu engagieren. Deshalb war es wichtig, dass der Purpose am Anfang stand und nicht potenzielle Aktivitäten, die das Netzwerk hätte durchführen können.

1.3Purpose Economy und Purpose-Unternehmen

In der heutigen Zeit wird häufig kritisiert, dass das Gesundheitswesen zu kommerziell sei und sich von seinem ursprünglichen Sinn und Zweck entferne (Osterloh 2022). Das ist in der Tat der Fall, denn immer mehr Gesundheitsunternehmen, insbesondere in der direkten Patientenversorgung, werden Teil der Shareholder-Value-Ökonomie, deren Ziel in erster Linie die Wertsteigerung des eingebrachten Kapitals von Investorinnen und Investoren ist. Patient:innen und Beschäftigte werden Mittel zum Zweck.

1.3.1Purpose Economy

Die häufige Forderung nach einer Verstaatlichung der Gesundheitswirtschaft dürfte kaum zu einer Verbesserung dieser Situation beitragen, denn einerseits kommt dies einem Verzicht auf Verantwortungsübernahme durch die handelnden Personen gleich, andererseits ist staatliches Unternehmertum nicht für eine ressourcenschonende und zielorientierte Arbeitsweise bekannt. Zudem dominieren häufig sachfremde, politische Motive und durch mangelnde unternehmerische Anreize wird oft weder ressourcensparend noch patientenorientiert gewirtschaftet. Beispiele dafür gibt es genug, begonnen beim vielzitierten Flughafen BER bis hin zur Telematikinfrastruktur der gematik, die seit fast 20 Jahren entwickelt wird und bisher kaum einen spürbaren Nutzen entfaltet hat.

Aber es gibt einen Weg, wie privatwirtschaftliche Strukturen dauerhaft ohne kommerzielle Ausrichtung gestaltet werden können. Wertorientierung, Selbstorganisation und Vermögensbindung sind die wesentlichen Elemente der Purpose Economy. Der Ansatz der Purpose Economy besteht darin, privatwirtschaftliche Strukturen zu schaffen, bei denen die Verantwortung für das unternehmerische Handeln und somit für alle unternehmerischen Entscheidungen nicht außerhalb des Unternehmens getroffen werden (z.B. durch Investorinnen und Investoren oder staatliche Institutionen), sondern diese auf die Menschen übertragen werden, die den Werten des Unternehmens verbunden sind.

Die Purpose Economy ist eine privatwirtschaftliche und nichtkommerzielle Alternative sowohl zur Shareholder-Value-Ökonomie als auch zu öffentlich getragenen Unternehmensformen.

1.3.2Purpose-Unternehmen

Ein Purpose-Unternehmen ist kurz gesagt ein Unternehmen, welches die Grundsätze der Purpose Economy im gesamten unternehmerischen Dasein verankert. Die folgenden drei Aspekte spielen dabei eine Schlüsselrolle (Homeyer u. Reiff 2020).

Purpose-Orientierung: Das Unternehmen verfolgt nicht in erster Linie das Ziel der Wertsteigerung, sondern ist bestrebt, den darüberhinausgehenden Purpose zu erfüllen. Mit diesem Ziel ist eine Wertsteigerung nicht nur möglich, sondern auch sehr wahrscheinlich. Die Prioritäten liegen nicht in der größtmöglichen Wertsteigerung, sondern in der Erfüllung des Purpose.

Kapitalbindung: Weder Gewinnentnahmen noch die Einbehaltung von Liquidationserlösen durch Eigentümer sind möglich. Geschäftsanteile können nur zum Nennwert veräußert werden. Das Kapital bleibt somit für die eigentliche Zweckverwirklichung des Unternehmens erhalten.

Selbstbestimmung: Die Stimmrechte und damit die Kontrolle über das Unternehmen liegen bei Menschen, die mit dem Unternehmen langfristig verbunden sind; eine Veräußerung oder Vererbung von Stimmrechten ist nur in Ausnahmefällen möglich.

In einem Purpose-Unternehmen nimmt der Unternehmer anders als in klassischen Unternehmen die Rolle eines Treuhänders ein, der seine eigenen Interessen denen des Unternehmens unterordnet.

1.4Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten

Um als Purpose-Unternehmen langfristig bestehen zu können, ist es erforderlich, die Purpose-Orientierung in der Unternehmenskonstitution fest zu verankern. In Tabelle 1 wird vorgestellt, wie innerhalb des bestehenden gesellschaftsrechtlichen Rahmens die Purpose Economy umgesetzt werden kann (Hoffmann u. Schumacher 2022).

Aufgrund des großen Potenzials und der verhältnismäßig geringen Bekanntheit werden die Rechtsformen der Genossenschaft und des Verantwortungseigentums in diesem Buch an anderer Stelle (s. Kap. II.1 und Kap. II.2) noch einmal ausführlich thematisiert.

Ähnlich wie bei herkömmlichen Wirtschaftsunternehmen gibt es auch in der Purpose Economy nicht die eine beste Gestaltungsform, sondern eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten. Sowohl aus den verschiedenen Rechtsformen als auch aus den zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten der Satzung muss die für das jeweilige Vorhaben am besten passende Unternehmenskonstitution entwickelt und gewählt werden. Es empfiehlt sich, hier professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen und sich mit anderen Unternehmen zu vernetzen, die sich ähnlich aufgestellt haben.

In der Purpose Economy existiert keine One-fits-all-Lösung für die Unternehmenskonstitution. Innerhalb des bestehenden Handlungsspielraums muss die jeweils am besten passende Lösung entwickelt werden.

Tab. 1 Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Purpose Economy

RechtsformEntscheidungsfindungVermögensbindung GbR (§ 705ff. BGB) Die Stimmrechtsverteilung entspricht in der Regel der Verteilung der Geschäftsanteile, abweichende Regelungen können in der Satzung getroffen werden. Die Gewinnverwendung wird in der Satzung festgelegt, auch eine Vermögensbindung ist möglich. GmbH und gGmbH (GmbHG) Die Stimmrechtsverteilung entspricht in der Regel der Verteilung der Geschäftsanteile, abweichende Regelungen können in der Satzung getroffen werden. Die Gewinnverwendung wird in der Satzung festgelegt, auch eine Vermögensbindung ist möglich. Bei einer gGmbH ist eine Gewinnausschüttung aufgrund der Zweckbindung des Unternehmens meist nicht möglich. Verantwortungseigentum als neue Rechtsform Die Stimmrechtsverteilung entspricht in der Regel der Verteilung der Geschäftsanteile, abweichende Regelungen können in der Satzung getroffen werden. Die Übernahme von Geschäftsanteilen ist allerdings nur innerhalb einer Wertegemeinschaft möglich. Die Entnahme von Gewinnen ist ausgeschlossen. Gewinne können nur leistungsbezogen ausgeschüttet werden, beispielsweise als Bonuszahlung. Der Verkauf von Geschäftsanteilen ist ausschließlich zum Nennwert möglich. e.G. (GenG) Die Stimmrechtsverteilung entspricht in der Regel der Verteilung der Genossenschaftsanteile, abweichende Regelungen können in der Satzung getroffen werden. Die Gewinnverwendung wird in der Satzung festgelegt, auch eine Vermögensbindung ist möglich. AG und gAG (Aktiengesetz) Es gibt eine Stimme pro Aktie. Häufig zeigt sich eine Entkopplung von Eigentümerschaft und Verbundenheit zum Unternehmen. In der Regel werden die Gewinne zu gleichen Teilen auf die Aktien aufgeteilt. Bei einer gAG ist eine Gewinnausschüttung aufgrund der Zweckbindung des Unternehmens meist nicht möglich. Stiftungsmodelle (Stiftungsgesetz) Individuelle Regelungen sind möglich. Individuelle Regelungen sind möglich.

Literatur

Hoffmann F, Schumacher H (2022) Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Purpose Economy im Gesundheitswesen. In: Public Health Forum 30 (3), 180–184

von Homeyer O, Reiff M (2020) Verantwortungseigentum ante portas? – Erste Betrachtungen einer weitreichenden Idee. In: Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen (npoR) 12 (5), 224–232

Osterloh F (2022) Entmenschlichung der Medizin. Kommerzialisierung. In: Deutsches Ärzteblatt 119 (6), A213–A216

Prof. Dr. med. Felix Hoffmann, LL.M., MaHM, M.Sc.

Felix Hoffmann ist Initiator und Vorsitzender des Netzwerks Purpose:Health e.V. Nach seiner Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie wechselte er seinen Tätigkeitsschwerpunkt und arbeitet seit einigen Jahren in der Unternehmensentwicklung verschiedener Krankenhäuser. Aktuell ist er Professor für Digital Health an der APOLLON Hochschule in Bremen.

 

Prof. Dr. Helge Knut Schumacher

Helge Schumacher ist Gestalter im Gesundheitswesen seit 2005. Als Gesundheitsökonom sind seine Themen Gesundheitssystemgestaltung, innovative/neue Versorgungsformen und Gesundheitsmanagement. Er hat zahlreiche Innovationsprojekte angetrieben und Prozessreorganisationen auf Leistungserbringerseite aktiv gestaltet. Auch das Thema Honorierung von Leistungen ist Teil seines Arbeits- und Forschungsspektrums. Aktuell ist er Projektmanager in einem biopharmazeutischen Unternehmen und hat eine Professur für Gesundheitsökonomie an der APOLLON Hochschule für Gesundheit inne. Im Verein Purpose:Health e.V. ist er stellvertretender Vorsitzender.

 

2Corporate Purpose: Sinnorientierung als Basis für eine menschenwürdige MedizinAnnette Bruce

Die Unternehmenskultur von Krankenhäusern und Gesundheitsinstitutionen wird nicht erst seit der Corona-Pandemie kritisch gesehen und immer häufiger wird die Frage laut, wieviel Berufung von Ärzt:innen gegenüber harter Profitmaximierung den Alltag des Gesundheitswesens bestimmt. Vor dem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Konstrukt Corporate Purpose zu einem sinnorientierten und nachhaltigen Wandel des Gesundheitswesens beitragen kann.

2.1Wirtschaft im Umdenken: Auf der Suche nach einem nachhaltigen Kapitalismus

Dass Corporate Purpose längst kein Einzelthema mehr ist, zeigt sich in den anhaltenden Diskussionen in allen Teilen der Wirtschaft. Denn immer mehr Unternehmen hinterfragen, wie sie im Sinne eines nachhaltigen Kapitalismus, mit ihrem unternehmerischen Tun in gleicher Weise dem Stakeholder Value wie dem Shareholder Value dienen können.

Von der Wirtschaft wird erwartet, dass sie Verantwortung übernimmt für die großen Themen unserer Zeit wie Umweltschutz, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit. Statt Lippenbekenntnissen oder gar Greenwashing wird von Organisationen erwartet, dass sie neben ihrer Orientierung am Gewinn auch einen positiven Beitrag zum Wohle aller Stakeholder sowie zur Entwicklung der Gesellschaft leisten.

2.2Was versteht man unter (Corporate) Purpose? Was kann er in Organisationen leisten?

„Es gilt neu zu verhandeln, was den Wohlstand der Menschen übermorgen ausmacht. Dafür brauchen wir neue Begriffe und Konzepte, die ausdrücken, was wir künftig wichtig finden.“ (Göpel 2020)

Der Begriff Corporate Purpose macht es einem nicht gerade leicht – ein englischer Begriff, der sich in eine Vielzahl von Bedeutungen übersetzen lässt. Mit Purpose soll der Zweck von Unternehmen und Organisationen neu definiert werden. Dabei steht Purpose für eine Herangehensweise an wirtschaftliche Tätigkeit und Wertschöpfung, die einen Paradigmenwechsel vom Shareholder Value zum Stakeholder Value bedeutet.

Die Diskussion macht auch vor Eigentumsverhältnissen nicht Halt. Die zunehmende Privatisierung des Gesundheitswesens hat dazu geführt, dass die Branche für Investoren interessant geworden ist. Doch darf, kann oder sollen im Gesundheitswesen Profite erwirtschaftet und als Renditen entnommen werden oder setzt man auf Unternehmensmodelle, die nicht auf Kapitalmaximierung ausgerichtet sind und deren Gewinne ausschließlich zur Erreichung des Purpose verwendet oder leistungsbezogen an Mitarbeitende ausgezahlt werden?

Beim Corporate Purpose geht es – anders als bei der Idee der Corporate Social Responsibility – nicht darum, dass Unternehmen und Organisationen auch Gutes tun oder einen Teil ihrer Gewinne in soziale Projekte reinvestieren, sondern darum, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen, eine neue Kultur des Wirtschaftens zu begründen. In einem ersten Schritt erfordert dies eine entsprechende Haltung einzunehmen. Die von Unternehmen und Organisationen eingenommene Haltung muss dabei transparent übersetzt werden in konkrete Anknüpfungspunkte, welche die Leistungserbringung selbst betreffen und somit kunden- und marktrelevant sind. Diese Strategie ist keinesfalls Selbstzweck. Indem Unternehmen ihren Erfolg mit einem sozialen oder gesellschaftlichen Beitrag verbinden, können sich Ideen für bahnbrechende Innovationen, die Erschließung neuer Märkte oder neuer Zielgruppen sowie Einsparpotenziale ergeben, welche ohne Purpose unentdeckt geblieben wären.

Entscheidend für die Etablierung eines Purpose ist die Verbindung von unternehmerischer Wertschöpfung und Gemeinwohl. Über die Verankerung von Purpose in Wertschöpfungskette und Geschäftsmodell kommen erst die businessrelevanten Vorteile des Konzeptes zum Tragen, die Unternehmensentscheider dazu veranlassen, sich auf einen solchen Paradigmenwechsel einzulassen. Folgende Definition soll deshalb hier zugrunde gelegt werden (Bruce u. Jeromin 2020):

„Purpose ist der höhere Zweck eines Unternehmens, der über die alleinige Gewinnorientierung hinausgeht. Ziel ist die Definition und Einlösung eines langfristig Mehrwert-erzeugenden Versprechens, entweder im lokalen Umfeld eines Unternehmens oder dem globalen Marktumfeld, das in direktem Zusammenhang mit der Wertschöpfung des Unternehmens steht.“

Immer mehr Unternehmen und Organisationen setzen einen solchen Paradigmenwechsel in die Tat um – unterschiedlich schnell, unterschiedlich konsequent. Social Business Gründungen wie Lemonaid oder Viva con Agua haben es so gesehen einfacher, da sie sich von Anfang an Purpose-orientiert ausrichten konnten.

Für etablierte Unternehmen und Organisationen ist der Weg das Ziel: Das wird von der großen Mehrheit an Stakeholdern honoriert, da sie verstehen, dass effektive Veränderungen in den seltensten Fällen von heute auf morgen zu realisieren sind.

2.3Der gesellschaftliche Wertewandel erfasst auch das Gesundheitswesen

Das Konstrukt Corporate Purpose bringt man zunächst nicht mit dem Gesundheitswesen in Verbindung. Für Ärzt:innen und Pfleger:innen – davon darf man ausgehen – ist die Fürsorge der Patient:innen ohnehin der Kerngedanke ihrer Berufsausübung. Managementtheoretische Purpose-Überlegungen erscheinen dementsprechend überflüssig. Doch die Problematik bedarf einer genaueren Betrachtung.

Gesellschaftlich erleben wir zurzeit den vielleicht größten Grundwertewandel der letzten Jahrzehnte. Wachstum und reines Profitstreben allein stellen, insbesondere für nachwachsende Generationen, immer deutlicher keine Daseinsberechtigung mehr dar.

Auch auf dem Weg zu mehr Sinnorientierung im Gesundheitswesen kann Corporate Purpose einen wesentlichen Beitrag leisten. Damit der Mensch zu jedem Zeitpunkt im Mittelpunkt steht, sei es als Patient:in oder als Mitarbeitender, kann Purpose als der entscheidende „Nordstern“ fungieren, indem er Organisationen, Institutionen, Investoren und Mitarbeitende motiviert, ihr Wirtschaften und Handeln zu überdenken und anzupassen mit dem Ziel, mehr Verantwortung für Patient:innen, Mitarbeitende und auch für das Ökosystem zu übernehmen.

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und Zielen lohnt sich. Erste Studien zeigen, dass Unternehmen mit einem klar definierten und kommunizierten Purpose überdurchschnittliches Wachstum aufweisen, sich am Arbeitsmarkt höherer Beliebtheit erfreuen und dies gleichzeitig mit einer Verringerung negativer externer Effekte auf ihre Marktumwelt verbinden können (Kienbaum 2020).

Die Herausforderungen im Gesundheitswesen sind unstreitig diffiziler gelagert als die in der Wirtschaft: Beiden gemeinsam ist, dass der Mensch im Mittelpunkt der Systeme steht; diese ihrerseits sind verantwortlich für ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Gesundheitswesen der Zukunft.

2.4Purpose, Vision, Mission, Werte

Corporate Purpose ist im Vergleich zu anderen strategischen Steuerungsinstrumenten noch in vergleichsweise wenigen Unternehmen explizit formuliert, im Gesundheitswesen ist das Konstrukt noch weitestgehend unbekannt. Im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Corporate Purpose kommt oft die Frage auf, wie die Instrumente Purpose, Vision, Mission und Unternehmenswerte voneinander abzugrenzen sind.

Ein wesentlicher Aspekt zur Einordnung der Instrumente ist ihr Zeithorizont. Purpose ist als langfristig und unveränderlich zu verstehen, während die Vision den mittelfristigen unternehmerischen Zielzustand abbildet, die Mission die unternehmensspezifische Handlungsorientierung definiert und Werte als langfristiger Verhaltenskompass für den einzelnen Mitarbeitenden im täglichen Entscheiden und Handeln dienen.

2.4.1Vision – der mittelfristige unternehmerische Zielzustand

Die Festlegung der Vision ist eine wichtige Komponente in der Führung von Organisationen, weil sie in einer knappen und anschaulichen Formulierung allen Mitarbeitenden vermittelt, an welchem vorrangigen, allgemeingültigen Ziel die Organisation arbeitet. Sie beschreibt den erwünschten zukünftigen Zustand, den das Unternehmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren erreichen möchte, und lenkt den Blick somit auf das, was ein Unternehmen zukünftig leisten will. Die Vision des Unternehmens kann auch einzelne Elemente auf dem Weg zu diesem Idealzustand erfassen und benennen.

Aus der Unternehmensvision lassen sich die wichtigsten Unternehmensziele und Unternehmensstrategien ableiten. Entsprechend dem Zeithorizont und der Erreichung des durch sie gesetzten Ziels ist die Vision zu formulieren. Dabei ist zu beachten, dass die Vision den Corporate Purpose bereichert, ohne ihn zu duplizieren.

2.4.2Mission – unternehmensspezifische Handlungsorientierung

Die Mission eines Unternehmens beschreibt das Geschäftsfeld, innerhalb dessen eine Organisation ein bestimmtes Bedürfnis befriedigen will. Dementsprechend beschreibt die Mission das „Wie“ des unternehmerischen Handelns, das sowohl die Erreichung der Vision als auch die verlässliche Einlösung des Purpose ermöglichen soll. Somit wird die Formulierung der Mission entsprechend konkret in Bezug auf Parameter wie Geschäftsbereiche oder Zielgruppen.

2.4.3Werte – Bausteine der Unternehmenskultur

Organisationswerte sind häufig Teil des Selbstverständnisses von Unternehmen und Organisationen und stehen ebenso wie Vision und Mission in Verbindung mit dem Instrument Purpose. Wie dieser dienen Werte der Bildung und Formung der Organisationskultur. Ähnlich der Mission haben auch sie eine starke Handlungsorientierung und fungieren als Verhaltenskompass für den einzelnen Mitarbeitenden im täglichen Entscheiden und Handeln. Um diese Orientierungsfunktion zu nutzen, sollten Unternehmenswerte möglichst stabil erhalten werden und den Purpose sinnvoll ergänzen.

2.5Es braucht mutige Vordenker, um neue Wege zu gehen

Um dem hohen Anspruch an Corporate Purpose gerecht zu werden, braucht es keine neuen Abteilungen in Organisationen, sondern mutige Führungskräfte, die es wagen, neue Wege zu gehen und auch die Verantwortung dafür übernehmen. Für alle, die sich auf den Weg zu einem Corporate Purpose machen wollen, sei im Vorfeld gesagt: Für Purpose kommt es auf den Einzelnen an, und der braucht viel Mut, Durchhaltevermögen und eine starke Vision, um die Organisation auf einen Corporate Purpose zu verpflichten.

Für Purpose braucht es Führungskräfte, die sich herauswagen aus den gelernten Mechanismen der kapitalistischen Marktwirtschaft – Führungskräfte, die die Visionen, Ideen und die Kompetenzen haben, Wertschöpfungsketten in einer Art neu zu denken, über die Organisationen und Gesellschaft wieder zusammenwachsen, um gemeinsam die großen Probleme des Gesundheitswesens zu lösen.

2.6Purpose entwickeln und sinnstiftend formulieren

Die Formulierung eines Corporate Purpose stellt durchaus eine große Herausforderung dar. Denn hier geht es nicht um eine reine Formulierungsarbeit, sondern darum, den gesamten Wertschöpfungsprozess in Bezug auf seinen Beitrag zum Corporate Purpose neu zu denken und anzupassen.

Vertreter des Gesundheitswesens reagieren nicht selten mit Unverständnis, nach dem Zweck ihres Handelns gefragt. Zu eindeutig scheint die bestmögliche Versorgung der Patient:innen als herausragendes Ziel. Doch es reicht meist der Hinweis auf den ungeheuren Effizienzdruck, unter dem Organisationen im Gesundheitswesen heute operieren, um deutlich zu machen, dass eine zufriedenstellende Versorgung der Patient:innen zwar das offensichtliche Ziel der meisten Menschen im Gesundheitswesen ist, dieses Ziel in der Realität aber zugunsten von Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen nur bis zu einem gewissen Grad verfolgt werden kann.

Bei der Entwicklung eines Purpose geht es darum, sehr genau zu formulieren und einen nicht nur tragfähigen, sondern auch ambitionierten und vor allem konkret handlungsweisenden Purpose zu entwickeln. Dazu ist es zunächst entscheidend, die langfristig relevante Motivation, die Rahmenbedingungen und die historische Verankerung der eigenen Organisation zu verstehen, ein Zielbild – z.B. die Vision – zu entwickeln und die konkreten Herausforderungen und Zielvorstellungen der Organisation herauszuarbeiten. Der Purpose sollte dann so spezifisch wie möglich formuliert werden, sodass er im täglichen Miteinander handlungsweisend und verbindlich für alle Mitarbeitenden und auch externen Stakeholder der Organisation gilt. Zur Verdeutlichung nachfolgendes Beispiel aus der Wirtschaft:

Praxisbeispiel

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem Unternehmen in Afrika, das Plastikrohre für die Trinkwasserversorgung herstellt. Sie produzieren bereits große und kleine, rote und blaue, dünn- und dickwandige Rohre. Sie sind der Leiter der Innovationsabteilung und sollen neue bahnbrechende Produkte entwickeln. Es ist gut vorstellbar, dass Ihnen trotz aller Kreativitätstechniken die Ideen für neue Produkte ausgehen. Sie haben ja eigentlich schon alles und das in guter Qualität. Womit sollen Sie die Innovationspipeline Ihres Unternehmens füllen?

Stellen Sie sich nun vor, Sie arbeiten in einem anderen Unternehmen in Afrika, das ebenfalls Plastikrohre für die Trinkwasserversorgung herstellt. Der Corporate Purpose Ihres Unternehmens ist es, jeden Menschen in Afrika bis in den entlegensten Winkel mit sauberem und bezahlbarem Trinkwasser zu versorgen. Merken Sie, wie Sie beim Lesen des Purpose des zweiten Unternehmens inspiriert werden? Wie sich Ihr Denken rund um Plastikrohre verändert? Wie Sie auf einmal getrieben werden davon, noch viel besser verstehen zu wollen, was passieren muss, damit jeder Mensch mit Leitungswasser versorgt wird und nicht ein halbes Leben damit verbringen muss, um von einem entlegenen Brunnen oft verunreinigtes Wasser nach Hause zu tragen?

Dieses Beispiel ist gleichermaßen einfach wie inspirierend, denn es macht so unmittelbar deutlich, mit wie wenig so viel „Mehr-Wert“ durch Purpose erzielt werden kann und wie durch Purpose klassische Win-Win-Situationen erzeugt werden. In den Innovationsworkshops dieses Unternehmens ging es jetzt nicht mehr darum, nur Ideen für neue Plastikrohre zu entwickeln. In diesem Unternehmen ging es darum, Menschen mit sauberem, bezahlbarem Trinkwasser zu versorgen. Auf Initiative der Mitarbeitenden entschloss sich das Unternehmen zudem, ein Prozent des Umsatzes zu verwenden, besonders schwierige und aufwendige Leitungsverlegungen vorzunehmen.

Bei der Entwicklung eines Purpose für das Gesundheitswesen, der Spitzenmedizin und Sinnorientierung vereint, könnten z.B. Fragen helfen wie:

„Was treibt Sie noch mehr als das recht allgemein gehaltene Wohl des Patienten/der Patientin?“

„Wie wollen Sie das Wohl des Patienten/der Patientin in besonderer Weise fördern oder sicherstellen?“

„Was machen Sie anders als andere Organisationen und was ist Ihr konkretes, freiwilliges aber zu jedem Zeitpunkt gültiges Leistungsversprechen, dem Sie sich als Organisation auf Basis des Purpose verpflichten?“

Und ganz wichtig: „Welchen Beitrag kann und soll der Purpose zu Ihrem Ziel einer Steigerung der Sinnorientierung leisten?“

Grundsätzlich empfiehlt sich der Fokus auf Unterschiede statt auf Gemeinsamkeiten. Für die Formulierung gilt: Je konkreter und spezifischer, desto besser. Ganz besonders wichtig ist es, mutig Wege zu beschreiten, die – zumindest für die eigene Branche – neu und ungewohnt sind. Als Erfolgsformel gilt: ambitionierte Ziele plus konsequente Implementierung.

2.7Purpose als Treiber für Mitarbeitenden-Loyalität und die Rekrutierung von Talenten

Ihr Engagement für den Purpose des Unternehmens zahlt sich in der Regel aus. Je klarer ein Purpose definiert ist, desto leichter fällt es potenziellen Mitarbeitenden, sich für das Unternehmen zu entscheiden. Vergleichen kann man diesen Effekt am ehesten mit der Anziehungskraft eines Start-ups. Die meisten Menschen, die sich für ein Start-up entscheiden, machen dies nicht aufgrund des Gehalts, des Titels, des Prestiges oder anderer Vergünstigungen. Im Gegenteil: Gerade junge Menschen nehmen Nachteile in Kauf, um dafür eine klare Vorstellung davon zu haben, wofür und für wen sie ihre Arbeitskraft einsetzen und somit sicher zu sein, hinter den Werten dieser Organisation stehen zu können (Kienbaum 2020).

Genau solche Mitarbeitenden zieht ein Purpose-getriebenes Unternehmen an. Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Outdoor-Ausrüsters VAUDE, schildert diesen Effekt in einem Interview sehr eindrucksvoll (Bruce u. Jeromin 2020):

„Obwohl fern einer Großstadt gelegen, weist VAUDE nicht nur einen hohen Grad an Loyalität seiner Belegschaft auf, sondern erfreut sich auch einer problemlosen Rekrutierung neuer Mitarbeitender. Darüber hinaus sind aus unserer Sicht auf den Purpose verpflichtete Mitarbeitende der einzige Garant dafür, dass der Purpose im Unternehmen gelebt wird und so jeden Tag ein Stück mehr Verantwortungsbewusstsein zum Wohle aller Stakeholder entsteht.“