Qigong, Taiji, das Dao und ich - Andreas Mütsch - E-Book

Qigong, Taiji, das Dao und ich E-Book

Andreas Mütsch

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Beschreibung

Qigong und Taijiquan verstehen statt nur nachmachen! Ein Handbuch für engagiert Übende. Der ausführliche Theorieteil bildet die Grundlage für ein tieferes Verständnis von Qigong und Taijiquan. Mit den Acht Brokaten und der Pekingform folgen konkrete Beispiele aus der Praxis. Dazu gibt es Erläuterungen und zahlreiche Abbildungen zum Qi, den Meridianen und dem Dao. Ein Blick auf klassische Texte aus mehr als vier Jahrtausenden rundet diese fundierte Einführung ab. Das Buch entstand aus dem Wunsch heraus, einen verständlichen Überblick über Theorie und Praxis des Qigong und Taijiquan verfügbar zu machen. Die darin aufgezeigten Verbindungen zur Philosophie des Dao machen das Werk zu einem unverzichtbaren Begleiter für alle, die mehr über die Hintergründe des Qigong und Taijiquan erfahren wollen.

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»Taiji war geboren aus Wuji

Und ist Mutter von Yin und Yang.

In Bewegung trennt es in viele Teile,

In Ruhe vereint es zu Einem.«

Wang Tsung-yueh

Für Anni

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorbemerkungen

1.1 Warum so viel Theorie?

1.2 Über das Chinesische

1.2.1 Bedeutungsfülle

1.2.2 Traditionell oder vereinfacht?

1.2.3 Transkriptionssysteme

1.2.4 Yi

und Shen

, der

Geist

1.3 Qigong und Taijiquan

Theorie des Qi

2.1 Was ist Qi

?

2.2 Näherung über Schriftzeichen

2.3 Arten von Qi

2.4 Qi und der menschliche Körper

2.5 Elektrische Betrachtung des Qi

2.6 Biochemische Betrachtung des Qi

2.7 Der Fluss des Qi im Körper

2.8 Arten von Qi im Körper

2.9 Körper und Natur

2.10 Zwei weitere Arten von Qi

Theorie des Qigong

3.1 Was ist Qigong

氣功

?

3.2 Geschichte des Qigong

3.2.1 Erste Phase: Yi Jing und Beginn

3.2.2 Zweite Phase: Han und Buddhismus

3.2.3 Dritte Phase: Verfeinerung

3.2.4 Vierte Phase: Öffnung

3.3 Die Acht Edlen Übungen

3.3.1 Bedeutung des Namens

3.3.2 Geschichte der Acht Brokate

3.4 Interne und Externe Kampfkünste

3.4.1 Wai Dan

外丹

3.4.2 Nei Dan

内丹

3.4.3 Kombinationen

3.5 Yin und Yang

陰陽

3.5.1 Geschlechter

3.5.2 Bewegungen

3.5.3 Medizin

3.5.4 Natur

3.6 Verschiedene Arten des Qigong

3.7 Beweggründe für Qigong

3.8 Die drei Schätze des Lebens (

San Bao

三宝

)

3.9 Das Fünffache Einstimmen

3.9.1 Schlachtfeldvergleich

3.9.2 Den Körper regulieren (Tiao Shen)

3.9.3 Die Atmung regulieren (Tiao Xi)

3.9.4 Den Gedankengeist regulieren (Tiao Xin)

3.9.5 Das Qi regulieren (Tiao Qi)

3.9.6 Den Seelengeist regulieren (Tiao Shen)

Der Körper im Qigong

4.1 Organe

4.2 Besonderheiten bei den Organen

4.2.1 Das Organ

Dreifacher Erwärmer

4.2.2 Milz und Bauchspeicheldrüse

4.2.3 Perikard oder Herzbeutel

4.3 Organe und Meridiane

4.3.1 Zuordnung Organe und Hände

4.3.2 Zuordnung Organe und Füße

4.4 Ober- und Unterkörper

4.5 Das Zwerchfell

4.6 Körperextreme

4.7 Das Gehirn

4.7.1 Zwei Gehirne

4.7.2 Das dritte Auge

4.7.3 Gehirnzustände

Akupunktur und Qigong

5.1 Akupunktur und Qi

5.2 Die drei Energiezentren

5.2.1 Lage des UDT

5.3 Qi-Kanäle, von Flüssen und Seen

5.3.1 Primäre Qi-Kanäle oder Meridiane,

Jing

5.3.2 Sekundäre Qi-Kanäle,

Luo

5.3.3 Qi Gefäße,

Mai

5.3.4 Die Gefäße und ihre Lage

5.4 Akupunkturpunkte

5.4.1 Wichtige Akupunkturpunkte

Atmung im Qigong

6.1 Atmung als Strategie

6.2 Atmung und Qi-Herstellung

6.3 Atmung und Qi-Verteilung

6.3.1 Bauchatmung als Vorgeburtsatmung

6.3.2 Geschwindigkeit der Qi-Produktion

6.4 Drei Arten der Atmung

6.4.1 Brustatmung

6.4.2 Normale tiefe Bauchatmung

6.4.3 Inverse tiefe Bauchatmung

6.5 Die Atemwirkung unterstützen

6.6 Die richtige Technik finden

6.7 Atemtechniken für Fortgeschrittene

Praxis des Qigong

7.1 Hinweise zur Atmung

7.2 Den Baum umarmen

7.3 Das Qi sammeln

7.4 Die Acht Brokate, Stehende Form

7.4.1 Aufbau der Figurenbeschreibungen

7.4.2 Die doppelten Hände halten die Himmel (Erste Figur)

7.4.3 Links rechts den Bogen spannen (Zweite Figur)

7.4.4 Himmel und Erde stemmen (Dritte Figur)

7.4.5 Nach hinten blicken (Vierte Figur)

7.4.6 Den Kopf hin und her schwenken (Fünfte Figur)

7.4.7 Mit den Händen die Füße halten (Sechste Figur)

7.4.8 Dem Gegner drohen (Siebte Figur)

7.4.9 Auf und Ab, um das Qi auszugleichen (Achte Figur)

7.4.10 Abschluss

Theorie des Taijiquan

太极拳

8.1 Einleitung

8.2 Die Philosophie des

Dao

8.3 Wuji, Taiji und das Dao

8.4 Was ist Taijiquan?

8.5 Ist Taijiquan eine Kampfkunst?

8.6 Ziele im Taijiquan

8.7 Positive Wirkungen des Taijiquan

8.8 Von Formen und Figuren

8.9 Geschichtliche Entwicklung

8.9.1 Die Legende von Zhang San-feng

8.9.2 Der Boxstil der Familie Chen

8.9.3 Ein neugieriger Diener

8.9.4 Unterricht für alle

8.9.5 Verbot und Vereinheitlichung

8.10 Stile

8.11 Die sechs Basisprinzipien

8.11.1 Langsame Bewegungen

8.11.2 Entspannen

8.11.3 Natürlich bewegen

8.11.4 Sinken (in die Knie und das Qi)

8.11.5 Fließende Bewegungen

8.11.6 Gleichgewicht von Yin und Yang

8.12 Körperstabilität

Praxis des Taijiquan

9.1 Überblick

9.2 Der Spaziergang des Kranichs

9.3 Die Pekingform

9.3.1 Schrittelemente

9.3.2 Arm- und Handhaltungen

9.4 Ablauf der Pekingform

9.4.1 Vorgehen beim Lernen

9.4.2 Vor dem Beginn

9.4.3 Das Qi öffnen (Figur 1)

9.4.4 Die Mähne des Wildpferdes teilen (Figur 2)

9.4.5 Der weiße Kranich breitet seine Flügel aus (Figur 3)

9.4.6 Übergang zum Knie streifen

9.4.7 Das Knie streifen (Figur 4)

9.4.8 Die Pipa spielen (Figur 5)

9.4.9 Den Affen vertreiben (Figur 6)

9.4.10 Den Vogel am Schwanz fassen links (Figur 7)

9.4.11 Den Vogel am Schwanz fassen rechts (Figur 8)

9.4.12 Einfache Peitsche (Figur 9)

9.4.13 Wolkenhände (Figur 10)

9.4.14 Einfache Peitsche (Figur 11)

9.4.15 Das Pferd streicheln (Figur 12)

9.4.16 Fersenstoß rechts (Figur 13)

9.4.17 Mit den Fäusten auf die Ohren boxen (Figur 14)

9.4.18 Drehen und Fersenstoß links (Figur 15)

9.4.19 Die Schlange kriecht am Boden links (Figur 16)

9.4.20 Der goldene Hahn steht auf einem Bein links (Figur 17)

9.4.21 Die Schlange kriecht am Boden rechts (Figur 18)

9.4.22 Der goldene Hahn steht auf einem Bein rechts (Figur 19)

9.4.23 Die Schöne am Webstuhl (Figur 20)

9.4.24 Die Nadel vom Meeresboden holen (Figur 21)

9.4.25 Die Arme wie einen Fächer öffnen (Figur 22)

9.4.26 Drehen, Abwehren, Parieren und Zustoßen (Figur 23)

9.4.27 Die Tür schließen (Figur 24)

9.4.28 Nach der Form

Klassische Texte

10.1 Warum Klassiker lesen?

10.2

Yi Jing

易经

10.2.1 Kurze Einführung in das

Yi Jing

10.2.2 Die acht Trigramme

10.2.3 Anleitung zum

Yi Jing

10.2.4 Die 64 Hexagramme

10.3

Dao De Jing

道德经

10.3.1 Name und Inhalt

10.3.2 Beispiele aus dem Buch

10.4

Zhuangzi

庄子

10.4.1 Beispiele aus dem Buch

10.5 Klassiker des Taijiquan

10.5.1 Abhandlung über das Taijiquan (

Taijiquan-lun

)

10.5.2 Die zehn Regeln des Yang Cheng-fu

10.5.3 Weitere klassische Texte

10.5.4 Das Gedicht vom vollendet Übenden

Quellenverzeichnis

Wichtige Hinweise

Über den Autor

Vorwort

Als ich vor einigen Jahren begann, Taijiquan zu lernen, bestand der Unterricht zum Großteil aus Zuschauen und Nachmachen. Auch die Anleitung für spätere Qigong-Übungen beschränkte sich meist auf Ansagen wie: »Jetzt einatmen, Arme so bewegen und jetzt ausatmen.« Es fehlte häufig die passende Erklärung. Fragen wie: »Warum wird diese Übung so und nicht anders ausgeführt?« oder: »Warum soll ich an dieser Stelle einatmen?« blieben unbeantwortet.

Im Laufe der Zeit habe ich einige Informationen zusammengetragen, die mir geholfen haben, solche Fragen zu klären und die Übungen besser zu verstehen. Diese Informationen befinden sich in diesem Buch.

Nach einigen Vorbemerkungen im ersten Kapitel werde ich im zweiten Kapitel die Theorie des Qi in der Chinesischen Medizin erläutern, soweit es für das spätere Verständnis wichtig ist.

Die Kapitel drei bis sechs behandeln dann die theoretischen Grundlagen des Qigong, bis es schließlich im Kapitel sieben um praktische Übungen des Qigong geht.

Es folgen in Kapitel acht die theoretischen Grundlagen des Taijiquan, als Vorbereitung auf Kapitel neun mit der Praxis des Taijiquan.

Das zehnte Kapitel beschließt dieses Buch mit einem Ausflug zu klassischen Texten.

Dieses Buch ist kein Lehrbuch, mit dem man perfektes Qigong oder Taijiquan lernen kann. Es soll vielmehr Wissensspeicher und Nachschlagewerk sein, sowie dem Neugierigen einen Eindruck von der Einfachheit der Übungen und der Komplexität ihrer Details vermitteln.

Kommen Sie mit mir auf eine Reise durch uraltes Wissen hin zu Übungen und Anwendungen, die aktueller sind denn je!

Andreas Mütsch April 2019

1 Vorbemerkungen

1.1 Warum so viel Theorie?

Sind so viele Theoriekenntnisse überhaupt nötig? Schließlich wollen wir doch nur ein paar Bewegungen kennenlernen.

Ich meine: Ja. Denn Theoriekenntnisse sind wie ein Stadtplan: Der Besitz ermöglicht es, alles auf eigene Faust zu erreichen, ohne dabei ständig einen Fremdenführer zu Rate ziehen zu müssen.

Es ist wie im Gleichnis vom Goldmacher und dem kleinen Jungen:

Es war einmal ein alter Mann, der konnte alles, was er wollte, in Gold verwandeln.

Zu ihm kam eines Tages ein kleiner Junge und frage: »Alter Mann, stimmt es, dass du alles zu Gold machen kannst?«

»Ja, das stimmt«, antwortete der Alte, »Willst du, dass ich dir diesen Stein in Gold verwandle?«

»Nein, ich will nicht dein Gold«, entgegnete ihm der kleine Junge, »Ich will deinen Trick! Dein Gold kann ich nur einmal ausgeben, aber mit deinem Trick kann ich mir immer wieder neues Gold erschaffen.«

Qigong ist das Gold, unsere Theoriekenntnisse sind der Trick.

Befassen wir uns also zunächst mit den theoretischen Grundlagen rund um Qi, Atmung, Akupunktur und Meridiane.

1.2 Über das Chinesische

Wenn man sich mit Themen wie Qi, Qigong und Taijiquan beschäftigt, kommt man schnell mit Begriffen aus der chinesischen Sprache in Berührung. Ist man des Chinesischen nicht besonders gut mächtig – auch ich habe nur rudimentäre Basiskenntnisse – so ist man auf Übersetzungen angewiesen.

Eine Übersetzung chinesischer Texte gestaltet sich aber immer schwierig. Das liegt daran, dass man fast nie eine exakte Entsprechung eines chinesischen Wortes finden kann, weil ein Wort im Chinesischen immer auch ein Prinzip, eine ganze Wolke unterschiedlicher Bedeutungsnuancen in sich trägt.

1.2.1 Bedeutungsfülle

Für Muttersprachler, die die chinesische Kultur und deren Entwicklung kennen, tut sich mit jedem Wort ein ganzer Strauß von Bedeutungen und kontextabhängigen Bedeutungsnuancen auf, die in einer Übersetzung verloren gehen.

Zum Beispiel kann Gongfu (工夫) Folgendes bedeuten: Arbeit, Aufwand, Bestreben, Studium oder Training, das Zeit, Energie und Geduld benötigt. Wählt man einen dieser Begriffe für die Übersetzung, so verblassen alle weiteren Bedeutungen, die für einen Chinesen immer im Wort präsent sind und mitschwingen.

Aber auch im gesprochenen Chinesisch sind westlich geprägte Sprecher im Nachteil. Es fällt ihnen oft schwer, die fünf unterschiedlichen Tonverläufe in der Aussprache der fast immer einsilbigen Wörter zu hören.

So kann ein einfaches Wort wie Ma je nach Betonung entweder Mutter (妈), Hanf (麻), Pferd (马) oder schimpfen (骂) bedeuten oder auch nur als Fragepartikel eine Frage kennzeichnen (吗).

Wie wir sehen, sind die zugehörigen Schriftzeichen völlig verschieden und der Tonverlauf wird in der Transkription normalerweise nicht notiert.

In Texten über Qigong finden wir dann zum Beispiel das Wort Shen, das entweder Körper (身) oder Seelengeist (神) bedeuten kann. Auch der Gebrauch von Jing, entweder Essenz (精) oder Meridian (经), muss immer in seinem Kontext betrachtet werden, um die richtige Übersetzung zu finden.

1.2.2 Traditionell oder vereinfacht?

Um die Sache für den Lernenden noch weiter zu verkomplizieren, gibt es auch noch zwei verschiedene Schriftsysteme für das Chinesische.

Zum einen gibt es das System der traditionellen Zeichen, auch Langzeichensystem genannt. Diese Zeichen haben sich historisch entwickelt und zeigen einen komplexen Aufbau. Diese Schrift wird noch heute in Taiwan, Macau und Hongkong verwendet.

Zum anderen gibt es das System der Standardzeichen, auch vereinfachtes oder Kurzzeichensystem genannt. Dieses System wurde 1956 von der chinesischen Regierung als offizielles System vorgeschrieben und wird in China, Singapur und Malaysia verwendet. Diese Zeichen leiten sich aus dem traditionellen System ab, sind jedoch einfacher gestaltet.

Beispiele:

Traditionell

Vereinfacht

Qi

Qigong

氣功

气工

Gongfu

功夫

工夫

Der Leser muss sich also idealerweise in beiden Systemen auskennen, um alle chinesischen Texte verstehen zu können.

1.2.3 Transkriptionssysteme

Eine weitere Hürde sind die unterschiedlichen Transkriptionssysteme für das Chinesische in die lateinische Schrift. Während früher Systeme wie Wade-Giles oder Yale üblich waren, hat sich inzwischen das in den 1950er-Jahren in China entwickelte Pinyin-System durchgesetzt.

In älteren Übersetzungen findet man also eine andere Schreibweise als in modernen Texten – für dieselbe chinesische Bedeutung!

Beispiele:

Schriftzeichen

Pinyin

Wade-Giles

氣 / 气

Qi

Chi

氣功 / 氣工

Qigong

Chi Kung

功夫 / 工夫

Gongfu

Kung Fu

太极拳

Taijiquan

Tai Chi Chuan

北京

Beijing

Peking

Ich habe mich bemüht, im Folgenden so weit wie möglich das Pinyin-System zu verwenden. Ältere aber durchaus geläufige Schreibweisen habe ich gegebenenfalls zusätzlich angegeben.

1.2.4 Yi意und Shen神, der Geist

Im Qigong geht man davon aus, dass der Geist aus zwei Teilen besteht. Es gibt Yi (意) – und, wie wir später noch sehen werden, dessen emotionalen Anteil Xin (心) – und es gibt Shen (神). In der englischen Literatur werden diese beiden Anteile mit mind und spirit übersetzt.

Beide Begriffe werden ins Deutsche für das Folgende zu ungenau als Geist übersetzt. Ich möchte in diesem Buch lieber von Gedankengeist und Seelengeist sprechen, um die beiden Aspekte des Begriffs Geist besser trennen zu können.

Gedankengeist und Seelengeist sind also nicht identisch, hängen aber zusammen:

Der

Gedankengeist

Yi

(

意,

engl. mind) ist in der menschlichen Matrix des Gehirns verankert. Mit ihm stehen wir mit der materiellen Welt in Verbindung. Er gibt uns das Bewusstsein.

Der

Seelengeist

Shen

(

神,

engl. spirit) ist der

göttliche Funke

in uns. Er ist das, was den Mensch zum Menschen macht. Durch ihn sind wir – materiell nicht fassbar – mit dem Dao der Natur verbunden und gleichzeitig als individuelle Wesenheiten definiert.

1.3 Qigong und Taijiquan

»Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen Qigong und Taiji?«

Diese Frage wird mir immer als Erstes gestellt, wenn ich erzähle, dass ich Qigong und Taijiquan übe. Deshalb hier für ganz Eilige die Kurzantwort:

Qigong sind Übungen, um den Fluss des Qi im Körper zu verbessern. Die Atmung spielt dabei eine große Rolle.

Taiji, in diesem Fall eher Taijiquan (Tai Chi Chuan), verbindet Qigong-Übungen und innere Energiearbeit zu einer Kampfkunst. Taijiquan ist somit eine spezielle Art des Qigong.

2 Theorie des Qi

2.1 Was ist Qi氣?

Wenn wir verstehen wollen, was Qigong ist, so müssen wir zunächst verstehen, was Qi ist. Wie immer im Chinesischen ist es nicht damit getan, eine wörtliche Übersetzung anzubieten, zumal es diese oft nicht gibt. Betrachten wir in diesem Kapitel also zunächst das Phänomen Qi und dessen unterschiedliche Ausprägungen.

Qi氣 bezeichnet eine Energie, die das gesamte Universum ausfüllt und die das Leben erst möglich macht.

Qi nennen wir daher auch die Lebensenergie. Andere Kulturen kennen diese Lebensenergie unter anderen Namen: In Indien spricht man von Prana, in Japan von Ki, im Griechischen gibt es das Wort pneuma. Die christliche Kirche kennt den Heiligen Geist und als alternative Heilmethode existiert Reiki.

2.2 Näherung über Schriftzeichen

Es gibt ein altes und ein neueres Schriftzeichen für Qi. Beide sind aus zwei einfacheren Zeichen zusammengesetzt.

Qi

(alte Schreibweise)

无 + 灬

kein + Feuer

ein ausgeglichener Energiezustand.

Qi

(neue Schreibweise)

气 + 米

Luft + Reis

Sauerstoff und Glukose; die Reaktionspartner, mit denen im Körper Energie gewonnen wird.

Beide Schriftzeichen enthalten tiefe Weisheit über das Wesen des Qi. Während das alte Symbol die gleichmäßige Verteilung der Energie betont, enthält das neue Zeichen die Bestandteile, die zur Energieerzeugung notwendig sind.

2.3 Arten von Qi

Es gibt verschiedene Arten von Qi. Je nach Anwendungsfall und Betrachtungsweise werden verschiedene Ausprägungen der Lebensenergie unterschieden.

In einem umfassenden Sinne unterscheiden wir das Qi der drei Kräfte der Natur (San Cai三才), nämlich Himmel, Erde und Mensch.

Das

Qi des Himmels (

Tian Qi

天气

)

zeigt sich im Sonnenlicht, im Mondschein und in den Natureinflüssen wie Gezeiten, Wetter, Wind und Regen.

Das

Qi der Erde (

Di Qi

地气

)

nimmt das Himmels-Qi auf und sorgt für das Wachstum von Pflanzen und Tieren sowie für das Erdmagnetfeld. Erde-Qi ist in einem Gittermuster verteilt.

Das

Qi des Menschen (

Ren Qi

人气

)

ist die Lebensenergie im Menschen, die seine Existenz ermöglicht.

Nach chinesischer Auffassung steht der Mensch als Vermittler zwischen Himmel und Erde. Er muss sich somit den Naturzyklen anpassen. Weicht er von diesen Zyklen ab, drohen ihm Misserfolg und Krankheiten.

In China hat man solche Naturzyklen schon vor über viertausend Jahren untersucht und in Büchern festgehalten.

Ein berühmtes Buch, das Yi Jing (I Ging) ist auch bei uns durch die Übersetzung von Richard Wilhelm unter dem Namen Buch der Wandlungen bekannt [1] und wird in Kapitel 10.2 genauer vorgestellt.

Ausgehend von der Beobachtung dieser Naturzyklen wurden im Laufe der Zeit verschiedene Methoden entwickelt, um das Qi im Menschen positiv zu beeinflussen. Dabei sind dann so unterschiedliche Anwendungen wie Akupressur, Akupunktur, Meditationspraktiken und die Lehre von den Heilkräutern entstanden.

2.4 Qi und der menschliche Körper