Queerschnitt: Storys plus  ... - Simon Rhys Beck - E-Book

Queerschnitt: Storys plus ... E-Book

Simon Rhys Beck

0,0

Beschreibung

Queerschnitt - das ist ein Querschnitt durch 20 Jahre Autorenleben. Viele der Kurzgeschichten wurden bereits in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht. Fast keine Geschichte ist bisher in E-Book-Form zu lesen. Außerdem enthält diese Anthologie eine bisher unveröffentlichte Leseprobe des neuen Projekts "Cornel & Leif" von Simon Rhys Beck und Rosha Reads und eine ebenfalls unveröffentlichte Story von Rosha Reads. Die Titel im Einzelnen: Nordseetrip, Momente mit Dirk, Familienzwänge, Die Schweigenden, Rache ist süß, Das Ritual ... höllisch schief gelaufen, Laternen in der Halfpipe, Schutzengel-Jobs, Erste Hilfe, Körperflucht, Das Geburtstagsgeschenk, Am See, (Ob-)Session, PC-Probleme, Magische Anziehung, Leseprobe: Cornel & Leif, Bonustrack 1: Lindenland, Bonustrack 2: Das Interview

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 258

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Simon Rhys Beck & Rosha Reads

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

© the authors

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Andrei vishnyakov – fotolia.com

1. Auflage

Ebook only

Inhalt

Nordseetrip

Momente mit Dirk

Familienzwänge

Die Schweigenden

Rache ist süß

Das Ritual … höllisch schief gelaufen

Laternen in der Halfpipe

Schutzengel-Jobs

Erste Hilfe

Körperflucht

Das Geburtstagsgeschenk

Am See

(Ob-)Session

PC-Probleme

Magische Anziehung

Leif und Cornel: Fuck’n‘ Roll - Leseprobe

Bonustrack 1: Lindenland – Rosha Reads

Bonustrack 2: Das Interview

Vorwort:

Queerschnitt – das ist ein Querschnitt durch 20 Jahre Autorenleben. Die meisten dieser Kurzgeschichten wurden bereits veröffentlicht, u.a. in „F*** – wenn Sex daneben geht“, „Hiebe und Triebe“, beides Querverlag, im „Gay Universum“ vom Himmelstürmer Verlag oder in diversen anderen Anthologien und Zeitschriften.

Der überwiegende Teil der Storys wurde bisher nicht als E-Book veröffentlicht, daher habe ich mich – entgegen meiner sonstigen Arbeitsweise – für eine Veröffentlichung als „ebook only“ entschieden.

Besonders freue ich mich, unser neues Projekt vorstellen zu können – „Cornel & Leif“ aus der Reihe „Differences“, an dem ich zusammen mit Rosha Reads schreibe.

Vielleicht kennt der ein oder andere Cornel bereits aus „Leon und Mick: 24/7“ …

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Simon Rhys Beck

Nordseetrip

„Scheiße“, brummte ich, nicht zum ersten Mal während dieser Fahrt. Ich sah, wie der Hals meines Vaters sich anspannte.

„Wenn du noch ein Wort sagst, Leon“, brachte er mit mühsamer Beherrschung hervor, „Halte ich auf dem nächsten Parkplatz an, und dann kriegst du eine Tracht Prügel.“

„Dann zeig ich dich an“, erklärte ich lässig.

„Das wäre es mir wert!“

„Thomas“, mischte sich nun meine Mutter ein.

„Was?“, erwiderte mein Vater. „Du wolltest doch, dass er mitkommt. Schnapsidee ...“

„Ich wollte nicht direkt, dass er mitkommt“, räumte meine Mutter ein, als wäre ich nicht anwesend. „Ich wollte nur nicht, dass er die Sommerferien mit seinen Kifferfreunden herumhängt.“

„Dafür haben wir jetzt das Vergnügen mit unserem Kiffersohn“, grummelte mein Vater.

Ich biss die Zähne aufeinander, damit mir nicht doch noch ein Wort herausrutschte. Hatte ich vielleicht darum gebeten, sie auf ihrem verfickten Nordseetrip begleiten zu dürfen? Wüsste nicht ...

Die Zeit zog sich wie Kaugummi unter’m Schuh, ich drückte mir die Stöpsel meines Kopfhörers in die Ohren und ließ mich von Rachel Stamp, Korn und anderem New Heavy Zeug volldröhnen. Ich wusste, dass das Geschepper meinen Eltern auf den Nerv ging, aber mir ging es auch gehörig auf die Nerven, dass ich zu so einem Zwangsurlaub verdonnert worden war.

Mein Board hatte ich zwar mit, aber wahrscheinlich gab’s in diesem Kaff nur Kopfsteinpflaster! Von einer Pipe mal ganz zu schweigen ...

Ich dämmerte etwas weg, was wohl daran lag, dass ich gestern meinen letzten Joint durchgezogen hatte. Nun saß ich auf dem Trockenen. Dieser sogenannte Urlaub versprach ein Horrorerlebnis der ganz besonderen Sorte zu werden.

Ich wachte auf, als meine Eltern auf eine Hofeinfahrt einbogen, die heftiger war als die Buckelpiste in meinem letzten Skiurlaub. Hier konnte man sicher fett Skateboard fahren! Und auch sonst fand ich die ganze Sache zu Kotzen!

Wir stiegen aus, meine Eltern hatten Zimmer in einer Ferienpension gebucht. Bauernhof traf’s wohl eher, und der erste Bauer kam auch gleich um die Ecke. Ein Typ, etwa in meinem Alter – in Gummistiefeln, eine Schubkarre vor sich herschiebend. Er begrüßte uns mit einem genuschelten „Moin“. Oh, Himmel, womit hatte ich das verdient? War es wirklich so schlimm, dass ich mit meinen Kumpels ab und zu kiffte? Hatte ich dafür die Höchststrafe verdient?

Auf dem Weg ins Haus bemühte ich mich, den größten Dreck zu umrunden, denn die Ränder meiner Baggy, die ich erst vor ein paar Tagen bei Titus für einen Haufen Kohle erstanden hatte, schlürten über den Boden. Hatte keinen Bock auf Pferdescheiße an der Hose! Und spätestens jetzt bemerkte ich, wie sich Wut in mir aufbaute. Glühend und rot, und ich hatte Angst, gleich auf dem Hof zu explodieren! Aber so weit war es noch nicht.

Wir bezogen erst mal unsere Quartiere. Und ich bekam tatsächlich ein eigenes Zimmer mit Bad.

Am frühen Abend machte ich mich dann mit meinem Board auf die Suche nach einer einigermaßen fahrbaren Strecke. Da lief mir der Typ wieder über den Weg. Mittlerweile wusste ich, dass er Oke hieß und der „Sohn des Hauses“ war.

Ich ging ihm hinterher, in der Absicht, ihn zu provozieren. Warum, wusste ich nicht. Er sah ziemlich gut aus, mit seinen fast kinnlangen braunen Haaren, dem kantigen Gesicht und den durchdringend braunen Augen.

„Hey, Stiefelschlampe ...“

Er drehte sich um und ließ einen abschätzenden Blick über mich gleiten. „Ich helf meinen Eltern, du Großstadtpflanze“, sagte er. „Ende der Durchsage.“

Damit drehte er sich wieder um und wollte mit einer Schippe bewaffnet im Stall verschwinden, aber ich folgte ihm. Mir war bewusst, dass ich mit dem Feuer spielte. Oke war sicher einen Kopf größer als ich und breitschultrig. Ich hatte nicht vor, von ihm eins aufs Maul zu kriegen, aber genau darauf steuerte ich zu.

Trotzdem blieb ich ihm auf den Fersen. Ich rümpfte die Nase, diese Stallgerüche waren echt nicht der Hit.

Oke sah mich abwartend an. Irgend etwas an seinem Auftreten passte nicht in mein Bild vom tumben Bauernburschen.

„Kannst du auch fahren?“ Er zeigte auf mein Board. „Oder trägst du es nur spazieren?“

„Hey, willst du mich nerven?“, fauchte ich sofort.

Er grinste breit, entwaffnend. „Wer klebt mir denn an den Hacken?“

„Fuck you!“

Okes Grinsen wurde noch breiter. Ich drehte mich um und stapfte entnervt aus dem Stall. So ein Arsch! Hatte wahrscheinlich noch nie auf einem Skateboard gestanden!

Ich machte mich allein auf die Suche nach einer geeigneten Strecke. Aber ich lief mir die Füße wund und konnte doch nur ab und zu aufs Board. Die Straßen und Wege waren sowas von ungeeignet – da hätte ich besser in der Wüste fahren können!

Völlig frustriert kehrte ich zur Pension zurück. Es war schon dunkel. Ich trat meine Sneakers von den Füßen und warf mich aufs Bett. Aus der Seitentasche meiner Hose fischte ich mein Handy – ich hatte sechs neue Nachrichten bekommen, aber kaum noch Guthaben. Das alles nervte mich unendlich! Die Nachrichten waren alle von meinen Skater-Kollegen, die mich bedauerten. Okay, vielleicht freuten sie sich auch, dass sie ihren Stoff nicht teilen mussten.

Der nächste Tag begann ähnlich ereignislos, ich gammelte nur herum. Hatte keine Lust, wie Falschgeld durch die Gegend zu laufen. Aber als ich nach dem Mittagessen zufällig aus dem Fenster auf den Hof schaute, glaubte ich, meinen Augen nicht zu trauen. Dort unten stand Oke, strich sich die Haare aus dem Gesicht und unterhielt sich mit einem anderen Kerl, der sich ein Skateboard unter den Arm geklemmt hatte. Beide trugen Baggys und Kapuzenshirts, Oke hatte einen Nietengürtel quer über dem Arsch hängen. Sie lachten, und Oke deutete mit dem Kopf in meine Richtung. Ich versteckte mich hinter der muffigen gelben Gardine. Scheiße, die laberten über mich!

Ich war durcheinander und verärgert. Und verdammt – Oke sah so ... verändert aus in den Klamotten. Er sah so verdammt, so gottverdammt geil aus! Echt yummy. Ich versuchte, diesen Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben. Es war völlig unerheblich, wie Oke aussah, der Arsch hatte mich gelinkt! Er hatte mich doch irgendwie in dem Glauben gelassen, er sei ein ostfriesischer Bauerntrampel. Okay, das war er nicht – er sah sogar mindestens genauso cool aus wie meine Kollegen zu Hause. Wie hatte ich mich nur so täuschen können?

Wütend verließ ich mein Zimmer. Wenn der andere Typ ein Board hatte, musste man hier ja irgendwo fahren können. Und ich hatte keine Lust, die ganze Zeit in meinem Zimmer abzuhängen!

Ich schlenderte also betont langsam auf Stiefelschlampe und seinen Kumpel zu.

Und tatsächlich, es gab hier Möglichkeiten, um ordentlich zu skaten. Nach einer kurzen, zurückhaltenden Begrüßung, verabredete ich mich mit Oke für den frühen Abend. Marc, der andere Typ, hatte keine Zeit. Ein Umstand, der mich aus irgend einem Grund heiter stimmte.

Wir fuhren mit Okes altem Roller, ich hatte beide Boards in einem großen Rucksack auf dem Rücken. Mir wurde klar, warum mein Spot Check am Vortag ergebnislos verlaufen war – Oke und seine Kumpels trafen sich immer auf einem alten Fabrikgelände, außerhalb des Orts.

Wir passierten ein verrostetes Eisentor, und Oke parkte seinen Roller. Ich holte die Boards aus dem Rucksack und reichte ihm seines.

Oke zog sich mit einer geübten Bewegung Protektoren über die Hände. Ich sah ihn überrascht an, denn er trug ansonsten auch keine Schützer. Als er meinen Blick bemerkte, verharrte er in der Bewegung. Langsam zog er einen der Schützer wieder von seiner Hand und präsentierte mir seine Handinnenfläche. Die Haut dort war bis hoch über das Handgelenk rosig und vernarbt. Sie sah aus wie glatt poliert, und ich hatte das irrwitzige Bedürfnis, dass er mich mit diesen Händen berührte.

„Ich weiß, jetzt ist es auch zu spät für Schützer“, sagte er mit einem schiefen Grinsen und zuckte mit den Schultern, „Aber ich hatte solche Scheiß-Schmerzen, das brauche ich nicht noch einmal! Ich konnte Wochenlang nichts anfassen. Mein Dad hat mir beim Duschen geholfen, ich konnte nicht mal allein zum Klo.“ Jetzt lachte er leise. „Und Wichsen ging natürlich auch nicht!“

Ich spürte, wie ich rot anlief und beugte mich rasch hinunter, um an meinen Sneakers herumzufummeln. „Und was hast du da gemacht?“, murmelte ich, denn natürlich interessierte es mich brennend.

„Mein Kumpel Marc hat da ausgeholfen!“

Ich verschluckte mich und bekam einen Hustenanfall. „Er hat WAS??“

„Tja, ich lag da mit meinen bandagierten Händen, und Marc hat’s mir besorgt ...“

Ich stand langsam wieder auf. „Das nenne ich Opferbereitschaft ...“

Oke leckte sich kurz über die Lippen. Dann stellte er den rechten Fuß auf sein Board, er fuhr goofy, und stieß sich mit dem anderen kräftig ab. Ich folgte ihm. Der alte Asphalt war top zum Fahren. So checkten wir erst mal das Gelände.

Oke war ein guter Skater. Bei einem kleinen Pool hielt er schließlich an.

„Es war kein Opfer für ihn.“

„Wie?“ Ich schob mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und beäugte ihn misstrauisch.

„Er hat mir auch einen geblasen.“ Oke beobachtete mich eingehend. „Und eines Tages hat er sich sogar auf meinen Schwanz gesetzt. Das war echt was! Ich lag da mit den dicken Verbänden an den Händen, und er hockt sich auf mich, um sich vögeln zu lassen.“

Diese Vorstellung war dann doch zu heftig für mich. Kurz bevor mein Kopf platzte, drehte ich mich um und fuhr mit einem „Du hast sie nicht mehr alle!“, davon. Lachte Oke etwa? – Wie konnte er mir sowas erzählen? Ich bekam das Bild von Oke, wie er seinen Kumpel fickte, nicht mehr aus dem Schädel. Und es machte mich an! Ich war ehrlich genug, mir das einzugestehen.

Oke war ein geiler Typ. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass er so locker mit diesem Thema umging. Das war echt zuviel für mich. Er kannte mich schließlich kaum.

Das Surren der Rollen auf dem glatten Untergrund holte mich in die Realität zurück. Ich war – ohne es zu bemerken – stehengeblieben, und Oke hatte mich eingeholt.

Ich spürte seine Blicke in meinem Nacken, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass er sein Shirt ausgezogen hatte. Meine Augen wanderten automatisch über seinen muskulösen Oberkörper, die Kette mit dem bunten Anhänger, der auf seiner Brust ruhte, sein Sixpack, das Tribal auf seinem Oberarm, das Bauchnabelpiercing. Am Rand seiner Boxershorts zwang ich mich, meine ausgiebige Betrachtung zu unterbrechen. Er hatte mein Starren eh schon registriert.

Grinsend schob er sich das Shirt hinten in die Hose. „Los, wer als Erster wieder am Roller ist!“ Mit diesen Worten wendete er und stob davon.

Nach einer Überraschungssekunde folgte ich ihm. Ich war ehrgeizig genug, mich richtig anzustrengen. So knallten wir nebeneinander einige kleinere Stufen hinunter und bekamen richtig Speed drauf. Ich hörte Okes lauten Atem neben mir und war nur für einen winzigen Augenblick abgelenkt.

Die schmalen Gleise waren auch schon vorher dort gewesen, aber jetzt verhakelten sich die vorderen Rollen darin, und ich hob ab. Die Landung war unsanft und presste mir sämtliche Luft aus den Lungen. Im ersten Moment fühlte ich nichts, erst nach und nach stellten sich die Schmerzen ein.

Oke war sofort neben mir. „Scheiße, Leon, ist dir was passiert?“

Ich atmete tief durch und versuchte vorsichtig, mich zu bewegen. Meine Hände brannten, mein linkes Knie schmerzte, und ich fühlte mich irgendwie alt. „Nee, ich glaub nicht“, sagte ich schließlich. Doch als ich aufstehen wollte, jagte ein heißer Schmerz durch meinen Arm. Ich sog zischend die Luft durch die Zähne.

„Mein Handgelenk ist im Arsch.“

Oke half mir vorsichtig auf die Beine und nahm mein Board. „Krankenhaus?“, fragte er reumütig.

Ich überprüfte die Verletzung mit zusammengebissenen Zähnen. „Ist nicht gebrochen“, erklärte ich und unterdrückte ein Aufstöhnen.

„Bist du da Fachmann, oder was?“ Oke sah mich zweifelnd an.

„Wenn ihr einen 1.-Hilfe-Kasten habt, mach ich mir gleich einen Verband.“

Oke nickte grinsend.

Damit war unser Ausflug dann wohl beendet. Langsam schlenderten wir zu Okes Roller zurück. Ich hielt mir das schmerzende Handgelenk, doch in Gedanken war ich mit ganz anderen Dingen beschäftigt.

Oke packte beide Boards in den großen Rucksack und half mir, diesen auf den Rücken zu schnallen.

„Geht’s?“, fragte er, als wir schließlich beide saßen. Weil er sich umdrehte, knallten unsere Helme gegeneinander.

Ich grinste. „Klar.“ Unauffällig rutschte ich näher an ihn heran und schlang einen Arm um seine schlanke Taille. Irgendwie musste ich mich ja festhalten, oder?

Oke fuhr wesentlich langsamer als auf dem Hinweg, aber das war mir recht. Ich spürte seinen warmen, festen Körper an meiner Vorderseite. Ich hätte ewig so weiterfahren können und war ein wenig geschockt über solche romantischen Gedanken, die eher untypisch für mich waren. Aber ich war wirklich enttäuscht, als wir auf die Hofeinfahrt einbogen. Da es schon dunkel war, sah uns niemand zurückkommen.

Oke ließ sich geschmeidig vor mir vom Sitz gleiten und packte mir unter die Arme.

Ich grinste unsicher. „So schwer verletzt bin ich auch nicht!“

Doch er reagierte nicht darauf, sondern nahm mir den Rucksack mit den Boards ab. „Komm, ich such dir was für deine Hand.“

Wir schlichen uns ins Haus, um niemandem zu begegnen. Da schien es eine stille Übereinkunft zwischen uns zu geben.

„Geh in dein Zimmer, ich bring dir das Verbandszeug dorthin.“

Auf dem Weg in mein Zimmer ging ich wie auf Wolken. Ich schob das auf den leichten Schock, den ich wohl von dem Sturz davongetragen hatte. Fast hätte ich mich noch in der Zimmertür vertan! Himmel, was war bloß los?

Ich verzog mich erst mal in das kleine Badezimmer. Mein Shirt landete in einer Ecke auf dem Fußboden. Meine Hose war an den Knien dreckig, aber wenigstens nicht durch. Ich war gerade dabei, mir die Hände vorsichtig zu waschen, da klopfte Oke an meine Badezimmertür und stand auch schon drin.

„Hey ...“

Ich drehte mich zu ihm um. Er war mir verdammt nah, kein Wunder, in dem kleinen Bad! Ich bekam eine Gänsehaut auf den Armen.

„Mache ich dich nervös?“, fragte er.

„W... wieso meinst du?“, krächzte ich heiser.

Seine Hände legten sich schwer auf meine Schultern, aber nur für eine Sekunde. Dann war der magische Moment vorüber.

„Hier, ein Sportgel und eine Bandage. Soll ich ...?“

Ich nickte stumm und ließ mich verarzten. Okes Berührungen brannten auf meiner Haut. Aber ich ließ mir nichts anmerken.

„Ich hab was zu Rauchen mitgebracht“, teilte er mir mit, als er das Leukoplast auf die Bandage geklebt hatte.

Grinsend setzten wir uns auf mein Bett. Oke zog eine fette Tüte aus dem Verbandskoffer und zündete sie an. Nach einem tiefen Zug, den er lange in der Lunge behielt, reichte er den Joint an mich weiter.

Nach kürzester Zeit waren wir total bekifft, ich kicherte wie blöde, und Oke erzählte unglaublichen Stuss. Seine Hand lag warm auf meinem Oberschenkel. Ich fand das komisch, aber alles andere als unangenehm. Irgendwann kam mir die glorreiche Idee, Oke in eine Mumie zu verwandeln. Als ich dafür eine Mullbinde aus dem Verbandskasten fischen wollte, fiel mir eine weiße Plastiktube und eine Handvoll Kondome entgegen. Schlagartig wurde es ruhig zwischen uns. Ich nahm die Tube in die Hand und las „LUBE“.

Langsam hob ich den Kopf und starrte Oke an. Ich war immer noch ziemlich zugedröhnt, dementsprechend träge arbeitete mein Verstand.

Oke sah mich lauernd an.

„Gehört das zur Standard-Ausrüstung?“

Er zuckte lässig mit den Schultern. „Hätte ja sein können, dass du Bock drauf hast.“

„Ich ... ähm“, ich brach ab, völlig verwirrt. „Doch, ich hab ... ich meine ...“

Wieder landete Okes Hand auf meinem Bein, heiß, besitzergreifend. Und weil ich mich nicht wehrte, legte er sich halb auf mich. In meinem Körper kribbelte es, als hätte er mich unter Strom gesetzt. Seine Hände glitten über meine Brust nach unten, schoben sich unter den Rand meiner Shorts. Ich erschauderte wohlig.

„Entspann dich“, raunte er.

Ich grinste dämlich. „Ich bin total entspannt.“

Seine Rechte wanderte in meine Hose, ohne sie vorher zu öffnen. „Total entspannt nicht, zum Glück.“ Er lachte leise und zog mir mit einem Ruck die Hose über die Hüften.

Ich stemmte mich auf die Ellenbogen und sah zu, was er tat.

„Dein erstes Mal?“

Ich nickte. Und auf einmal erfasste mich eine wilde Euphorie. Ich lag hier mit einem geilen Typen im Bett, und der wollte mich ficken! Und genau das wollte ich auch! Ich hatte es mir schon öfter vorgestellt, aber meine Kollegen fuhren alle auf Mädels ab.

Ich strampelte mir die Baggy von den Beinen, und Oke half mit der Boxershorts nach. Ihm vertraute ich, lag vielleicht auch am Gras. Aber er hatte es schließlich schon mit seinem Kumpel Marc getan. Es war also okay!

Es war okay, es war ... uh, mehr als okay ...

Seine Fingerspitzen glitten über die blauen Flecken auf meinen Hüftknochen, an meinem Schwanz entlang, zwischen meine Beine. Vorsichtig drückte er seine Lippen auf meinen Mund, es war mein erster ernsthafter Kuss. Ich schlang einen Arm um seine Schultern und zog ihn ganz dicht an mich heran.

„Machst du mit mir, was du mit Marc getan hast?“, flüsterte ich.

Er hielt einen Augenblick inne, dann grinste er und griff nach der Tube Lube. Er drückte sich einen Klecks Gel auf die Finger. Damit  fingerte er dann vorsichtig an meiner Arschritze herum. Das war ein seltsames Gefühl, machte mich aber total scharf. Er drang mit einem Finger in mich ein, und nach kürzester Zeit war ich so weit, dass ich seinen Schwanz in mir haben wollte.

„Auf die Knie, Sportsfreund.“ Oke zog mich hoch, ich stützte mich auf einer Hand ab.

„Du siehst echt lecker aus, nur in Socken.“

Ich lachte unsicher. „Sei vorsichtig ...“

„Mmh, bleib locker.“

Oke spießte mich förmlich auf, und für einen Augenblick dachte ich, mir würde die Schädeldecke wegfliegen.. „Warte ... warte! Nicht so schnell!“, keuchte ich.

Und er verharrte, bis ich mich an das Gefühl gewöhnt hatte.

„Okay ... langsam.“

Ich schwitzte wie verrückt, aber mein Schwanz stand wie ’ne Eins. Und als Oke mich anfasste, kam es mir einfach.

Danach lagen wir erschöpft nebeneinander. Oke hatte den Arm um mich geschlungen. Ich grinste glücklich.

„Schläfst du hier?“

Okes Finger wanderten über meinen Arm. „Wenn du willst?!“

„Ja.“ Ich überlegte, etwas wurmte mich. – „Sag mal, war das jetzt ... ich meine, fandest du das jetzt genauso schön wie mit Marc?“

Oke hüstelte etwas verlegen. „Leon, sorry, aber die Sache mit Marc – das war nicht so. Ich hab dir Scheiß erzählt.“

Ich machte mich los, um ihn richtig ansehen zu können. „Du hast WAS?“

„Ich habe mir das ausgedacht, um ...“

„... um mich ins Bett zu kriegen!“, vollendete ich fassungslos.

Zum ersten Mal sah ich, wie seine selbstsichere Fassade bröckelte. Nervös spielte er an seiner Kette herum. Erst jetzt erkannte ich das Seepferd in Regenbogenfarben. „Bist du jetzt sauer?“

Ich ließ ihn noch ein paar Minuten schmoren, dann grinste ich. „Nein, Mann! Das ist der geilste Urlaub ... ever!“

Momente mit Dirk

(erschienen in: F*** Wenn Sex daneben geht, Querverlag)

Ich war 17, und er war 31. Glücklicherweise wusste ich schon etwas von der Liebe, denn ansonsten wäre ich vermutlich nach diesem Erlebnis ins Kloster gegangen oder zu den zölibatär lebenden Schildkröten nach Usbekistan.

Aber ich sollte von vorn anfangen, denn grundsätzlich bietet sich das bei Geschichten an. Und da ich niemandem auf die Füße treten möchte – höchstens in die Eier, aber das ist eine andere Sache –, sage ich gleich vorweg, dass alle Orte, Personen und Ereignisse frei erfunden sind. Und für den Fall, dass sich doch jemand wiedererkennt: Das musst du mir erst mal beweisen, wa?

Ich bin also 17 und habe mich entschlossen, mit meinem Kumpel Florian eine Jugendreise anzutreten. Ziel ist die französische Atlantikküste, ein kleiner Ort, ich kürze ihn mal V.B. ab. Ich bin guter Dinge, das Angebot des regionalen Veranstalters verlockend. Wir haben unsere Mitreisenden bereits kennengelernt, und ich habe festgestellt, dass sich die ein oder andere Sahneschnitte unter ihnen befindet, aber am meisten reizt mich einer der Betreuer, neudeutsch „Teamer“, der unser Vortreffen leitet. Dirk kommt gebürtig nicht von hier aus dem Münsterland, sondern aus dem Kölner Raum. Aber als echter Westfale mache ich aus dem spitzmündigen „Dürrk“, mit dem er sich vorstellt, ein breites „Diaak“ – unter Aussparung des „r“ – und finde, darauf kann man dann schon wieder gut kommen. Zumindest in meiner Fantasie.

Dirk jedenfalls ist absolut mein Typ. Groß, breitschultrig, schmale Hüften, die dunkelbraunen Haare leicht ins Gesicht gekämmt. Sein Mund ist vielleicht einen Tick zu breit und seine Augen stehen zu nah zusammen. Aber das sind Kleinigkeiten. Wenn er spricht, schwingt immer ein wenig Ironie in seiner Stimme mit – oder ist das vielleicht Arroganz? Auf jeden Fall hat er die Truppe gleich gut im Griff, und ich wünsche mir auch einen etwas festeren Griff an der ein oder anderen Stelle.

Florian hat meine begehrlichen Blicke gleich bemerkt und boxt mich fest in die Seite.

„Simon, der ist tabu!“, raunt er gereizt.

Ich grinse ihn an. Hätte ich mal besser auf ihn gehört!

Bester Dinge gehen wir also unsere Reise an. Obwohl die lange Busfahrt nach Frankreich höllisch ist, einige unserer Mitreisenden unterste Kanone und der Zeltplatz nicht so schön wie auf den Bildern. Zum Glück bleiben uns die zugesifften Stehklos erspart, mit denen wir auf der Autobahn konfrontiert werden.

Als wir ankommen, ist das Wetter super, und wir machen gleich einen Ausflug an den Strand, der nur etwa fünf Gehminuten vom Zeltplatz entfernt ist.

Florian zieht mich an die Seite. „Du starrst doch immer noch diesem Dirk nach!“, behauptet er.

„Komm schon! Du musst zugeben, dass er echt heiß aussieht!“

Florian schüttelt genervt den Kopf. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass mein bester Kumpel Flo eine Hete ist – bis heute. Aber wir kennen uns schon gefühlte 200 Jahre, und so weiß er immer sehr genau, was ich denke.

„Na, dann mal ran an die Bouletten!“ Seinem Gesichtsausdruck kann ich entnehmen, dass er das alles andere als ernst meint.

Wie gesagt, ich hätte besser auf ihn gehört. Aber, wie mein Psychologieprofessor später an der Uni immer wieder feststellte: Hätten und tätten sind schon tot. Recht hat er.

Wir genießen diese Freizeit. Der Strand ist himmlisch und das Meer perfekt. Atlantik halt. Ich nutze die ersten Tage, um mich in Dirks Nähe aufzuhalten. Das fällt mir nicht schwer, denn als Teamer ist er ja für uns Teilnehmer verantwortlich. Und ich kann ihn mit jedem Blödsinn belästigen, ohne groß aufzufallen. Denn zunächst muss ich ja herausbekommen, ob Dirk Interesse an einem festen Jungshintern (in diesem Fall an meinem) hat. Vorsichtshalber distanziere ich mich an dieser Stelle auch von jedweder Form der Kinderpornographie! Ich weiß, ich schreibe „Jungs“, aber ein Mann war ich eben auch noch nicht.

Dirk scheint mein deutliches Interesse jedenfalls nicht zu stören oder gar zu nerven. Er ist immer freundlich und hilfsbereit, und ich richte es so ein, dass wir uns grundsätzlich gleichzeitig in Richtung Duschen aufmachen. Die Duschen sind zwar in Einzelkabinen unterteilt, aber ich erhasche meist einen Blick auf seinen nackten Körper. Und ich bin zufrieden mit dem, was ich sehe.

Als wir dann am fünften Tag unseres Urlaubs wieder in der Dusche aufeinandertreffen, grinst er plötzlich. „Ist ja echt ein Zufall, dass wir uns immer hier begegnen“, sagt er.

„Hm, ja, wirklich“, murmele ich ein wenig verlegen. Vorsichtig suche ich in seinem Gesicht nach einem Anzeichen von Ablehnung. Aber ich finde das Gegenteil. In seinen hellblauen Augen leuchtet etwas ganz anderes. Das bilde ich mir auf jeden Fall ein.

„Simon, hast du Lust, heute Abend mit zum Strand zu kommen?“, lädt er mich dann auch gleich ein. „Ich habe meinen freien Abend.“

Wenn er frei hat, warum lädt er mich – seine Arbeit – dann ein?, frage ich mich. Aber die Antwort ahne ich bereits. Ein erwartungsvoller Schauer rinnt mir den Rücken hinunter.

„Klar, gern.“

„Um halb sieben an der großen Düne?“

Ich nicke.

Mein Freund Florian schüttelt nur den Kopf, als ich ihm von meinem Date erzähle. „Du spinnst echt, Alter. Was soll das? Die schicken dich nach Hause, wenn das irgendwer mitkriegt!“

Aber ich will nichts von seinen Bedenken wissen. Ich bin total rattig, und Dirk ist wirklich mein Typ. Außerdem – Urlaub, Sonne, Strand, Meer ... kennt man ja.

In der Hosentasche finde ich – zu meiner Überraschung – einen Blister mit zwei Cappis, Captagon. Die Tabletten habe ich vor einiger Zeit von meinem Freund Ralf bekommen. Der muss die Dinger einnehmen, als Nachfolgeprodukt zu Ritalin. Und weil ich weiß, dass die Teile aufputschend wirken, habe ich sie ihm aus dem Kreuz geleiert, dann aber wieder vergessen. An diesem Abend finde ich sie also wieder und bin der Meinung, dass sie gut in mein „Konzept“ passen.

Dirk wartet am Fuß der großen Düne auf mich. Ich habe mich extra in Schale geworfen, mit langer Hose, Chucks (ja, die waren damals auch gerade „in“) und hautengem T-Shirt. Er trägt eine kurze, olivgrüne Cargohose und zu meinem absoluten Schrecken – Trekking-Sandalen! Ich weiß nicht, woher meine Abneigung gegen Sandalen kommt, aber den Fluchtgedanken, die mich augenblicklich befallen, als ich die Sandalen sehe, hätte ich besser nachgegeben. Ich bilde mir sofort ein, einen unangenehmen Fußgeruch wahrzunehmen, aber wie gesagt, höchstwahrscheinlich ist das reine Einbildung.

Als ich dann näherkomme und Dirk mich anlächelt, ist der erste Schock schnell vergessen. Er ist offenbar hocherfreut, mich zu sehen.

„Du hast doch keinem erzählt, dass wir uns treffen, oder?“, vergewissert er sich sofort.

Aha, denke ich und bin froh, dass dieses Treffen genau in die richtige Richtung steuert.

„Nein, sollte ich denn?“, frage ich scheinheilig.

Dirk schultert seinen Rucksack, in dem es verdächtig klirrt. „Lass uns zum Strand gehen.“

Ich folge ihm eine Zeit lang schweigend und betrachte die festen Muskeln, die sich unter seiner Hose abzeichnen. Er führt mich ein ganzes Stück am Strand entlang, will offenbar sichergehen, dass wir nicht überrascht werden. Dann breitet er ein großes Handtuch aus und setzt sich darauf. Er wäre schon ein Foto wert gewesen, wie er da so sitzt und Richtung Meer schaut. Dann aber wendet er den Blick ab und sieht mich an.

„Setz dich. Ich habe etwas Wein und Baguette mitgebracht.“

Ich versuche mich an einem strahlenden Lächeln und lasse mich neben ihm nieder. So dicht, dass gar keine Fragen aufkommen können.

Dirk fummelt ein Messer aus seinem Rucksack, klappt den winzigen Korkenzieher aus und öffnet die Rotweinflasche.

„Gläser hab ich leider nicht.“

Er gibt mir die Flasche, ein billiger Rotwein, schmeckt scheußlich. Aber es reicht, um die zwei Cappis runterzuspülen.

Es dauert nicht besonders lange, da spüre ich die ersten Gänsehaut-Wellen durch meinen Körper rauschen. Ich rutsche noch näher an Dirk und frage mich, ob die Pillen oder er der Grund für mein Herzrasen sind. Aber im Grunde ist es egal, denn ich fühle mich großartig. Und ich bin ziemlich scharf. Ob Dirk etwas dagegen hat, wenn ich ein wenig das Tempo anziehe? Die Härchen auf meinen Armen stellen sich auf und zwischen meinen Beinen kribbelt es angenehm. Meine Hand landet auf  Dirks festem Oberschenkel. Er wirft mir einen kurzen Blick zu und grinst. Okay, das scheint ihm zu gefallen. Sein Körper fühlt sich gut an, und ich schicke meine Hände auf Wanderschaft, werde aber bereits nach kurzer Zeit davon abgehalten.

„Komm, lass uns schwimmen gehen!“

Erstaunt schaue ich mich um. Ich kann zwar niemanden am Strand entdecken, weiß aber nicht so recht, wie mögliche Zuschauer so eine kleine Nacktbadeszene aufnehmen würden. Dirk zieht sich bereits aus, und ehe ich meine Zweifel zum Ausdruck bringen kann, hüpft er schon splitternackt Richtung Wasser. Ich sehe seinen weißen Arsch in der Abenddämmerung leuchten und grinse. Meine Zweifel sind spätestens jetzt beseitigt. Schnell ziehe auch ich mich aus und folge ihm. Die Wellen sind beunruhigend hoch, aber ich entdecke Dirks Kopf im Wasser, und er winkt mir zu. Hat offensichtlich Spaß, der Mann.

Als ich mit den Füßen im Wasser stehe, bemerke ich, dass es schweinekalt ist. Aber da rollt schon eine massive Welle auf mich zu. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich mit einem Hechtsprung ins Wasser zu werfen, um nicht mit Schwung wieder auf den Strand befördert zu werden. Hier, kurz vor dem Wasser, ist der Sand ziemlich grob, fast schon steinig, und es ist nicht sehr angenehm, mit Schmackes darüber zu rutschen.

Dirk schwimmt zu mir und umarmt mich heftig. Trotz des kalten Wassers hat er ’ne Latte, vielleicht macht ihn die Gefahr auch an? Er reibt seinen Körper an meinem, was wirklich schön ist. Heiße Wogen schießen durch mich hindurch, ich erwidere seinen salzigen Kuss atemlos und male mir aus, wie wir es halb im Wasser liegend miteinander treiben – da erwischt uns eine riesige Welle, und wir werden augenblicklich voneinander getrennt. Ich weiß nicht mehr, wo unten und oben ist. Panisch strampele ich mit den Beinen und versuche wieder an die Wasseroberfläche zu kommen. Ich schlucke literweise Salzwasser, den Eindruck habe ich zumindest. Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis ich wieder auftauche. Ich huste heftig, sehe mit Entsetzen, dass die nächste Welle bereits naht, und tauche, noch immer ziemlich atemlos, unter ihr weg. Was für eine grandiose Scheißidee, ins Wasser zu gehen! Ein seltsames Geräusch lässt mich nach Dirk Ausschau halten, als ich wieder auftauche. Ist ihm was passiert? Er schwimmt ein paar Meter von mir entfernt und – lacht.

„Hey, Kleiner, war das nicht geil?“

„Nee“, keuche ich, weiß aber nicht, ob er das gehört hat. Ziemlich verärgert schwimme ich gegen die Strömung, die mich immer wieder zurückziehen will, Richtung Strand. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass nur noch die Pillen meine Laune weitestgehend stabil halten. Unter normalen Umständen wäre ich jetzt wutschnaubend zurück zum Zeltplatz gegangen. Aber so lasse ich mich von der letzten großen Welle an den Strand spülen; durch meinen kurzen Kampf ums Überleben, bin ich ein wenig geschwächt und schaffe es nicht, mich auf den Beinen zu halten. Die Welle zieht mir den Boden unter den Füßen weg und ich werde auf den steinigen Untergrund geworfen, wo sich Teile meiner Haut hastig verabschieden und ins Meer gespült werden. Na toll!