Sprung auf den Mond - Richard Wiseman - E-Book

Sprung auf den Mond E-Book

Richard Wiseman

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Beschreibung

Die Mondlandung vor 50 Jahren gehört zweifellos zu den größten Schritten der Menschheit. Doch wie war es möglich, das scheinbar Unerreichbare zu schaffen? Mit dem Blick des Psychologen führt Professor Richard Wiseman Interviews mit Mitgliedern der Apollo-Crew und durchforstet die Archive. So rekonstruiert er die Denkweise, die die Menschheit zum Mond führte, und zeigt, wie jeder sich diese aneignen kann, um Außergewöhnliches im täglichen Leben zu erreichen. Mit praktischen Techniken stellt Wiseman dar, wie wir die »Apollo-Prinzipien« in unserem beruflichen oder persönlichen Leben anwenden können. Egal, ob wir ein Unternehmen gründen, den perfekten Partner finden oder einer lebenslangen Leidenschaft nachgehen möchten – diese Techniken helfen jedem, den eigenen Mond zu erreichen.

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Seitenzahl: 318

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Richard Wiseman

Sprung auf den Mond

Wie wir Unerreichbares schaffen können

Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer

FISCHER E-Books

Inhalt

[Motto]ChronologieDrei – zwei – eins – Start!Kapitel 1 »Wir haben beschlossen, zum Mond zu fliegen«Wie man nicht auf eine Krise reagiertMut zu Größe und KühnheitDie Macht der LeidenschaftWie Sie die Kraft der Leidenschaft nutzenNeun FragenNehmen Sie sich Großes vor!Heute ist der wichtigste Tag Ihres LebensArrangieren Sie Ihren eigenen Wettlauf ins AllAuf einen BlickKapitel 2 »John, es hat wunderbar geklappt!«Von der Phantasie zur InnovationKreativität und geistige Unbeweglichkeit»Sie könnten meinen, dass Sie einen Spinner vor sich haben«Wie Sie auf Ideen kommen, die nicht von dieser Welt sindWiderstehen Sie VersuchungenWeniger ist mehrSchalten Sie abAuf einen BlickKapitel 3 »Wir hatten doch keine Ahnung, dass es unmöglich war«Aus dem richtigen Holz geschnitztIm FührungslaborDas andere richtige HolzWas Selbstvertrauen bedeutetSo erzielen Sie kleine ErfolgeSo sprechen Sie mit sich selbstBlicken Sie in den rosaroten RückspiegelHeldenkultAuf einen BlickKapitel 4 Auf rauer Bahn zu den SternenRisiko, Leichtsinn und TragödieDie Kranz-Predigt: Eine Lektion im Umgang mit dem ScheiternAus Fehlern lernenDas Astronauten-RätselErster TeilDas Astronauten-RätselZweiter TeilLiebe MatildaZaubersprücheAuf einen BlickKapitel 5 »An mir wird es nicht scheitern«Verantwortung übernehmenWo ist Günter?Wie Sie die Einstellung finden, die Ihnen Flügel verleihtLernen Sie Ihren inneren Kontrollfanatiker liebenSchieben Sie nichts aufDenken Sie an die ZukunftStein auf SteinSetzen Sie sich intelligente TermineDie Sieben Gewohnheiten erfolgreicher MenschenDie aufblasbare SchuleAuf einen BlickKapitel 6 »Wenn wir zum Mond wollen, dann müssen wir früher oder später hinfliegen.«Wie man mit Angst und Ungewissheit umgeht»Der Kuchen ist im Ofen« Wie man ruhig bleibt und weitermacht»Ihr habt das Jahr gerettet« Der Lohn für den MutWie Sie den Mut finden, die Klappe zu halten und zu handelnRisikofreudig oder leichtsinnig?Wenn nicht jetzt, wann dann?Wir müssen nicht heute zum Mond fliegenGehen Sie in Richtung des KanonendonnersAuf einen BlickKapitel 7 Der Mann, der »Go!« sagteLetzter ZuspruchWas wäre wenn?Vorbereitung ist allesWie Sie sich vorbereiten könnenKopftheaterAutopsie am lebenden ProjektDer Kassandra-Komplex und andere ProblemeAuf einen BlickKapitel 8 Buzz Aldrin und der fehlende SchalterDie größte Show im AllDer beste PlanWie Sie das Unerwartete erwarten könnenImmer flexibel bleibenTrotz aller unberechenbaren Wendungen ans ZielMentales YogaBegegnung mit einem geheimnisvollen FremdenAlles auf einen WürfelAuf einen BlickMission erfülltDankAnhangDas AstronautenrätselLiteratur

»Wir haben beschlossen, noch in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen – nicht weil es leicht, sondern weil es schwer ist; weil dieses Ziel dazu dient, unsere Energien und Fähigkeiten zu bündeln und zu messen; weil es eine Aufgabe ist, der wir uns stellen, die wir nicht aufschieben und die wir bewältigen wollen.«

JOHN F. KENNEDY,September 1962[+]

Chronologie

Oktober 1957

Der sowjetische Satellit Sputnik umkreist die Erde.

 

November 1957

Sputnik 2 unternimmt einen Weltraumflug mit dem Hund Laika an Bord.

 

April 1961

Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin umrundet die Erde.

 

Mai 1961

Alan Shepard fliegt als erster Amerikaner ins Weltall.

 

Mai 1961

Präsident Kennedy kündigt vor dem Kongress an, die Vereinigten Staaten wollten noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond schicken.

 

September 1962

Kennedy hält seine berühmte Mondflug-Rede an der Rice University.

 

November 1963

John F. Kennedy wird am 22. November in Dallas (Texas) ermordet.

 

Januar 1967

Beim tragischen Brand von Apollo 1 kommen drei Astronauten ums Leben.

 

Dezember 1968

Mit Apollo 8 umrundet die erste bemannte Mission den Mond.

 

16. Juli 1969

Apollo 11 mit den Astronauten Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins an Bord startet zu ihrer historischen Mondlandung.

 

21. Juli 1969

Armstrong setzt als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond und erklärt: »Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen und ein riesiger Sprung für die Menschheit.«

 

24. Juli 1969

Apollo 11 landet sicher im Pazifik. Kennedys großes Ziel ist erreicht.

Drei – zwei – eins – Start!

Egal welchen Erfolgsratgeber Sie aufschlagen, früher oder später stoßen Sie auf Geschichten über geborene Genies, hartnäckige Vorstandschefs und risikofreudige Firmengründer. Nicht in diesem Buch: Hier finden Sie ein ganz anderes und radikal neues Verständnis von dem, was Erfolg ist und ausmacht. Dieses Buch handelt von jungen und erstaunlich normalen Menschen, deren Geschichten kaum jemand kennt, obwohl sie einen ganz entscheidenden Beitrag zu einer der größten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte geleistet haben. Aber wenn Sie verstehen, wie diese Menschen erreicht haben, was sie erreicht haben, können Sie ihnen auf ihrem Weg folgen und ebenfalls Außergewöhnliches zustande bringen.

Als Psychologe beschäftige ich mich schon lange intensiv mit der Frage, warum manche Menschen und Unternehmen besonders erfolgreich sind. Vor einigen Jahren begann ich, mich für die Mondflüge der NASA zu interessieren, und stellte verblüfft fest, dass die technische Seite zwar bestens dokumentiert ist, dass aber kaum etwas über die psychologischen Voraussetzungen dieser Ausnahmeleistung geschrieben wurde.[+] Als ich mit meinen Nachforschungen begann, stieß ich auf einige große Überraschungen.

Am 21. Juli 1969 setzte der amerikanische Astronaut Neil Armstrong seinen Fuß in den Mondstaub. Bilder von dem historischen Ereignis wurden live auf die Erde gefunkt, wo eine halbe Milliarde Menschen staunend vor den Fernsehern saßen. Kaum acht Jahre zuvor war Präsident Kennedy vor den Kongress getreten, um zu verkünden, dass die Vereinigten Staaten noch vor Ablauf des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond schicken würden. Im Rückblick kann man sich kaum noch klarmachen, was für ein gewaltiges Ziel das war.

Als der Präsident seine berühmte Rede hielt, hatten die Vereinigten Staaten es gerade einmal geschafft, einen Astronauten auf einen fünfzehnminütigen Flug ins Weltall zu schießen. Um Kennedys Ankündigung wahr zu machen, mussten mehrere Astronauten 380000 Kilometer weit durchs All fliegen, auf einem fernen und lebensfeindlichen Himmelskörper landen und sicher wieder nach Hause zurückkehren. Dagegen ist selbst der moderne Weltraumflug ein Klacks, denn das Space Shuttle und die Internationale Weltraumstation umkreisen die Erde in einer Höhe von gerade einmal 400 Kilometern. Außerdem hatte Kennedy versprochen, dieses Ziel innerhalb weniger Jahre zu erreichen, und das zu einer Zeit, als die Ingenieure mit Großraumcomputern arbeiteten, die nicht einmal die Rechenleistung eines modernen Smartphones hatten.

Viele hielten Kennedys Vision für vollkommen unrealistisch. Trotzdem wirkten Hunderttausende Menschen zusammen, um sie wahrzumachen. Sie erfanden neue Geräte, überwanden Rückschläge und Tragödien und setzten ein Raumgefährt aus Abermillionen Teilen zusammen. So unwahrscheinlich sie anfangs schien, die Mondlandung war ein spektakulärer Erfolg und beflügelte die Welt mit beispiellosem Optimismus und Hoffnung.

Wenn wir an die Mondlandung denken, haben die meisten von uns das Bild von Astronauten in weißen Raumanzügen vor Augen, die vorsichtig über die Oberfläche des Mondes hopsen. Diese mutigen Männer waren zwar ganz entscheidend für den Erfolg der Mission, doch sie sind nur ein kleiner Teil der Geschichte. In jedem Dokumentarfilm über die Mondlandung sehen wir Bilder aus dem Kontrollzentrum – einem riesigen Raum voller Konsolen, Bildschirmen und Menschen mit Kopfhörern. Das ist das wahre Herz des Raumfahrtprogramms. Die Menschen im Kontrollzentrum trugen keine Raumanzüge und flogen nicht zu fernen Welten. Sie trugen ihre ganz normale Alltagskleidung, blieben am Boden und waren für die Öffentlichkeit weitgehend unsichtbar. Trotzdem wäre ohne sie die gesamte Unternehmung nie zustande gekommen.

Versetzen Sie sich an den Anfang der sechziger Jahre zurück und stellen Sie sich vor, Sie erhalten die Aufgabe, vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond zu schicken. Die ganze Welt schaut zu, und das Ansehen Ihres Landes steht auf dem Spiel. Welche Menschen würden Sie für das Kontrollzentrum anheuern? Erfahrene Wissenschaftler und Ingenieure? Absolventen der renommiertesten Universitäten des Landes? Die meisten Mitarbeiter des Kontrollzentrums waren erstaunlicherweise weder das eine noch das andere. Sie kamen aus bescheidenen Verhältnissen und waren oft die ersten Hochschulabsolventen ihrer Familie. Vor allem waren sie erstaunlich jung – als Neil Armstrong seinen Fuß auf den Mond setzte, waren die Techniker im Kontrollzentrum im Durchschnitt 27 Jahre alt. Sie verfügten über wenige der Eigenschaften, die wir gemeinhin mit Erfolg in Verbindung bringen, und doch erreichten sie etwas scheinbar Unmögliches. Ich wollte herausfinden, warum das Kontrollzentrum aus psychologischer Sicht ein derart fruchtbarer Nährboden des Erfolgs war, und ich hatte das Glück, einige der leitenden Techniker von damals befragen zu können. Die heute Siebzig- und Achtzigjährigen beantworteten meine Fragen bereitwillig und großzügig. Sie waren dabei gewesen, als Geschichte geschrieben wurde, und hatten faszinierende Geschichten zu erzählen. Wir haben viel gelernt und gelacht. In einem Gespräch fragte ich beispielsweise einen der Techniker, ob es stimmt, dass man ihnen beigebracht habe, mit möglichst wenig Worten zu kommunizieren. Nach einer kurzen Pause erwiderte er: »Ja.«

Allmählich stellte ich fest, dass ihr erstaunlicher Erfolg mit einer einmaligen inneren Einstellung zusammenhing. In unseren Gesprächen, meinen Recherchen in den Archiven der NASA und meinen eigenen wissenschaftlichen Untersuchungen konnte ich acht Grundsätze herausarbeiten, die diese bemerkenswerte und hochgradig wirkungsvolle Einstellung ausmachen. Auf den folgenden Seiten werden Sie erfahren, wie Kennedys Traum Wirklichkeit wurde. Dabei werden Sie ein historisches Ereignis miterleben und ganz gewöhnlichen Menschen begegnen, die ganz Außergewöhnliches geleistet haben. Auf unserer Reise werden Sie die entscheidenden psychologischen Grundsätze kennenlernen, die hier wirkten, Sie werden sehen, wie der Präsident bereits in seinen mitreißenden Reden die Saat für den Erfolg legte, warum auch Pessimismus für den Fortschritt so wichtig war und wie aus Angst und Tragödie Hoffnung und Optimismus wurden.

Vor allem aber werden Sie eine Reihe von praktisch anwendbaren Techniken kennenlernen, die Sie als Erfolgsprinzipien in Ihrem eigenen Beruf und Privatleben übernehmen können. Egal ob Sie ein Unternehmen gründen, den Beruf wechseln, einen Partner finden, eine Familie gründen, befördert werden, neue Qualifikationen erwerben oder dem Hamsterrad entkommen und Ihren Lebenstraum verwirklichen wollen – mit Hilfe dieser Techniken werden Sie in der Lage sein, Ihren eigenen Mond zu erreichen.

Kapitel 1»Wir haben beschlossen, zum Mond zu fliegen«

Hier erfahren Sie, wie sich eine Nation in den Mondflug verliebte und wie Sie Ihre Leidenschaft nutzen können.

Im Oktober 1957 strahlte der amerikanische Fernsehsender CBS die erste Folge der Familienserie Erwachsen müsste man sein (im Original Leave it to Beaver) aus. Im Mittelpunkt standen die Abenteuer des achtjährigen Theodore »Beaver« Cleaver.

Der Start der Sendung war von einigen Komplikationen begleitet. Ursprünglich wollten die Produzenten mit einer Folge beginnen, in der Beaver ein Spielzeugkrokodil kauft und das Plastikreptil im Spülkasten des elterlichen Badezimmers versteckt. Doch nach den Richtlinien des Senders sollten möglichst keine Bilder von Badezimmern und Toiletten gezeigt werden, weshalb die Direktoren von CBS ein wenig nervös wurden. Nach einigem Hin und Her boten die Produzenten an, die Episode neu zu schneiden und so wenig wie möglich von den anstößigen Räumlichkeiten zu zeigen. Bedauerlicherweise dauerte das länger als gedacht, und der Sender musste eine andere Pilotfolge ausstrahlen.

Von alledem wussten die Zuschauer natürlich nichts, als sie sich am 4. Oktober 1957 nach Feierabend über Beaver amüsierten. Nach einem Streich fürchtete der Junge, er werde der Schule verwiesen, versteckte sich in einem Baum und versuchte, den Lehrer mit dem Präsent eines Schrumpfkopfs aus Kautschuk auf seine Seite zu bringen. Es schien alles so anheimelnd und unschuldig. Doch diese heile Welt sollte den Amerikanern schon wenige Tage später um die Ohren fliegen.

Kurz vor der Sendung hatten einige Bürger einen hellen Lichtpunkt beobachtet, der sich über den Himmel bewegte. Etwa zur selben Zeit hatten Amateurfunker sonderbare Piepstöne aufgefangen. Diese Nachrichten verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, und binnen weniger Tage war die amerikanische Öffentlichkeit in Aufruhr. Viele glaubten, bei dem Lichtpunkt handele es sich um einen neuen Kometen. Andere fürchteten, eine Invasion aus dem All stehe unmittelbar bevor. Wieder andere taten das Ganze als Halluzination und bloße Hysterie ab. Doch die Wahrheit war noch beunruhigender.

Just am Tag der Erstausstrahlung von Leave it to Beaver hatten die Sowjets den ersten von Menschenhand gemachten Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen. Der Sputnik war so groß wie ein Fußball, wog an die achtzig Kilogramm und bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von 29000 Kilometern pro Stunde. Er flog in einer Höhe von einigen hundert Kilometern, benötigte neunzig Minuten für eine Erdumrundung und überquerte die Vereinigten Staaten mehrmals am Tag. Die Sowjets taten alles, um den Amerikanern mit ihrer Weltraumkugel einen gehörigen Schrecken einzujagen. Mit seiner runden Form und seiner polierten Oberfläche reflektierte er so viel Sonnenlicht wie möglich und war vom Erdboden aus zu sehen. Um das Geheimnis noch größer zu machen, veröffentlichten sie erst einige Tage nach dem Start die ersten Fotos von ihrem Satelliten.

Ihr Plan ging auf. Die Amerikaner verfielen in Panik, es hagelte Fragen. Wie konnte es einem totalitären Regime gelingen, der mächtigsten Demokratie der Welt einen solchen Streich zu spielen? Waren die Geheimnisse von Uncle Sam noch sicher vor diesem Auge am Himmel? Der Kalte Krieg trat in eine neue Phase ein, und der Wettlauf ums All begann.

Aus psychologischer Sicht ist Sputnik ein Faszinosum. Wer diese Krise miterlebt hat, erinnert sich noch gut an die Panik, die diese kleine piepsende Kugel auslöste. Plötzlich schien die Zukunft unberechenbar und ungewiss. In ihrer Verzweiflung hofften die Bürger, der Präsident werde die Zügel in die Hand nehmen und das Land sicher lenken. Doch es sollte ganz anders kommen.

Wie man nicht auf eine Krise reagiert

An dem Morgen, an dem die Sowjets Sputnik ins All geschossen hatten, war Präsident Eisenhower zum Golfen aufs Land gefahren. Erst fünf Tage später gab er eine Pressekonferenz zu dem mysteriösen Ball im All.[+] Als er schließlich vor die Journalisten trat, spielte er die Gefahr herunter und forderte die Bürger auf, Ruhe zu bewahren. Andere Politiker warfen dem Präsidenten Realitätsverlust vor, und ein Senator forderte ihn auf, eine landesweite »Woche der Scham und des Zorns« auszurufen. Gerhard Mennen Williams, Gouverneur von Michigan, veröffentlichte gar ein Schmähgedicht über Eisenhower in der New York Times.[+]

Einige Tage später wurde die zweite Beaver-Episode ausgestrahlt und das amerikanische Publikum sah seine erste Toilette im Fernsehen. Betrüblicherweise ging dieser Meilenstein der Mediengeschichte neben dem Sputnik-Schock vollkommen unter. Inzwischen warf die kleine Piepskugel ihren Schatten auf fast jeden Lebensbereich, Barmixer mischten Sputnik-Cocktails, und Spielzeughersteller überschwemmten den Einzelhandel mit Minisatelliten und Raumanzügen.[+]

Drei Wochen nach dem Start gaben die Batterien des Satelliten den Geist auf und das Gepiepse hatte ein Ende. Doch in den Vereinigten Staaten wuchs die Sorge weiter. Politiker warfen den Bürgern vor, nur an ihre eigenen Annehmlichkeiten zu denken und darüber die nationale Sicherheit vergessen zu haben. Der republikanische Senator Styles Bridges brachte es auf den Punkt, als er schrieb:

Wir haben uns lange genug Gedanken darüber gemacht, wie dick unser neuer Teppichboden und wie lang die Flosse unserer Autos sein soll. Der Moment ist gekommen, in dem wir wieder bereit sein müssen, zum Überleben dieses Landes und der freien Welt Blut, Schweiß und Tränen zu vergießen.[+]

Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs sah man die Dinge naturgemäß ein wenig anders. Die sowjetische Führung freute sich über den Sputnik-Schock. Zur Feier des Erfolgs wurden Briefmarken und Poster mit dem Bild des Satelliten veröffentlicht, sein Foto prangte auf Titelseiten von Zeitschriften. Die Raketenforscher erhielten grünes Licht für die nächste Phase des Programms.

Für die Vereinigten Staaten kam es bald noch dicker. Zur Feier des 40. Jahrestags der Russischen Revolution schickten die Sowjets das erste Lebewesen in die Erdumlaufbahn. Sputnik 2 wog etwa fünfmal so viel wie sein Vorgänger und hatte einen kleinen Hund namens Laika an Bord. Ursprünglich sollte das Raumschiff die Hündin sicher wieder zur Erde zurückbringen, doch um rechtzeitig zum Jahrestag fertig zu werden, mussten die Raketenbauer den Rückflug streichen. Zwar starb Laika wenige Stunden nach dem Start durch Überhitzung, doch der Flug bewies, dass Tiere in der Schwerelosigkeit überlebten, und ließ erwarten, dass die Sowjets bald den ersten Menschen ins All schicken würden – der Westen befand sich in Schockstarre.

Am 6. Dezember 1957 sahen Millionen von amerikanischen Zuschauern mit an, wie der kleine Beaver in der zehnten Folge von Erwachsen müsste man sein bei einem Schultanz eine schlimme Demütigung erlebt. Wenige Stunden später machte das gesamte Land eine ähnliche Erfahrung. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit versuchten die Vereinigten Staaten, ihren eigenen Sputnik ins All zu schießen. Die Rakete Vanguard TV-3 hob sich langsam in die Luft, um zwei Sekunden später in einem riesigen Feuerball zu explodieren. Die Zeitungen kosteten die Geschichte weidlich aus, der Daily Express titelte »Kaputnik«, der Daily Herald »Flopnik«. Die Sowjets merkten ironisch an, vielleicht sollten sich die Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen um Hilfszahlungen für unterentwickelte Länder bemühen.[+]

Es musste etwas passieren, und zwar schnell.

Mut zu Größe und Kühnheit

Im Jahr 1958 gründete die Eisenhower-Regierung die Raumfahrtbehörde NASA und investierte Millionen in Wissenschaft und Forschung. Zwei Jahre später traten John F. Kennedy und Richard Nixon im Präsidentschaftswahlkampf gegeneinander an. Im Mittelpunkt stand der Wettlauf ins All, und Kennedy versprach, alles zu tun, damit die Vereinigten Staaten als Erste ins Ziel kamen.[+] Am Wahltag behielt Kennedy die Oberhand und gewann mit hauchdünnem Vorsprung.

Um die gespaltene Nation für seine Politik zu gewinnen, wollte der neugewählte Präsident eine eindrucksvolle Antrittsrede halten. Dazu holte er einen ausgezeichneten Redenschreiber an seine Seite. Ted Sorensen war ein begabter Wortschmied und hatte ein Talent dafür, große Gedanken in knappe Sätze zu packen. Am 29. Januar 1961 wurde der 44-jährige Kennedy als einer der jüngsten Präsidenten des Landes in sein Amt eingeführt. Es war ein eisiger Tag, Schneefall hatte den Verkehr in der Hauptstadt fast zum Erliegen gebracht. Dennoch waren Hunderttausende Menschen dabei, als Kennedy ans Podium trat und eine der beeindruckendsten politischen Reden der Geschichte hielt.

Kennedy wirkte dynamisch und entschlossen und sprach eine Nachkriegsgeneration an, die ihre Orientierung verloren zu haben schien. Der junge Präsident forderte seine Landsleute auf zu überlegen, was sie für andere tun können, und unterstrich die Bedeutung des Dienstes an der Gemeinschaft. Seine vierzehnminütige Ansprache endete mit einem legendären Satz, der seine Vision auf den Punkt brachte: »Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.«

Bei allem Optimismus begann Kennedys Regierung auf dem falschen Fuß. Anfang 1961 musste Uncle Sam weitere Demütigungen hinnehmen, als die Invasion in Kuba mit dem Desaster in der Schweinebucht endete und ein paar weitere Raketen vom Himmel fielen. Kurz nach seinem Einzug ins Weiße Haus wandte sich Kennedy dem Wettlauf ins All zu und begutachtete Pläne, die führende Wissenschaftler und Ingenieure des Landes erarbeitet hatten.[+] Der Präsident war sich bewusst, dass er eine Vision brauchte, mit der er die Köpfe und Herzen von Millionen von Menschen gewinnen konnte. Einige Experten waren der Ansicht, die Vereinigten Staaten sollten den Wettlauf mit der Sowjetunion aufnehmen, indem sie einen riesigen Satelliten ins All schossen. Andere schlugen vor, eine Raumstation zu bauen, die dauerhaft die Erde umkreiste. Aber Kennedy wollte ein größeres und kühneres Projekt.

Nach monatelangen Gesprächen entschied sich der Präsident für ein Projekt, das seinen hohen Ansprüchen genügte: den ersten bemannten Flug zum Mond. Und damit die Sowjetunion den Vereinigten Staaten nicht zuvorkam, gab er einen knappen Zeitplan vor und verkündete, den ersten Menschen noch vor Ende des Jahrzehnts auf den Mond zu befördern.

Für Kennedy erfüllte dieses ehrgeizige Projekt alle Wünsche. Der Mondflug wäre der erste seiner Art und ein Meilenstein in den Geschichtsbüchern. Das würde den Russen ihre Grenzen aufweisen und den Vereinigten Staaten beim Wettlauf ins All einen Vorsprung verschaffen. Vor allem aber glaubte der Präsident, auf diese Weise sicherzustellen, dass eine demokratische Macht das All beherrschen und die Welt friedlicher machen würde. Es gab allerdings ein kleines Problem: Der Mondflug würde Unsummen verschlingen, weshalb Kennedy als Allererstes den Kongress davon überzeugen musste, dass dieses Projekt den Einsatz wert war.

Im Mai 1961 hielt Kennedy vor beiden Kammern des Parlaments eine Rede über »dringende Anliegen der Nation«. Er entwarf seine Vision, noch vor dem Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu befördern, und führte aus, das Programm verlange gewaltige technische Anstrengungen und werde Haushaltspolitikern die Tränen in die Augen treiben. Er sei dennoch entschlossen und gebe sich mit nichts weniger als einem bemannten Mondflug zufrieden:

Ich fordere den Kongress und das Land auf, sich zu fest zu einem neuen Weg zu bekennen … Wenn wir ihn nur halbherzig gehen oder im Angesicht von Schwierigkeiten unser Ziel zurücknehmen, dann sollten wir gar nicht erst aufbrechen.

Dann erklärte der Präsident, was die Vereinigten Staaten alles leisten mussten, wenn dieses kühne Ziel auch nur annähernd Aussicht auf Verwirklichung haben sollte. Ihm ging es nicht nur darum, einen Menschen zum Mond zu schicken, sondern darum, als Nation nach den Sternen zu greifen.

Kennedy endete seine Rede mit der Aufforderung an den Kongress, tief in die Taschen zu greifen und 7 bis 9 Milliarden Dollar lockerzumachen, die für die Arbeit nötig wären. (In Wirklichkeit sollte das Programm 25 Milliarden Dollar kosten und auf dem Höhepunkt 5 Prozent des gesamten Staatshaushalts ausmachen.)

Der Präsident hatte Angst, der Kongress könne seinen Vorschlag ablehnen oder eine deutlich niedrigere Summe bewilligen. Doch seine kühne Vision setzte sich durch, und nach gerade einmal einer Stunde Debatte wurde sein Antrag angenommen. Damit hatte er die Unterstützung der Abgeordneten gewonnen – aber würde er auch die Öffentlichkeit begeistern können?

Die Macht der Leidenschaft

Während des gesamten Jahres 1961 suchte eine Einsatzgruppe nach einem geeigneten Hauptquartier für die Mondmission und beschloss schließlich, ihr Zentrum für bemannte Raumfahrt in der Nähe der Rice University im texanischen Houston zu errichten. Am 12. September 1962 hielt Kennedy im Football-Stadion der Universität eine Rede und verkündete seinen Traum, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu bringen. Über 40000 Menschen kamen, um seine Rede zu hören. Im Publikum saß auch ein fünfzehnjähriger Junge namens Terry O’Rourke. Der heute über Siebzigjährige erinnert sich noch lebhaft: »Man erlebt viele tausend Tage, aber an diese paar Stunden erinnere ich mich noch gut. Ich habe die Schule geschwänzt und bin mit dem Fahrrad zum Stadion gefahren. Damals gab es kaum Sicherheitsleute, also bin ich einfach rein und habe mich hingesetzt. Mann, war das ein heißer Tag. Ich erinnere mich noch, wie wir alle unter dieser feuchten, subtropischen Hitze geschwitzt haben.«[+]

Wieder hatte Kennedy mit seinem Redenschreiber Ted Sorensen an einer Rede gearbeitet, mit der er die ganze Nation mitreißen wollte. Von der Tribüne aus sah Terry, wie der Präsident auf das Podium trat und seine Rede begann:

Wir kommen an einer Hochschule zusammen, die für ihr Wissen bekannt ist, in einer Stadt, die für Fortschritt steht, und in einem Bundesstaat, der Stärke repräsentiert. Wir benötigen alles drei.

Sofort spürte Terry Kennedys Ausstrahlung und die Kraft seiner Worte. »Man muss bedenken, wir waren mitten im Kalten Krieg, alle waren nervös und hatten Angst. Wir hatten keine Ahnung, wie es die Sowjets geschafft hatten, uns im Wettlauf ins All zu überflügeln. Und dieser gutaussehende, kluge und charismatische Kennedy hat uns gesagt, dass es noch Hoffnung gibt.«

Gleich zu Beginn seiner Rede skizzierte Kennedy die Vision, mit der er den Kongress mitgerissen hatte. Die Vereinigten Staaten würden noch vor Ende des Jahrzehnts den ersten Menschen zum Mond schicken. Dann sprach Kennedy darüber, wie aufregend es sei, als Pionier neue Wege zu gehen, und wie wichtig der Wettlauf ins All für die Zukunft der Menschheit sei:

Frühere Generationen haben dafür gesorgt, dass dieses Land ganz oben auf den ersten Wellen der Industriellen Revolutionen, den ersten Wellen moderner Erfindungen und der ersten Welle der Atomkraft schwamm, und die heutige Generation hat nicht die Absicht, im Kielwasser des kommenden Raumfahrtzeitalters unterzugehen. Wir haben vor, ein Teil davon zu sein, wir haben vor, an der Spitze zu marschieren. Denn die Augen der Welt blicken nun in den Weltraum, auf den Mond und auf die Planeten dahinter, und wir haben geschworen, dass wir nicht dabei zusehen werden, wie er von einer feindlichen Flagge der Eroberung beherrscht wird, sondern von einem Banner der Freiheit und des Friedens. Wir haben geschworen, dass wir nicht zusehen werden, wie der Weltraum mit Massenvernichtungswaffen gefüllt wird, sondern mit Instrumenten des Wissens und des Verständnisses.

Die Rice University war damals eine kleine Hochschule, zumal im Vergleich mit der nahe gelegenen University of Texas in Austin. Die Football-Mannschaften waren seit Jahren Rivalen, wobei die Rice Owls regelmäßig den Texas Longhorns unterlegen waren. Den größten Applaus erhielt Kennedy, als er aus dem Stand einen Satz zu der Rivalität der beiden Mannschaften sagte, um zu demonstrieren, wie wichtig es ist, Herausforderungen anzunehmen:

Doch einige sagen: »Warum der Mond? Warum setzen wir uns den Mond zum Ziel?« Und sie könnten genauso gut fragen, warum sollte man den höchsten Berg besteigen? Warum wurde vor 35 Jahren der Atlantik überflogen? Warum spielt Rice gegen Texas?

Wir haben beschlossen, zum Mond zu fliegen. Wir haben beschlossen, noch in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen und all die anderen Dinge zu tun, nicht weil es leicht ist, sondern weil es schwer ist; weil dieses Ziel dazu dient, unsere besten Energien und Fähigkeiten zu bündeln und zu messen; weil es eine Aufgabe ist, der wir uns stellen wollen, die wir nicht aufschieben wollen und die wir bewältigen wollen, genau wie die anderen auch.

Terry erinnert sich, dass sich das Stadion von Kennedys Leidenschaft und Begeisterung mitreißen ließ: »Ich habe ihm zu 100 Prozent vertraut. Er hat gesagt, wir fliegen zum Mond, und ich habe es ihm absolut geglaubt. Wir haben ihm alle geglaubt. Nennen Sie es Optimismus, Arroganz oder Naivität. Aber es war, als ob jeder in dem Stadion geglaubt hat, dass Amerika das wirklich schaffen kann.«

Vom Warum des Mondflugs kam Kennedy auf das Wie zu sprechen. Er räumte ein, dass die Vereinigten Staaten in diesem Moment in Sachen Weltraumtechnik im Hintertreffen waren, und ging auf die gewaltigen technischen Herausforderungen ein, die gemeistert werden mussten. Um bis zum Mond fliegen zu können, müsse man eine riesige Rakete bauen, die so lang war wie das gesamte Footballfeld. Man müsse Instrumente schaffen, die exakter waren als die genauesten Messgeräte der Welt, und man müsse Materialien entwickeln, die etwa die Hälfte der Temperatur aushielten, die auf der Sonne herrschte (»Fast so heiß wie wir es heute hier haben«, fügte er spontan hinzu).

Zum Abschluss seiner historischen Rede verglich Kennedy die bevorstehende Reise mit der Expedition von einem der großen Entdecker der Erde:

Vor vielen Jahren fragte man den großen britischen Entdecker George Mallory, der später auf dem Mount Everest den Tod finden sollte, warum er diesen Berg bezwingen wolle. Darauf antwortete er: »Weil es ihn gibt.«

Nun, es gibt auch den Weltraum, und wir haben vor, ihn zu bezwingen, und es gibt auch den Mond und die Planeten, und es gibt neue Hoffnung auf Wissen und Frieden. Und daher bitten wir um Gottes Segen, während wir die Segel setzen und aufbrechen zum riskantesten und gefährlichsten und größten Abenteuer, zu dem sich jemals ein Mensch aufgemacht hat.

Kennedys Aufruf, einen Beitrag zum Aufbau einer besseren Gesellschaft zu leisten, sprach den fünfzehnjährigen Terry O’Rourke an: »Seine Rede hat mich bewegt. Diese Idee, etwas für die Gemeinschaft zu tun, hat sich an dem Tag in mir festgesetzt, und ich hatte den Wunsch, mich für mein Land und meine Mitbürger einzusetzen.«

Kaum hatte er das Stadion verlassen, schrieb er einen Brief an den Abgeordneten seines Wahlkreises und wurde eingeladen, ein Praktikum im Abgeordnetenhaus zu absolvieren. Ein Jahr darauf hatte er ein weiteres unvergessliches Erlebnis, als er im Garten des Weißen Hauses dem leibhaftigen John F. Kennedy gegenüberstand. Später studierte Terry Jura, wurde ein angesehener Anwalt und kämpfte viele Jahre lang für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz. Er folgte Kennedys Aufforderung, sich für die Gemeinschaft einzusetzen; er gehörte dem Beraterteam des Präsidenten an, das den Kongress davon überzeugte, ein Energieministerium zu gründen, und unter Präsident Jimmy Carter gehörte er dem Mitarbeiterstab des Weißen Hauses an.

Terry war nicht der Einzige im Stadion, dessen Leben durch Kennedys Rede einen anderen Lauf nahm. Einige Meter weiter stand Rice-Student und Basketball-Ass Jerry Woodfill.[+]

Jerry kam ursprünglich aus Indiana, begeisterte sich schon als kleiner Junge für Basketball und erhielt schließlich ein Sportstipendium an der Rice University. Auch er erinnert sich noch an die sengende Hitze, die an diesem Tag im Stadion herrschte. Seinerzeit lief es bei ihm nicht sonderlich gut: Seine Noten waren miserabel und das Basketballtraining anstrengend. Als Kennedy mit seiner Rede begann, spürte er, wie sich in ihm etwas regte, und als er endete, war Jerry ein anderer Mensch geworden. Begeistert von Kennedys leidenschaftlicher Vision, als Erster einen Menschen auf den Mond zu schicken, kehrte er an die Universität zurück, schied aus der Basketballmannschaft aus und widmete sich ganz seinem Studium der Elektrotechnik. Nach seinem Abschluss bewarb er sich bei der NASA und arbeitete an der Entwicklung von Sicherheitssystemen der Rakete mit, die den Mondflug unternehmen sollte. Am 20. Juli 1969, sieben Jahre nachdem er Kennedy im Stadion der Rice University erlebt hatte, arbeitete er im Zentrum für bemannte Raumfahrt und trug seinen Teil dazu bei, Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf den Mond zu befördern.

Millionen von Menschen ließen sich von Kennedys Begeisterung für den bemannten Mondflug anstecken, und schon schien die ganze Nation im Weltraumfieber. Innerhalb weniger Monate war es dem Präsidenten gelungen, Politiker, die Öffentlichkeit, Wissenschaftler und Ingenieure mitzureißen. Amerika hatte sein Traumziel gefunden und die Menschheit nahm Kurs auf den Mond.

Wie Sie die Kraft der Leidenschaft nutzen

Die Idee des Mondflugs begeisterte Millionen von Menschen in aller Welt. Einige hatten als Kinder die Abenteuer von Flash Gordon und Buck Rogers verfolgt und träumten von der Erkundung des Weltraums. Andere wollten auf den Mond, weil es eine so schwierige, neue und kühne Herausforderung war. Eine andere Gruppe war wie Kennedy überzeugt, dass die Eroberung des Weltalls Freiheit und Demokratie stärken und kommenden Generationen eine bessere Zukunft bieten würde. Und wieder andere begeisterten sich für den Wettlauf ins All und wollten das Ziel vor den Sowjets erreichen.

Dieselbe Leidenschaft beflügelte viele der Wissenschaftler und Ingenieure, die Kennedys Vision verwirklichen sollten, und sie war eine wesentliche Voraussetzung für ihren Erfolg. Sie machte die Arbeit zum Spiel und ließ Überstunden oder knappe Terminvorgaben erträglicher erscheinen. Bill Tindall war einer der erfahrensten Ingenieure des Apollo-Programms. Einige Jahre nach der Mondlandung wurde er gefragt, was so viele Menschen dazu brachte, so viel zu arbeiten und das Projekt zum Erfolg zu machen. Tindall entgegnete, das Wort »arbeiten« sei falsch, und erklärte:

Ich würde nicht von Arbeit sprechen, sondern von Spiel. Ich hatte nie das Gefühl, dass wir gearbeitet haben. Und das meine ich ganz ernst. Es hat so viel Spaß gemacht.[+]

Viele Mitarbeiter des Kontrollzentrums würden das sofort unterschreiben. Als der Flugdirektor Glynn Lunney gefragt wurde, wie er sich fühle, dem Team anzugehören, das Neil Armstrong auf den Mond befördert hatte, antwortete er: »Es hat Spaß gemacht. Die Arbeit, die Kameradschaft, der Wettstreit und das Gefühl, etwas zu leisten, das den Amerikanern etwas bedeutet, das alles hat Spaß gemacht.«[+] Und Raumfahrtingenieur Steve Bales fügte hinzu, die Mitarbeit an der Apollo-Mission sei so aufregend und begeisternd gewesen, dass er auch dann mitgemacht hätte, wenn er nur das Lebensnotwendige verdient hätte.[+] Und als Flugleiter Gerry Griffin gefragt wurde, ob er das Arbeitspensum und den unglaublichen Stress noch einmal auf sich nehmen würde, antwortete er, ohne zu zögern: »Natürlich! Wenn mir etwas leidgetan hat, dann nur, dass es irgendwann zu Ende war!«[+]

Die Antworten der Techniker werden durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt. Robert Vallerand von der University of Quebec hat Hunderte Fachartikel über die Psychologie der Leidenschaft verfasst.[+] Er erforschte das Leben und Denken Tausender leidenschaftlicher Menschen und kam dabei zu dem Schluss, dass dieser oftmals übersehene Faktor eines der größten Erfolgsgeheimnisse ist. Wenn wir unsere Arbeit lieben, dann erscheint sie uns eher wie ein Spiel, und wenn es schwierig wird, halten wir eher durch. Im Resultat sind wir besonders produktiv und erfolgreich. So wie Kennedy mit seiner Vision des Mondflugs eine ganze Nation mitriss, kann uns die Leidenschaft zu ungeahnten Höhenflügen anspornen, sowohl im Privaten als auch im Beruflichen.

Wenn Sie nach Ihrem Ziel suchen, hören Sie daher auf Ihre Leidenschaft. Oder wenn Sie gezwungen sind, einen bestimmten Weg zu gehen, dann versuchen Sie, ihn mit mehr Leidenschaft zu gehen. Leider fällt es erstaunlich vielen Menschen schwer zu benennen, was ihre Augen zum Leuchten bringt und ihrem Leben einen Sinn gibt. In der Folge stelle ich Ihnen Techniken vor, mit denen Sie Ihrem Leben mehr Leidenschaft verleihen und den Treibstoff tanken können, um auf Ihren eigenen Mond zu fliegen. Es sind dieselben Kniffe, mit denen sich unbewusst auch die Techniker motivierten und Kennedys Traum verfolgten. Dazu müssen Sie Antworten auf neun lebenswichtige Fragen finden, sich Großes vornehmen, das Hier und Heute in den Mittelpunkt stellen und Ihren eigenen Wettlauf ins All arrangieren.

Neun Fragen

Viele der Wissenschaftler und Techniker, die an der Mondlandung beteiligt waren, brachten eine große Begeisterung für Fliegen und Raumfahrt mit. Die meisten von uns haben eine natürliche Leidenschaft für irgendetwas. Sei es Malen oder Töpfern, Musik oder Mosaik, Zaubern oder in die Wolken gucken – die Begeisterung dafür entsteht meist schon während der Kindheit und hat das Zeug dazu, den Rest des Lebens zu tragen. Aber wenn das Leben kompliziert und stressig wird, dann vergessen wir allzu oft, was uns Flügel verleiht. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, dann können Ihnen die folgenden Fragen helfen, Ihre natürlichen Leidenschaften (wieder) zu entdecken.

Suchen Sie sich zunächst einen ruhigen Ort, nehmen Sie einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand und beantworten Sie dann die folgenden neun Fragen:

1. Erinnern Sie sich an drei Momente, in denen Sie sich besonders begeistert und lebendig gefühlt haben? Notieren Sie diese.

 

2. Stellen Sie sich vor, Sie würden in ein Zimmer eingeschlossen und dürften nur zu einem einzigen Thema Bücher und Zeitschriften mitnehmen. Welches Thema würden Sie wählen?

 

3. Stellen Sie sich vor, Sie sind finanziell abgesichert und könnten mit Ihrem Leben anfangen, was Sie wollen. Nachdem Sie eine Weltreise unternommen, ein Haus gekauft, Freunden und Verwandten ausgeholfen und Ihre Lieblingsprojekte unterstützt haben – was würden Sie mit Ihrem Leben anfangen?

 

4. Was haben Sie als Kind gern gemacht? Gibt es Spielsachen oder Gegenstände aus Ihrer Kindheit, an denen Sie sich Jahre lang festgehalten haben? Wenn ja, warum?

 

5. Welche Hobbys und Interessen hatten Sie früher, die Sie nun nicht mehr verfolgen?

 

6. Stellen Sie sich vor, Ihr Leben geht seinem Ende entgegen. Blicken Sie zurück und überlegen Sie, wie Sie die vergangenen dreißig Jahre gern verbracht hätten. Was bedauern Sie? Was hätten Sie gern getan?

 

7. Stellen Sie sich vor, Sie könnten etwas Neues erschaffen. Egal was – vielleicht einen neuen Typ Schubkarre, einen neuen Superhelden oder eine neue Methode des Gitarrenunterrichts. Was würden Sie erschaffen?

 

8. Kennen Sie das Gefühl, dass Sie etwas tun und die Zeit dabei wie im Flug vergeht? Sie haben gedacht, dass Sie nur ein halbes Stündchen beschäftigt waren, nur um dann festzustellen, dass viele Stunden vergangen sind. Bei welcher Tätigkeit ist es Ihnen so gegangen?

 

9. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen eine große Tafel und sollen Bilder aufhängen, die Ihnen gefallen. Sie dürfen jedes Foto, jede Zeichnung oder jedes Gemälde wählen – welche Bilder würden Sie aufhängen?

Wie Sie wahrscheinlich schon vermutet haben, sollen Ihnen diese Fragen helfen, Ihre wahre Leidenschaft zu entdecken. Gleich sollen Sie diese Antworten bewerten und die Themen benennen, die sich daraus ergeben. Aber zuvor möchte ich Sie bitten, Folgendes zu bedenken:

 

Es geht nicht darum, einer einzigen Leidenschaft Ihr ganzes Leben zu widmen.

Der Psychologe Benjamin Schellenberg bat über tausend Studenten, ihre Lebenszufriedenheit, ihre Gesundheit und ihre Freude zu bewerten und anzugeben, ob Sie keine, eine oder zwei Leidenschaften hatten.[+] Die Teilnehmer mit zwei Leidenschaften waren am zufriedensten. Um auszuschließen, dass es sich hier lediglich um die investierte Zeit handelte, sollten die Teilnehmer außerdem angeben, wie viel Zeit sie auf ihre Leidenschaften verwendeten. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Teilnehmer mit zwei Leidenschaften selbst dann zufriedener waren, wenn sie für ihre beiden Leidenschaften zusammen nur genauso viel Zeit verwenden konnten wie die Teilnehmer mit einer Leidenschaft auf ihre. Das Ergenbis ist eindeutig: Eine Leidenschaft ist gut, zwei oder mehr sind besser.

 

Vorsicht: Übertreiben Sie es nicht!

Untersuchungen zeigen, dass nicht alle Leidenschaften gut sind. Manche laufen Gefahr, sich einer Leidenschaft derart hinzugeben, dass sie in Besessenheit ausartet. Sie haben das Gefühl, nicht mehr von ihr lassen zu können, oder sie werden von extrinsischen Anreizen wie Lob, Ruhm und Geld motiviert, statt die Tätigkeit um ihrer selbst willen zu genießen. Diese Art von Besessenheit kann zu einem Burnout führen oder Schaden verursachen, etwa wenn Tänzer trotz einer Verletzung auftreten oder Rennradfahrer selbst bei gefährlicher Witterung auf die Piste gehen. Seien Sie leidenschaftlich, aber hüten Sie sich vor Besessenheit.

 

Gut, und jetzt sehen Sie sich Ihre Antworten auf die neun Fragen an und versuchen Sie herauszufinden, was Ihnen wirklich etwas bedeutet und Sie beflügelt.

Es könnte zum Beispiel sein, dass Sie immer wieder Stepptanz, die keltische Kultur, Malen, App-Programmierung, Töpfern, Schatzsuche oder Theaterbesuche nennen. Wie dem auch sei, Sie können Ihr Traumziel suchen, indem Sie überlegen, wie Sie diese Leidenschaft nutzen können, um sich ein neues Ziel zu setzen. Aber bedenken Sie auch hier die beiden folgenden Punkte:

1. Natürlich würden viele Menschen gerne mit ihrer Leidenschaft ihren Lebensunterhalt verdienen. Wenn Ihnen das nur schwer umsetzbar scheint, dann könnten Sie sich überlegen, wie Sie umgekehrt Ihre Leidenschaft in Ihre aktuelle Arbeit einbeziehen können. Wenn Sie zum Beispiel in einer Personalabteilung arbeiten, sich aber für Technik begeistern, dann könnten Sie beispielsweise eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen, die der Frage nachgeht, wie sich die sozialen Medien bei der Suche nach neuen Mitarbeitern einsetzen lassen. Oder wenn Sie im Kundendienst tätig sind, aber Ihre Leidenschaft das Theater ist, dann könnten Sie Ihr Schauspieltalent einsetzen, um Ihre Kundenbeziehungen zu verbessern.

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