Quirkologie - Richard Wiseman - E-Book

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Richard Wiseman

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Beschreibung

Quirkologie ist eine neue Disziplin der Verhaltenspsychologie, die Professor Richard Wiseman seit über zwanzig Jahren betreibt. Mit wissenschaftlichen Methoden untersucht er die erstaunlichsten Aspekte menschlichen Verhaltens: wie unser Vorname unsere Persönlichkeit beeinflusst, warum September-Kinder besser in Sport sind, ob Freitag der 13. tatsächlich eine Gefahr für unsere Gesundheit darstellt - und welches der lustigste Witz der Welt ist. »Wiseman hat einen Riecher für populäre Themen und ein bemerkenswertes Geschick, Fragen auf eine Art anzugehen, wie es noch keiner vor ihm getan hat.« Die Zeit

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Richard Wiseman

Quirkologie

Die wissenschaftliche Erforschung unseres Alltags

Aus dem Englischen von Sebastian Vogel

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungWozu ist eine solche [...]Der geheimnisvolle Q-TestSie können den Buchstaben [...]EinleitungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6EpilogFür die weltweite Ausrottung der ADPGDas große GeheimexperimentDanksagungen

Für Mum und Dad

Wozu ist eine solche Studie gut? Dass in dieser Frage eine unausgesprochene Kritik steckt, hat mich nie gestört. In meinen Augen ist jede Tätigkeit wertvoll, wenn sie die Neugier befriedigt, die Fantasie anregt und unseren Kenntnissen über die Gesellschaft eine neue Facette hinzufügt.

 

Stanley Milgram, The Individual in a Social World

Der geheimnisvolle Q-Test

Bevor wir anfangen, nehmen Sie sich bitte einen Augenblick Zeit für folgende Übung.

 

Zeichnen Sie sich mit dem Zeigefinger Ihrer dominanten Hand den Buchstaben Q auf die Stirn.

 

Das kann man auf zweierlei Weise tun.

 

Mehr erfahren Sie auf der nächsten Seite.

 

Sie können den Buchstaben Q so zeichnen, dass der kleine Schrägstrich des Q zum rechten Auge weist:

Dann können Sie das Q lesen, nicht aber jemand, der Sie ansieht.

 

Oder aber Sie zeichnen den Schrägstrich in Richtung des linken Auges:

Dann kann jemand, der Sie ansieht, das Q lesen, Sie selbst aber nicht.

 

Wie wir später genauer erfahren werden, sagt die Art, wie Sie die Aufgabe lösen, viel über einen wichtigen Aspekt Ihres Lebens aus.

Einleitung

Was Quirkologie ist, warum sie eine Bedeutung hat sowie Geheimuntersuchungen über die Wissenschaft der Teezubereitung, die Macht des Gebets, die Persönlichkeit von Früchten und den Ursprung der La-Ola-Wellen.

Schon seit Langem faszinieren mich die seltsamen Seiten des menschlichen Verhaltens.

Als ich anfing, Psychologie zu studieren, stand ich stundenlang im Londoner Bahnhof King’s Cross und beobachtete Menschen, die ihre Partner gerade vom Zug abgeholt hatten. In dem Augenblick, wenn sie in leidenschaftlicher Umarmung gefangen waren, ging ich zu ihnen, setzte eine in meiner Hosentasche verborgene Stoppuhr in Gang und fragte: »Entschuldigung, würden Sie bei einem psychologischen Experiment mitmachen? Wie viele Sekunden sind vergangen, seit ich ›Entschuldigen Sie …‹ gesagt habe?« An den Ergebnissen konnte ich ablesen, dass Menschen die Zeit stark unterschätzen, wenn sie verliebt sind, oder, wie Einstein einmal sagte: »Sitzt man mit einer schönen Frau eine Stunde zusammen, kommt es einem wie eine Minute vor, sitzt man aber eine Minute auf einer heißen Herdplatte, erscheint es einem wie eine Stunde – das ist Relativität.«

Das Interesse an den eher ungewöhnlichen Aspekten der Psychologie hat mich während meiner gesamten Berufslaufbahn nicht verlassen. Ich bin nicht als erster Wissenschaftler gefesselt von diesem Ansatz der Verhaltensforschung. In jeder Forschergeneration gab es eine geringe Zahl von Menschen, die das Seltsame, Ungewöhnliche untersuchten.

Als Begründer der ganzen Richtung kann man Sir Francis Galton bezeichnen, jenen eigenbrötlerischen viktorianischen Wissenschaftler, der einen großen Teil seines Lebens der Beschäftigung mit ausgefallenen Themen widmete.[1] Ganz objektiv ermittelte er, wie langweilig die Vorlesungen seiner Kollegen waren: Dazu zählte er immer wieder, wie oft die Zuhörer herumzappelten. Ebenso stellte er eine »Schönheitskarte« Großbritanniens auf, indem er die Hauptstraßen der großen Städte entlangspazierte und mit einem Zählapparat in der Hosentasche heimlich festhielt, ob die Vorübergehenden gut, mittelmäßig oder schlecht aussahen (wobei London am besten und Aberdeen am schlechtesten abschnitt).

Umstrittener waren Galtons Untersuchungen zur Wirksamkeit von Gebeten.[2] Wenn Gebete wirklich etwas bewirkten, so seine Hypothese, müssten die Angehörigen des Klerus – die sicher mehr und inniger beteten als die meisten anderen – eine besonders hohe Lebenserwartung haben. Als er aber Hunderte von Einträgen in biografischen Lexika analysierte, stellte er fest, dass Geistliche in Wirklichkeit früher starben als Anwälte und Ärzte; nun war der tiefreligiöse Galton gezwungen, die Wirksamkeit von Gebeten infrage zu stellen.

Selbst die Teezubereitung erregte Galtons Interesse: Er brachte Monate damit zu, die beste Methode zur Herstellung einer perfekten Tasse Tee auszutüfteln. Dazu konstruierte er unter anderem ein Spezialthermometer, mit dem er die Wassertemperatur in seiner Teekanne ständig überwachen konnte. Nach umfangreichen Versuchen gelangte er schließlich zu dem Schluss:

Der Tee war körperreich, voller Geschmack und kein bisschen bitter oder fade … wenn das Wasser in der Teekanne ständig bei 180 bis 190 Grad Fahrenheit blieb und acht Minuten auf den Blättern gestanden hatte.[3]

Voller Zufriedenheit über seine gründliche Untersuchung erklärte Galton stolz: »Andere Geheimnisse in der Teekanne gibt es nicht.«

Auf den ersten Blick wirken Galtons Untersuchungen zu Langeweile, Schönheit und Teezubereitung sehr unterschiedlich, aber alle sind ausgezeichnete frühe Beispiele für eine Methode zur Erforschung menschlichen Verhaltens, die ich als »Quirkologie« bezeichne.

Einfach ausgedrückt, geht es in der Quirkologie darum, die seltsameren Aspekte unseres Alltagslebens mit naturwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Auf diesem Teilgebiet der Psychologie haben einige wenige Wissenschaftler in den letzten hundert Jahren Pionierarbeit geleistet, aber es wurde nie offiziell als Fachgebiet anerkannt. Die beteiligten Forscher wandelten auf Galtons Spuren und hatten den Mut, in jenes Neuland vorzustoßen, das Mainstream-Akademiker nicht zu betreten wagen. Unter anderem

untersuchten sie, wie viele Menschen nötig sind, um in einem Fußballstadion eine »La Ola«-Welle auszulösen;[4]

ermittelten sie die Kapazitätsgrenze des visuellen Gedächtnisses, indem sie Menschen baten, sich 10000 Fotos genau einzuprägen;[5]

erforschten sie, welche Persönlichkeitsmerkmale verschiedenen Obst- und Gemüsesorten zugeschrieben werden (Zitronen gelten beispielsweise als unangenehm, Zwiebeln als dumm und Champignons als soziale Aufsteiger);[6]

zählten sie, wie viele Menschen ihre Baseballkappen richtig herum oder mit dem Schirm nach hinten tragen;[7]

stellten sie sich mit Spendensammelbüchsen auf Supermarkt-Parkplätze und maßen, wie sich die Formulierung der Bitte um Spenden auf die gespendete Summe auswirkte (die Aussage »jeder Pfennig hilft« führte zu einer Verdoppelung der Spenden);[8]

entdeckten sie, dass der Weihnachtsmann auf Kinderzeichnungen in der Adventszeit immer größer wird und dann im Januar wieder zusammenschrumpft.[9]

Ich selbst habe in den letzten zwanzig Jahren viele ähnlich seltsame Forschungsarbeiten zum Verhalten der Menschen durchgeführt. Ich habe untersucht, mit welchen Anzeichen sich ein Lügner verrät, wie unsere Persönlichkeit durch den Geburtsmonat geprägt wird, welche Geheimwissenschaft hinter Speed-Dating und Kontaktanzeigen steht und was der Sinn für Humor bei einem Menschen über die innersten Funktionen seines Geistes aussagt. Im Rahmen meiner Arbeiten beobachtete ich heimlich, wie Menschen ihren Alltagstätigkeiten nachgingen; ich führte in Kunstausstellungen und Konzerten ungewöhnliche Experimente durch, und ich inszenierte sogar Pseudoseancen in angeblichen Spukhäusern. An den Studien beteiligten sich Tausende von Menschen aus der ganzen Welt.

Über diese Abenteuer und Experimente berichte ich in dem vorliegenden Buch. Gleichzeitig ist es eine Hommage an die ungewöhnlichen Forschungsarbeiten jener kleinen Gruppe engagierter Wissenschaftler, die während der letzten hundert Jahre die Fahne der Quirkologie hochgehalten haben.

Jedes Kapitel beschäftigt sich mit der geheimen Psychologie hinter einem anderen Aspekt unseres Lebens, von der Täuschung bis zur Entscheidung und vom Egoismus bis zum Aberglauben. Unterwegs werden uns viele meiner Lieblingsbeispiele für seltsame, aber faszinierende Forschungsarbeiten begegnen. In den Experimenten ging es beispielsweise darum, mit dem Auto an einer Verkehrsampel stehen zu bleiben und das Ausmaß des nachfolgenden Gehupes zu messen; zu untersuchen, warum eine unverhältnismäßig große Zahl von Meeresbiologen den Namen Dr. Fish trägt; heimlich zu analysieren, was für Leute mehr als zehn Artikel durch die Expresskasse der Supermärkte schleusen; Menschen zu bitten, eine Ratte mit einem Küchenmesser zu enthaupten; festzustellen, ob die Selbstmordquote im Zusammenhang mit der Menge der im Radio gespielten Countrymusik steht; und zweifelsfrei nachzuweisen, dass Freitag, der 13. ein ungesunder Tag ist.

Die Forschungsarbeiten, von denen hier die Rede sein wird, waren in ihrer Mehrzahl bisher in abgelegenen Fachzeitschriften begraben. Es handelt sich dabei um ernsthafte Wissenschaft, und manches davon hat wichtige Auswirkungen auf unser Leben und die Struktur unserer Gesellschaft. Aber im Gegensatz zur überwiegenden Mehrzahl der psychologischen Forschungen haben alle diese Studien etwas Kauziges. In manchen dienten allgemein übliche Methoden zur Klärung ungewöhnlicher Fragen. Andere gingen allgemein verbreitete Fragestellungen mit ungewöhnlichen Methoden an. Und alle sind die Folge des ungewöhnlichen Verhaltens von Verhaltensforschern.

Los geht’s mit der Quirkologie!

Kapitel 1

Was sagt das Geburtsdatum wirklich über uns aus?Die neue Wissenschaft der Chronopsychologie

Wie das Leben von Massenmördern zur Überprüfung der Astrologie diente, ob wir wirklich als Glückspilze geboren werden, warum Reiche und Prominente uns über den Tag ihrer Geburt belügen und wie manche Menschen buchstäblich dafür sterben, Steuern zu sparen.

Ungefähr hundert Millionen US-Amerikaner lesen ihr Tageshoroskop, und rund sechs Millionen lassen ihre Persönlichkeit von professionellen Astrologen analysieren.[10] Da kann man leicht die Ansicht vertreten, die Astrologie habe sich bewährt. Selbst die Mächtigen der Welt sind nicht immun gegen die Verlockungen der wahrsagenden Sternendeuter. Ronald und Nancy Reagan befragten gern den Kosmos und ließen zu, dass Astrologen Einfluss auf viele Aspekte ihres politischen Lebens nahmen, unter anderem auf den Zeitpunkt von Gipfeltreffen und Verlautbarungen oder den Flugplan der Präsidentenmaschine.[11]

Im Laufe der Jahre haben einige höchst engagierte Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem Leben der Menschen und ihrem Geburtsdatum untersucht. Sie beschäftigten sich mit Massenmördern, ackerten sich durch Millionen Steuererklärungen, analysierten die Geburtsdaten von Erstliga-Fußballspielern, fragten online mehr als 20000 Menschen nach ihrem Glück und erkundigten sich bei einem vierjährigen Kind, wie sich die internationalen Aktienmärkte in Zukunft entwickeln würden. Langsam, aber sicher trennten sich durch ihre Arbeiten die Fakten von den Fiktionen, und es zeigte sich, auf welch vielfältige Weise unser Geburtsdatum sich tatsächlich auf unser Denken und Handeln auswirkt.

Propheten und Profite

Die British Association for the Advancement of Science (BAAS) wurde 1831 von dem bekannten schottischen Wissenschaftler Sir David Brewster gegründet. Die BAAS erlangte in mehrfacher Hinsicht Berühmtheit. Der Begriff »Dinosaurier« wurde 1841 auf einer ihrer Tagungen zum ersten Mal verwendet, und auf der Jahrestagung 1860 glänzte der Physiker Sir Oliver Lodge mit einer der ersten öffentlichen Vorführungen einer drahtlosen Übertragung. Ebenfalls im Jahr 1860 organisierte die Gesellschaft jene berühmte Podiumsdiskussion zwischen dem Biologen T. H. Huxley und Samuel Wilberforce, dem Bischof von Oxford (der wegen seiner aalglatten Äußerungen in theologischen Diskussionen den Beinamen »Soapy Sam« trug). Gerüchten zufolge wandte Wilberforce sich während der Diskussion an Huxley und fragte: »Stammen Sie nun vonseiten Ihrer Großmutter oder Ihres Großvaters von Affen ab?« Woraufhin sich Huxley unbeeindruckt an seine Kollegen wandte und leise murmelte: »Der Herr hat ihn in meine Hand gegeben.« Dann erklärte er laut, er stamme lieber von einem Affen ab als von einem Bischof.

Heute organisiert die BAAS jedes Jahr ein großartiges nationales Wissenschaftsfestival, das eine Woche dauert. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde ich 2001 eingeladen, ein Experiment durchzuführen. Kurz nachdem ich die Einladung erhalten hatte, stieß ich auf einen Zeitungsartikel über die neueste Mode der Sternenguckerei: die Finanzastrologie. Dem Bericht zufolge behaupteten manche Wahrsager, man könne anhand des Gründungstages einer Firma etwas über ihren zukünftigen finanziellen Erfolg aussagen. Wenn das stimmt, ergeben sich für die Investoren auf der ganzen Welt völlig neue Möglichkeiten, und deshalb stand mein Entschluss fest: Ich wollte herausfinden, ob himmlische Abläufe tatsächlich von Bedeutung für Bilanzen sind.

An dem Experiment nahmen drei Personen teil: eine Finanzastrologin, ein erfahrener Börsenanalyst und ein kleines Kind. Zu Beginn gaben wir jedem der drei ein fiktives Guthaben von 5000 Pfund, und dieses Geld sollten sie nach bestem Wissen auf dem Aktienmarkt anlegen. Dann verfolgten wir eine Woche lang ihre Entscheidungen. Wer würde sein Geld am klügsten anlegen?

Einen Astrologen zu finden, der bei einer solchen Studie mitmacht, ist bekanntermaßen schwierig. Die Vertreter dieser Zunft sind in ihrer großen Mehrzahl nicht bereit, ihre Behauptungen überprüfen zu lassen, und wenn sie sich überhaupt dafür interessieren, sind sie meistens mit den Bedingungen eines naturwissenschaftlichen Experiments nicht einverstanden. Aber nach ein paar Dutzend Telefongesprächen fanden wir schließlich eine professionelle Finanzastrologin, die an dem Projekt Spaß zu haben schien, und sie war so freundlich, die Herausforderung anzunehmen.

Die beiden anderen Versuchskaninchen zu rekrutieren war einfacher. Nach einer schnellen Internetsuche und ein paar Telefongesprächen hatten wir einen erfahrenen Finanzanalysten gefunden, der gern bereit war, in den Ring zu steigen. Und schließlich erklärte der Bekannte eines Bekannten, er werde seine Tochter fragen, ob die die dritte Teilnehmerin sein wollte. Die Abmachung wurde mit einem Schokoriegel besiegelt, und das Team wurde durch Tia vervollständigt, ein vierjähriges Mädchen aus dem Osten Londons, das keine Erfahrung mit Geldanlagen hatte. Nachdem Barclay’s Stockbrokers, eine der führenden britischen Investmentfirmen, die Rolle des Schiedsrichters übernommen hatte, konnten wir loslegen.

Die drei Freiwilligen durften ihr Geld bei den hundert größten Unternehmen Großbritanniens anlegen. Unsere Finanzastrologin analysierte sehr genau die Gründungsdaten der Firmen und entschied sich sofort für verschiedene Branchen, darunter Telekommunikations- und Technologiekonzerne (Vodafone, Emap, Baltimore Tech und Pearson). Der Investmentbanker griff auf seine siebenjährige Erfahrung zurück und entschloss sich, vorwiegend in die Kommunikationsbranche zu investieren (Vodafone, Marconi, Cable&Wireless und Prudential).

Tias Entscheidungen sollten ausschließlich vom Zufall abhängen, und sie erklärte sich fröhlich zu einem niedlichen Auswahlverfahren bereit, bei dem eine Trittleiter und ein großes Blatt Papier wichtige Funktionen erfüllten. Am 15. März 2001 um 11 Uhr 55 stand ich schwankend oben auf einer Trittleiter mit sechs Sprossen im Marmorfoyer von Barclay’s Stockbrokers. Tia und eine kleine Gruppe führender britischer Investoren warteten geduldig unter mir auf dem Fußboden. Ich klammerte mich mit einer Hand an die Leiter und hielt mit der anderen hundert kleine Papierfetzen fest, auf denen jeweils der Name eines Unternehmens stand. Als die Uhr zwölf schlug, warf ich die Zettel hoch in die Luft, und während sie sanft zu Boden flatterten, griff Tia sich vier davon heraus. Vorsichtig reichte sie die Zettel ihrer Mutter, und die gab bekannt, in welche Unternehmen ihre Tochter investieren werde: eine Großbank (Bank of Scotland), einen Konzern mit mehreren allgemein bekannten Getränkemarken (Diageo), einen Finanzdienstleister (Old Mutual) und eine führende Supermarktkette (Sainsbury). Die Zuschauer applaudierten, und Tia knickste vor ihrem kleinen, aber sachverständigen Publikum.

Damit es möglichst gerecht zuging, durften die Teilnehmer an unserem einwöchigen Experiment ihre Anlageentscheidungen nach einigen Tagen revidieren. Die Finanzastrologin befragte erneut die Sterne und tauschte drei ihrer Investments aus. Am Ende enthielt ihr Portfolio BOC, BAE Systems, Unilever und Pearson. In einem Gespräch mit Journalisten rechtfertigte sie ihre Entscheidung damit, dass hinter den genannten Unternehmen gute Planeten stünden.[12] Unser Investmentexperte blieb bei seinen Entscheidungen. Tia wählte in einer zweiten Runde des zufälligen Zettelwerfens Amvescap, Bass, Bank of Scotland und Halifax.

Als die Woche um war, versammelten wir uns erneut bei Barclay’s Stockbrokers und verglichen die Ergebnisse. Es war am Aktienmarkt eine sehr turbulente Woche gewesen, in der sich der Wert der führenden Weltkonzerne um viele Milliarden Pfund verringert hatte. Seltsamerweise hatte keiner unserer beiden Experten den Crash kommen sehen. Wie bei dem dramatischen Abwärtstrend nicht anders zu erwarten, hatten alle drei Teilnehmer Geld verloren. Den letzten Platz belegte die Finanzastrologin, die mit ihren himmlischen Entscheidungen einen irdischen Verlust von 10,1 Prozent eingefahren hatte. Knapp darüber lag der Profiinvestor mit einem Verlust von 7,1 Prozent. Und der Sieger schließlich war Tia mit einem Verlust von nur 4,6 Prozent.

Unser Investmentexperte zeigte nicht gerade den Optimismus, den man von Aktienprofis in der Regel erwartet: Er erklärte den Journalisten, er habe damit gerechnet, am schlechtesten abzuschneiden, und dass Tia gewinnen würde, sei ihm von vornherein klar gewesen.[13] Die Astrologin wandte sich wiederum an den Himmel, um ihr Versagen zu erklären. Wenn sie vorher gewusst hätte, dass Tia Krebs ist, so sagte sie, wäre sie überhaupt nicht gegen das Kind angetreten.[14] Tia nahm ihren Sieg sehr bescheiden zur Kenntnis: Sie sagte, sie könne sich den Sieg nicht erklären und habe auch im Kindergarten noch keinen wissenschaftlichen Unterricht bekommen.[15]

Das Boulevardblatt The Sun war über Tias Sieg begeistert und widmete ihr im Wirtschaftsteil eine ganze Seite; dort fanden sich auch Tias wichtigste Tipps für alle, die am Markt mitspielen wollten: »Geld ist nicht alles – Süßigkeiten sind wichtiger«, »Früh ins Bett gehen« und »Beobachten Sie den wachsenden Markt für Kinderspielzeug«.[16] Die Redaktion der Tonight Show with Jay Leno fragte an, ob Tia in ihrer Sendung auftreten könne, und nach meinem Verdacht war sie der erste Gast, der die Einladung wegen häuslicher Verpflichtungen ablehnte.

Eine Woche ist in der Finanzwelt eine kurze Zeit, und deshalb entschlossen wir uns, das Experiment ein ganzes Jahr lang weiterzuführen. Die folgenden zwölf Monate waren für die globalen Finanzmärkte eine schwierige Zeit, in der die Märkte insgesamt um 16 Prozent schrumpften. Aber ein Jahr später ließen wir die drei Portfolios noch einmal von Barclays Stockbrokers bewerten. Dieses Mal waren die Unterschiede noch dramatischer. Unser Finanzinvestor Mark erlebte mit seinem ursprünglichen Anlagebetrag einen Verlust von 46,2 Prozent. Die Finanzastrologin schnitt etwas besser ab, machte aber immer noch einen Verlust von 6,2 Prozent. Den ersten Platz belegte wiederum Tia. Trotz der schrumpfenden Märkte hatte sie es geschafft, einen Gewinn von 5,8 Prozent zu erzielen.[17]

Mich wunderte es eigentlich nicht, dass unsere Experten alles andere als eindrucksvolle Voraussagen gemacht hatten. Die Weisheiten der Finanzanalysten waren nicht zum ersten Mal einer eingehenden Prüfung unterzogen und für unzulänglich befunden worden. In einer ähnlichen Untersuchung in Schweden gab eine überregionale Zeitung fünf erfahrenen Investoren und einem Schimpansen namens Ola jeweils 1250 Dollar. Ola traf seine Wahl, indem er Dartspfeile auf die Namen der Unternehmen warf, die an der Stockholmer Börse gelistet waren. Nach einem Monat verglich die Zeitung die Gewinne und Verluste der Teilnehmer. Auch hier schnitt Ola besser ab als die Finanzgurus. Das Wall Street Journal fordert ebenfalls regelmäßig vier Investoren auf, jeweils eine Aktie auszuwählen, und dann werden vier weitere Papiere hinzugenommen, die mit Olas Pfeilwurftechnik zufällig ermittelt wurden. Nach sechs Monaten vergleicht die Zeitung die Entwicklung der von den Experten ausgewählten Aktien mit dem »Dartspfeilportfolio«. Häufig sind die Dartspfeile am erfolgreichsten, und fast immer lassen sie mindestens einen oder zwei Experten hinter sich.

Meine Untersuchung der Finanzastrologie war nicht die erste wissenschaftliche Überprüfung des angeblichen Zusammenhanges zwischen himmlischen Vorgängen und den Ereignissen auf der Erde. Ähnliche Arbeiten reichen viele Jahrzehnte weit zurück und umfassten eine ganze Reihe ungewöhnlicher Experimente. Unter ihnen waren auch die Forschungen eines der produktivsten britischen Psychologen.

Himmlische Prophezeiungen

Man kann Professor Hans Eysenck sicher mit Fug und Recht als einen der einflussreichsten Denker des zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnen. 1997, im Jahr seines Todes, war er in wissenschaftlichen Fachzeitschriften der am häufigsten zitierte lebende Psychologe. Berühmt wurde sein Ausspruch »was man nicht messen kann, das existiert nicht«. Einen großen Teil seiner Berufslaufbahn widmete Eysenck dem Bemühen, verschiedene Aspekte der menschlichen Psyche (zum Beispiel Dichtung, Sexualverhalten, Humor und Genie), die nach einer vielfach geäußerten Ansicht nicht in Reichweite der Wissenschaft liegen, quantitativ zu erfassen. Am bekanntesten wurden vielleicht seine Analysen der menschlichen Persönlichkeit, und er entwickelte einige der meistverwendeten Persönlichkeitsfragebögen der modernen Psychologie.

Wenn man Eysencks astrologische Untersuchungen richtig einschätzen will, muss man ein wenig über seine Arbeiten zur Persönlichkeitsforschung wissen. Eysenck befragte Tausende von Versuchspersonen mit seinen Fragebögen über ihre Persönlichkeit und analysierte die Ergebnisse dann mit leistungsfähigen statistischen Methoden, die darauf angelegt waren, die Unterschiede zwischen den Menschen mit ihren wichtigsten Dimensionen herauszuarbeiten. An seinen Befunden konnte man ablesen, dass die Persönlichkeiten der Menschen bei weitem nicht so komplex sind, wie es den Anschein hat. Nach Eysencks Erkenntnissen unterscheiden sie sich eigentlich nur in wenigen grundlegenden Dimensionen; die beiden wichtigsten bezeichnete er als »Extraversion« und »Neurotizismus«. Zur Messung dieser Merkmale entwickelte er das Eysenck Personality Inventory, das ungefähr fünfzig Aussagen enthält. Dabei sollen die Befragten jeweils durch Ankreuzen von »Ja« oder »Nein« angeben, ob die Aussagen nach ihrer eigenen Einschätzung auf sie zutreffen.

Die Extraversion, Eysencks erste Persönlichkeitsdimension, beschreibt, mit wie viel Energie die Menschen an das Leben herangehen. Ganz oben auf der Skala stehen die »Extravertierten« – Menschen, die impulsiv, optimistisch und glücklich sind, sich in Gesellschaft wohl fühlen, nach sofortigem Genuss streben, einen großen Freundes- und Bekanntenkreis haben und mit größerer Wahrscheinlichkeit als andere fremdgehen. Am anderen Ende des Spektrums findet man die »Introvertierten«, die weitaus nachdenklicher, kontrollierter und zurückhaltender sind. Ihr Sozialleben dreht sich um eine relativ geringe Zahl sehr enger Freunde, und ein gutes Buch ist ihnen lieber als ein Kneipenbesuch. Die meisten Menschen lassen sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen einordnen. Das Eysenck Personality Inventory misst das Ausmaß von Extraversion und Introversion, indem es die Menschen mit verschiedenen Aussagen konfrontiert, beispielsweise »ich bin der Mittelpunkt der Party« oder »ich fühle mich mit anderen Menschen wohl«.

Die zweite Dimension, der Neurotizismus, betrifft die emotionale Stabilität eines Menschen. Wer hier einen hohen Wert erreicht, neigt zu Besorgnis und geringem Selbstwertgefühl, setzt sich unrealistische Ziele und erlebt häufig Gefühle von Feindseligkeit oder Neid. Menschen mit geringer Neurotizität dagegen sind ruhiger, entspannter und angesichts von Fehlschlägen flexibler. Sie verstehen es, Ängste durch Humor zu vermindern, und blühen manchmal bei Stress sogar geradezu auf. Die Neurotizität wird im Eysenck Personality Inventory mit Aussagen wie »ich mache mir häufig Sorgen« und »ich bin schnell gestresst« gemessen.

In der uralten astrologischen Überlieferung sind sechs der zwölf Tierkreiszeichen (Widder, Zwillinge, Löwe, Waage, Schütze und Wassermann) traditionell mit Extraversion verbunden, die anderen sechs (Stier, Krebs, Jungfrau, Skorpion, Steinbock und Fische) mit Introversion. Ebenso gelten Menschen, die unter den drei »Erdzeichen« (Stier, Jungfrau und Steinbock) geboren sind, als emotional stabil und pragmatisch, die drei »Wasserzeichen« (Krebs, Skorpion und Fisch) dagegen sollen viel stärker neurotisch sein.

Um festzustellen, ob das alles stimmt, tat Eysenck sich mit dem angesehenen britischen Astrologen Jeff Mayo zusammen. Mayo hatte ein paar Jahre zuvor die Mayo School of Astrology gegründet und schnell eine große, weltweite Schülerschar um sich gesammelt. Etwas mehr als 2000 Klienten und Studenten von Mayo wurden gebeten, ihr Geburtsdatum anzugeben und das Eysenck Personality Inventory auszufüllen. Skeptiker rechneten damit, dass sich in der Studie keinerlei Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit der Teilnehmer und den alten Aussagen der Astrologie zeigen würde. Astrologie-Befürworter dagegen waren überzeugt, dass die Stellung der Gestirne bei der Geburt einen vorhersagbaren Einfluss auf Denken und Verhalten der Menschen haben müsse.

Zur Verwunderung der Skeptiker standen die Ergebnisse völlig im Einklang mit der astrologischen Überlieferung. Menschen, deren Sternzeichen traditionell mit Extraversion in Verbindung gebracht wurden, hatten einen geringfügig höheren Extraversionswert als andere, und wer unter den drei Wasserzeichen geboren war, erreichte auf der Neurotizismusskala höhere Werte als jene, die unter den Erdzeichen zur Welt gekommen waren.[18] Die astrologische Fachzeitschrift Phenomena verkündete, die Befunde seien »in der Astrologie vermutlich die wichtigste Entwicklung der letzten hundert Jahre«.[19]

Eysenck schöpfte jedoch Verdacht, als ihm klar wurde, dass die Studienteilnehmer alle bereits fest von der Astrologie überzeugt waren. Die meisten Menschen, die an so etwas glauben, sind sich sehr genau bewusst, was für eine Persönlichkeit sie nach den Voraussagen der Astrologie haben sollten; deshalb fragte er sich nun, ob dieses Wissen die Studie verfälscht hatte. Waren die Ergebnisse darauf zurückzuführen, dass die Teilnehmer glaubten, sie hätten genau die Persönlichkeit, die, wie sie wussten, mit ihrem Sternzeichen in Verbindung gebracht wurde? War vielleicht nicht die Stellung der Planeten bei der Geburt, sondern die Psychologie der Grund für die bemerkenswerten Ergebnisse?

Um dieser Idee weiter nachzugehen, stellte Eysenck zwei zusätzliche Untersuchungen an. An der Ersten beteiligten sich Menschen, die mit großer Wahrscheinlichkeit noch nichts von dem Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Sternzeichen gehört hatten: eine Gruppe von 1000 Kindern. Dieses Mal gelangte er zu ganz anderen Ergebnissen, und die passten nicht zu dem, was die astrologische Überlieferung voraussagte: Das Ausmaß von Extraversion und Neurotizität der Kinder stand in keinerlei Zusammenhang mit dem Sternzeichen. Um völlig sicherzugehen, untersuchte Eysenck den Zusammenhang zwischen Geburtsdatum und Persönlichkeit noch einmal an Erwachsenen, aber dieses Mal berücksichtigte er, wie viel die Versuchspersonen über Astrologie wussten. Diejenigen, denen klar war, welche Auswirkungen die Planeten auf ihre Persönlichkeit haben sollten, entsprachen den von der Astrologie vorhergesagten Gesetzmäßigkeiten. Gaben sie dagegen zu, dass sie keine astrologischen Kenntnisse besaßen, war auch keine Gesetzmäßigkeit zu erkennen. Daraus ergab sich eine eindeutige Schlussfolgerung: Die Position der Planeten zum Zeitpunkt der Geburt hat keine magische Wirkung auf die Persönlichkeit, aber viele Menschen, die sich der mit ihrem Sternzeichen angeblich gekoppelten Persönlichkeitsmerkmale bewusst sind, entwickeln sich zu der von den Astrologen vorausgesagten Person.[20] Als Eysenck diese Befunde seiner Folgeuntersuchungen bei einer Tagung zum Thema »Wissenschaft und Astrologie« vortrug, herrschte nach dem Bericht seines Biografen »bei manchen Astrologen der starke Eindruck, dass Eysenck sie erst mit seiner väterlichen Art eingelullt hatte, um sie dann mit ein paar hässlichen Tatsachen zu betrügen«.[21]

Damit hatten Wissenschaftler durchaus nicht zum ersten Mal nachgewiesen, dass Menschen zu der Persönlichkeit werden können, die sie sein sollen. In den 1950er Jahren beschäftigte sich der Psychologe Gustav Jahoda mit dem Volk der Ashanti in Zentralghana. Nach der dortigen Tradition erhält jedes Kind einen spirituellen Namen, der durch den Geburtstag bestimmt wird, und jeder Tag wird mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht. Wer an einem Montag zur Welt kommt, wird als Kwadwo bezeichnet und gilt traditionell als ruhig, zurückhaltend und friedlich. Kinder, die mittwochs geboren werden, heißen Kwaku, und man rechnet damit, dass sie sich schlecht benehmen. Jahoda wollte wissen, ob eine solche frühzeitige Etikettierung langfristige Auswirkungen auf Selbstbild und Leben der Ashanti-Kinder hat. Er untersuchte, wie oft Personen, die an den verschiedenen Wochentagen geboren waren, in der Kriminalitätsstatistik für Jugendliche auftauchten. Die Ergebnisse zeigten, dass es für das Verhalten durchaus eine Rolle spielt, welches Etikett einem Kind bei der Geburt angeheftet wird: In den Gerichtsakten kamen signifikant mehr Kwaku und weniger Kwadwos vor.[22]

Führten Eysencks Befunde dazu, dass Millionen Menschen ihren Glauben an den Einfluss der Gestirne verloren? Offensichtlich nicht. Stattdessen vertraten viele Anhänger der Astrologie die Ansicht, die Sternzeichen lieferten nur grobe Anhaltspunkte für die Persönlichkeit eines Menschen, und wirklich genaue Aussagen könne man nur machen, wenn man wisse, zu welchem genauen Zeitpunkt ein Mensch zur Welt gekommen sein. Auch diese Behauptung erregte bei Wissenschaftlern auf der ganzen Welt großes Interesse.

Zeitzwillinge und Pogo der Clown

Der britische Wissenschaftler Geoffrey Dean ist ein ruhiger, sanftmütiger Mensch. Er hat sein Leben der Aufgabe gewidmet, alle Informationen zu sammeln, mit deren Hilfe er eine Aussage über die Wirkung der Sterne auf das Verhalten der Menschen machen kann. Für diese Arbeit bringt er einzigartige Voraussetzungen mit: Er gehört zu den wenigen Wissenschaftlern, die sich ihren Lebensunterhalt als professionelle Astrologen verdienen.

Im Jahr 2000 wurde ich eingeladen, bei einer internationalen Wissenschaftstagung in Australien einen Vortrag zu halten, und zu meinem Entzücken stellte ich fest, dass auch Geoffrey Dean auf der Rednerliste stand. In seinem Vortrag beschrieb Geoffrey sein neuestes und größtes Projekt: eine Untersuchung, die er als »definitiven Test« für die Astrologie bezeichnete. Wie viele gute Ideen, so war auch diese sehr einfach. Nach den Behauptungen der Astrologen bestimmt die Position der Planeten zum Zeitpunkt der Geburt über die Persönlichkeit eines Menschen und wichtige Ereignisse in seinem Leben. Wenn das stimmt, müssten Menschen, die im gleichen Augenblick am gleichen Ort geboren werden, sich fast genau gleichen. Wie Geoffrey anmerkte, sollte man sie als »Zeitzwillinge« bezeichnen.

Für diesen Gedanken sprechen einige Einzelfallberichte. In den 1970er Jahren durchforsteten Astrologen einen Datenbestand über Geburten, und dabei fiel ihnen auf, dass manche Menschen, die im Abstand von wenigen Tagen geboren waren, ein überraschend ähnliches Leben führten. Die französischen Radsportchampions Paul Chacque und Leon Lével beispielsweise wurden am 14. und 12. Juli 1910 geboren. Beide feierten 1936 große Erfolge: Chacque gewann bei der Tour de France die Etappe von Bordeaux nach Paris, Lével siegte in den Bergetappen des Rennens. Im März 1949 starb Lével, nachdem er sich auf der Piste im Pariser Parc des Princes einen Schädelbruch zugezogen hatte. Chacque kam im September des gleichen Jahres auf derselben Piste durch eine ähnliche Verletzung ums Leben.[23]

Solche Fälle sind zwar faszinierend, sie könnten aber auch rein zufällig zustande gekommen sein. Deshalb entschloss sich Geoffrey, das angebliche Phänomen systematischer zu untersuchen. Er stieß auf eine Datenbank mit genauen Angaben über etwas mehr als 2000 Menschen, die zwischen dem 3. und 9. März 1958 in London zur Welt gekommen waren. Zusammengestellt hatte die Informationen eine Gruppe junger Wissenschaftler, die den Lebenslauf dieser Menschen verfolgten; die Datenbank enthielt die Ergebnisse von Intelligenztests und Angaben aus Persönlichkeitsfragebögen, die bei den Betreffenden im Alter von sechs, 16 und 23 Jahren erhoben worden waren. Man hatte jeweils den genauen Geburtszeitpunkt festgehalten; über 70 Prozent der Personen waren in Abständen von nicht mehr als fünf Minuten geboren worden. Geoffrey ordnete sie in der Reihenfolge der Geburt an, ging dann die Liste durch und berechnete jeweils für zwei Personen das Ausmaß der Ähnlichkeiten. Auch hier machten Skeptiker und Anhänger der Astrologie sehr unterschiedliche Voraussagen über die Befunde. Nach Ansicht der Skeptiker konnte es zwischen den Testergebnissen für jeweils zwei Personen aus der Liste keinen Zusammenhang geben. Die Astrologen dagegen rechneten mit auffälligen Übereinstimmungen, wie man sie in ähnlicher Form auch bei eineiigen Zwillingen findet.

Dieses Mal behielten die Skeptiker recht. Geoffrey konnte so gut wie keine Ähnlichkeiten zwischen seinen Zeitzwillingen nachweisen. Personen, die am 4. März 1958 um 11 Uhr 5 das Licht der Welt erblickt hatten, ähnelten ihren wenige Augenblicke später geborenen Zeitzwillingen nicht stärker als irgendeiner anderen Person, die mehrere Tage später zur Welt gekommen war.[24]

Geoffrey stellte viele solche Untersuchungen an; die Ergebnisse haben eines gemeinsam: Keines davon liefert eine Unterstützung für die Behauptungen der Astrologie.[25] Deshalb bezeichnet er sich selbst manchmal als »den meistgehassten Menschen in der Astrologie«, und bei den heutigen Vertretern des Fachgebietes gilt er als Abtrünniger – als jemand, der sich unbeliebt gemacht hat, weil er seiner Skepsis gegenüber dem angeblichen Einfluss der Gestirne auf unser Leben öffentlich Ausdruck verlieh.

Methodisch ähneln Geoffreys Forschungsarbeiten in vielerlei Hinsicht denen von Hans Eysenck: Beide Wissenschaftler analysierten große Datenmengen, um die von der Astrologie vorausgesagten Gesetzmäßigkeiten nachzuweisen. Das ist aber nicht das einzige Verfahren, mit dem man den Wahrheitsgehalt astrologischer Prophezeiungen überprüfen kann. Andere Wissenschaftler beschäftigten sich mit den Voraussagen einzelner Astrologen. Über eines der ungewöhnlichsten und verblüffendsten Beispiele für diese Vorgehensweise berichtete eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler Ende der 1980er Jahre in einem Artikel, der den provokanten Titel Astrology on Death Row (»Astrologie in der Todeszelle«) trug.[26]

Zunächst machten die Wissenschaftler den Geburtszeitpunkt und den Geburtsort des berüchtigten Serienmörders John Gacy ausfindig. Gacy war ein sadistischer Mörder, der zwölfmal zum Tode und 21-mal zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, weil er 33 Männer und Jungen grausam gefoltert und getötet hatte. Da er sich in seiner Freizeit als Pogo der Clown verkleidete und auf Kindergeburtstagen auftrat, hätte er ein gutes Vorbild für den »bösen Clown« abgegeben. Einer der Wissenschaftler suchte fünf professionelle Astrologen auf und gab die Informationen über Gacys Geburt als seine eigenen aus. Jedes Mal erklärte der Wissenschaftler, er wolle mit jungen Menschen arbeiten, und bat um ein allgemeines Persönlichkeitsprofil sowie um Ratschläge zur Berufswahl. Die Astrologen griffen entsetzlich daneben. Einer ermutigte den Wissenschaftler, er solle mit jungen Menschen arbeiten, weil er »ihre besten Seiten zur Geltung bringen« könne. Ein anderer analysierte die Informationen und sagte dann zuversichtlich voraus, das Leben des Wissenschaftlers werde »sehr, sehr positiv« verlaufen. Ein Dritter erklärte, er sei »freundlich, sanft und auf die Bedürfnisse anderer bedacht«.

Die Arbeiten von Hans Eysenck, Geoffrey Dean und anderen zeigen, dass Voraussagen, die sich auf die Gestirne gründen, häufig nicht halten, was sie versprechen. Damit bleibt uns ein noch viel größeres Rätsel: Warum glauben so viele Menschen an die Astrologie?

Professor Bertram Forer und der Graphologe im Nachtclub

Ende der 1940er Jahre war Professor Bertram Forer eifrig damit beschäftigt, neue Methoden zur quantitativen Erfassung der Persönlichkeit zu entwickeln. Als er eines Abends einen Nachtclub besuchte, wurde er von einem Graphologen angesprochen, der ihm anbot, seine Persönlichkeit anhand der Handschrift zu analysieren. Forer lehnte ab, aber nach dieser Zufallsbegegnung wollte er genauer wissen, warum sich so viele Menschen von Astrologen und Graphologen beeindrucken lassen. Er hätte seine bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten fortsetzen können, aber die Neugier hatte ihn gepackt, und so entschloss er sich zu einem ungewöhnlichen Experiment. Es sollte ihn berühmt machen, nachdem seine herkömmlichen Untersuchungen zur Persönlichkeitsstruktur längst in Vergessenheit geraten waren.

Forer ließ die Studenten seines Psychologie-Einführungskurses einen Persönlichkeitstest ausfüllen.[27] Eine Woche später erhielt jeder Student ein Blatt Papier und dazu die Erklärung, dieses enthalte eine kurze, aus den Testergebnissen abgeleitete Persönlichkeitsbeschreibung. Forer bat die Studenten, die Beschreibung genau zu lesen und ihren Wahrheitsgehalt auf dem Papier durch Ankreuzen einer Zahl zwischen 0 (völlig falsch) und 5 (völlig richtig) zu bewerten. Dann sollten diejenigen die Hand heben, die sich durch den Test richtig beschrieben fühlten.

Drehen wir die Uhrzeiger einmal zurück, und inszenieren wir das Experiment noch einmal. Die folgende Beschreibung hätte auch einer von Forers Studenten in die Hand bekommen können. Lesen Sie sie genau durch und überlegen Sie, ob sie eine zutreffende Beschreibung Ihrer Persönlichkeit darstellt:

Es ist Ihnen wichtig, dass andere Sie mögen und bewundern. Sie neigen zu Selbstkritik. Sie verfügen über beträchtliche ungenutzte Fähigkeiten, die Sie bisher nicht zu Ihrem Vorteil eingesetzt haben. Zwar haben Sie auch einige persönliche Schwächen, aber dafür können Sie in der Regel einen Ausgleich schaffen. Nach außen hin sind Sie diszipliniert und beherrscht, innerlich jedoch fühlen Sie sich oftmals besorgt und unsicher. Manchmal kommen Ihnen ernsthafte Zweifel, ob Sie die richtige Entscheidung getroffen oder das Richtige getan haben.

Sie mögen ein gewisses Maß an Veränderung und Abwechslung, und wenn Sie durch Hindernisse und Beschränkungen eingeengt werden, sind Sie unzufrieden. Sie sind stolz darauf, selbständig zu denken, und finden sich ohne zufriedenstellende Beweise nicht mit den Aussagen anderer ab. Aber Sie haben auch gemerkt, dass es unklug ist, anderen gegenüber zu offenherzig zu sein. Manchmal sind Sie extrovertiert, liebenswürdig und umgänglich, bei anderen Gelegenheiten aber auch introvertiert, misstrauisch und zurückhaltend. Manchmal haben Sie ziemlich unrealistische Ansprüche.

Forers Studenten lasen die Beschreibung, nahmen ihre Bewertung vor, und eine Hand nach der anderen hob sich. Nach kurzer Zeit sah er zu seiner Überraschung, dass praktisch alle Studenten die Hände gehoben hatten. Warum war Forer darüber so verblüfft?

Wie es manchmal bei psychologischen Experimenten vorkommt, hatte Forer seinen Versuchskaninchen nicht ganz die Wahrheit gesagt. Die Persönlichkeitsbeschreibung, die er ihnen gegeben hatte, gründete sich nicht auf die Testergebnisse. Sie stammte vielmehr aus einem Astrologiebuch, das man in jeder Bahnhofsbuchhandlung kaufen konnte und das ihm ein paar Tage zuvor in die Hände gefallen war. Und was noch wichtiger war: Alle Studenten hatten genau die gleiche Persönlichkeitsbeschreibung erhalten – nämlich die, die Sie gerade gelesen haben.

Forer hatte einfach das Astrologiebuch durchgeblättert, etwa zehn Sätze aus verschiedenen Absätzen entnommen und daraus eine einzige Beschreibung gemacht. Und obwohl darin alle Studenten genau gleich beschrieben wurden, hatte 87 Prozent von ihnen auf der Bewertungsskala die 4 oder die 5 angekreuzt, das heißt, sie waren mit dem, was sie gelesen hatten, völlig einverstanden. Forers Text erlangte weltweite Berühmtheit und wurde in Tausenden von psychologischen Experimenten und Fernsehsendungen verwendet.

Mit seinen Befunden löste Forer das Rätsel, das ihn seit seiner Begegnung mit dem Graphologen verfolgt hatte. Astrologie und Graphologie müssen nicht zutreffend sein, um als zutreffend wahrgenommen zu werden. Man muss den Menschen nur eine sehr allgemein gehaltene Aussage über ihre Persönlichkeit in die Hand geben, und schon verleitet ihr Gehirn sie zu der Annahme, der Text enthalte tiefe Einsichten.

Unmittelbar nach dem Experiment sagte Forer seinen Studenten, dass sie alle die gleiche Beschreibung erhalten hatten; er erklärte, der Versuch sei »eine objektive Lektion, mit der man nachweisen kann, wie wir uns von vagen Aussagen übermäßig beeindrucken lassen«, und er wies auf die »Ähnlichkeiten zwischen dem Experiment und der Tätigkeit von Scharlatanen« hin. Offensichtlich waren Forers Studenten in ihrer Mehrzahl nicht übermäßig verärgert darüber, dass er sie als ein wenig leichtgläubig entlarvt hatte. Viele taten dem psychologischen Experiment die größte Ehre an, die ein Student ihm zuteil werden lassen konnte: Sie baten Forer um eine Kopie der Persönlichkeitsbeschreibung, damit sie ihren Freunden den gleichen Streich spielen konnten. Die meisten Psychologen hätten es dabei belassen, aber Forer gab der Sache noch einen weiteren Dreh, um seinen leidgeprüften Seminarteilnehmern eine letzte Erniedrigung zuzufügen.

Forer fragte sich, ob seine Studenten sich wohl selbst für scharfsinnig, lebenserfahren und schlau hielten. Angenommen, es war so: Stellte dann die Tatsache, dass sie derart vage Aussagen über ihre Persönlichkeit hingenommen hatten, diesen Aspekt ihres Selbstbildes ernsthaft infrage? Und hatten viele von ihnen sich vielleicht sogar den schmerzhaften Prozess der Selbsterkenntnis erspart, indem sie vor sich selbst einfach leugneten, dass sie sich hatten hereinlegen lassen?

Drei Wochen später erklärte Forer seinen Studierenden, er habe versehentlich die Namen von den Bewertungsbögen gelöscht. Die Teilnehmer sollten nochmals ehrlich die Bewertung ankreuzen, die sie der Beschreibung ursprünglich zugeordnet hatten. In Wirklichkeit waren die Namen natürlich keineswegs verlorengegangen, und so konnte er die ursprünglichen Bewertungen genau mit den späteren Angaben der Seminarteilnehmer vergleichen. Die Hälfte aller Studierenden, die der Beschreibung anfangs die Bestnote 5 für »völlig zutreffend« gegeben hatten, behaupteten später, dies sei nicht der Fall gewesen, sondern sie hätten eine niedrigere Bewertung gewählt. Offensichtlich täuschen leichtgläubige Menschen häufig lieber sich selbst, anstatt ihre Leichtgläubigkeit einzugestehen.

Auftritt: Phineas Taylor Barnum

In den 1950er Jahren taufte der Psychologe Paul Meel Forers ursprünglichen Befund auf den Namen Barnum-Effekt nach dem amerikanischen Showmaster Phineas Taylor Barnum, der mit dem Ausspruch, ein guter Zirkus solle jedem etwas bieten, berühmt wurde.[28] Wie sich in jahrelangen Forschungsarbeiten gezeigt hat, sind fast alle Menschen anfällig für den Barnum-Effekt: Männer und Frauen, Junge und Alte, Anhänger der Astrologie und Skeptiker, Studenten und sogar Personalchefs.[29]

Eine der interessantesten Nachfolgestudien führte der französische Wissenschaftler Michel Gauquelin durch.[30] Er schickte die Angaben über die Geburt des berüchtigten französischen Massenmörders Dr. Marcel Petiot an eine Firma, die mit modernsten Computern angeblich genau zutreffende Horoskope erstellen konnte. Petiot hatte seinen Opfern während des Zweiten Weltkrieges erzählt, er könne ihnen bei der Flucht aus dem nationalsozialistisch besetzten Frankreich helfen, in Wirklichkeit verabreichte er ihnen jedoch eine tödliche Spritze und sah dann zu, wie sie qualvoll starben. Später bekannte sich Petiot in 20 Fällen des Mordes schuldig, und 1946 wurde er mit der Guillotine hingerichtet. In dem Computerhoroskop stand nicht das Geringste über die ziemlich grausigen Aspekte von Petiots Leben, sondern es enthielt inhaltsleere Barnum-Aussagen des gleichen Typs, wie auch Forer sie so erfolgreich eingesetzt hatte. Unter anderem hieß es dort:

Sein anpassungsfähiger, flexibler Charakter findet seinen Ausdruck in Geschicklichkeit und Leistungsfähigkeit; seine Dynamik wird durch eine Neigung zu Ordnung, Kontrolle und Gleichgewicht unterstützt. Er ist gesellschaftlich, materiell und intellektuell ein ordentlicher und ordnender Mensch. Unter Umständen erscheint er wie jemand, der sich gesellschaftlichen Normen unterwirft, einen Hang zur Wohlanständigkeit hat und mit einem tröstlichen Moralgefühl ausgestattet ist – nämlich mit dem des angesehenen, rechtschaffenen Mittelschichtbürgers.

Obwohl Petiot schon 1946 hingerichtet wurde, sagte das Horoskop voraus, er werde zwischen 1970 und 1972 »dazu neigen, im Zusammenhang mit seinem Liebesleben Verpflichtungen einzugehen«.

Durch dieses Ergebnis angeregt, schaltete Gauquelin in einer bekannten Zeitung eine Anzeige, in der er kostenlose, vom Computer erstellte Horoskope anbot. Er erhielt 150 Zuschriften von Menschen aus ganz Frankreich und schickte jedem von ihnen den Text, der auf der Grundlage der Angaben über Petiot erstellt worden war. Außerdem bat er die Empfänger um Angaben darüber, inwieweit sie sich durch das Horoskop zutreffend beschrieben fühlten. 94 Prozent von ihnen erklärten, es stimme. Einer schrieb an Gauquelin: »Diese Maschine leistet wirklich großartige Arbeit … Ich würde sogar so weit gehen und sie als außergewöhnlich bezeichnen.« Ein anderer meinte: »Es ist absolut verblüffend, dass eine elektronische Maschine etwas über Charakter und Zukunft der Menschen aussagen kann.« Einige waren so beeindruckt, dass sie Gauquelin Geld für eine detailliertere Analyse anboten.

Warum fallen so viele Menschen auf solche Texte herein?

Viele Aussagen machen sie sich einfach deshalb zu eigen, weil sie auf die große Mehrheit der Bevölkerung zutreffen. Wer von uns hat nicht seine Zweifel, wenn wichtige Entscheidungen anstehen? Wer würde abstreiten, gern bewundert zu werden, und wer strebt nicht nach einem Gefühl von Sicherheit? Selbst Aussagen, die sehr spezifisch klingen, gelten häufig für eine überraschend große Zahl von Menschen. Vor einigen Jahren führte eine meiner Kolleginnen, die Psychologin Susan Blackmore, unter mehr als 6000 Personen eine Umfrage durch, in der es um scheinbar spezifische Aussagen ging, wie sie in esoterischen Texten häufig vorkommen, wie zum Beispiel »in Ihrer Familie gibt es jemanden mit dem Namen Jack«.[31] Nach Blackmores Feststellungen hat ungefähr ein Drittel aller Menschen eine Narbe am linken Knie, ein Drittel besitzt eine Kassette oder CD mit der Wassermusik von Händel, 20 Prozent haben einen »Jack« in der Familie, und ungefähr jeder Zehnte hat in der vergangenen Nacht von einer Person geträumt, die er seit Jahren nicht gesehen hat. Offensichtlich sind viele Barnum-Aussagen einfach deshalb scheinbar richtig, weil Denken und Verhalten der meisten Menschen in der Regel erstaunlich vorhersehbar sind.

Außerdem gibt es den »Schmeicheleffekt«. Die meisten Menschen glauben nur allzu gern alles, was sie in ein positives Licht setzt, und deshalb stimmen sie Aussagen zu, wonach sie große, ungewöhnliche Fähigkeiten besitzen oder selbständig denken können. Dieser Effekt ist die Erklärung dafür, warum die Hälfte der Bevölkerung der Astrologie besonders aufgeschlossen gegenübersteht. Die zwölf Tierkreiszeichen unterteilt man traditionell in sechs »positive« (Widder, Zwillinge, Löwe, Waage, Schütze und Wassermann) und sechs »negative« (Stier, Krebs, Jungfrau, Skorpion, Steinblock und Fische). Mit den positiven Zeichen werden allgemein günstigere Eigenschaften in Verbindung gebracht als mit den negativen. Wer im Sternzeichen der Waage geboren wurde, gilt traditionell als Mensch, der nach Frieden und Schönheit strebt, Stiere dagegen sollen eher materialistisch und aufbrausend sein. Die Psychologin Margaret Hamilton von der University of Wisconsin bat Versuchspersonen, ihr Geburtsdatum anzugeben und auf einer Sieben-Punkte-Skala anzukreuzen, wie stark sie an Astrologie glaubten. Wie man es nach dem »Schmeicheleffekt« erwartet, glaubte unter denen, die unter »positiven« Zeichen geboren waren, ein signifikant größerer Anteil an Astrologie als unter solchen, die ein »negatives« Sternzeichen hatten.[32]

Die Arbeiten Forers und seiner Nachfolger machen deutlich, wie Horoskope viele Millionen Menschen jahrtausendelang hinters Licht führen konnten. Astrologen können sich irgendeinen beliebigen Unsinn ausdenken – solange er ausreichend vage und schmeichelhaft ist, kreuzt die Mehrheit der Befragten das Kästchen »genau zutreffend« an. Angesichts der Tatsache, dass die wissenschaftlichen Belege zugunsten der Astrologie alles andere als überzeugend sind, liegt deshalb die Schlussfolgerung nahe, dass das Geburtsdatum eines Menschen keine echte wissenschaftliche Bedeutung hat.

Sie liegt nahe, aber sie ist falsch.

Die wissenschaftliche Erforschung von Zeit und Geist

Die Chronopsychologie ist ein neues, relativ exotisches Teilgebiet der Wissenschaft. Ihr Gegenstand ist die Untersuchung von Zeit und Geist. Ein großer Teil der Forschungsarbeiten dreht sich dabei um Tagesrhythmen, Schichtarbeit und die Zeitverschiebung bei Fernreisen.

Im Jahr 1962 entschloss sich der französische Höhlenforscher und Geologe Michel Siffre, zwei Monate ununterbrochen unter der Erde zu bleiben und die Wanderung eines Gletschers durch eine unterirdische Eishöhle zu verfolgen.[33] Aber statt dort nur herumzusitzen, seine Messungen anzustellen und Däumchen zu drehen, nutzte Siffre die Zeit in der Abgeschiedenheit, um ein einzigartiges Experiment zur Psychologie des Zeitempfindens durchzuführen. Er nahm keine Uhr mit in die Höhle und war deshalb gezwungen, ausschließlich anhand seiner inneren Uhr zu entscheiden, wann er schlafen ging und wann er aufstand. Seine einzige Verbindung zur Außenwelt war ein Telefon, das ihn direkt mit einem Forscherteam an der Oberfläche verband. Siffre rief die Kollegen jedes Mal an, wenn er schlafen ging und aufwachte, außerdem auch hin und wieder während der Zeit, in der er wach war. Die Wissenschaftler über der Erde lieferten ihm keinerlei Anhaltspunkte für die tatsächliche Uhrzeit. Mehr als 60 Tage verbrachte er ohne Tageslicht in einem kleinen Nylonzelt 125 Meter unter der Erde, und an seinen Telefonanrufen kann man ablesen, dass sein Zeitempfinden sich gewaltig verschob. Gegen Ende des Experiments rief er an der Oberfläche an und war überzeugt, sein letzter Anruf sei erst eine Stunde her – in Wirklichkeit waren aber mehrere Stunden verstrichen. Als man ihn nach zwei Monaten aus der Höhle holte, glaubte Siffre, das Experiment sei vorzeitig abgebrochen worden und habe erst 34 Tage gedauert. Der Versuch machte auf eindringliche Weise deutlich, wie das Tageslicht dazu beiträgt, dass unsere innere Uhr die richtige Zeit angibt.

Andere Forschungsarbeiten in der Chronopsychologie verfolgen das Ziel, die Wirkungen der vielleicht häufigsten und lästigsten Störung abzumildern, der die innere Uhr in unserer heutigen Zeit ausgesetzt ist: den Jetlag, die Zeitverschiebung bei einer Fernreise. In einer eher ungewöhnlichen, umstrittenen Studie in diesem Bereich beleuchteten Scott Campbell und Patricia Murphy von der Cornell University Ende der 1990er Jahre die Knie der Versuchspersonen mit hellem Licht.[34] Aus früheren Arbeiten wusste man bereits, dass Licht, welches in die Augen fällt, das Gehirn zu einer Beschleunigung oder Verlangsamung der inneren Uhr veranlassen kann, was auch dazu beiträgt, die Auswirkungen der Zeitverschiebung zu verringern. Campbell und Murphy wollten wissen, ob auch andere Körperteile solche Signale aufnehmen können. Da an der Rückseite des Knies zahlreiche Blutgefäße dicht unter der Haut liegen, überprüften sie ihre Hypothese mit Licht, das sie aus speziell konstruierten Halogenlampen auf diese Region fallen ließen. In einer kleinen Studie fanden sie Anhaltspunkte, dass man durch Beleuchten der Knierückseite die biologische Uhr ebenso wirksam verstellen kann wie mit Licht, das in die Augen fällt.

Wo liegt nun der Zusammenhang zwischen den Ideen, die hinter der Astrologie stecken, und diesem faszinierenden wissenschaftlichen Forschungsgebiet? In der Chronopsychologie geht es nicht nur darum, monatelang in Höhlen zu leben oder Licht auf die Knierückseite anderer Menschen fallen zu lassen. Einige wenige Wissenschaftler beschäftigen sich in einem anderen Teilgebiet dieser exotischen Disziplin mit der Frage, welche unterschwelligen Einflüsse unser Geburtstag möglicherweise auf unser Denken und Verhalten ausübt.

Welche Grundgedanken hinter dieser ungewöhnlichen Form der Verhaltensforschung stehen, zeigt sich sehr deutlich an den Arbeiten des niederländischen Psychologen Ad Dudink.[35] Er analysierte die Geburtstage von knapp 3000 englischen Profifußballern und stellte dabei fest, dass in der Zeit zwischen September und November doppelt so viele von ihnen geboren waren wie von Juni bis August. Es sah also so aus, als bestimmte das Geburtsdatum mit über den sportlichen Erfolg. Manch einer hätte diesen Befund vielleicht als überzeugenden Beleg für die Astrologie gedeutet und behauptet, die Planetenpositionen im Zusammenhang mit Jungfrau, Waage, Skorpion und Schütze seien von entscheidender Bedeutung für sportlichen Erfolg. In Wirklichkeit gibt es aber für Dudinks seltsamen Befund eine viel interessantere, ganz und gar irdische Erklärung.

Anfang der 1990er Jahre, als er seine Analyse durchführte, durften englische Nachwuchsfußballer erst dann als Profis spielen, wenn sie bei Saisonbeginn im August mindestens 17 Jahre alt waren. Potenzielle Spieler, die zwischen September und November geboren wurden, waren also ungefähr zehn Monate älter und körperlich entsprechend reifer als solche, deren Geburtstag zwischen Juni und August lag. Die wenigen zusätzlichen Monate bedeuteten einen echten Vorteil, wenn es um die Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit ging, die im Fußball verlangt werden. Die Folge war, dass junge Männer, die zwischen September und November geboren waren, mit größerer Wahrscheinlichkeit für eine Tätigkeit als Profis ausgewählt wurden.

Den gleichen Effekt konnte man durch jahrelange Forschungen auch in zahlreichen anderen Sportarten mit überwältigenden Belegen nachweisen. Unabhängig davon, wann die Sportsaison beginnt, hat immer eine unverhältnismäßig große Zahl von Sportlern in den ersten Monaten der Saison Geburtstag. Vom Baseball der amerikanischen Major League bis zum britischen Cricket und vom kanadischen Eishockey bis zum brasilianischen Fußball steht der Geburtsmonat der Athleten im Zusammenhang mit ihrem sportlichen Erfolg.[36]

Solche chronopsychologischen Effekte beschränken sich nicht auf das Leben von Profisportlern. Ebenso beeinflussen sie einen Faktor, der im Leben aller Menschen eine entscheidende Rolle spielt: ihr Glück.

Als Glückspilz geboren?

Sind Sie ein Glückspilz oder ein Pechvogel? Warum sieht es so aus, als seien manche Menschen immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort, während andere das Pech geradezu anzuziehen scheinen? Kann man Glück und Pech beeinflussen? Vor ungefähr zehn Jahren entschloss ich mich, solche faszinierenden Fragen mit Forschungsarbeiten zur Psychologie des Glücks zu beantworten. Seither habe ich mit ungefähr 1000 Personen aus allen Lebensbereichen gearbeitet, die ungewöhnlich viel Glück oder Pech hatten.[37]

Zwischen dem Leben von Glückspilzen und Pechvögeln findet man immer wieder die gleichen, bemerkenswerten Unterschiede. Menschen, die Glück haben, scheinen immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, fallen immer auf die Füße und sind offenbar auf geradezu gespenstische Weise in der Lage, ein erfreuliches Leben zu führen. Bei Pechvögeln ist es genau umgekehrt. Ihr Leben ist ein Katalog von Versagen und Verzweiflung, und sie sind überzeugt, dass sie sich ihr Pech nicht selbst zuzuschreiben haben. Zu den unglücklichsten Menschen in der Studie gehört Susan, eine 34-jährige Pflegeassistentin aus Blackpool. Susan hat in der Liebe außergewöhnlich viel Pech. Einmal hatte sie sich mit einem Mann zu einem Blind Date verabredet, aber auf dem Weg zu dem Treffen hatte der potenzielle Liebhaber mit seinem Motorrad einen Unfall und brach sich ein Bein. Der Nächste, mit dem sie sich verabredet hatte, fiel in eine Glastür und brach sich die Nase. Ein paar Jahre später, als sie jemanden zum Heiraten gefunden hatte, wurde die Kirche, in der die Hochzeit stattfinden sollte, kurz vor dem großen Tag von Brandstiftern in Schutt und Asche gelegt. Außerdem hat Susan eine unglaubliche Serie von Unfällen erlebt. Während einer besonders schlimmen Pechsträhne hatte sie nach eigenen Angaben auf einer Fahrt von 80 Kilometern nicht weniger als acht Autounfälle.

Ich fragte mich, ob Glück und Pech tatsächlich auf Zufall beruhen oder ob man solche höchst unterschiedlichen Lebensläufe psychologisch erklären kann. Um das zu untersuchen, plante ich eine Reihe von Studien. In einer besonders denkwürdigen Untersuchung gab ich einigen Freiwilligen eine Zeitung, die sie durchsehen sollten; anschließend sollten sie mir sagen, wie viele Fotos das Blatt enthielt. Eines aber hatte ich ihnen nicht gesagt: In der Mitte der Zeitung hatte ich eine unerwartete Gelegenheit versteckt. Diese »Gelegenheit« nahm eine halbe Seite ein und verkündete in großen Lettern: »Gewinnen Sie 100 Pfund, indem sie dem Versuchsleiter sagen, dass Sie diese Anzeige gesehen haben.« Die Pechvögel waren in ihrer Mehrzahl so auf das Zählen der Fotos fixiert, dass Ihnen die Gelegenheit entging. Die Glückspilze dagegen waren entspannter, erkannten den größeren Zusammenhang und stießen so auf die Chance, 100 Pfund zu gewinnen. Damit war auf einfache Weise gezeigt, wie Glückspilze sich ihr Glück selbst schmieden können, weil sie eher in der Lage sind, eine unerwartete Gelegenheit so gut wie möglich zu nutzen.

Solche Befunde machten deutlich, dass die Freiwilligen durch ihr Denken und Handeln selbst zu Glück und Pech beitrugen. Die Glückspilze waren optimistisch, energiegeladen und gegenüber neuen Gelegenheiten und Erfahrungen aufgeschlossen. Die Pechvögel dagegen waren eher zurückhaltend, unbeholfen, voller Lebensangst und nicht bereit, die Gelegenheiten, die ihnen über den Weg liefen, zu nutzen.

In jüngerer Zeit haben meine Arbeiten auf diesem Gebiet eine chronopsychologische Wendung genommen: Ich untersuche die Frage, ob in dem alten Sprichwort, dass manche Menschen als Glückspilz geboren werden, eine gewisse Wahrheit steckt.[38]

Ausgangspunkt des Projekts war eine seltsame E-Mail, die ich 2004 von Professor Jayanti Chotai erhielt, einem Wissenschaftler des Universitätsklinikums im schwedischen Umeå.

Jayanti beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit dem Zusammenhang zwischen dem Geburtsdatum der Menschen und verschiedenen Aspekten ihres psychischen und körperlichen Wohlbefindens. In einer solchen Untersuchung hatte er 2000 Personen einen Fragebogen ausfüllen lassen, mit dem gemessen werden sollte, inwieweit die Betreffenden sich als sensationslustig einschätzten; anschließend untersuchte er, ob zwischen der Bewertung im Fragebogen und dem Geburtsmonat ein Zusammenhang bestand.[39]