Quer denken und gewinnen - Ulrike Fokken - E-Book

Quer denken und gewinnen E-Book

Ulrike Fokken

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Beschreibung

Im Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen sind der Mensch und seine kreativen Ideen zur wichtigsten Waffe geworden. Die Querdenker in den Führungsetagen, die über die Bilanzen hinausschauen, alte Positionen aufgeben und auf Entdeckungsreise gehen, werden im Wissenszeitalter darüber entscheiden, wer sich am Markt durchsetzt. In ihrem Buch Quer denken und gewinnen vermitteln Ulrike Fokken und Verena Laschinger das Handwerkszeug für ein sinnvolles Management. Sie erzählen Geschichten von Führungspersönlichkeiten aus großen und kleinen Unternehmen, die allesamt ein Beispiel dafür geben, dass verantwortungsbewusstes und gleichzeitig wertschöpfendes Management möglich ist und dass Management über die klassischen Funktionen wie Planung, Organisation, Kontrolle, Führung und Personal hinausgeht. Maßgeblich für langfristigen Erfolg sind die Faktoren, die noch zu selten an den Wirtschaftsuniversitäten gelehrt werden: Charakter, Werte, Leidenschaft, Anspruch und Kontakte. Die Autorinnen vernetzen in ihrem Buch Wissensbereiche wie Biologie, Literatur oder Politik mit Management und liefern eine Fülle von Erfolgsstorys, die zum quer denken inspirieren.

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Ulrike Fokken / Verena Laschinger

Quer denken und gewinnen

Ulrike Fokken / Verena Laschinger

Quer denken und gewinnen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]@redline-verlag.de

Nachdruck 2012 © 2004 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: INIT, Büro für Gestaltung, Bielefeld Coverabbildung: Website der Londoner U-Bahn Copyright © 2004 by Redline Wirtschaft, Redline GmbH, Frankfurt/M. Ein Unternehmen der Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen Satz: deleatur:com, Wien Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN Print 978-3-86881-397-5 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-109-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter www.redline-verlag.de Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.muenchner-verlagsgruppe.de

Inhaltsverzeichnis

Management heißt nicht Bilanzen lesen: Was Wüstenprediger, Popstars und die Damen vom Begleitservice besser wissen

Die Lust am Handwerk – die klassischen Managementfunktionen

Der Plan

Auf Expeditionsreise

Am Anfang war der Plan und er war gut

Die heimlichen Chronisten der Zeit

Die Organisation

David neben Goliath

Die weltliche Organisation der göttlichen Ordnung

Ein Stern über Stuttgart

Fünf Gehminuten

Die Menschen

Das Nein des Bartleby

Das große Rauschen

Der Abschied vom wasserdichten Karriereplan

Der Kindergarten in den Vorstandsetagen

Die Chefs

Die Welt ist ein kleiner Zirkus

Die elefantöse Weiberwirtschaft

Wunsch und Wirklichkeit

Von Haus aus Chef

Die Kontrolle

Kirschen zählen

Verhaltensforschung am Kühlregal

Der kleine Jägermeister

Der Wolf im Menschen

Wolfscredo

Die Lust an der Kunst – die klassischen Erfolgsfaktoren

Der Anspruch

Rendite aus der Pressefrechheit

Bumerang im Anflug

Sieben schlimme Gesellen

Die Diva im Brotteig

Die Werte

Der Wert der Wurst

Im Palast der Zeit

Ein Hamburger auf dem Index

Geben Sie uns den Rest! – Der wahre Wert der Wegwerfgesellschaft

Vergiftete Geschenke

Der Charakter

Lachen im Labyrinth des Minotaurus

Das Unternehmen als Blumenkohl

Die Musterknaben vom Vierwaldstätter See

Der garantierte Kopierschutz

Die Leidenschaft

Der Manager des Gemeinwohls

Die Ideenfischer

Der talentierte Mr. Talbot

Das denkende Darmrohr

Die Kontakte

Mentor, mein Mentor!

Der Tanz mit dem Minister

Die Stippvisite

Die Liebesmanager

Literatur

Management heißt nicht Bilanzen lesen: Was Wüstenprediger, Popstars und die Damen vom Begleitservice besser wissen

Gestern haben die Starken die Schwachen gefressen. Heute schlucken die Schnellen die Langsamen. Morgen werden die Bewussten die Unbewussten führen.

Der Wettbewerb zwischen den industrialisierten Ländern hat in den vergangenen Jahren eine neue Dimension erhalten. Denn die Zeiten, in denen Unternehmen durch Größe ihre Kontrahenten abschrecken konnten, sind vorbei. Kapital fließt zwischen allen Kontinenten, die Automatisierung bietet nicht zwangsläufig einen langfristigen Vorteil und die Kosten können nur bis zu einem bestimmten Punkt gesenkt werden. Der Mensch ist die einzige Waffe im Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen. Denn nur der Mensch, seine individuelle Gedankenwelt und seine Ideen sind einzigartig.

Keine Maschine ist bislang in der Lage, innovativ zu denken, neue Produkte zu erfinden oder eine Strategie zu entwerfen. Haben in der Vergangenheit Größe, Geld und Gewinnmargen über die Position im Wettbewerb entschieden, entscheidet in Zukunft die Geistesleistung. Um die maximal auszuschöpfen, reicht es jedoch nicht, wenn Führungskräfte Zahlen verstehen. Sie müssen die Zusammenhänge erkennen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Sie müssen ihr Bewusstsein schärfen und vor allem sich ihrer selbst bewusst sein, sie müssen lernen, den Menschen in seinen Bedürfnissen ernst zu nehmen, sie müssen alte Positionen aufgeben und neue gewinnen. Führungskräfte müssen Querverbindungen zu allen Bereichen des Lebens herstellen und über die Bilanzen hinausschauen. Um diesen notwendigen Austausch zwischen den Disziplinen und Denkschulen zu erreichen, brauchen Unternehmen Biologen im Marketing, Theologen im Vorstand, Kulturwissenschaftler in der Kommunikation und Physiker im Controlling. Unternehmen brauchen Quereinsteiger, denn nur wer quer denkt, wird gewinnen.

Aber die neuen Zeiten verlangen jedem Menschen viel ab. Auch wer nicht in einem Unternehmen als Manager arbeitet, muss umdenken und sich von lieb gewonnenen Vorstellungen verabschieden. Der Mensch in den Industrieländern muss sein Leben selbst managen und kann sich nicht mehr auf die Rund-um-Versorgung des Staates oder von Unternehmen verlassen. Management ist daher kein Wissen, das nur an der Spitze eines Unternehmens benötigt wird. Nur wer managen kann, kann heute erfolgreich leben. Denn Managen bedeutet, sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden und nicht die Orientierung in einem Übermaß an angebotenen Lebensrouten zu verlieren. Managen bedeutet, aus der Flut an Informationen die wichtigen herauszuangeln. Managen bedeutet, die eigenen Handlungen auf ein Ziel zu richten, es nicht aus den Augen zu verlieren und es mit anderen Menschen abzustimmen. Sei das, indem man mit Freunden einen sechswöchigen Trekkingurlaub in den Karpaten plant oder die Aktivitäten einer fünfköpfigen Familie terminlich aufeinander abstimmt. Generationen von Müttern haben geplant, organisiert, kontrolliert, kommuniziert und gehandelt. Und sie haben Werte produziert. Nicht ökonomisches, sondern soziales Kapital wie Vertrauen, Liebe und Gemeinschaftssinn. Daran hat sich in den Jahrhunderten nichts geändert. Verändert hat sich das Ausmaß, in dem Mütter heutzutage managen müssen. Und nicht nur sie. Die Lebensbereiche, die vom Management-Anspruch erfasst worden sind, sind mehr geworden und weitere werden hinzukommen. Keine Ausbildung, die nicht durch eine zweite oder dritte ergänzt werden kann. Kein Arbeitgeber, der den Weg zum beruflichen Glück besser kennt als der arbeitende Mensch selbst. Doch das bewegte und unorthodoxe Leben braucht Eigeninitiative und Verantwortung, um zu gelingen. Dazu braucht der Mensch des 21. Jahrhunderts die Qualitäten von Managern.

„Quer denken und gewinnen“ stellt diese Qualitäten vor, bietet Orientierung und motiviert. Dieses Buch will die Lust am Managen wecken, denn Management dreht sich nicht nur um Kapital, Handel und Maschinen. Management ist eine Geisteswissenschaft und vermittelt ein komplexes Wissen aus allen Lebensbereichen und für alle Lebensbereiche. Das Buch vermittelt daher das wichtigste Handwerkszeug für ein sinnvolles Management. Es erzählt Geschichten von Führungspersönlichkeiten aus großen und kleinen Unternehmen. Ihr Verständnis von Management und ihre persönliche Art, die Theorie umzusetzen, kann Impulse zum Nachahmen geben – selbst wenn nicht jeder von ihnen alle Managementaufgaben gleich gut beherrscht. Nicht alle von ihnen sind im herkömmlichen Sinn erfolgreich, aber alle geben mit ihrem Handeln ein Beispiel, dass verantwortungsbewusstes und gleichzeitig wertschöpfendes Management möglich ist.

Manager trifft man nicht nur in Unternehmen. Unsere Lieblingsideengeber für erfolgreiches Management sind das menschliche Gehirn, Elefanten, Mönche, Modemacher, Wurstfabrikanten, Wüstenprediger und die Damen vom Begleitservice.

Sie alle zeigen, dass Management über die reinen Funktionen wie Planung, Organisation, Kontrolle, Führung und Personal hinausgeht. Denn gutes Management zeichnet sich nicht allein durch fachliches Know-how und brillante technische Leistungen aus. Maßgeblich für ein langfristig erfolgreiches Management sind die Faktoren, die noch zu selten an den Wirtschaftsuniversitäten gelehrt werden. Nur wer Werte hat, wird Werte schaffen. Nur mit einem hohen, auch moralischen Anspruch an sich selbst wird ein Unternehmer die Ansprüche von Kunden erfüllen. Führungskräfte brauchen Charakter, um zu bestehen, und sie brauchen Kontakte, um weiterzukommen. Und Führungskräfte müssen eine Leidenschaft für ihr Handeln und ihre Unternehmung verspüren, denn nur Leidenschaft heizt ein und spornt zu besseren Leistungen an.

Auf diese fünf Erfolgsfaktoren – Charakter, Werte, Leidenschaft, Anspruch und Kontakte – für jeden einzelnen Manager und für jeden Selbst-Manager werden die Unternehmen in Deutschland setzen müssen. Die Mitarbeiter quer durch alle Hierarchieebenen werden diese Eigenschaften entwickeln und die Unternehmen werden sie fördern müssen. Denn Deutschland ist auf dem Weg von der Industriegesellschaft zur Wissensökonomie. Und um in dieser neuen Wirtschaft Werte zu schöpfen, müssen sich die Führungskräfte verändern. Nicht der starre Blick auf die Kennzahlen und Aktienkurse hilft ihnen im Wettbewerb, sondern nur die Besinnung auf den Menschen. Denn der Mensch wird im Mittelpunkt stehen: als Kunde und als Mitarbeiter. Einzig Flexibilität und Wissen sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts die maßgeblichen Wettbewerbsvorteile von Unternehmen in den hoch entwickelten Industriegesellschaften. Und nur Manager, die ihre Mitarbeiter mit Achtung und Respekt behandeln, werden sie als flexible Produktionsfaktoren für die Wertsteigerung des Unternehmens einsetzen können. Nur mit diesen lange an den Rand gedrängten Eigenschaften kann eine neue Generation von Manager-Persönlichkeiten den Wandel vollziehen. Diese Persönlichkeiten zeichnen sich durch Kompetenz, Integrität und Glaubwürdigkeit in ihrer Arbeit aus. Sie treiben den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, vom Informations- zum Wissenszeitalter aktiv voran.

Mehr noch als von technischen Innovationen leitet sich von ihrer Management-Fähigkeit unser aller Wohlstand ab. Sie müssen in einer arbeitsteiligen Welt die Arbeit vieler Spezialisten zielgerichtet organisieren und Komplexität und Spezialisierung in Leistung verwandeln. Um darin schließlich immer effektiver zu werden, müssen die Manager in der Wissensökonomie kreativ sein. Erfolgreich wird sein, wer sich anthropologischen und ökologischen Grundsätzen verpflichtet fühlt. Denn der Ruf nach einer neuen Management-Kultur in der wirtschaftlichen Globalisierung wird lauter. Verbindliche Werte, ein Maß an Respekt und Rücksichtnahme gegenüber anderen müssen die neue Generation an Managern auszeichnen. Das ist keine Frage der Sozialromantik, sondern der Effektivität.

Unternehmen brauchen eine neue Management-Kultur, um den Anforderungen auf dem Markt gewachsen zu sein. Haben gestern die Starken die Schwachen gefressen, schlucken heute die Schnellen die Langsamen. Morgen jedoch werden die Bewussten die Unbewussten führen. Diese Bewusstheit muss sich entwickeln durch Schulung in Psychologie, in Kommunikation und vor allem in Ethik. Und weil wir alle langfristig gut leben wollen, haben wir ein wachsames Auge auf die Fähigkeiten derer, von denen unser wirtschaftliches Wohlergehen abhängt. Öffentliche Kritik an moralischen Verfehlungen ist wichtig. In vielen Fällen ist sie berechtigt. Doch Kritik allein genügt nicht. Denn es ist einfacher zu nörgeln als es besser zu machen. Und Kritik wird erst konstruktiv, wenn sie Lösungen präsentiert. Vor allem aber ist die einsame Kritik am Unternehmensführer ein Überbleibsel des 20. Jahrhunderts. Wer heute noch die Verantwortung für den ökonomischen und ethischen Wohlstand allein bei den Unternehmensführern sieht, hat eine entscheidende Entwicklung verpasst. Management ist heute überall. Und wir müssen alle Manager sein.

Das Leben ist Management. Deshalb muss, wer ein guter Manager sein will, vor allem etwas vom Leben wissen. Neugierig bleiben, offenen Geistes und mit Wertschätzung aus anderen Wissensdisziplinen lernen. Und umgekehrt bringt, wer Sinnvolles leisten will in seinem Leben, schon eine wichtige Voraussetzung für gutes Management mit. Machen wir uns also auf die abenteuerliche Suche nach neuen Erkenntnissen und Vorbildern, die unserem Handeln Sinn geben können.

Die Lust am Handwerk – die klassischen Managementfunktionen

Der Plan

Ohne Plan verirrt sich auch die Führungskraft. Denn ohne Planung kann die Arbeit nicht organisiert werden, die Mitarbeiter nicht geführt, das Ziel nicht erreicht und die Fortschritte nicht kontrolliert werden. Zum wirtschaftlichen Erfolg gehört eine gute Planung – und der Mut, vom Plan abzuweichen. Denn der Plan ist kein Kompass, mit dem das Unternehmen gelenkt wird. Die Richtung und den Weg ans Ziel gibt die Strategie vor.

Erst aus der Strategie ergibt sich der Plan. Und nur wenn ein Unternehmen eine Strategie hat, kann es die Bedingungen analysieren, mit denen das Ziel erreicht werden kann. Das Ziel wird in den meisten Unternehmen heißen: Mehr Umsatz, mehr Gewinn, besser als die Wettbewerber sein. Aber wodurch wird ein Unternehmen besser? Besser aus der Sicht der Kunden ist ein Unternehmen dann, wenn es die Kundenwünsche besser befriedigt als jedes andere Unternehmen. Und das kann es nur, wenn es anders ist, wenn es ein Alleinstellungsmerkmal hat. Die Strategie muss daher die Frage beantworten: Wie kann sich das Unternehmen durch Andersartigkeit von den anderen absetzen? Denn nur Andersartigkeit verspricht Erfolg. Nur wer quer denkt, gewinnt.

Aber was heute Avantgarde ist, ist morgen Mainstream. Und da sich das Umfeld eines Unternehmens ständig ändert, muss also die Strategie permanent an die Umwelt angepasst werden. Eine Strategie darf daher nicht statisch sein. Sie muss beweglich und offen sein, ohne je das Ziel zu verlieren. Die Führungskräfte müssen flexibel mit der Strategie umgehen, sonst werden sie das anvisierte Ziel nicht erreichen – und sei der Plan auch noch so gut.

Werde reich und tue Gutes. Das war der Plan der Unternehmerin Charlotte Tangerding, die über 40 Jahre lang die Südstahl GmbH führte. Mit der Produktion von Stahlbeton besetzte sie nach dem Krieg eine lukrative Marktnische und profitierte vom Wiederaufbau des zerstörten Landes. In den Wirtschaftswunderjahren sprudelten die Gewinne mit dieser einfachen Logik von Angebot und Nachfrage. Charlotte Tangerding folgte ihrem Plan und beteiligte bereits 1970 ihre Angestellten am Unternehmen. Beflügelt von der Idee, einen Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit zu schaffen, gründete sie die gemeinnützige Werkstiftung Donauwörth. Damit entzog sie unwiederbringlich den Großteil des Eigenkapitals dem Unternehmen – und legte den Grundstein für den Niedergang des Familienbetriebs. Denn Charlotte Tangerding hatte nicht damit gerechnet, dass sich die Zeiten ändern können.

„Zeit ist Geld“, erkannte Benjamin Franklin, amerikanischer Gründervater, und gab mit diesen drei Worten das Credo für ein neues Zeitalter aus. Der puritanische Mensch auf dem neuen Kontinent hatte erkannt, dass er die Zeit planen kann, um sie sich zu Nutze zu machen. Der Weg zu dieser Erkenntnis war lang. Sie blitzt erstmals auf in der pedantischen Präzision eines William Byrd II von Westover (1674–1744). Der Plantagenbesitzer in Virginia führte präzise Tagebuch über seine Aktivitäten, notierte seinen täglichen Beischlaf ebenso akkurat wie die Züchtigung von Sklaven oder die Führung seiner Geschäfte. William Byrds minutiös geführte Tagebücher liefern den literaturhistorischen Beleg, wann der Taktschlag für das Zeitalter des Kapitalismus einsetzt und die Geschichte des modernen Zeitmanagements beginnt. Die Zeit wird als produktiver Faktor in der Industrialisierung nutzbar, sie wird zu einem entscheidenden Garant für den wirtschaftlichen Erfolg. Zeit wird zu Kapital. Doch die Zeiten ändern sich. Um die wirtschaftliche Stärke der Industrienationen langfristig zu erhalten, muss die Zeit vom Taktschlag befreit werden. Denn um die wirtschaftliche Stärke der Industrienationen zu erhalten, ist eine zweite Zeitrevolution nötig. Die Wissensgesellschaft braucht einen veränderten Umgang mit dem Produktivfaktor Zeit. Damit aus der Zeit, die ein Mensch zum Denken braucht, kapitalkräftige Ideen entstehen.

Auf Expeditionsreise

Die Strategie eines Unternehmens dient einem simplen Zweck: erfolgreich zu sein. Doch erfolgreich ist nur, wer anders ist als die Wettbewerber. Kaum eine Aufgabe quält die Führungskräfte derart wie die Suche nach der richtigen Strategie. Die Strategie gibt den Plan vor, um das Ziel zu erreichen. Und die Strategie bestimmt, welche Bedingungen dazu analysiert werden müssen. Die Strategie ist die Kombination aller verfügbaren Mittel, um das Ziel zu erreichen.

Alle wollen sie haben. Sie ist der Liebling der Wirtschaft, die Unternehmensführer für sich gewinnen wollen, denn sie allein garantiert Erfolg in gesättigten Märkten: die Strategie. Strategie ist eines der liebsten Schlagwörter von Managern, doch was eine Strategie ist, können die wenigsten sagen. Manche Unternehmer haben eine Strategie, ohne davon zu wissen, andere suchen ewig danach, können aber keine entwickeln. Sie verwechseln Strategie mit einem Ziel, zum Beispiel der Größte der Branche zu sein. Oder mit ihrem Wunsch, die Kosten zu senken und die Rendite zu steigern. Oder mit der Vision, der Beste in einem Geschäftsfeld zu sein. Aber Strategie ist weder Ziel noch Vision, eine Strategie leitet sich nicht aus Tortengrafiken und Tabellenkalkulationen ab. Eine Strategie hat überhaupt nichts mit Zahlen gemein, wenngleich sie selbstverständlich mit mathematischem Handwerkszeug und betriebswirtschaftlichem Wissen abgesichert werden muss.

Aber eine Strategie lässt sich nicht errechnen und sie lässt sich auch nicht erreichen. „In der Strategie gibt es keinen Sieg“, hat Carl von Clausewitz in seinem Standardwerk zur Strategie „Vom Kriege“ geschrieben. Der preußische Offizier Clausewitz gilt als bedeutendster Denker über das Wesen der Strategie, der seit fast 200 Jahren Militärs rund um die Welt und in jüngerer Zeit auch Unternehmensführer mit seinen philosophischen Überlegungen zur Strategie beeinflusst. Das Strategieinstitut der Boston Consulting Group unter Leitung von Bolko von Oetinger hat das über 1000 Seiten umfassende Buch „Vom Kriege“ daher neu zusammengefasst und herausgegeben. Denn wie im Felde, so geht es auch zwischen Firmen zu. „Die Strategie ist der Gebrauch des Gefechts zum Zweck des Krieges; sie muss also dem ganzen kriegerischen Akt ein Ziel setzen, welches dem Zweck desselben entspricht, d. h., sie entwirft den Kriegsplan, und an dieses Ziel knüpft sie die Reihe der Handlungen an, welche zu demselben führen sollen, d. h., sie macht die Entwürfe zu den einzelnen Feldzügen und ordnet in diesen die einzelnen Gefechte ein“, schrieb Clausewitz. Anders ausgedrückt: Die Strategie gibt den Plan vor, um das Ziel zu erreichen. Und die Strategie bestimmt, welche Bedingungen analysiert werden müssen, um an dieses Ziel zu gelangen. Die Strategie ist die Kombination aller verfügbaren Mittel, um das Ziel zu erreichen.

Eine Strategie muss beweglich und offen sein, eine Voraussetzung für ihr Gelingen ist ein schnelles Reaktionsvermögen der Handelnden. Denn wer auch immer eine Strategie hat, muss sie ständig an die Gegebenheiten anpassen. „Jede Strategie hat ihre Halbwertszeit“, sagt Martin Koehler, Senior-Geschäftsführer der Boston Consulting Group, der nach eigenem Verständnis „weltweit führenden strategischen Unternehmensberatung“. Eine einmal entwickelte Strategie kann daher niemals dieselbe bleiben, wenn sich um das Unternehmen herum ständig alles ändert. Wenn der DaimlerChrysler-Vorstand feststellt, dass die bislang geplante Welt AG den Automobilkonzern im weltweiten Wettbewerb nicht voranbringt, ist es folgerichtig, die Taktik zu ändern und die Strategie den veränderten Bedingungen anzupassen. Im Sinne der Strategie handelte Vorstandschef Jürgen Schrempp richtig, als er sich von dem hoch verschuldeten japanischen Autobauer Mitsubishi trennte – auch wenn dies wie eine Abkehr von der Strategie aussieht. Die Strategie steht vermutlich gar nicht zur Debatte, denn Schrempp will weiterhin weltweit erfolgreich Autos bauen und den Wettbewerb bestehen. Nur hat er gesehen, dass die Strategie nicht mit dem japanischen Konzern im Verbund zu erreichen ist, sondern besser mit einem Mercedes-Benz-Werk in China. Sollte sich in den kommenden Jahren herausstellen, dass auch China als taktischer Zug nicht in die Strategie passt, wird der DaimlerChrysler-Vorstand eine andere Taktik wählen. Da die Branche in den führenden Wirtschaftszonen – USA, Europa, Japan – bereits mit horrenden Überkapazitäten von mindestens einer Million Autos im Jahr zu kämpfen hat, ist Schrempps Umdenken in jeder Hinsicht sinnvoll. Autokonzerne werden in Zukunft nicht mit der kostengünstigen Produktion von mehr Autos ihr Geld verdienen, sondern mit dem Nutzen von Autos – mit der Mobilität.

Die Volkswagen AG verfolgt diese Strategie. Einen Tag bevor Schrempp ankündigte, Mitsubishi nicht weiter zu stützen, hatte Volkswagen-Vorstand Bernd Pischetsrieder verkündet, dass Volkswagen die größte europäische Leasinggesellschaft für Autos übernehmen werde. Volkswagen wandelt sich seit einigen Jahren vom Autokonzern zum „Mobilitätsdienstleister“, wie es in der Eigenwerbung heißt. Also nicht nur Autos verkaufen, sondern Mobilität. Wenn sich das Unternehmen als Mobilitätskonzern versteht, eröffnet diese Strategie weitere taktische Möglichkeiten. Abgesehen von allen Komponenten des Autos und seiner Schmier- und Ersatzstoffe, die ständig verändert oder umweltfreundlicher gemacht werden können, eröffnet die Mobilität ein weites Feld. Ein Mobilitätskonzern kann Parkhäuser an Bahnhöfen bauen, einen lukrativen Regionalverkehr entwickeln oder die Car-Sharing-Gesellschaften in Großstädten übernehmen. Mobilität bezieht sich außerdem nicht ausschließlich auf den Transport eines Menschen von A nach B. Denn die Mobilität im Raum kann auch die Beweglichkeit in der Zeit beinhalten.

Volkswagen bietet sein Wissen aus der jahrelangen Erfahrung mit der Arbeitszeitflexibilität in einer Coaching-Gesellschaft an und hat ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm zu dem Thema entwickelt. Mit der Konzerneigenen Auto-Uni hat sich Volkswagen zudem einen Think-Tank geschaffen, der die eigenen Mitarbeiter ausbildet und so genau diesen „Wandel der Volkswagen AG zum Mobilitätsdienstleister“ unterstützt. Das dort gesammelte Wissen lässt sich in gleichem Maße vermarkten wie zur Erkundung neuer Märkte nutzen. Die Strategie des Mobilitätskonzerns eröffnet also neue Geschäftsfelder, die nicht einer Wertschöpfungskette folgen, sondern ein ganzes Wertschöpfungsnetz ermöglichen. Außerdem steht Volkswagen damit zugleich nicht mehr im Wettbewerb mit anderen Autokonzernen, sondern erfindet sich selbst eine neue Branche, in der das Unternehmen als First Mover keine direkte Konkurrenz hat. Zumindest dann, wenn Volkswagen es schafft, die Strategie umzusetzen. „Die Taktik ist die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht, die Strategie die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges“, schreibt Clausewitz.

„Die Strategie ist die ständige Erneuerung des Unternehmens durch eine Veränderung der Spielregeln“, sagt Koehler. Denn nicht nur die Strategie muss ständig überdacht und flexibel gehandhabt werden. Um überhaupt zu einer Strategie zu gelangen, müssen Unternehmenslenker feststellen, was sie anders als ihre Wettbewerber machen können. Nur wer anders ist, kann den Wettbewerbern das Feld streitig machen. Der Sinn der Strategie ist daher, erfolgreich durch Andersartigkeit zu sein. Wie Anderssein aussieht, muss ständig neu definiert werden. Denn was heute Avantgarde ist, wird morgen Mainstream sein. Die Wettbewerber eines Unternehmens werden versuchen, das andere Produkt oder die neue Dienstleistung nachzumachen und billiger anzubieten als der erste Anbieter – denn nur mit einer billigeren Variante können sie den Wettbewerbsvorteil des First Movers zerstören. „Die Effizienz ist der Feind der Strategie“, fasst Strategieberater Koehler knapp zusammen.

Strategie kann also gar nichts mit Kosten und Kapital zu tun haben. Wer anders sein will, muss sich auf Erfindungen und Erneuerungen konzentrieren. Die Kosten zu senken ist einfach. Die beste Voraussetzung für eine gelungene Strategie sind aber Innovationen, am besten mit einem Patent abgesichert. Kreativ zu sein, ist schwieriger. Zumal die Strategie nicht nur ein genialer Geistesblitz ist, der zu einem marktfähigen Produkt führt. Sie ist eine permanente Geistesleistung und vor allem eine Geisteshaltung. „Der Vorstand muss die schwachen Signale in der Außenwelt aufnehmen und als solche frühzeitig erkennen“, sagt Martin Koehler, „er muss seinen Blick über den Tellerrand schärfen, eigentlich muss er ständig auf Expeditionsreise sein.“ Ideen für Veränderungen und Innovationen können von überall her kommen, mit Glück sogar aus dem eigenen Unternehmen heraus. Da die meisten Innovationen jedoch nur Kombinationen von bereits Bestehendem sind, kann ein wacher Geist sich mindestens überall zu neuen Ideen inspirieren lassen. Die Beobachtung der Gesellschaft liefert eine gute Grundlage für die Strategie, insbesondere wenn das Unternehmen Konsumgüter herstellt. Nicht umsonst senden Bekleidungskonzerne ihre Trendscouts aus, um die modischen Befindlichkeiten der Zielgruppe zu ertasten.

Den Zeitgeist hat vor Jahren auch Howard Schultz erfühlt, als er den Laden von Starbucks Coffee, Tea and Spice in Seattle betrat. Schultz war damals noch Verkaufsleiter eines Haushaltwarenunternehmens in New York. Quer über den Kontinent hatte er jedoch eine Geschäftsidee gerochen. Und deswegen wollte er unbedingt als Manager bei Starbucks arbeiten. Aus dem ehemaligen Studentenunternehmen wollte er eine amerikanische Kette machen, was die Eigner der vier Läden in Seattle allerdings ablehnten. Sie hatten die Läden aus Begeisterung für stark gebrannten und sämigen Kaffee aufgemacht, nicht um einen Konzern zu gründen. Schultz gab jedoch nicht auf und begann schließlich, für die ehemaligen Blumenkinder aus San Francisco zu arbeiten. Seine Strategie für die weltgrößte Coffee-Shop-Kette entstand auf einer Expeditionsreise nach Mailand, wo er die Haushaltswarenmesse besuchte. Vor der Messe ging er in eine Espresso-Bar – und war begeistert. Er erkannte, dass er dieses Lebensgefühl aus Lässigkeit und Latte Macchiato auch in Amerika verkaufen würde. Er sah, dass eine urbane junge Bevölkerung in den USA ihren italienisch anmutenden Kaffee in einem europäisierten Ambiente trinken und dieses Erlebnis als Individualität empfinden würde. Um das Produkt – den Kaffee in verschiedenen Geschmacksrichtungen – ging es Schultz in den Coffee-Shops nur in zweiter Linie. Seine Strategie, ein Lebensgefühl zu verkaufen, ging auf: Starbucks ist heute mit weltweit rund 6000 Läden die größte Kaffeehaus-Kette.

Ein anderer Feind der Strategie ist Spezialistentum und Engstirnigkeit. Wer meint, alles zu wissen, guckt sich die Welt nicht mehr an. Er fragt nicht, er hört nicht zu und er wird beratungsresistent. Vor allem werden Besserwisser selten die Grundregel des strategischen Denkens berücksichtigen: Denke dich in dein Gegenüber hinein. Denn wer überzeugt ist, alles richtig zu machen, wird sich nicht in die Gedanken des anderen hineinversetzen. Doch strategisch denken kann nur, wer mindestens den nächsten Zug seines Wettbewerbers vorausdenken kann und am besten sogar mehrere Schritte weiterdenkt. So wie bei einer Partie Schach beide Spieler die nächsten Spielzüge des Mitspielers bedenken, müssen strategisch denkende Manager die möglichen Schritte der Wettbewerber vorausdenken.

Die Strategie zu finden ist schwierig, ihr zu folgen nicht minder kompliziert. Um die Strategie umzusetzen, braucht ein Unternehmen Führungspersönlichkeiten, die von der Spitze bis in die Eingangshalle die Strategie vorleben, kommunizieren, hinter ihr stehen und sie ständig an die äußeren Veränderungen anpassen. Besteht ein Unternehmensvorstand nur aus spezialisierten Dickschädeln, wird die beste Strategie scheitern. Führungskräfte brauchen daher die Leidenschaft und vielleicht auch den zeitweiligen Irrsinn eines Expeditionsreisenden, der immerzu und überall bereit ist, Neues zu entdecken.

Am Anfang war der Plan und er war gut

Werde reich und tue Gutes. So hieß der Plan der Unternehmerin Charlotte Tangerding. Es ist die Geschichte eines guten Plans, der am Ende nicht aufging. Das liegt in seinem Wesen. Der Plan ist der geistige Entwurf eines Ziels. Alle Handlungen, die unternommen werden, um das Ziel zu erreichen, müssen sich an ihm orientieren. So sehr verbindlich der Plan sein muss, so wenig darf er statisch sich. Deshalb ist es manchmal der beste Plan, vom Plan abzuweichen, um langfristig erfolgreich zu sein.

Es ist eiskalt. Es ist einer der letzten, kalten Wintertage in diesem Jahr. Der Blick, den die großzügige Glasfront des am äußersten Ortsrand gelegenen Werkhaus Moosach auf das Glonner Tal freigibt, fängt nichts ein als trostloses, konturloses Weiß. Dabei will jetzt auch hier im Alpenvorland niemand mehr Schnee sehen. In diesen Tagen werden nur noch die Wärme des Frühlings erwartet und die Farben, die er mitbringt, und der Neuanfang, den er verspricht.

Auf den hofft Axel Tangerding dieser Tage auch. Seit er, der Sohn der Firmengründer, am 10. Februar 2004 Insolvenz für die Südstahl GmbH anmelden musste, ist er viel zu Hause. Er hat jetzt Zeit zum Nachdenken. 58 Jahre lang haben die Tangerdings in ihrem mittelständischen Unternehmen bei Donauwörth Stahlbauten konstruiert. Nun kann der Firmenerbe neue Pläne schmieden. Während der Insolvenzverwalter rettet, was vom Familienunternehmen noch zu retten ist, sind ihm als Beiratsvorsitzendem die Hände gebunden. Dabei sieht Axel Tangerding mitgenommen aus, auch wenn er viel lacht. Fast ein wenig trostlos wie der Blick aus seinem Fenster. Obendrein ist die Heizung des großen Hauses ausgefallen. Es ist eiskalt.

Der Stahl bildete lange das Gerüst der Familie Tangerding. „Ich liebe dieses Material“, sagt Axel Tangerding, „vor allem seinen schwefeligen Geruch beim Schweißen.“ Axel Tangerding lebt im industriedesignten Stahl statt zwischen Geranien. Das von ihm selbst entworfene und 1977 fertig gestellte Werkhaus Moosach passt so gar nicht in die stereotyp bürgerliche Idylle, die das Dorf verbreitet. Vom künstlerischen Konzept des Bauhaus inspiriert hat er riesige Stahlträger als gut sichtbares Stützgerüst für sein Haus verwendet. Darin hat er einen Innenraum konstruiert mit fünf offenen, kompliziert ineinander verschachtelten Ebenen. Ganz unten öffnet sich ein Theaterraum mit Tribüne, auf der hundert Zuschauer Platz finden, darüber die Etagen mit den Privaträumen der Familie und ganz oben mehrere Gästezimmer, in denen Axel Tangerding ausländische Schauspieler beherbergt.

Axel Tangerding hält nichts vom Entweder-oder-Prinzip. Er schafft lieber Verbindungen zwischen Materialien, zwischen Kulturen oder Konfliktpartnern. Axel Tangerding ist viele. Er ist Architekt. Er ist Theaterregisseur. Er ist Besitzer und Gründer des Meta Theaters. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes. Er ist Unternehmersohn. Und seit dem Tod seiner Mutter Charlotte vor zwei Jahren ist er auch Besitzer eines Stahl- und Maschinenbauunternehmens, Stiftungsvorstand und Interimsmanager. „Ich habe dazu keine Business School gebraucht. Ich habe schon als Kind aus einer Unternehmerehe Management geatmet“, erzählt er.

Das Planen hat Axel Tangerding allerdings in seinem Architekturstudium gelernt. In der Architektur läuft die Finanzplanung parallel zur Bauplanung. Der Architekt muss ein Projekt akquirieren, seine Pläne vorstellen, einen Finanzplan erstellen, dem Bauherrn die Kosten und den Nutzen vorrechnen, mit Behörden umgehen, seine Ziele politisch durchsetzen und die kritische Linie halten. „Weil gute Planung Werte schafft und Geld spart, war es immer mein Ehrgeiz, kostengünstig zu bauen“, sagt Tangerding, der kurz nach seinem Studium das Verwaltungsbüro für die Südstahl GmbH baute. So blieb das Geld in der Familie. 1970 lief in dem Familienbetrieb noch alles nach Plan.

Alles hatte ja auch so gut angefangen.1946 übernahmen Dr. Werner Tangerding und seine Frau Charlotte in Donauwörth ein zerbombtes Werk der Flick-Dynastie und polierten es zu neuem Glanz. Mit der Produktion von Stahlbeton besetzte die Südstahl nach dem Krieg eine lukrative Marktnische und profitierte vom Wiederaufbau des zerstörten Landes. Als Tangerding senior 1956 starb, übernahm seine Witwe und die Mutter der beiden Söhne die Werksleitung. „Ab da waren wir drei Geschwister – mein Bruder, ich und die Firma“, berichtet Axel Tangerding.

Charlotte Tangerding, eine resolute Matriarchin, führte den Betrieb und seine Mitarbeiter als wären sie Teil der Familie. Eine solche Symbiose ist für ein Familienunternehmen durchaus charakteristisch, lehrt das Deutsche Bank Institut für Familienunternehmen Witten/Herdecke. Doch im Falle der Charlotte Tangerding war es noch mehr. Dass sie keine Unterschiede machte, war Bestandteil des Plans, den die Unternehmerin verfolgte: Sie wollte einen Ausgleich schaffen zwischen Kapital und Arbeitern.

Die Chefin der Südstahl GmbH nahm in den 1960er Jahren intensiv Anteil an den gesellschaftspolitischen Diskussionen um eine neue Welt- und Wirtschaftsordnung. In ihrem Haus verkehrten Dichter, Denker und politische Neuerer, darunter der Moraltheologe Oswald von Nell-Breuning. Er wollte den sozialen Ausgleich von Kapital und Arbeit. Und er wollte die christliche Arbeiterschaft mit den Gewerkschaften versöhnen. Charlotte Tangerding war begeistert. Sie glaubte an die Idee der „Neutralisierung des Kapitals“. Wer als Unternehmer durch eine gemeinschaftliche Leistung mit seinen Angestellten Gewinn erwirtschaftet, ist verpflichtet, diesen Gewinn zu teilen. Als Unternehmer mit den Angestellten und als soziales Wesen, das von der Gesellschaft profitiert, mit der Allgemeinheit. Für Charlotte Tangerding war soziales Engagement keine edle Geste, sondern oberstes Unternehmergebot. Dass ihr Eigentum sie verpflichtet, wie es im Grundgesetz steht, davon war sie überzeugt. Und sie handelte plangerecht.

Im Jahr 1970 veränderte die Unternehmerin die Betriebsstruktur der Südstahl GmbH und führte die Teamarbeit ein. Gleichzeitig setzte sie ein Sozialmodell für ihre Angestellten durch, das diese sowohl am Gewinn als auch am Unternehmen beteiligte. Und beeinflusst vom innovativen Geist der 68er-Be-wegung tat Charlotte Tangerding noch mehr Revolutionäres. Ebenfalls 1970 trennte sie sich von 72 Prozent des in Familienbesitz befindlichen Kapitals und brachte es unwiederbringlich für ihre Söhne in die von ihr gegründete Werkstiftung Donauwörth ein.

Jetzt war ihr Neutralisierungsplan vollzogen. Aus dem Gewinn, den die Südstahl erwirtschaftete, hat die Stiftung Künstler gefördert, einen Künstleraustausch zwischen Bayern und Sachsen finanziert, Häftlinge bei der Resozialisierung unterstützt und überhaupt viel Gutes getan. 1996 hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog der Menschenfreundin Charlotte Tangerding das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, um ihre herausragenden Verdienste im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich zu würdigen.

Tatsächlich hat der „Sozial- und Wirtschaftsplan“ der grundgesetztreuen Unternehmerin funktioniert. Noch im Jahr 1991 war das Familienunternehmen mit einem Eigenkapitalanteil von 60 Prozent überaus erfolgreich. Und solange die Südstahl Gewinn machte, flossen auch die Fördergelder aus der Stiftung. Doch spätestens jetzt hätte der Plan überdacht werden müssen. Was, wenn der Gewinn ausbleibt? Was, wenn der stark durch familiäre Strukturen geprägte Zusammenhalt im Unternehmen bröckelt? Was, wenn nichts bleibt, wie es ist, oder niemand erkennt, das längst alles anders sein müsste? Charlotte Tangerding erlag der bedrohlichen Verführung, zu lange an ihrem Erfolgsrezept festzuhalten. Auch das ist laut Deutsche Bank Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke typisch für Familienunternehmer.

Noch im gleichen Jahr wurde in der Südstahl der erste einer Reihe von Geschäftsführern eingesetzt, deren „Herz nicht am Unternehmen hing“, erzählt Axel Tangerding. Dass es nur eine Ausnahme gab, war schwierig für den Betrieb, der bis dahin sehr emotional geführt worden war. Die Qualität des Managements ließ nach und die Angestellten waren verunsichert. Schlimmer war allerdings, dass das Firmenoberhaupt die Zeichen der Zeit verkannte. Die Südstahl war kein Familienbetrieb mehr. Ihrem Sohn Axel gestattete Charlotte Tangerding nicht, das Ruder in der Firma zu übernehmen. Aber den Übergang vom Familienbetrieb zum fremdgemanagten Unternehmen wollte sie auch nicht konsequent vollziehen. Statt dessen blieb Charlotte Tangerding selbst als Stiftungsvorstand und Hauptgesellschafterin im Amt, bis sie 86 Jahre alt war. Die Südstahl schlingerte auf einem unklaren Kurs.

Für ihren Sohn ist es nicht leicht, „der großen alten Dame“ Managementfehler zu attestieren. Doch die Nachfolgeregelung war verunglückt. Axel Tangerding hätte vieles anders gemacht. „Auch ein Sozialmodell muss gelebt werden“, sagt er und meint, dass nach dem ersten großen Wurf an der Beteiligungsform der Mitarbeiter nie wieder etwas verändert worden ist. Er hätte auch ein modernes Modell für die Betriebsrenten entwickeln wollen, die Mitarbeiter der Südstahl zu Kapitalgebern des Unternehmens gemacht und ihre Anteile rückversichert für den Fall der Insolvenz. Beide Seiten hätten profitiert. Die Südstahl hätte sich das Geld für notwendige Investitionen nicht teuer am Kapitalmarkt beschaffen müssen. Und die Mitarbeiter wären übertariflich bezahlt worden, hätten ihr Geld gut angelegt und nicht verloren. Doch dieser Plan ist perdu.

Als Axel Tangerding im Jahr 2002, nach dem Tod der Mutter, den Vorsitz der Stiftung, den Vorsitz im Beirat der Gesellschaft und den Posten als Interimsmanager übernimmt, ist es zu spät für eine wirksame Kursänderung. Das Ergebnis einer Unternehmensanalyse war verheerend ausgefallen. Das Eigenkapital war weitgehend aufgebraucht. Die Kontrolle über die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Firmenzweige war vernachlässigt worden. Die Südstahl hatte auf falsche Produktlinien gesetzt. Das Unternehmen hatte seit langem rote Zahlen geschrieben und damit lag auch die Stiftung brach, die auf Gewinnausschüttung angewiesen war. Dazu war das mittlere Management seiner Führungsaufgabe nicht nachgekommen, weil ihm selbst die klare Führung gefehlt hatte.

„Ich war auch nicht sicher, ob wir als Gemeinschaft in der Firma noch fähig wären für einen Perspektivenwechsel“, gesteht Axel Tangerding. Denn das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das die Südstahl als Familienunternehmen ausgemacht hatte, war weg. Seit 2001 war die Südstahl offiziell als „eine Firma in der Krise“ gebrandmarkt. Ein juristischer Terminus, aufgrund dessen der Firmenleitung bestimmte Transaktionen nicht mehr erlaubt sind. „Wir waren eine gläserne Firma“, sagt Axel Tangerding. „Jeder wusste, wir dürfen uns keine Fehler erlauben.“ Tangerding wollte eigentlich nur „mit Anstand die Bücher schließen“. Dann schmiedete er doch noch einen Rettungsplan. Vielleicht aus Familiensinn, sicher aber aus Verantwortungsbewusstsein für die Mitarbeiter.

Jetzt ging es für Tangerding nicht mehr um die Devise „Werde reich und tue Gutes“. Jetzt ging es nur noch ums Überleben. Als erstes schloss er die Handelsabteilung der Südstahl. Jeder Baumarkt konnte die Produkte für den Heizungs- und Sanitärmarkt inzwischen günstiger anbieten als die Südstahl. Statt dessen lautete der Plan, sich auf nur mehr zwei Geschäftsbereiche zu konzentrieren. Zum einen auf den Stahlhochbau, wo die Südstahl profitable Geschäfte, etwa mit einer Lackierstraße für BMW, gemacht hatte. Und zum anderen die Produktion von Komponenten, die im Maschinenbau verwendet werden. Dies schien ebenfalls ein erfolgversprechendes Geschäft zu sein. Die missliebigen Manager mussten gehen und Tangerding fand auch einen neuen Geschäftsführer. Eine robuste, durchsetzungsstarke Persönlichkeit, der die kreditgebenden Banken ebenso wie die verunsicherte Belegschaft vertrauten.

Doch letztlich war doch alles vergeblich. Anfang 2004 stand die Südstahl vor dem Aus. Im Sommer 2003 hatte die Südstahl mit zwei Aufträgen rote Zahlen geschrieben. Es war viel Pech im Spiel, denn „eigentlich waren es 08/ 15-Aufträge“, sagt Tangerding. Jedenfalls konnte die Südstahl die schwarze Null als ihr Jahresbilanzziel nicht erreichen. Es fand sich kein Investor, und auch 3,5 Stunden Mehrarbeit pro Woche ohne Lohnausgleich retteten die Firma nicht. Die Werkstiftung Donauwörth als Hauptgesellschafter konnte kein Kapital zuschießen. Der Plan hatte ja vorgesehen, das die Stiftung Kapital vom Unternehmen bekommt. Nicht umgekehrt. Die Banker waren nicht amüsiert und kürzten die Kreditlinien. Die Südstahl GmbH gehört jetzt zu den über 90 Prozent Familienunternehmen, die durch einen missglückten Übergabeplan an die nächste Generation gescheitert sind.

Am 10. Februar 2004 meldete die Südstahl GmbH nach 58 Jahren Betriebsdauer Insolvenz an. 131 Arbeitsplätze sind gefährdet. „Die GmbH ist platt, die Werkstiftung ist vor dem Aus und historisch gesehen ist der Schaden immens“, sagt Tangerding, der nach dem Hammerschlag seine Energien wieder mobilisiert hat. Er hofft, dass dieser Effekt auch bei den Angestellten der Südstahl eintritt – nach der Trauerphase. Etwa bei der Sekretärin, die einen Tag nach der Insolvenz in Schwarz gekleidet ins Büro kam.

Für sich selbst hat er schon neue Pläne. Nicht als Manager, sondern als Theaterregisseur. „Daran hängt mein Herz wirklich“, gibt er zu und diesmal lachen auch seine Augen. Das mobile Theaterprojekt „Kultur auf Rädern“, das Axel Tangerding mit Ideen beliefert, tourt seit Januar 2004 durch die bayerischen Kinderkliniken, Drogenzentren und Justizvollzugsanstalten. Aufgeführt wird eine neue Inszenierung des „Ikarus“, die Geschichte von einem, der mit Flügeln aus Federn und Wachs der Sonne zu nahe kam und ins Meer stürzte. Jeder Absturz tut weh. Doch am Ende hält es Axel Tangerding mit Bert Brechts Ballade von der Unzulänglichkeit des menschlichen Planens aus der Dreigroschenoper: „Ja, mach nur einen Plan. Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Geh’n tun sie beide nicht. Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlecht genug. Doch sein höh’res Streben ist ein schöner Zug“. Der Mann hat Humor.

Die heimlichen Chronisten der Zeit

William Byrd II von Westover (1674–1744), Plantagenbesitzer in Virginia, Rechtsanwalt und Autor, führte mit pedantischer Präzision Tagebuch. Er folgte dem Taktschlag eines neuen Zeitalters und notierte sogar die Art und die Häufigkeit des täglichen Beischlafs. Die Geschichte des modernen Zeitmanagements hat begonnen. Dass die Zeit im Zuge der Industrialisierung als produktiver Faktor nutzbar gemacht wurde, war für den wirtschaftlichen Erfolg der westlichen Welt entscheidend. Doch die Wissensgesellschaft verlangt einen veränderten Umgang mit der Zeit. Diese zweite Zeitrevolution zu gestalten ist eine entscheidende Managementaufgabe im 21. Jahrhundert.

Der kultivierte Gentleman ist ein Sklaventreiber. Auf seiner riesigen Plantage, die in der ältesten der amerikanischen Kolonien Virginia malerisch am James River gelegen ist, herrscht Südstaatenidylle. Das prunkvolle Anwesen