A Kind (of) Demon - Simon Rhys Beck - E-Book

A Kind (of) Demon E-Book

Simon Rhys Beck

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Beschreibung

Der Dämon Daraqael sucht nach einer einfachen Möglichkeit, seinen höllischen Punktestand zu verbessern, damit er auf der Erde in seinem schicken Apartment bleiben kann. Da bekommt er den Tipp, dass ein zweifelnder Engel gerade in seiner Nähe einen Auftrag erledigen muss. Und die Verführung eines Engels? Das klingt machbar. Doch dieser spezielle Engel hat noch ganz andere Schwierigkeiten und bald ist Daraqael zum Helfer-Dämon degradiert und sein Loft wird zur WG. So hatte er sich das nicht vorgestellt - aber es kommt noch deutlich schlimmer. Angel-Demon-RomCom

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Simon Rhys Beck

A Kind (of) Demon

Fantasy Roman

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2024

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte: © bulatova – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-675-3

ISBN 978-3-96089-676-0 (ebook)

Inhalt:

Der Dämon Daraqael sucht nach einer einfachen Möglichkeit, seinen höllischen Punktestand zu verbessern, damit er auf der Erde in seinem schicken Apartment bleiben kann. Da bekommt er den Tipp, dass ein zweifelnder Engel gerade in seiner Nähe einen Auftrag erledigen muss.

Und die Verführung eines Engels? Das klingt machbar. Doch dieser spezielle Engel hat noch ganz andere Schwierigkeiten und bald ist Daraqael zum Helfer-Dämon degradiert und sein Loft wird zur WG. So hatte er sich das nicht vorgestellt – aber es kommt noch deutlich schlimmer.

-- Be positively rebellious and

rebelliously positive --

Kapitel 1

Daraqael

Die Geschichte beginnt an einem warmen Tag im Oktober.

Einem von vielen zu warmen Tagen, die noch kommen werden, denn, so wusste Daraqael aus verlässlichen Kreisen, das Ende der Welt rückte näher. Noch nicht wirklich greifbar, aber hier und da schon recht bedrohlich.

Daraqael war die Nacht in seinen Heimatgefilden unterwegs gewesen, um mit seinen Kollegen, er war weit davon entfernt, sie Freunde zu nennen, zu trinken. Er war davon überzeugt, dass man sich nicht völlig der Einsiedelei hingeben durfte. Schon gar nicht, wenn man unbemerkt bleiben wollte. Und das wollte er. Nun war es so, dass es auf seinem Punktekonto eher zartrosa als schwarz aussah – und das war für einen Dämon ziemlich schlecht.

Doch Lupus hatte ihn auf eine großartige Idee gebracht, um das mit einem Schlag zu ändern. Denn, wenn er ehrlich war, er war eher der Typ für kleinere Übel und Gemeinheiten, nicht für das ganz große Böse. Und auch, wenn er die meisten Menschen nicht sonderlich gut leiden konnte, mochte er doch die Erde und sein Apartment – und all das, was das menschliche Leben an Annehmlichkeiten brachte.

Die Vorstellung, zurück in die Unterwelt beordert zu werden für langweilige Schreib- und Verwaltungsdienste oder gar zu Lupus in die Folterkammern war nicht besonders verlockend.

Er konnte unmöglich Jahre, Jahrzehnte damit verbringen, Karten mit den anderen Dämonen zu spielen, die ständig versuchten, sich gegenseitig auf stümperhafteste Art zu betrügen.

Er war kein Dämon von Geburt an, sondern ein gefallener Engel – und er hasste die Unterwelt. Die Monotonie dort war unerträglich – monoton. Sie war so monoton, dass ihm nicht einmal ein kreativeres Wort dafür einfiel.

Er hatte also mit seinen Kollegen zu viel getrunken und später die Treppe nach oben genommen. Den offiziellen Weg mit dem Aufzug mied er, seit er einmal im Suff zu weit gefahren war. Das hatte einen ziemlichen Aufruhr verursacht. Und das war nicht das einzige Mal gewesen, dass er nach einem Gelage nicht mehr ganz genau gewusst hatte, was passiert war.

Erst am Ausgang hatte er sich in seine menschliche Gestalt zurückverwandelt und peinlich genau überprüft, dass er wirklich alle Teile gewandelt hatte und auch komplett bekleidet war. Seinem Score würde es vermutlich nicht zuträglich sein, wenn Schlagzeilen über ihn in der Presse oder im Internet auftauchten. Halloween war noch zu weit entfernt für ein ausgefallenes »Kostüm«. So rückständig seine Leute auch waren, mittlerweile hatten sie sich einige neue Entwicklungen angeeignet, um effektiver zu arbeiten. Dazu gehörte leider auch das Internet. Und daran war er nicht ganz unbeteiligt.

Auch wenn er der Meinung war, dass das wirklich Böse nicht in der Unterwelt werkelte. Es war hier. Manchmal behauptete er sogar, dass er selbst ein Teil davon war.

Er kehrte zu Fuß zu seinem Apartment zurück, das in einem der momentan sehr angesagten Viertel von London lag, und genoss den lauen Herbstwind, der ihm um die Nase wehte. Niemand, der ihm begegnete, hätte ihn für etwas anderes gehalten als einen etwa dreißigjährigen schlanken Typen in schwarzen Klamotten. Wenn es den ein oder anderen vielleicht auch verwunderte, dass er eine Sonnenbrille trug. Doch tief in seinen nachtschwarzen Augen brannte das Höllenfeuer und das hätte – davon ging er stark aus – wahrscheinlich die meisten irritiert.

Gleich morgen würde er den Standort seines neuen Opfers ausfindig machen. Er musste zugeben, dass es schon verlockend war, so einen richtigen Plan zu schmieden. Einen fiesen und hinterhältigen Plan, der sein Punktekonto aufstocken würde, sodass er wieder lange Zeit seine Ruhe hatte. Ein schlechtes Gewissen hatte er schon von Natur aus nicht, aber in diesem speziellen Fall schon dreimal nicht. Null. Also eher sogar im Minusbereich.

Er überlegte kurz, was Lupus für eine Gegenleistung erwartete für seinen Tipp, aber der alte Werwolf war sicher mit irgendeinem Klimbim von der Erde zufrieden. Und warum zur Hölle verfügte er überhaupt über derlei Informationen?

Damit würde er sich später befassen.

Daraqael bewohnte ein schickes Loft in einem recht modernen Hochhaus mitten in der City. Die Miete wäre unerschwinglich gewesen, aber nun – er war ein Dämon und die Inhaber dieser Immobilie hatten eine Menge Dreck am Stecken. Erpressung und Einschüchterung lagen Daraqael, daher wohnte er nun mietfrei im 6. Stock mit fantastischem Blick auf den Fluss und die Stadt. Und er wurde in Ruhe gelassen, was ihm sehr wichtig war.

Der Fahrstuhl beförderte ihn nach oben und die Türen öffneten sich mit einem leisen Sirren und einem angenehmen, soften Pling.

Daraqael öffnete sein Apartment mit einem Fingerabdruck, schlenderte ohne Licht anzuschalten ans Fenster und ließ seinen Blick über die nächtliche Stadt gleiten. Die Sterne waren aufgrund der Lichtverschmutzung nicht zu sehen, was er begrüßte. Er wollte nicht daran erinnert werden, was er verloren hatte. Mittlerweile war er sogar froh darüber. Verlogenes Pack, dachte er zornig. Es würde ihm ein ganz besonderes Vergnügen sein.

Mit einem Schnipsen schaltete er den riesigen Fernseher an, der an der Wand hing, und warf sich auf das massive schwarze Sofa. Die Sneakers landeten auf dem Tisch. Er griff nach der Fernbedienung und befahl eine Packung Erdnüsse auf den Tisch neben seine Schuhe.

Das Knistern der Packung, als er sie öffnete, rief seinen Mitbewohner auf den Plan. Das Tippen von winzigen Krallen und das Rascheln verriet ihn. Gönnerhaft hielt Daraqael eine Erdnuss in die Dunkelheit und grinste, als sie ihm vorsichtig aus den Fingern genommen wurde.

»Und – was sehen wir heute? Doctor Who?«

Kapitel 2

Daraqael

»Wenn du also die Tiere so liebst, mehr als die Krone der Schöpfung, sollst du als eines unter ihnen weilen und für den Rest der Ewigkeit kriechen.«

Er fiel. Freier Fall in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit. Kein oben und kein unten. Trudelnd. Fast ohne Bewusstsein. Kein Schrei konnte sich von seinen Lippen lösen.

Schwärzester Fall.

Seine Flügel trugen ihn nicht. Sie verbrannten, als er mit irrsinniger Geschwindigkeit die Atmosphäre durchschlug.

Dann, nur Augenblicke später, oder Jahre, der Aufschlag, der die Knochen in seinem Körper zu Staub zerbröselte.

Er blieb liegen. Das, was von ihm übrig war. Jenseits von Schmerz.

Und als er endlich die Kraft fand, wieder zu leben, schlängelte sich eine matt-schwarze Schlage über den sandigen Boden davon.

Daraqael schlug die Augen auf und zischte. Ein Traum. Sein Traum. Seine Erinnerung. Er blieb noch eine Zeit lang auf dem Sofa liegen. Das hatte man davon, wenn man einfach einschlief. Er versuchte das nomalerweise zu vermeiden. Wahrscheinlich hatte der höllische Rotwein ihn träge gemacht. Oder die verdammte Dämonenbrause, davon sollte er absolut die Finger lassen.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich und ging hinüber zur Küchenzeile seines Apartments, wo fast klinische Sauberkeit herrschte, da Daraqael nur an Kaffee und Alkohol wirklich Gefallen gefunden hatte.

Mit einer kleinen Handbewegung befahl er dem Rollo vor dem Fenster sich nach oben zu ziehen. Gedämpftes Herbstsonnenlicht flutete den Raum. Verdammt, da hatte er aber lange geschlafen. Mit einem leisen Stöhnen bedeckte Daraqael seine Augen und tastete sich – kurzzeitig blind – bis zum Kaffeeautomaten, um diesen anzustellen. Richtig guter Kaffee vertrug keine Magie.

Wenige Minuten später saß er mit einer riesigen Tasse an seinem Küchentisch. Seine Augen hatten sich mittlerweile an das Tageslicht gewöhnt, innerhalb seiner Wohnung trug er nie seine Sonnenbrille.

Seine langen Beine hatte er quer über den Tisch drapiert und stellte fest, dass er zwei unterschiedliche Socken trug. Er selbst hatte dafür gesorgt, dass das in dieser Welt ständig passierte. Ein kleiner Eingriff, um Unfrieden und Missstimmungen zu verbreiten. Darin war er recht versiert. Was ihm auf seinem Punktekonto fehlte, waren die richtig bösen Sachen, keine Taschenspielertricks wie das mit den Socken. Oder Kommentare auf Social Media Plattformen, die gelegentlich einen heftigen Shitstorm auslösten.

Da er aber seine Wohnung auf keinen Fall aufgeben wollte, musste er sich jetzt ranhalten. Er betrachtete die große, blendend weiße Feder, die in seinem Plastikbeutel auf seinem Tisch lag. Lupus hatte sie ihm mitgegeben, damit er sein Opfer besser orten konnte. Hatte er eigentlich gefragt, woher der alte Werwolf eine Engelsfeder hatte? Er konnte sich nicht erinnern. Manchmal war es auch besser, nicht allzu viel zu fragen. Schmerzhafte Erkenntnis, die er selbst hatte machen müssen.

Immer noch mit der Vergangenheit beschäftigt, dachte er mürrisch. Dann fiel sein Blick erneut auf die Feder. Wundervoll sah sie aus, strahlend. Ebenso rein wie verabscheuungswürdig. Er hatte mit seinem ehemaligen Boss abgeschlossen.

Der Junge hat schon mehr als einmal nach unten gesehen. Wenn du verstehst, was ich meine. Der ist leichte Beute für dich. Wartet nur auf eine Verführung. Das hatte Lupus gesagt.

Etwas zögerlich streckte Daraqael seine Hand aus und ließ sie über der eingetüteten Feder schweben. Er spürte die schwache Magie, die davon ausging. Fühlte sich nicht gefährlich an, eigentlich sogar recht angenehm. Wie ein leichtes elektrisches Kribbeln.

Aber er hatte noch etwas Zeit.

Kapitel 3

Gracjan

Liebe.

Wer brauchte die eigentlich noch? Gracjan glaubte nicht mehr daran. Sex – okay, das war gelegentlich ein netter irdischer Zeitvertreib. Aber Liebe, die einem die Sinne verwirrte? Die die Menschen Dinge tun ließ, über die andere den Kopf schütteln mussten?

Er sah auf seinen Heavy, der einer menschlichen Uhr zum Verwechseln ähnlich sah. Der nächste Auftrag war erst morgen, noch ein paar Stunden für »netten Zeitvertreib«, stellte er fest. Mit einer Handbewegung orderte er den nächsten Whiskey.

Mann, das war auch schon wieder so ein Theater gewesen – erst wollten sie ihn nicht in die Hotelbar hineinlassen. Ausweiskontrolle. Dann wollte der Barkeeper ihm keinen Alkohol ausschenken. Es war zum Heulen. Seit Ewigkeiten dieser Quatsch. Hing ihm gehörig zum Hals raus. Genauso wie sein Job. Wahrscheinlich eine Midlife-Crisis, diagnostizierte er sich selbst und überlegte, ob das zeitlich irgendwie Sinn ergab. Wenn das allerdings stimmte, dann hatte er noch so ungefähr 2000 Jahre vor sich. Leider waren die Job-Alternativen für jemanden wie ihn begrenzt. Schwer vermittelbar.

Rechts von ihm stand ein Typ, der ihn beobachtete. Der könnte infrage kommen, er gefiel ihm zumindest auf den ersten Blick ganz gut.

Gracjan drehte sich so, dass sie sich direkt ansehen konnten. Ganz hübscher Kerl, dachte er, etwas Silberblick, dunkle Haare, Bartschatten, recht muskulös. Irgendwie gefährlich. Manchmal gefielen ihm die bösen Buben.

Er setzte sein Einladungslächeln auf, was seine mieseste Masche war – er war schließlich ein Engel! Aber eine Einladung konnte man kaum so bezeichnen, wenn das Gegenüber nicht ablehnen konnte. Manchmal kam er sich deswegen schlecht vor, verdorben.

Es war eine Mischung aus Einladung und schüchtern-naivem Blick, den er mittlerweile in Perfektion beherrschte. Komm, zeig mir die Welt, zeig mir, was Liebe ist, bring mir was bei … Und wer mochte das nicht, einem Jüngling zeigen, wo der Hammer hing? Metaphorisch gesprochen natürlich.

Es war fast zum Lachen, denn der Blick war genauso falsch wie die Sache mit der Liebe. Aber Gracjan wagte nicht, diesen Gedanken weiterzudenken, geschweige denn auszusprechen. Er hatte keine Ahnung, was er damit auslösen könnte.

Der Whiskey kam und Gracjan trank das Glas in einem Zug leer. Er musste Unmengen an Alkohol in sich hineinschütten, um eine Wirkung zu erzielen. B.A. Bacchus hat ihm bereits ein Alkoholproblem unterstellt und nun – er musste es ja wissen. Allerdings wurde das Konsumieren von alkoholischen Getränken in ihren Gefilden nicht gern gesehen. Trunkenheit war ein irdisches Laster.

Mr. Silberblick hatte Feuer gefangen und setzte sich in Bewegung. Schwarzes Hemd, silberne Kette, protzige Uhr – all das nahm er mit einem einzigen Blick wahr.

»Na, schöner Junge, so allein hier?«

Er ignorierte diesen peinlichen Spruch mit stoischer Miene. Der Typ hätte auch fragen können, ob er ein Mettbrötchen haben wollte. Seine Stimme war tief und angenehm, das war schon mal ein Pluspunkt. Gespielt schüchtern senkte Gracjan den Blick. »Vielleicht hatte ich gehofft, auf dich hier zu treffen?«

Das Gespräch dauerte einen weiteren Whiskey und weitere fünf Minuten, dann waren sie sich einig. Er rutschte vom Barhocker, griff nach seiner Tasche mit dem Bogen, und folgte dem Mann, der sich als Kirill vorgestellt hatte. Wenn ihm auch der Name komplett egal war.

Kapitel 4

Daraqael

Daraqael hatte den Tag etwas herumgehangen, war im Park spazieren gegangen, hatte einen kleinen Polizeieinsatz ausgelöst – nichts wirklich Bemerkenswertes. Es war ein schöner Herbsttag, auch wenn sich die Blätter der Bäume für seinen Geschmack langsam mal verfärben sollten. Da war er vielleicht etwas altmodisch.

Am späten Nachmittag war er in sein Apartment zurückgekehrt und hatte den Aufenthaltsort seines Opfers bestimmt. Ein sehr nobles Hotel im Westen der Stadt. Was er da wohl zu suchen hatte?

In der Zwischenzeit waren die Dinge jedoch bereits dabei aus dem Ruder zu laufen. Daraqael spürte es wie eine herankriechende Erkältung, auch wenn es ihn nicht persönlich betraf. Der Engel war in Gefahr. Sein Engel! Also, seine Zielperson. Und zwar nicht, wie geplant, durch ihn – sondern durch … irgendwas. Er konnte das jetzt noch nicht genau bestimmen.

Ein Tropfen vom Eiswasser der Erkenntnis rann über seine Haut und hinterließ eine eisige Bahn des Begreifens. Er musste los. Sofort. Er musste eingreifen, bevor etwas geschah, was nicht mehr revidierbar war.

Mit seiner pechschwarzen Kawasaki raste er deutlich verkehrswidrig durch die Nacht. Gut, das war nicht sehr unauffällig, allerdings würde sich kaum jemand überhaupt an ihn erinnern. Außerdem hatte er mittlerweile das, was man Beziehungen nannte. Und alles andere konnte man in den meisten Fällen mit etwas Magie und Hypnose erledigen.

Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten. Daraqael bockte sein Bike nachlässig in der Nähe des Hoteleingangs auf. Sollte irgendjemand auch nur den Versuch starten, das Motorrad anzurühren, würde derjenige augenblicklich geröstet. Auch wenn er nicht die Erlaubnis besaß, Menschen direkt zu töten, war es dennoch legitim, sein Eigentum zu schützen. Durchaus fair, wie er fand.

Im Laufschritt betrat er das Hotel, knipste nebenbei die Wahrnehmung der Mitarbeiter mit einem kleinen Wink aus. Niemand würde sich an ihn erinnern. Er war weniger als ein schwarzer Schatten. Und in seinen Gedanken war es noch viel schwärzer. Er hatte zwar noch keinen konkreten Plan gehabt, aber sogar der war nun völlig über den Haufen geworfen. Und das machte ihn wütend! Verdammt wütend!

Er folgte dem schwachen Signal seines Opfers bis in den dritten Stock.

»Nein. Neinneinneinnein, das ist meine Beute, du garstige Qualle!«, zischte er. Er hatte nicht vor, sein Opfer zu teilen. Vorsichtig tastete er nach Schranken, die ihn aufhalten konnten. Es kam ihm durchaus gelegen, dass sie sich in einem Hotel befanden, denn gelegentlich hatte auch er Probleme mit Räumen, in die er nicht eingeladen worden war. Aber in diesem Hotel gab es keine Hindernisse, lediglich ein ungutes Gefühl von Vertrautheit, das ihn misstrauisch machte.

3-77 – das hier war das richtige Zimmer. Er löste seine feste Form auf und materialisierte sich auf der anderen Seite der Wand, bereit, es mit jedwedem Gegner aufzunehmen.

Doch das Erste, auf das er starrte, waren ansehnliche, nackte, runde Hinterbacken – dann einen Kopf mit weißblonden Löckchen. Hölle, wo war er hier hineingeraten? Das war sein erster Gedanke.

Sein zweiter: Oh nein! Es ist ein Amor! Lupus, du verfluchter Wichser …! Wie konntest du nur!

Er versuchte, die ganze Situation zu erfassen. Hier stimmte eine Menge nicht. Im Bad hörte er Geräusche. Der nackte Engel, der nur halb auf dem Bett lag, die Beine hingen über den Rand nach unten, bewegte sich kaum. Daraqael suchte den Raum ab nach Hinweisen, was genau hier passierte. Was bei Satan war mit dem Engel los? Eigentlich hätte er seine Anwesenheit sofort spüren müssen. Aber er reagierte überhaupt nicht. Und wer befand sich da im Badezimmer? Auf dem kleinen Tisch vor dem Fenster befanden sich Flaschen und Gläser. Daraqael huschte hinüber, magisch angezogen von dem Geruch.

Ja, ja, ja! Er kannte diesen Geruch!

Stechapfel und Tollkirsche. Der dämonische Gute-Laune-Mix. Was machte dieses Gebräu hier? Das war dem Engel sicher nicht gut bekommen. Aber … wer auch immer sich da im Bad befand (verdammt, langsam sollte er hier mal wieder verschwinden?), war kein Dämon. Nicht in der Art, wie Daraqael Dämonen kannte. An seinen schlechten Absichten bestand allerdings keinerlei Zweifel, so zugedröhnt wie der Engel war.

Die Tür öffnete sich und Daraqael handelte. Ihm war klar, dass es dem Engel nicht guttun würde, wenn er ihn auf diese Weise verschwinden ließ, allein aufgrund des erzwungenen Kontakts mit dämonischer Magie. Doch ihm fiel nichts Besseres ein. Daher schnappte er sich alles, was er für die Dinge des Engels hielt, Kleidung und eine goldene Tasche, an der er sich höllisch die Hand verbrannte. Er hüllte den nackten Engel in seine schwarzen Flügel ein und suchte im Nebel nach einem Anhaltspunkt.

Ah, ein anderes Hotelzimmer.

Dort materialisierte er sie beide wieder. Die verfluchte Tasche landete auf dem Boden – sie war das Erste, was er fallen ließ. Was war darin? Ein heiliger Tennisschläger? Er starrte auf seine Handfläche, auf der Brandblasen entstanden waren. Verdammt, das schmerzte! Was für ein Scheiß! Konnte doch alles nicht wahr sein!

Dann fiel es ihm wieder ein – der Engel war ein Amor! Das war vermutlich der Bogen, mit dem er seine Liebespfeile verschoss.

Erst jetzt bemerkte er, dass er angestarrt wurde. Noch immer hielt er den Engel fest in seinen Armen, ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter entfernt.

»Wer.Bist.Du?«

Daraqael hörte die Benommenheit in der Stimme des Engels. Auch schien dieser nicht in der Lage zu sein, auf seinen eigenen Beinen zu stehen oder ihn länger zu fixieren.

Vorsichtig ließ er ihn auf das Bett gleiten. Jung sah er aus mit seinen weißblonden kurzen Locken und den niedlichen Pausbäckchen, aber nicht mehr kindlich. Nur auf den ersten Blick konnte man ihn für einen Jugendlichen halten.

Glücklicherweise hatte Daraqael nach ihrer Portation seine menschliche Gestalt angenommen. »Nur ein … eine helfende Hand.«

Das makellose Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Whoa, mir ist schlecht …«

Rasch fischte Daraqael einen Eimer unter der Kofferablagefläche hervor. Die dämonische Magie schien ihm tatsächlich nicht gut zu bekommen, aber einen kotzenden Engel – das musste er sich wirklich nicht geben.

Er drückte den Eimer in die schlaffen Arme des Amors und rief gespielt fröhlich: »Ich muss los!«

Dann verschwand er – anständig und völlig unverdächtig durch die Zimmertür.

Was für eine grandiose Kacke.

Er sollte die ganze Sache vergessen. Was für ein Scheißidee war das überhaupt? Einen Liebesengel verführen? Sich seinem süßlich-romantischen Gerede und rosaroten Blabla aussetzen? Er kannte diese Bande von früher. Nur Hedonismus, null Substanz. Das würde er nicht aushalten. Statt eines netten Dankeschöns von der Erdoberfläche würde er Lupus etwas besonders Blödes mitbringen. Ihm fiel da sicher was ein.

XXX

Sein Entschluss, sich von dem Engel fernzuhalten, hielt genauso lange an, bis er wieder in der Tiefgarage seines Apartments stand. Das Problem war, dass ihn in den letzten Jahren eine latente Langeweile geplagt hatte. Und auch, wenn er diesen Zustand als recht friedlich empfand, war er doch – langweilig. Was heute Abend hingegen passiert war, enthielt einige sehr interessante Fragen: Was machte der Engel hier? (Okay, vermutlich hatte er einen Auftrag.) Wer war die Person im Bad? Warum hatte sie eine Droge aus der Unterwelt dabei? Und warum wollte sie sich an einem Engel vergehen? (Denn genau danach hatte es ausgesehen.)

Daraqael stieg also mit einem kleinen Stoßseufzer in seinen Wagen. Er besaß einen schwarzen Jaguar XJ6 von 1969, auf den er sehr stolz war und den er »Precious« nannte. Wohlwissend, dass noch andere Dinge in der Weltliteratur so genannt worden waren. Er hatte sehr viel Zeit, daher hatte er auch schon sehr viele, unfassbar viele Bücher gelesen. Manche sogar mehrfach. Manchmal hatte er dazu schlechte Bewertungen verfasst und sich höllisch darüber amüsiert. Für schlechte Bücher gute Bewertungen zu schreiben, war eine Zeit lang fast zu einem Hobby geworden. Denn damit konnte man sogar noch mehr Unfrieden stiften. Das war schließlich sein Job.

Er hatte sogar mal in Erwägung gezogen, selbst schlechte Bücher zu schreiben. War dann aber zu der Erkenntnis gekommen, dass es davon schon so viele gab, dass es niemanden mehr jucken würde.

Mit Precious ging es also wieder Richtung Hotel. Vielleicht war es besser, in der Nähe zu bleiben und ein Auge auf den kleinen Engel zu werfen.

In einer dunklen Seitenstraße direkt neben dem Hotelgebäude, ganz in der Nähe des Fensters, das zu dem Zimmer gehörte, in dem der Engel sich aufhielt, parkte er. Es war okay für ihn, die Nacht im Auto zu verbringen. Nicht das erste Mal in seiner Existenz. Schlafen wollte er ohnehin nicht.

Vielleicht würde er sich ein Audiobook anhören, um sich die Langeweile zu vertreiben. Irgendwas richtig Gruseliges.

Kapitel 5

Gracjan

Wenn die Hölle einen eigenen Geschmack hatte, dann war es der, den er im Mund hatte, als er aufwachte.

Er fühlte sich absolut, absolut grauenhaft, wie von Satan persönlich ausgebrochen. Und der Geschmack war jenseits jeglicher Beschreibungsmöglichkeit. Er versuchte, sich zu orientieren und gleich darauf, sich zu erinnern. Ah, richtig, der Auftrag. Der wichtige, höchstwichtige Auftrag – allerhöchste Priorität. Seine letzte Chance, sich zu rehabilitieren. Zu zeigen, dass man sich auf ihn verlassen kann. Bla bla bla.

Schon etwas verdächtig, dass man ausgerechnet ihn mit so einem mega-wichtigen Auftrag betraute. Denn in den letzten Jahren hatte er sich ein paar kleinere Freiheiten herausgenommen, um die ganze Kuppelei interessanter zu gestalten. War jedoch nicht so gut angekommen da oben.

Er würde seine Aufgabe nicht ernst nehmen. Er wäre sich seiner Verantwortung nicht bewusst.

Die Strafen, die sie ihm aufbrummten, wurden immer drakonischer – irgendwann war ihm sogar die Löschung angedroht worden. Ein Witz, wenn es nicht um seine Existenz gegangen wäre. Es ging ja nur um Liebespaare, Menschen, die sich eine Zeit lang liebten, um sich wieder zu verlassen. Und sich danach eine Schlammschlacht zu liefern. Nun, möglicherweise lag es daran, dass er und der diensthabende Leiter ihrer Abteilung, Malerian, sich nicht ganz so gut verstanden. Wären sie nicht beide Teil der Himmlischen Vereinigung hätte man vielleicht, unter Umständen, sogar sagen können, dass sie sich hassten. Aber das taten sie natürlich nicht. Hass war nicht vorgesehen in ihren Gefilden.

Gracjan rülpste laut und kollernd und der saure Geschmack, der in ihm aufstieg, war so ekelerregend, dass er fast auf den Teppichboden spuckte.

»So, nun denn … Dieser eine Auftrag und sie beobachten dich nicht mehr.« Zumindest eine Zeit lang nicht.

Der Abend musste ihm stark zugesetzt haben, wenn er schon mit sich selbst sprach. Aber ihm fehlten einige Details. Wenn er versuchte, sich zu erinnern, war es, als würden die Bilder verschwimmen. Als hätte jemand … Doch da war ein Bild, das er greifen konnte. Hier aus diesem Hotelzimmer. Gute Güte! Schwankend kam er auf die Beine und sah sich um. Er war nicht allein hier gewesen. Da war dieser Typ gewesen. Oh, whoa, dieser wirklich große, schlanke Typ mit den flammend roten Haaren! Der war huh, der war hot gewesen. Hatte Gracjan mit ihm die Nacht verbracht? Aber … hm … da stimmte etwas nicht. Zum einen ließ er niemals Menschen in sein Zimmer, wenn er zu seinen Aufträgen auf der Erde verweilte. Und zum anderen … war er nicht mal sicher, ob dieser Typ ein Mensch gewesen war.

Er erschauderte unwillkürlich. Was war in der letzten Nacht geschehen?

Es war egal. Und wenn er mit Lord Beelzebub persönlich verkehrt hatte. Gracjan lachte leise über seinen kleinen Scherz. Jetzt musste er sich auf seinen Auftrag konzentrieren. Sich die Zielpersonen einprägen. Wie gesagt, höchste Priorität. Charity Veranstaltung im gehobenen Stil. Sehr wichtige Menschen, hohe Sicherheitsvorkehrungen, gutes Essen. Gutes Essen klang auf jeden Fall verlockend. Auch wenn ihm immer noch etwas übel war. Aber Essen war etwas, was er sehr schätzte an seinen Aufenthalten auf der Erde. Das Hotel war bereits ein Anhaltspunkt für die Gelder, die hier vermutlich flossen. Gut, konnte ja nicht schaden, wenn die Menschen viel Geld in eine gute Sache investierten. Taten sie ohnehin viel zu selten.

Kapitel 6

Daraqael

Diese Veranstaltung war bemerkenswert. Daraqael hatte sich unauffällig unter die Leute gemischt. Und mit unauffällig meinte er: unsichtbar. Diese Party war besser abgesichert als ein Staatsempfang. Sehr, sehr eigenartig. In den Ecken standen schwarz gekleidete Security Leute, die definitiv bewaffnet waren. Hmm mmm mmh. Was ging denn hier ab?

Der Engel war auch bereits vor Ort. Er sah gut aus, besser als Daraqael erwartet hatte. Obwohl, soo gut nun auch wieder nicht. Er war offensichtlich ebenfalls nicht sichtbar für die Anwesenden, in einem für seinen Geschmack total übertriebenen weiß-goldenen Engels-Outfit. Hatte etwas von einer etwas altmodischen Militär-Uniform mit Epauletten und blankpolierten Zierknöpfen. Bewaffnet war er mit Pfeil und Bogen, was ihn ein wenig martialisch aussehen ließ. Aber Daraqael war ein Freund von alten Waffen, auch wenn ihm gerade einfiel, dass er sich wahrscheinlich genau an dem verdammten Ding die Hand verbrannt hatte!

Er beobachtete, wie der Engel sich schamlos am Buffet bediente und schüttelte den Kopf. Essen gehörte nicht zu seinen eigenen Leidenschaften. Damit der Engel ihn nicht entdeckte, schob er sich hinter eine voluminöse Monstera Pflanze. Hoffentlich spürte der Amor seine dämonische Präsenz nicht. Vielleicht half es, so wenig wie möglich zu atmen?

Es würde helfen, gar nicht anwesend zu sein! Was um alles in der Welt tust du hier, Daraqael?

Reine Neugier, antwortete er sich selbst. Und böse, böse Vibes aufsaugen. Davon gab es hier reichlich. Erstaunlich mit Bösem gesättigte Luft für eine Charity Veranstaltung. Vielleicht war das Charity für die Hölle? Sammeln für das Ewige Höllenfeuer? Die steigenden Energiekosten und so weiter.

Diese Leute hier hatten Geld – und Macht. Das strahlten sie aus, das erkannte Daraqael an der Kleidung und dem ausnahmslos protzigen Schmuck, den sie trugen, an den Getränken, die die smarten, jungen Kellner auf kleinen Tabletts hin und her transportierten und am Buffet. Der Geruch von Fleisch stieg ihm in die Nase, und er zog eine Grimasse des Abscheus. Verbrannte Haut. Verschmortes Gewebe. Erinnerte ihn an das Höllenfeuer. Er versuchte, die große Pflanze mit dem Fuß ein Stück zu Seite zu schieben, um weiter vom Buffet wegzukommen. Doch das Mistding war schwerer als gedacht. Die Gefahr, mit einem kleinen Wunder zu viel Aufsehen zu erregen, weil am Ende eine Pflanze durch den Raum schwebte, war ihm zu groß. Das war das Vertrackte an so Miniwundern, sie waren oft schwer zu dosieren. Also versuchte er es mit etwas mehr Körperkraft. Es konnte doch nicht so schwer sein … uff, verfluchtes … Der riesige Topf drohte zu kippen.

»ACHTUNG! Vorsicht! Der Typ ist bewaffnet!«

Daraqael riss den Kopf nach oben, da er für eine Sekunde gedacht hatte, er sei gemeint. Dann erkannte er, dass einer der Kellner wie versteinert mitten im Raum stand. Er starrte den Engel an, der mit gespanntem Bogen bereits auf seinen Auftrag zielte. Vermutlich. Daraqael sah im entsetzten Gesicht des jungen Mannes das Erkennen.

Oh, bei Satan, der Typ konnte den Engel sehen!

Das war ungewöhnlich.

Das Tablett mit den Gläsern fiel scheppernd zu Boden.

Dann geschah alles unglaublich schnell. Der Pfeil löste sich, der Kellner warf sich mit einem Aufschrei in die Flugbahn und wurde getroffen. Der Pfeil wurde abgelenkt und traf eine Frau, die davon aber nichts mitbekam.

Alle starrten auf den jungen Kellner, der auf dem Boden lag und wie ein Geisteskranker auf den Engel zeigte, den außer ihm und Daraqael hoffentlich niemand sehen konnte.

Daraqael wiederum erkannte das ungläubige Erstaunen auf dem Gesicht des Engels und er entschied sich erneut für die erste Idee, die ihm in den Sinn kam. Er schickte den jungen Kellner in eine Ohnmacht – bevor der noch was von Attentätern im Engelskostüm faseln konnte. Was hatte ihn überhaupt dazu bewogen, sich einem vermeintlichen Attentäter in den Weg zu stellen? Zu werfen! Menschen … So dumm. Daraqael hatte keinen Schimmer, wie sie so lange hatten überleben können.

Der Engel war noch immer komplett erstarrt, während die Security-Leute den ohnmächtigen Kellner aus dem Raum schleppten.

»Hysterischer Anfall.«

»Burn-out.«

»Die Jugend heutzutage …«

»Bestimmt Drogen im Spiel …«

Daraqael hörte die Meinungen der anderen Gäste nur am Rande, die die Köpfe schüttelten und sich bereits wieder ihren eigenen Dingen zuwandten. Ein kleiner, unbedeutender Kellner war wohl keinen zweiten Gedanken wert. Personal hatte in Windeseile die Scherben beseitigt.

Noch immer stand Daraqael so, dass der Engel ihn nicht sehen konnte. Fieberhaft schienen seine Augen den Raum abzusuchen, vielleicht, um die andere getroffene Person zu identifizieren.

Vielleicht war jetzt die Gelegenheit, um abzuhauen? Auf der anderen Seite – es interessierte ihn brennend, wie diese absurde Geschichte weiterging. Das war auf eine unerwartete Art unterhaltsam.

Der Engel hastete durch den Raum und verschwand durch die geöffnete zweiflügelige Tür, vorbei an zwei bulligen Türstehern, die nichts davon bemerkten. Daraqael stellte sich vor, wie etwas von dem goldenen Glitterstaub auf ihren schwarzen Anzügen hängenblieb – und grinste in sich hinein.

XXX

Sie hatten den armen Kerl tatsächlich in einer Abstellkammer abgelegt, was Daraqael schon ziemlich mies fand, selbst für Menschen. Wie unwichtig war dieser Bubi?

Daraqael materialisierte sich direkt neben dem Engel, der erschrocken herumfuhr. Erkennen zuckte über sein rundes, niedliches Gesicht und verfinsterte es. »Du …! Was machst du hier?«, zischte er dann überraschend unfreundlich.

»Ich rette dir zum zweiten Mal den Arsch!«, antwortete Daraqael etwas perplex.

»War das deine glorreiche Idee? Mit der Ohnmacht? Niemand wird sonst ohnmächtig, wenn er von meinem Pfeil getroffen wird. Wie u-n-a-u-f-f-ä-l-l-i-g.«

Puh, was war das denn für ein Giftzwerg?

»Du hast aber schon gecheckt, dass der Typ dich sehen konnte, ja?«

Der Engel zog verärgert die Schultern nach oben. »Und jetzt? Komplett versauter Auftrag.«

Daraqael hörte Schritte, die sich näherten und bald darauf eine aufgeregte und nicht sehr angenehme Frauenstimme. »Wo ist er? Wo habt ihr ihn hingebracht?«

»Äh, ich glaube, dein Auftrag ist im Moment dein kleinstes Problem. Wir müssen verschwinden.«

»Nein, ich muss den Auftrag korrekt durchführen. Das hier ist der falsche Typ.«

»Vergiss mal deinen Auftrag, lass den Kerl hier …«

»Hör mal zu.« Der Engel stand auf und wieder befanden sie sich viel zu dicht voreinander in der verdammten Besenkammer. »Keine Ahnung, warum du dich hier einmischst, du …« Er sah Daraqael ins Gesicht und dieser zog kurz mit zwei Fingern die Sonnenbrille nach unten. Offenbar reichte das aus.

»Oh.«

»Nix oh«, zischte Daraqael. »Lass diesen Kasper hier liegen, dem passiert nichts.«

»Das mag für deine Leute okay sein, aber nicht für mich«, beharrte der Engel, der sich wieder einigermaßen gefasst hatte. »Wenn wir verschwinden, muss er mit.«

Das klang schon besser, allerdings war das »wir« in der Aussage des Engels etwas – bedrohlich. Daraqael bereute es mittlerweile doch ein wenig, dass er sich auf die ganze Sache eingelassen hatte. Er fasste einen Entschluss.

»Schaffen wir es in etwa einer Minute nach draußen? Mit deinem Streifschuss-Opfer?«

»Warum?«

»Weil ich uns eine Minute Zeit verschaffen kann. Nicht. Länger.«

»Gut, gut, eine Minute.«

Daraqael ging in die Knie und lud sich den leise grunzenden Streifschuss auf die Schulter. Er mochte schlank wirken, aber einen Menschen konnte er allemal tragen. Und Streifschuss war ein dünner Bursche, recht handlich vom Format, auch wenn er ein wenig größer zu sein schien als der Engel. Den er allerdings auch nicht tragen wollte.

Er konzentrierte sich, hob die rechte Hand in einer kleinen kreisenden Bewegung – und alle Leute im Umkreis von etwa 50 Metern froren ein. »Ab jetzt!«

Der Engel stieß die Tür der Abstellkammer auf und sie knallte gegen irgendetwas – irgendjemanden, wie sie umgehend feststellten. Einer der Security Leute war schon direkt davor gewesen. Würde sich wahrscheinlich über die Beule wundern, sobald er sich wieder wundern konnte.

Daraqael startete durch, sie mussten das Hotel jetzt zügig verlassen. Doch noch bevor er richtig Fahrt aufnehmen konnte, blieb der Engel stehen und er rannte von hinten in ihn hinein.

»Was zum Teufel …?«

»Dieser Mann da …«, flüsterte Engel. Es klang irritiert.

»Was? LAUF, verflucht nochmal!« Daraqael sah einen dunkelhaarigen Typen mit Silberblick und eine massiv aufgestylte Frau mittleren Alters. Was auch immer mit den beiden war, wer auch immer sie waren – er und der Amor mussten mit dem Jungen erstmal verschwinden.

Noch bevor sie bei Daraqaels Wagen angekommen waren, war die Minute zu Ende. Er hörte die Rufe, den Tumult aus dem Innern des Gebäudes. Der Amor mit Sicherheit auch.

Unsanft stopften sie Streifschuss auf die schmale Rückbank des Jaguars und Daraqael fuhr mit quietschenden Reifen los. Das war teuflisch knapp gewesen. Fast hätte er angefangen zu schwitzen. Nur fast – er war insgesamt eher der coole Typ.

Kapitel 7

Gracjan

Dieser Kerl fuhr wie ein Wahnsinniger! Gracjan versuchte, sich irgendwie – irgendwo! – festzuhalten, um weder gegen ihn noch gegen die Scheibe geschleudert zu werden. Auf der Rückbank stöhnte ihr unfreiwilliger Begleiter, der offensichtlich wieder zu Bewusstsein kam.

Wie hatte das alles so aus dem Ruder laufen können? Und wer war dieser Irre überhaupt? Warum hatte er ihn sehen können und was war am letzten Abend geschehen? Denn Gracjan war absolut sicher, dass es genau dieser Kerl war, der in seinem Hotelzimmer gewesen war und an den er sich heute Mittag dunkel erinnert hatte. Und warum trug er jetzt bei diesen Lichtverhältnissen seine Sonnenbrille? Es war stockfinster – bis auf die Straßenbeleuchtung und die anderen Fahrzeuge.

Gut, auf die meisten Fragen, die in seinem Kopf herumpurzelten, konnte er sich mittlerweile die Antwort geben – sein Fahrer war ein Dämon. Oder etwas ähnliches. Er hatte einen kurzen Blick auf das Höllenfeuer, das tief in seinen Augen glomm, werfen können. Jemand von der anderen Seite.

Und trotzdem waren es eindeutig immer noch zu viele Fragen. Zu viele gottverda… Nein! Erschrocken stoppte er diese Gedanken. Er sollte sich nicht hinreißen lassen. Er durfte nicht fluchen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren.

Sein Fahrer lachte leise, ein dunkles amüsiertes Grollen, was Gracjan noch mehr ärgerte.

»Wüsste gern, was daran jetzt witzig war!«, zischte er. »Was soll ich denn jetzt machen …?«

»Ich wüsste gern, wohin wir mit deinem Fehlschuss fahren sollen«, antwortete der Kerl noch immer grinsend.

»Ich … ich weiß es auch nicht!«

»Lass ihn verschwinden.«

»Verschwinden?«

Der Typ machte eine unmissverständliche Handbewegung.

»Bist du verrückt? Ich kann ihn nicht umbringen. Er kann mich sehen! Und ich habe noch nie getötet.« Gracjan war entsetzt.

»Für alles gibt es ein erstes Mal.«

»Dich kann er auch sehen!«

»Oha, dann lass ich ihn verschwinden.«

»Nein, keiner lässt ihn verschwinden!«, rief er. Was für eine Vollkatastrophe! Da fiel ihm plötzlich etwas auf.

»Mein Bogen! Wo ist mein Bogen?«

»Keine Ahnung. Hast du ihn etwa liegen lassen?«

»Du … Du hast ihn gestohlen!«, flüsterte Gracjan fassungslos und zornig zugleich.

»Ich kann das Ding nicht mal anfassen, Engel!« Er hob eine Hand und hielt sie Gracjan vor die Nase. Gracjan konnte nicht wirklich viel erkennen.

»Hab mir gestern schon die Flosse an dem albernen Täschchen verbrannt.«

Gracjan hatte den Eindruck, als müsste ihm etwas übel werden. »Stimmt, letzte Nacht! Warum warst du überhaupt in meinem Hotelzimmer? Hast du da schon meinen Bogen stehlen wollen?«

»NEIN! Ich hab dich aus einer Situation geholt, die … na ja, nicht ganz einvernehmlich aussah.« Er nahm die Hand wieder zurück ans Lenkrad und wich mit einem Schlenker einem Radfahrer aus, der die Straße überqueren wollte.

»Vollidiot!«, brüllte er. »Fehlte mir noch so n Scheiß Papierkram!«

»Was willst du damit sagen?«, fragte Gracjan vorsichtig.

»Was? Na, der Radfahrer eben. Zufällige Todesopfer bedeuten immer …«

»Nein! Nicht das! Diese Situation, die nicht einvernehmlich aussah …« Er erinnerte sich einfach nicht, so sehr er sein Hirn auch anstrengte. Wie konnte das sein?

»Na ja, du mit nacktem Hintern auf einem fremden Bett, nicht ganz bei Sinnen, jemand im Bad mit schlechter Aura, Giftbrause aus der Unterwelt …«

Gracjan spürte, wie sein gesamtes Gesicht zu glühen begann. »Du … du hast meinen Hintern gesehen?«

»Ja, ein wirklich prachtvolles Exemplar!« Diese Aussage wurde noch durch ein anzüglich tiefes Lachen unterstrichen.

»Du … hast einen nackten Engel angeglotzt. Und du behinderst die göttlichen Pläne«, fasste Gracjan schwach zusammen. »Hast du mich entführt?« Ihm war jetzt tatsächlich schwindelig. Das konnte, das durfte nicht wahr sein! Was für ein Schlamassel! Er würde solchen, solchen unfassbaren Ärger bekommen. Dieser Typ musste dafür verantwortlich sein. Seit er aufgetaucht war, ging wirklich alles daneben. Genau, DAS war der Punkt! Es war ja überhaupt kein Wunder, dass alles schiefging. Er klatschte sich die Hand vor die Stirn. »Ach so … natürlich! Also, das hatte ich komplett vergessen … Bei dem ganzen Durcheinander … WEICHE VON HIER, du …! Äh, was bist du genau? Ein Dämon?«

Der Dämon, denn das schien er wirklich zu sein, zumindest kam kein Widerspruch, sah ihn sprachlos an.

»Ist ja auch egal«, fuhr Gracjan fort. »Weiche einfach, was-immer-du-bist!! Ausgeburt des Bösen«, fügte er noch hinzu, einfach nur, um ihn zu ärgern.

»Das Einzige, was weich zu sein scheint, ist deine Birne«, murmelte der Dämon und schüttelte den Kopf.

»Ich meine es ernst!

»Ich auch! Wer soll dann den Wagen fahren, wenn ich gewichen bin?«

Okay, das hatte er nicht bedacht.Er selbst hatte noch nie ein Auto gefahren. Und wo sollte er auch mit seinem angeschossenen Begleiter hin? Nicht, dass dieser im eigentlichen Sinne verletzt war. Er war nur fälschlicherweise mit einem Liebespfeil beschossen worden – und dann auch nur zur Hälfte. Gracjan hatte keine Ahnung, wie sich das auswirkte. Er brauchte wirklich ganz dringend einen Drink.

»Gut, dann fahr halt weiter«, gab er klein bei. Das größere Problem schien im Moment auch der fehlende Bogen zu sein und nicht der dämonische Chauffeur. Den würde er schon noch loswerden.

»Und wohin?«, fragte der Dämon gedehnt. Gracjan wurde den Verdacht nicht los, dass der Kerl sich über ihn lustig machte. Oder zumindest die ganze Sache amüsant fand. Und das war sie NICHT.

»Am besten zurück zum Hotel. Ich muss meinen Bogen finden!«, fauchte er.

»Das erscheint mir jetzt nicht als die beste Idee«, gab der Dämon zu bedenken. »Wundere ihn doch einfach her. Das musst du doch können, als Engel des … was? 5. Oder 6. Rangs?«

Gracjan sank in seinem Sitz zusammen und starrte nach unten. »Ja, nein, also eigentlich …« Es hatte da ein paar Meinungsverschiedenheiten in der letzten Zeit gegeben. Und ja, es war etwas schwierig mit den Wundern zurzeit, aber das wollte er dem Dämon nicht auf die Nase binden.

»Es geht nicht so einfach«, behauptete er also verärgert.

Jetzt hatte er nicht nur einen verkorksten Auftrag, sondern auch noch seinen Bogen verloren. Schlimmer konnte es kaum werden. Ah doch, natürlich – er saß mit einem Dämon in dessen Auto.

»Hilfe! HILFE! Ich … werde entführt …!«, kam es auf einmal von der Rückbank. »Was seid ihr für Assis? Lasst mich sofort raus! Ihr Vollidioten!«

Der Dämon seufzte laut. »Dein Job.«

»Beruhige dich, es wird dir kein Leid geschehen«, sagte Gracjan und bemühte sich um seine einschmeichelndste Engelsstimme.

»Wer seid ihr?«, jammerte der Typ wieder, hörte sich an, als würde ihm das Schluchzen schon im Hals stecken. »Ich will raus! Lasst mich sofort aussteigen! Ich will nach Hause!!«

»Nach Hause!«, rief Gracjan erleichtert. »Wo genau ist das?«

Kapitel 8

Gracjan

Es war einige Überredungskunst nötig, um Streifschuss aus dem Auto des Dämons herauszubekommen – faktisch mussten Gracjan und der Dämon ihn gemeinsam an den Füßen herauszerren. Denn offenbar war der Typ jetzt nicht mehr der Meinung, dass er sie beide zu seiner Behausung führen wollte.

»Wer seid ihr Freaks überhaupt?«, rief er aufgebracht und gar nicht mehr kooperativ. Er schlug sogar etwas um sich. »Lasst mich in Ruhe! Ich hab euch überhaupt nichts getan. Wah, fass mich nicht an!«

Er machte so einen Aufstand auf dem Weg zu dem großen Wohnhaus, dass der Dämon plötzlich stoppte und einen drohenden Schritt auf ihn zumachte. »Halt den Mund, du Knalltüte«, knurrte er, zog sich mit einer Hand die Sonnenbrille von der Nase und starrte den völlig verschreckten jungen Mann intensiv an. »Du wirst noch die komplette Nachbarschaft auf uns aufmerksam machen. Also Mund halten.«

Das wirkte. Erstmal. Was auch immer der Dämon getan hatte.

Schweigend betraten sie ein recht gewöhnliches Wohnhaus und ihr unfreiwilliger Gastgeber zeigte mit einem zitternden Finger auf das Treppenhaus. Er war jetzt sehr blass. Aber vielleicht war er einfach ein blasser Typ, dachte Gracjan und zuckte mit den Schultern.

»V… vierter Stock.«

»Kein Lift?«, fragte der Dämon, der wieder seine Sonnenbrille trug, seufzend. Er war ziemlich groß, das war Gracjan jetzt wieder aufgefallen. Sehr schlank. Mit hohen Wangenknochen, einer geraden, spitzen Nase und kurzen sattroten Haaren. Wenn er grinste, entblößten seine schmalen Lippen ein perfekt weißes Gebiss.

»Genug geguckt?«, fragte er jetzt zu allem Überfluss.

Gracjan wandte rasch den Blick ab, etwas peinlich berührt, dass sein Starren aufgefallen war. »Pfft …« Wie sollte diese Geschichte bloß weitergehen?

XXX

Die Behausung war ein hygienisches Armageddon.

Gracjan hatte in den letzten Jahrhunderten selten private menschliche Behausungen gesehen. Das Elend, das er von früher kannte, hatte ihn dazu gebracht, sich ausschließlich in Hotels einzuquartieren. Wenn überhaupt. Und selbst das war keine Garantie für einigermaßen akzeptable Verhältnisse.

Er rümpfte die Nase, als sie noch im Flur der Wohnung von einem riesigen schwarzen Hund empfangen wurden. Das Tier setzte sich etwa zwei Meter vor sie und betrachtete sie äußerst argwöhnisch.

»Hast du Leute mitgebracht, Frääänz?«, schallte es aus den Tiefen der Höhle – Gracjan konnte es kaum anders bezeichnen.

»Ja, na ja …«, erwiderte Streifschuss unsicher, sein Blick flackerte in Gracjans Richtung.

»Ist das dein Name?«, fragte der Dämon und sah sich neugierig um, er schob sogar zwei Türen auf, die vom Flur abgingen, um einen Blick hineinzuwerfen. Von Privatsphäre schien er nicht viel zu halten. »Fräänz?«

»Was? Nein, also … ja, nein, ich heiße Noah.«

Noch immer standen sie wie angewurzelt im Flur. Ihr Streifschuss-Opfer starrte den Hund an und es schien Gracjan, als würden die beiden sich stumm miteinander unterhalten. Aber er hatte auch nicht viel Ahnung von Hunden und konnte das daher nicht wirklich beurteilen.

»Mein zweiter Name ist Franz«, ergänzte der Junge jetzt. »Also eigentlich mein erster.«

»Macht es nicht besser«, brummte der Dämon.

Gracjan versuchte, nicht durch die Nase zu atmen. Es roch ganz und gar unerfreulich in dieser Behausung. Nach vergammeltem Essen und Tieren und – er erschauderte.

»Jetzt ist er ja sicher zu Hause – können wir wieder verschwinden?«, schlug der Dämon vor, von dem Gracjan noch immer nicht wusste, wie er hieß.

»Nein!« Er kniff sich gestresst in die Nasenwurzel. Was war das für ein Desaster! »Ich muss nachdenken.«

Der Dämon breitete die langen Arme aus und schob sie somit alle weiter in die Wohnung hinein. »Dann mal alle rein in die gute Stube!« Er klang gleichermaßen drohend wie fröhlich, eine irritierende Mischung.

Und – bei allen guten und schlechten Geistern – der Wohnraum! Gracjan fehlten die Worte. Eine Goblinhöhle war dagegen ein Palast! Auch wenn er noch nie in einer gewesen war, wie er zugeben musste.