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Superkraft Freundlichkeit: Wie wir uns selbst und die Welt verändern können.
In einer Welt, die immer schneller, digitaler und anonymer wird, scheint ein wichtiger Wert mehr und mehr zu verschwinden: die Freundlichkeit. Dabei ist sie kein Ausdruck von Schwäche, sondern ein kraftvolles Tool, um Brücken zu bauen, Konflikte zu lösen und Gemeinschaften zu stärken.
Die Psychologin und Unternehmerin Nora Blum zeigt, wie wir uns echte Nähe und mehr Lebensfreude mit Hilfe von radikaler Freundlichkeit zurückerobern können. In 14 Kapiteln zeigt sie 14 verschiedene Wege, wie wir freundlicher zu anderen und uns selbst sein können - und dadurch glücklicher werden. Dabei wird klar, dass Freundlichkeit keineswegs bedeutet, keine Grenzen zu setzen und sich alles gefallen zu lassen. Wir lernen, wie wir selbst in schwierigen Situationen empathisch miteinander umgehen, sei es unter akutem Stress, im politischen Diskurs oder im Job. Freundlichkeit als ein Geschenk an andere, an uns selbst – ein Geschenk, das die Welt zu einem besseren Ort macht.
Mit radikaler Freundlichkeit zu mehr Lebensfreude
Noch immer wird in unserer Gesellschaft Freundlichkeit sofort mit Schwäche gleichgesetzt. Warum kann sie nicht als Stärke gesehen werden, wenn es doch wissenschaftlich erwiesen ist, dass uns freundlich sein glücklicher und erfolgreicher macht? Denn auch wenn sie im hektischen „Smartphone-Leben“ schnell verloren geht, steckt die Fähigkeit, empathisch und wohlwollend mit anderen Menschen umzugehen in unserer menschlichen Natur.
Mit vielen persönlichen Geschichten und wissenschaftlichen Studien erklärt die Psychologin, warum Freundlichkeit nicht nur unsere Beziehungen stärkt, sondern auch das Beste für unsere eigene Lebenszufriedenheit ist. Mit konkreten Übungen und Methoden der radikalen Freundlichkeit lernen wir uns selbst besser kennen und finden zu neuer Lebensfreude.
In diesem Buch findest du:
• die neusten wissenschaftliche Erkenntnisse über die positiven Effekte von Freundlichkeit
• viele persönliche Beispiele und Geschichten
• konkrete Tipps und Übungen zur direkten Umsetzung
• verschiedene Selbsttests zur Reflektion
Du erfährst:
• wie du gelassen auf Unfreundlichkeit reagierst und dadurch Unabhängigkeit erreichst
• wie du freundlich Konflikte führst
• wie du liebevoller mit dir selbst umgehst
• wie du „Nein“ sagst, ohne andere zu verprellen
• warum kleine freundliche Gesten dich länger leben lassen
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 352
Veröffentlichungsjahr: 2025
Zum Inhalt:
Wir leben in einer Zeit, die von gesellschaftlichen Krisen, der Entfremdung durch Digitalisierung und einem starken Fokus auf Effizienz und Profit geprägt ist. Die allgemeine Stimmung ist aggressiver und emotional kälter – Einsamkeit, Depressionen und Stress sind die Folge.
Die Psychologin und Unternehmerin Nora Blum zeigt, wie wir uns echte Nähe und mehr Miteinander mit Hilfe von radikaler Freundlichkeit zurückerobern können. Wir erkennen, wie wichtig Freundlichkeit für unsere eigene Lebenszufriedenheit, unsere körperliche Gesundheit und unseren wirtschaftlichen Erfolg ist. Wir lernen, wie es uns selbst in schwierigen Situationen gelingt, liebevoller miteinander umzugehen, sei es unter akutem Stress, im politischen Diskurs oder im Job. Durch die Entscheidung für ein freundliches Leben erlangen wir Selbstwirksamkeit und schaffen es, selbst in schwierigen Zeiten zufriedener, gelassener und hoffnungsvoller zu sein.
Über die Autorin:
Nora Blum studierte Psychologie in York und Cambridge. Als junge Gründerin der erfolgreichen Online-Therapieplattform Selfapy wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Sie forscht zum Thema Freundlichkeit und Stressbewältigung und ist eine gefragte Expertin und Speakerin. Nora Blum lebt in Berlin.
Nora Blum
Radikale
Freund
lichkeit
Wie sie unser Leben revolutioniert
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Originalausgabe
© 2024 Kailash Verlag, München
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Str. 28, 81673 München
[email protected] (Vorstehende Angaben sind zugleich
Pflichtinformationen nach GPSR)
Lektorat: Caroline Kaum
Umschlaggestaltung: ki 36, Editorial Design, München
Satz und E- Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-32965-5V002
www.kailash-verlag.de
Für Berlin
Inhalt
PrologAuf dem Weg zu radikaler Freundlichkeit
Zurück zu mehr Freundlichkeit
Kapitel 1 Was ich meine, wenn ich von Freundlichkeit spreche
Ist Freundlichkeit angeboren oder müssen wir sie erst erlernen?
Gibt es die eine Definition von Freundlichkeit?
Mach den Freundlichkeits-Selbstcheck
Deine wichtigsten Werkzeuge auf dem Weg zu mehr Freundlichkeit
Kapitel 2 Auf Unfreundlichkeit freundlich reagieren. Macht unabhängig
Warum uns Unfreundlichkeit so stark triggert
Was du gewinnst, wenn du freundlich bleibst
Radikal Freundlich mit Unfreundlichkeit umgehen
Kapitel 3 Endgegner Freundlichkeit. Dein Smartphone
Wie Smartphones unsere Beziehung auf die Probe stellen
Warum Smartphones uns kleine Alltagsbegegnungen rauben
Was wir durch einen anderen Handyumgang gewinnen können
RADIKALFREUNDLICH bleiben – trotz Smartphone
Kapitel 4 Die Kraft freundlicher Gesten. Kleine Signale mit großer Wirkung
Freundliches Handeln macht glücklich
Aktive Freundlichkeit stärkt unsere Gesundheit
Warum wir uns nicht häufiger unterstützen
RADIKALFREUNDLICH handeln
Kapitel 5 Bewusst freundlich engagiert. Anderen und dir selbst Gutes tun
Freiwilliges Engagement, das dich selbst stärkt
Anderen helfen und länger leben
RADIKALFREUNDLICH für andere aktiv werden
Kapitel 6 Freundlich Nein sagen. Schafft Freiräume
Warum ein Nein so schwerfällt
Wieso ein ehrliches Nein freundlicher ist
RADIKALFREUNDLICH Grenzen setzen
Kapitel 7 Konflikte freundlich austragen. Öffnet Türen
Verschiedene Konfliktstile: Wo stehst du?
Wie wir welcher Konflikttyp werden
Unser Konfliktverhalten und die Freundlichkeit
RADIKALFREUNDLICH streiten lernen
Kapitel 8 Freundlich mit dir selbst sein. Die Essenz
Warum wir uns selbst so kritisch sehen
Die große Chance, die Selbstmitgefühl bietet
Was dein Selbstmitgefühl für deine Mitmenschen bedeutet
RADIKALFREUNDLICH mit dir selbst umgehen
Kapitel 9 Freundlich im Job? It works
Warum es uns in der Arbeitswelt so schwerfällt, freundlich zu sein
Ein paar gute Gründe für Freundlichkeit im Job
Warum Unternehmen in eine freundliche Arbeitskultur investieren sollten
RADIKALFREUNDLICH im Job
Kapitel 10 Königsdisziplin: Freundlich bleiben trotz Stress
Stress macht (leider) oft antisozial
Wieso wir im Stress ungenießbar werden (können)
Freundlich bei Stress? Das sind die Vorteile
RADIKALFREUNDLICH auf Stress reagieren
Kapitel 11 Politische Diskussionen freundlich führen. Und dazulernen
Warum wir bei manchen Themen so schnell an die Decke gehen
Wie die Digitalisierung unsere Gemüter weiter erhitzt
Warum wir anfangen sollten, freundlicher zu diskutieren
RADIKALFREUNDLICH im politischen Diskurs
Kapitel 12 Freundlich mit Neid umgehen. Vervielfacht Lebensfreude
Warum wir andere beneiden
Erschwert die Sache: Neidgesellschaft Deutschland
Wie Neid unser Miteinander vergiftet
Wie Neid dich selbst unglücklich macht
RADIKALFREUNDLICH den Neid hinter dir lassen
Kapitel 13 Geld spenden. Eine Quelle von Glück
Geben macht glücklich
Was uns zum Spenden motiviert und was uns davon abhält
RADIKALFREUNDLICH spenden
Kapitel 14 In Freundlichkeit verzeihen. Befreit von altem Schmerz
Was es bedeutet, zu verzeihen
Wann wir verzeihen
Warum wir öfter verzeihen dürfen
RADIKALFREUNDLICH vergeben lernen
Blick nach vorn Freundlich(er) werden. Fangen wir heute damit an
Danksagung
Register
Anmerkungen
Prolog
Auf dem Weg zu radikaler Freundlichkeit
Ich betrete den Raum. Am Tisch gegenüber sitzen fünf Finanzinvestoren. Ich bin eingeladen, um meine Pläne für die Erweiterung unseres Unternehmens zu präsentieren und dafür Geld einzuwerben. Ich brauche zwei Millionen Euro. Ich fühle mich gut und bin zuversichtlich, dass mir die Präsentation gelingen wird. Ich lächle in den Raum und begrüße die Runde. Die Anwesenden schauen mit ernster Miene zurück. Ich stelle mich vor und gebe den Investoren einem nach dem anderen freundlich die Hand. Ich setze mich und mache wie gewohnt etwas Small Talk, um die Stimmung aufzulockern. Einsilbig antwortet man mir, es solle losgehen.
Ich nicke und starte mit der Präsentationmeines Unternehmens. Vor einigen Jahren habe ich als Psychologin ein Gesundheitsunternehmen gegründet, das mithilfe einer Therapie-App die lange Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz überbrücken soll. Das Unternehmen entwickelt sich gut, erst kürzlich konnten wir im Rahmen einer großen klinischen Studie zeigen, dass unsere App die Symptomatik einer Depressionsignifikant reduziert. In einigen Monaten könnte es so weit sein, dass alle gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die Kosten unserer App übernehmen. Das wäre für uns der Durchbruch. Aber für diesen Schritt benötigen wir Geld.
Die Präsentation bei den Investorenläuft aus meiner Sicht gut. Die Nutzerzahlen wachsen, die Umsätze steigen jeden Monat. Ich bin stolz auf das, was wir aufgebaut haben. Zuversichtlich gestimmt gehe ich durch die einzelnen Folien. Am Ende schaue ich lächelnd in den Raum und erkundige mich, ob es noch Fragen gibt. Die meisten der Investoren tippen nur stumm auf ihren Laptops herum, ohne mich anzusehen. Einer von ihnen fragt etwas, ich antworte, dann herrscht wieder Stille. »Gut«, sage ich freundlich, »wenn Sie noch etwas brauchen, können Sie sich jederzeit melden.« Ich verabschiede mich leicht irritiert und schließe die Tür hinter mir.
Drei Tage später kommt der Anruf: Wir werden das Investment nicht bekommen. Woran es liegt, frage ich. Kurze Stille. Am anderen Ende der Leitung spüre ich Unbehagen: »Verschiedenes«, antwortet mein Gesprächspartner. Ich merke, wie er mir ausweicht. Noch dreimal muss ich nachfragen, bevor er endlich mit der Sprache herausrückt: »Wir wissen nicht, ob du die richtige Ellenbogenmentalität mitbringst, die es in der Unternehmenswelt braucht«, sagt er. »Du warst zu freundlich.«
»Du warst zu freundlich.« Ich habe mit 24 Jahren ein Unternehmen gegründet und zu jenem Zeitpunkt knapp 100 Mitarbeitende geführt. Und mein Problem ist, dass ich freundlich war? An dem Punkt fragte ich mich das erste Mal, was eigentlich verkehrt ist mit unserer Welt. Wie sind wir dahin gekommen, dass Freundlichkeit sofort mit Schwäche gleichgesetzt wird? Seit wann sind Rücksichtslosigkeit und Härte etwas Erstrebenswertes? Sind wir nicht viel erfolgreicher, wenn wir respektvoll miteinander umgehen und kooperieren? Ich hätte mich an dieser Stelle anpassen können. Weniger lächeln, mehr Härte zeigen, bloß kein freundliches »Guten Morgen« mehr. Aber ich habe ehrlicherweise keine Lust, dass wir als Gesellschaft so weitermachen. Denn dieses Thema begegnet mir längst nicht mehr nur im Unternehmenskontext.
Ich lebe in Berlin. Hier muss man nicht lange suchen, um Unfreundlichkeit zu begegnen. Mehr noch: In dieser Stadt ist es beinahe ein Markenzeichen, nicht freundlich zu sein. Wir feiern die »Berliner Schnauze«, nutzen Sprichwörter wie »Nett ist die kleine Schwester von Scheiße« und lesen Unternehmensratgeber mit Titeln wie Den Netten beißen die Hunde.
Freundlich sein ist out. Und so verhalten wir uns auch. Sei es im Verkehr, wo ich fast täglich Autofahrende sehe, die ohne Rücksicht auf Verluste noch schnell über die rote Ampel fahren. Oder in der vollen U-Bahn, in der wir uns aneinander vorbeizwängen, die Nasen über den Handys, sodass wir nicht einmal mitbekämen, wenn jemand unsere Hilfe benötigen würde.
Und nicht nur zwischen Fremden, auch unter Bekannten begegnet mir immer wieder diese neue Kühle. Neulich sah ich zwei Jugendliche, die, während sie miteinander sprachen, die Stöpsel ihrer Kopfhörer im Ohr behielten. Sie sahen sich nicht an, weil sie während des Gesprächs auf die kleinen Bildschirme ihrer Handys schauten. Dort liefen TikTok-Videos, die auf eine Aufmerksamkeitsspanne von wenigen Sekunden ausgelegt sind. Da wundert es nicht, dass es vielen von uns schwerfällt, unserem Gegenüber die volle Aufmerksamkeit für ein ganzes Gespräch zu schenken. Und wenn wir es doch tun, dann missverstehen wir uns oft und nehmen Dinge schnell persönlich. »Das macht er nur, um mir eins auszuwischen. Da soll er morgen mal sehen, was er davon hat!«, sagte ein Freund kürzlich über seinen Arbeitskollegen, mit dem es bei einem Projekt zu Unstimmigkeiten kam. Statt einander mit Empathie zu begegnen, fühlen wir uns schnell gekränkt und gehen in den Gegenangriff über.
Noch drastischer erscheint mir die Situation, wenn ich in die sozialen Medien schaue. Insbesondere hier fällt es mir schwer, der Unfreundlichkeit unserer Zeit zu entfliehen. Laut Angabe von Statista haben 61 Prozent der Jugendlichen in Deutschland bereits auf irgendeine Art und Weise Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht.1 Auch auf Accounts von Menschen, denen ich in sozialen Medien folge, springt mir schnell Gehässigkeit ins Auge. »Du willst ja nur Aufmerksamkeit!«, kommentierten Menschen den Beitrag der Moderatorin Louisa Dellert auf Instagram, als sie kürzlich über ihre depressive Phase sprach. »Die Idee war von vorneherein schlecht«, war einer der Kommentare, als ein befreundeter Unternehmer auf LinkedIn von der Insolvenz seines Start-ups berichtete. Die Anonymität des Netzes gibt uns die Berechtigung, andere zu beleidigen. Und gleichzeitig scheint diese Härte mehr und mehr in der richtigen Welt anzukommen.
Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage der DAK gaben 70 Prozent der Bevölkerung an, das soziale Miteinander habe sich ihrer Wahrnehmung nach in den letzten drei Jahren verschlechtert.2 67 Prozent der Befragten berichteten, eine Zunahme von Beleidigungen und Respektlosigkeit zu erleben. Andere nannten Egoismus, Ausgrenzung und Gleichgültigkeit.
Wie kommen diese Veränderungen zustande? Aus meiner Sicht tragen viele der aktuellen Entwicklungen im öffentlichen Leben nicht zu einem freundlicheren Miteinander bei. Wir befinden uns in einem gesellschaftlichen Wandel, der durch die zunehmende Digitalisierung, die Urbanisierung, den Rückgang von sozialen Strukturen wie Familie, Kirche und Nachbarschaft und den wachsenden Fokus auf Individualismus und Effizienz geprägt ist3. Statt uns zu verabreden, chatten wir online. Statt uns zu helfen, kennen wir unsere Nachbarn nicht einmal mehr beim Namen. Statt uns für gemeinsame Werte starkzumachen, streben wir nach individuellem Erfolg.
Auch der raue Ton der Medien hilft aus meiner Sicht nicht. Wenn ich manche Zeitungen aufschlage, springen mir Überschriften ins Auge, die teils klar unter der Gürtellinie die Unfähigkeit von Politikerinnen und Politikern anprangern. Daneben die täglichen Krisenmeldungen von Gewalt und Katastrophen auf der Welt, an die man sich fast schon gewöhnt hat. Ich stehe hinter kritischem Journalismus. Gleichzeitig frage ich mich, welches Menschenbild uns über diese negative Art der Berichterstattung vermittelt wird. Wie soll man bei all der Negativität noch an das Gute im Menschen glauben? Wirkt Feindseligkeit wie die einzig logische Konsequenz, schließlich wissen wir nie, wem wir vertrauen können?
Dass diese Verschlechterung des Miteinanders nicht spurlos an uns vorübergeht, zeigen steigende Werte von Stress, Depressionen und Einsamkeit in der Gesellschaft.4,5,6 »Ich fühlte mich so allein auf der Welt, ich konnte kaum atmen«, beschrieb mir eine junge Frau im Rahmen meiner psychologischen Arbeit ihren Kummer. Auch eine im Jahr 2024 veröffentliche Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung belegt dies.7 Während im Jahr 2017 noch rund 15 Prozent der Erwachsenen angaben, sich mehr als mindestens teilweise einsam zu fühlen, stieg dieser Anteil im Jahr 2022 auf 36 Prozent.8
Zurück zu mehr Freundlichkeit
Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir eine andere Richtung einschlagen. Dass wir erkennen, dass mehr Unfreundlichkeit und ein weiteres Sich-voneinander-Abwenden nicht der richtige Weg sind. Dass es nicht an der Zeit ist, die Ellenbogen auszufahren, sondern sich die Hände zu reichen.
Auch nach meiner Präsentation vor den Investoren habe ich mich in dieser Hinsicht nicht angepasst. Freundlichkeit war in unserem Unternehmen immer einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Wir haben Geschäftspartnerinnen und -partner gewonnen, da sie gerne mit uns zusammenarbeiten wollten. Wir konnten Mitarbeitende auch in schwierigen Zeiten an uns binden, weil sie unsere Kultur schätzten. Und auch die Investorinnen und Investoren, die am Ende Geld in unserer Firma anlegten, wussten um unseren Wert der Freundlichkeit. Im Jahr 2023 habe ich meine Rolle als Geschäftsführerin abgegeben und bin in den Beirat des Unternehmens gewechselt. Seitdem beschäftige ich mich damit, wie wir zurück in ein freundliches Miteinander kommen.
Dafür habe ich mich intensiv mit der Forschungslage zum Thema auseinandergesetzt und festgestellt, dass die Erkenntnisse eine eindeutige Sprache sprechen: Freundlichkeit ist gut für uns. Nicht nur für unsere Mitmenschen, sondern auch für uns selbst. Es macht uns glücklich, anderen eine Freude zu machen. Es hat eine positive Wirkung, wohlwollend auf unser Gegenüber zu schauen, weniger zu neiden und öfter zu verzeihen. Es stärkt unser Gemeinschaftsgefühl, unsere Selbstwirksamkeit und unsere Zufriedenheit, wenn wir uns ehrenamtlich betätigen oder Geld spenden. Und auch unsere körperliche Gesundheit verbessert sich: Sind wir freundlich zu anderen, werden Glückshormone ausgeschüttet, unser Stresserleben wird reduziert, das Immunsystem gestärkt. Am Ende leben wir dadurch länger.
Ich erfahre diese positiven Effekte am eigenen Leib. Seit dem Ausstieg aus meinem Unternehmen habe ich einen Weg eingeschlagen, den ich als »radikale Freundlichkeit« bezeichne. Ich war noch nie ein besonders unfreundlicher Mensch. Doch ab diesem Zeitpunkt habe ich mich aktiv dafür entschieden, mehr Freundlichkeit in meinem Leben zu praktizieren. Damit meine ich, eine wohlwollende und empathische Grundhaltung gegenüber anderen Menschen bewusst zu pflegen. Ich meine nicht, keine Grenzen zu setzen und Konflikten oder Kritik aus dem Weg zu gehen.
Ich habe der Person an der Supermarktkasse bewusst in die Augen geschaut und sie angelächelt, anstatt auf mein Smartphone zu starren. Ich bin aktiv aus Gesprächen ausgestiegen, in denen über andere Personen schlecht gesprochen wurde. Wenn Menschen auf der Straße unfreundlich zu mir waren, habe ich nicht impulsiv zurückgeschimpft, sondern versucht, die Situation mit Empathie zu lösen. Sobald ich mich über eine Freundin geärgert habe, bin ich ins Gespräch gegangen, anstatt den Konflikt zu scheuen. Zudem habe ich eine ehrenamtliche Tätigkeit begonnen und engagiere mich seitdem zwei Stunden die Woche als Sterbebegleiterin im Hospiz.
Mein Leben fühlt sich durch diese radikale Freundlichkeit erfüllter an. Ich bin weniger gestresst und stecke seltener in negativen Gedankenschleifen. Zudem merke ich den positiven Effekt auf die Menschen in meinem Umfeld. Denn wenig ist so ansteckend wie Freundlichkeit.
Im Rahmen dieses Buches möchte ich dir von meinem Weg dahin erzählen. Dafür werde ich dir in 13 Kapiteln 13 verschiedene Wege vorstellen, wie du freundlicher mit dir selbst und anderen umgehen kannst. In manchen Kapiteln geht es darum, aktiv freundlicher zu sein, beispielsweise indem du anderen häufiger eine Freude machst, dich ehrenamtlich betätigst oder an eine gemeinnützige Organisation spendest. Andere legen den Fokus darauf, in schwierigen Situationen nicht unfreundlich zu werden – sei es im akuten Stress, in politischen Diskussionen, in Momenten des Neids oder wenn jemand unfreundlich zu dir ist. Ich werde in diesem Buch eine Reihe persönlicher Erfahrungen mit dir teilen. Darüber hinaus bekommst du in jedem Kapitel die aktuelle Forschungslage zum jeweiligen Thema in Kurzfassung präsentiert. Mit dem Ziel, dass du daraus auch für dich selbst ganz praktische Impulse ziehen kannst. Solltest du mit der konkreten Umsetzung starten wollen, findest du am Ende jedes Kapitels konkrete Tipps und Übungen, die dich dabei unterstützen.
Das erste Kapitel liefert dir einige generelle Informationen zur Geschichte und Definition von Freundlichkeit und den wichtigsten Werkzeugen, die du für ein freundliches Leben brauchst. Die Folgekapitel wiederum bauen nicht streng aufeinander auf. Du kannst dir also je nach Belieben die Themen aussuchen, die dich gerade am meisten interessieren.
Dieses Buch wird nicht dazu führen, dass andere Menschen nicht mehr unfreundlich zu dir sind. Es wird dich auch nicht vor den Ungerechtigkeiten dieser Welt beschützen. Es kann dir jedoch in Zeiten diverser Krisen mehr innere Ruhe und Zufriedenheit schenken. Ich kann dir jedenfalls versichern, dass sich mein Leben durch radikale Freundlichkeit nachhaltig verändert hat. Ich habe ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zurückbekommen, führe erfülltere Beziehungen und bin glücklicher. Wenn alle Menschen freundlicher wären – da bin ich mir sicher –, würden wir alle gemeinsam ein besseres Leben führen.
Kapitel 1
Was ich meine, wenn ich von Freundlichkeit spreche
Ist Freundlichkeit angeboren oder müssen wir sie erst erlernen?
Die Frage nach der Natur der Freundlichkeit ist in etwa so alt wie die Freundlichkeit selbst. Seit Hunderten von Jahren beschäftigen sich Menschen aus Psychologie, Soziologie und Wissenschaft mit der Frage, ob freundliches Verhalten in unserem menschlichen Wesen liegt oder ob es etwas ist, zu dem wir uns aufgrund von sozialen Normen zwingen müssen.9 Die Meinungen dazu variieren stark, und die Diskussionen rund um das Thema wurden und werden gestern und heute hitzig geführt. In der Vergangenheit haben sich eine Reihe von Denkern zu diesem Thema geäußert, darunter Sigmund Freud, Immanuel Kant oder Richard Dawkins.10,11,12
Zwei der wohl prägendsten Stimmen aber waren die der Philosophen Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau. Thomas Hobbes argumentiert in seinem Werk Leviathan von 1651, dass der Mensch von Natur aus egoistisch, gewalttätig und selbstsüchtig sei.13 Freundlichkeit und Kooperation existierten ihm zufolge nur im gesellschaftlichen Rahmen, vor allem wenn der Mensch dadurch Vorteile für sich selbst ableiten könne. In seinem Urzustand aber, vor dem Aufbau jeglicher Zivilisation, kämpfe der Mensch einen Krieg »jeder gegen jeden«.14
Lange galt Hobbes’ Weltbild als richtig, bis rund 100 Jahre später der Philosoph Jean-Jacques Rousseau eine gegenteilige Position publizierte. In seinem Werk Der zweite Diskurs aus dem Jahr 1755 argumentiert er, dass der Mensch von Natur aus freundlich und mitfühlend sei, aber die Entwicklung der Zivilisation ihn dazu brächte, Gräueltaten zu begehen.15 Schuld hieran sei aus seiner Sicht die Entstehung von Privateigentum, das mit negativen Eigenschaften wie Konkurrenzdruck, Egoismus, Habgier und Neid verbunden sei. In der Folge würde der Mensch seinen ursprünglich friedvollen Zustand verlassen, Konflikte und Gewalt wären an der Tagesordnung.
Erst kürzlich nahm die Debatte rund um die Frage nach der Natur des Menschen erneut Fahrt auf, als der niederländische Historiker Rutger Bregman im Jahr 2019 seinen Bestseller Im Grunde gut veröffentlichte.16 In seinem Buch kommt der Autor zum Ergebnis, dass der Mensch, wie der Titel schon sagt, in seinem Urzustand eben doch »im Grunde gut« sei. Bregman stützt sich dabei auf zahlreiche wissenschaftliche Studien und historische Befunde. Zudem kritisiert er eine Vielzahl an Forschungsarbeiten, die zuvor als Beweise für die menschliche Grausamkeit dienten und die selbst ich noch aus meinem Psychologiestudium kenne.
Ein prominentes Beispiel an der Stelle ist das sogenannte Stanford-Prison-Experiment, das der Psychologe Philip Zimbardo in den 1970er-Jahren durchführte. Es gilt als eines der berühmtesten Experimente der Psychologie.17 Man simulierte eine Gefängnissituation, in der Studienteilnehmende die Rollen von Gefängniswärtern und Gefangenen einnahmen. Den Ergebnissen zufolge wurden die Teilnehmenden in der Rolle der Wärter bereits nach kürzester Zeit so brutal, dass das Experiment frühzeitig abgebrochen werden musste. Seither dient es als Beispiel für die düstere Natur des Menschen.18 Bregman kritisiert in seinem Buch, dass der Versuch stark manipuliert worden sei. So hatte man viele der »Wärter« aktiv dazu angestiftet, grausam zu agieren. Ohne diese Beeinflussung, so Bregman, hätten sich die Menschen anders verhalten.
Ein wiederkehrendes Gegenargument zu Bregmans These des freundlichen Menschen ist die evidente Gewalt in Form von Kriegen, die wir historisch und aktuell auf der Welt sehen.19 Bregman entgegnet, dass Kriege und Gewalt – auch wenn es anders wirken mag – in unserer Welt nach wie vor die Ausnahme sind und nicht die Regel. Wenn es Gewalt gibt, so ist diese meistens das Ergebnis von besonderen politischen und wirtschaftlichen Umständen, nicht jedoch die Norm. Die große Mehrheit der Menschen verhalte sich demnach freundlich. Auch kritisiert Bregman in diesem Zuge die negativ verzerrte Berichterstattung der Medien und das permanent postulierte Bild des aggressiven Menschen. Wir müssten achtgeben, nicht eine selbst erfüllende Prophezeiung zu kreieren, in der der Mensch irgendwann schlecht wird, nur weil er glaubt, dass er es sei.20
Im Rahmen der Recherche für dieses Buch habe ich mich mit vielen Büchern und Studien auseinandergesetzt, die sich ebenfalls indirekt mit der Natur des Menschen beschäftigen. Dabei musste ich feststellen, dass die meisten Befunde mit Bregmans These übereinstimmen. Neuropsychologische Studien zum Thema zeigen beispielsweise, dass verschiedene Arten von Freundlichkeit – wie wohlwollende Gesten oder ein ehrenamtliches Engagement – Bereiche in unserem Gehirn aktivieren, die auch Belohnungszentren genannt werden.21 Diese Zentren befinden sich im sogenannten mesolimbischen System und werden aktiviert, wenn wir evolutionär gesehen »gutes« Verhalten ausführen, wie etwas Leckeres essen oder Sex haben.22 Unser Gehirn schüttet bei Aktivierung dieser Belohnungszentren Glückshormone aus, mit denen es uns motivieren will, das Verhalten öfter auszuführen.23 Essen? Super! Sex? Mehr davon! Dass das Ausführen freundlicher Gesten die gleichen Belohnungszentren aktiviert, lässt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass freundliches Verhalten etwas Urmenschliches ist, das evolutionär gesehen wichtig war und daher belohnt wurde.24 Würde Freundlichkeit gegen unsere Natur gehen, würde sie sich schlichtweg weniger gut anfühlen.
Am Ende wird es wahrscheinlich keine Schwarz-Weiß-Antwort auf die große Frage nach der Natur des Menschen geben. Gewiss sind wir in der Lage, unter bestimmten Umständen erschreckende Gräueltaten zu begehen. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass es mindestens ebenso in unserer Natur liegt, anderen wohlwollend und freundlich zu begegnen.
Gibt es die eine Definition von Freundlichkeit?
Ich gehe gerade vom Büro nach Hause, als mein Handy klingelt. Es ist kurz nach 18 Uhr und ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem, was ich heute geschafft habe. Auf dem Bildschirm sehe ich, dass meine Freundin anruft. Ich krame in meiner Tasche nach meinen Kopfhörern und gehe dran. »Nora!«, schallt es mir aus meinem Telefon entgegen. Den Geräuschen im Hintergrund ist zu entnehmen, dass meine Freundin gerade selbst unterwegs ist. Ich kann den Straßenlärm hören, irgendwo in der Ferne läutet eine Sirene und ihre Stimme ist lauter als sonst. Ich stelle mir vor, wie sie in kleinen, energischen Schritten von ihrem Büro nach Hause zur U-Bahn läuft.
»Ich habe da mal eine Frage zum Thema Freundlichkeit!« Seit ich angefangen habe, an diesem Buch zu arbeiten, beginnen plötzlich viele meiner Gespräche mit diesem Satz. »Du kennst doch diesen Kumpel von mir aus Köln, oder?«, fährt sie fort. »Der vor zwei Monaten schon mal das Wochenende bei mir geschlafen hat. Der vom Festival, letztes Jahr, weißt du?« Ich erinnere mich grob. Meine Freundin ist viel unterwegs und hat einen großen Bekanntenkreis, von dem sie immer wieder einmal jemand in Berlin besuchen kommt. »Na ja, egal«, fährt sie fort, noch bevor ich antworten kann. »Auf jeden Fall kenne ich den so flüchtig. Und jetzt hat der mir gerade geschrieben und gefragt, ob er mit seiner Freundin nächste Woche für vier Tage bei uns übernachten kann!«, es folgt eine kurze Pause, bevor es aus dem Handy brüllt: »Für VIER Tage. Ich meine, ich kenne seine Freundin ja nicht einmal! Und ich hab nächste Woche auch für die Arbeit superviel zu tun und mir passt es ehrlicherweise gar nicht. Ich verstehe auch nicht, warum er sich nicht einfach ein Hotelzimmer nehmen kann. Aber ich will auch nicht unfreundlich sein. Er ist sonst auch immer so nett zu mir. Muss ich da jetzt zusagen? Ich möchte nicht. Was denkst du?«
Tja, was denke ich? Und was denkst du? Ist es unfreundlich, wenn man seinem Bekannten die Gastfreundschaft verwehrt, obwohl man theoretisch ein Gästezimmer hat? Oder wäre es nicht vielleicht sogar viel unfreundlicher, Ja zu sagen, obwohl man eigentlich gar nicht will? Bedeutet Freundlichkeit, dass man immer zu allen nett sein muss, oder gibt es auch Grenzen? Was ist mit dem einen Kollegen, der auf der Arbeit so unhöflich ist? Oder mit der einen Nachbarin, die nie zurückgrüßt? Bei wie vielen Umzügen muss man helfen, bevor man Nein sagen darf? Wo hört Höflichkeit auf und wo fängt Unehrlichkeit an? Und ist aufgesetzte Freundlichkeit nicht eigentlich noch viel schlimmer als Unfreundlichkeit?
In den letzten Monaten habe ich probiert, Antworten auf diese Frage zu finden. Und leider muss ich dich an dieser Stelle enttäuschen. Auch nach intensiver Recherche habe ich festgestellt: Eine einheitliche Definition von Freundlichkeit, gepaart mit einem zugehörigen Verhaltenskodex für jede erdenkliche zwischenmenschliche Situation, gibt es leider nicht. Wie bei vielen psychologischen Konstrukten, die sowohl im normalen Sprachgebrauch als auch in der Forschung verwendet werden, gibt es auch beim Thema Freundlichkeit verschiedene Definitionen und Ansichten, auf die man sich beziehen kann.
Geht man dem Ursprung des Begriffs nach, so lässt er sich in mehreren Sprachen auf den Wortstamm »friunt« bzw. »frijōnd« zurückführen, was so viel wie »Geliebter« oder »Verwandter« bedeutet.25 Interessanterweise war das Konzept »Freundlichkeit« ursprünglich also eher mit einem Verhalten verbunden, das man primär seinen engsten Vertrauten und Verwandten entgegenbrachte. Mittlerweile hat es sich erfreulicherweise weiterentwickelt.
Fragt man die Bevölkerung, was sie unter Freundlichkeit versteht, so werden meistens eine Reihe alltäglicher Gesten genannt. In einer der bisher größten Studien zum Thema haben mehr als 60 000 Teilnehmende aus 144 Ländern angegeben, was sie unter Freundlichkeit verstehen. Die am häufigsten genannten Sätze waren »Ich helfe anderen, wenn sie darum bitten«, »Ich habe nichts dagegen, Freundinnen oder Freunden einen Gefallen zu tun« und »Ich halte anderen die Tür auf«.26 Für viele von uns ist Freundlichkeit also etwas Alltägliches, das jedem zuteilwerden kann und sich nicht nur auf uns nahestehende Personen beschränkt.
Blickt man in die Welt der Wissenschaft, ist die Sache etwas komplexer. Hier existieren verschiedene Definitionsansätze, die sich alle hinsichtlich ihres Fokus und der Breite ihrer Definition unterscheiden. Der englische Psychologe David Canter liefert einen Ansatz,27 der folgende drei Elemente als »Essenz« von Freundlichkeit ausmacht: wohlwollende Toleranz, Empathie und proaktives Handeln. Wohlwollende Toleranz beschreibt die kognitive Ebene von Freundlichkeit. Hierbei geht es um eine respektvolle Grundeinstellung, die wir gegenüber allen Menschen pflegen sollten. Dazu gehört auch, dass wir jeden und jede fair behandeln, unabhängig davon, ob wir ihn oder sie mögen. Empathie beschreibt die emotionale Komponente von Freundlichkeit. An der Stelle geht es darum, uns in unser Gegenüber hineinzufühlen und Entscheidungen auf Basis dieses Einfühlungsvermögens zu treffen. Proaktives Handeln liegt auf der Verhaltensebene. Zur Freundlichkeit gehört es demnach, bewusst freundliche Gesten an den Tag zu legen, die anderen etwas Gutes tun, wie beispielsweise jemanden bewusst anzulächeln oder für wohltätige Zwecke zu spenden.
Der Ansatz von David Canter wurde seither vielfach weiterentwickelt und verfeinert.28 Aus meiner Sicht bietet er einen guten Ausgangspunkt, um über Freundlichkeit nachzudenken, da er sowohl die kognitiven, die emotionalen als auch die verhaltensbezogenen Aspekte der Thematik umfasst. Zudem lassen sich von seiner Theorie einige wichtige Antworten auf unsere Fragen zum Kapitelstart ableiten (du erinnerst dich: das Übernachtungsdilemma).
Canters Ansatz zeigt zum einen, dass Freundlichkeit über das Konzept der Höflichkeit hinausgeht. Während sich Höflichkeit als Benimmkodex primär auf die kognitive und die Verhaltensebene bezieht, inkludiert Freundlichkeit die Empathie, also die herzliche Verbindung mit dem Gegenüber. Außerdem bewahrt uns seine Definition davor, Freundlichkeit mit toxischer Positivität zu verwechseln, sprich einer Haltung, die einen übersteigerten Fokus auf positive Gedanken und Gefühle legt, während Unangenehmes ausgeblendet wird.29 Eine solche Haltung wäre unvereinbar mit dem Kernelement der Empathie. Empathie bedeutet, seine eigenen Emotionen und die der anderen auf authentische und einfühlsame Weise zu berücksichtigen. Dies können wir nur, wenn auch unangenehme Gefühle und das Durchleben schwieriger Phasen ihren Raum erhalten.
Zudem macht Canter klar, dass Freundlichkeit nicht bedeuten kann, zu allem lieb Ja zu sagen. Die Annahme, unfreundlich zu sein, wenn man seine eigenen Grenzen kommuniziert, ist weitverbreitet. Das betrifft auch die Frage meiner Freundin in unserem Telefonat. Falls das auch deine Befürchtung war, als du dieses Buch gekauft hast, kann ich dich beruhigen: Dem ist nicht so. Canters Begriffsverständnis basiert auf einer respektvollen Grundeinstellung sich selbst und anderen gegenüber. Respekt bedeutet, ehrlich und wohlwollend mit seinen eigenen Bedürfnissen und denen seiner Mitmenschen umzugehen. Wer ständig über seine eigenen Grenzen geht und Konflikte meidet, ist weder ehrlich zu anderen noch zu sich selbst. Freundlichkeit bedeutet daher nicht, dass wir uns alles gefallen lassen und uns in jeder Situation zurücknehmen sollten.
Was uns wiederum die Komplexität von Freundlichkeit vor Augen führt, denn oftmals bedeutet sie, dass wir abwägen müssen: Was will ich, was will mein Gegenüber. Freundlich sein bedeutet dabei nicht, dass wir uns immer für die Bedürfnisse der anderen Person entscheiden müssen. Wichtig aber ist, ihre Bedürfnisse bei unserer Abwägung zu berücksichtigen und das Ergebnis am Ende konstruktiv und freundlich zu kommunizieren.
Was heißt das im Hinblick auf die Frage meiner Freundin? Ich habe ihr in unserem Gespräch geraten, die Bitte ihres Freundes abzulehnen. Als integraler Bestandteil von Freundlichkeit ist an dieser Stelle die Ehrlichkeit gefragt. Sie kann einerseits empathisch mit dem Wunsch ihres Freundes umgehen und trotzdem ehrlich ihre eigenen Bedürfnisse zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel so: »Ich weiß es zu schätzen, dass du und deine Freundin gerne bei mir übernachten möchtet. Momentan habe ich allerdings sehr viel für die Arbeit zu tun und ich merke, dass ich diese Zeit für mich brauche. Ich hoffe, du verstehst das.« Alles ist besser, als Ja zu sagen und sich danach hinter dem Rücken des anderen über ihn zu ärgern. Vielleicht findet sich mit dieser offenen Haltung am Ende ja noch eine ganz andere Lösung.
Mach den Freundlichkeits-Selbstcheck
Hast du Lust, deine eigene Freundlichkeit zu testen? Unten stehend findest du einige Fragen aus dem Selbsttest, der auf David Canters Modell zurückgeht.30 Teilnehmende werden gebeten, die Häufigkeit von 40 Einstellungen und Verhaltensweisen auf einer Skala von 1 (nie) über 3 (manchmal) bis 7 (fast immer) anzugeben. Wo landest du, wenn du deine eigenen Werte notierst?
Es fällt mir leicht, zu vergeben.Ich finde, dass jede und jeder eine Chance verdient hat.Ich behandle Menschen fair, auch wenn ich sie nicht mag.Ich versuche, die Dinge aus der Sicht meiner Freundinnen und Freunde zu sehen.Ich verspüre den Drang, Menschen zu schützen, die ausgenutzt werden.Ich mache Geschenke ohne besonderen Grund.Ich spende an Wohltätigkeitsorganisationen.Ich lächle Fremde an.Und, zu welchem Mittelwert von Freundlichkeit würdest du kommen? In der Studie waren es 3,5 von 7 Punkten, was zwischen den Antworten 3 (manchmal) und 4 (eher häufig) liegt.31 Im Schnitt zeigten die Menschen also ein mittleres Maß an Freundlichkeit. Falls du übrigens Lust hast, den gesamten Test zu machen, dann findest du ihn in digitaler Form zum Durchklicken neben vielen anderen Selbsttests auf meiner Website www.norablum.com.
Deine wichtigsten Werkzeuge auf dem Weg zu mehr Freundlichkeit
Während die Kernfähigkeit zur Freundlichkeit wohl angeboren zu sein scheint, zeigen sich in der Bevölkerung trotzdem grundsätzliche Unterschiede in der jeweiligen Ausprägung. Ältere Menschen erzielen in Freundlichkeitstests tendenziell höhere Werte als jüngere Personen32 und durchschnittlich schneiden Frauen besser ab als Männer.33 Jedoch lassen einige Studien vermuten, dass der Unterschied in Bezug auf das Geschlecht primär auf soziale Normen und verschiedene Erziehungsstile zurückzuführen ist, da Frauen traditionell mehr zur Fürsorglichkeit erzogen werden.34 Neben Alter und Geschlecht scheint auch unsere teils angeborene Persönlichkeit einen Einfluss darauf zu haben, wie freundlich wir zu anderen sind.35 Menschen mit den Eigenschaften Extraversion, Offenheit und Verträglichkeit neigen dazu, in Freundlichkeitstests höhere Werte zu erzielen als introvertierte, verschlossene und unverträglichere Menschen.36
Obwohl es diese grundsätzlichen Unterschiede in Bezug auf Alter, Geschlecht und Persönlichkeit also gibt, gelten diese jedoch als relativ klein.37 Grundsätzlich geht die Wissenschaft davon aus, dass Freundlichkeit keine feste Eigenschaft ist, die man entweder hat oder nicht hat. Vielmehr ist sie eine Fähigkeit, die durch unsere Erfahrungen, unsere Erziehung und unsere Werte geformt und beeinflusst werden kann und stark situationsabhängig ist.38 Das Gute daran: Wir können Freundlichkeit lernen. Im Rahmen dieses Buches werde ich dir in jedem Kapitel einige Wege dahin aufzeigen. Da wir dabei einige Werkzeuge immer wieder benötigen werden, möchte ich sie dir hier bereits einmal vorstellen.
1. Selbstreflexion
Selbstreflexion beschreibt die Fähigkeit, unser eigenes Denken, Fühlen und Handeln zu hinterfragen und zu verstehen.39 Daher dient sie als wichtiges Werkzeug dafür, sich persönlich weiterzuentwickeln. Gleichzeitig ist sie aber auch ein wichtiges Tool für einen freundlichen Umgang mit anderen. Denn nur wenn wir uns selbst besser kennenlernen, können wir auch unsere Reaktionen gegenüber anderen Menschen verstehen und diese, wenn nötig, anpassen.
Denk zum Beispiel einmal über eine Person nach, bei der es dir schwerfällt, freundlich zu bleiben. Warum, glaubst du, löst diese Person so viel Ärger in dir aus? Ein Teil liegt bestimmt am Verhalten der Person. Oftmals ist das aber nicht alles. Reagieren wir in gewissen Situationen besonders stark, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass unsere eigenen Themen einen Teil dazu beitragen.
Die kognitive Bewertungstheorie des Psychologen Richard Lazarus aus den 1960er-Jahren besagt, dass jeder externe Reiz zunächst von uns bewertet wird.40 Diese Bewertung beeinflusst unsere emotionale Reaktion und unser Handeln. Einfacher gesagt: Es ist nicht das Verhalten unseres Gegenübers, das uns nervt, sondern immer unsere – oftmals unbewusste – Interpretation desselben. Diese wird durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel unsere individuellen Erfahrungen als Kind und als Erwachsener, unsere Grundüberzeugungen (in der Psychologie oft »Glaubenssätze« genannt)41, unsere persönlichen Werte und die kulturellen Normen, mit denen wir groß geworden sind. All diese Erfahrungen prägen, wie wir die Welt sehen und auf sie reagieren. Werden wir zum Beispiel schnell wütend, wenn uns jemand ins Wort fällt, kann es sein, dass wir als Kind oft übergangen wurden und daher besonders sensibel auf dieses Verhalten ansprechen. Wenn jemand unpünktlich ist, könnte das darauf zurückzuführen sein, dass wir selbst hohe Ansprüche an Zuverlässigkeit haben und Verspätungen als respektlos empfinden.
Im Rahmen dieses Buches wird es immer wieder darum gehen, den Blick nach innen zu richten und zu überlegen, durch welchen Filter an Erfahrungen und Überzeugungen wir die Welt wahrnehmen. Wenn wir unsere eigenen Filter besser verstehen, können wir unsere Reaktionen auf andere Personen reflektieren und – falls wir möchten – auch verändern. Der Weg zu einem besseren Miteinander führt zunächst also immer über uns selbst.
2. Achtsamkeit
Achtsamkeit ist das Trendwort unserer Zeit. Auch wenn es primär damit in Verbindung gebracht wird, gelassener zu werden und zu uns selbst zu finden, ist es auch für unser Miteinander von enormer Bedeutung. Achtsamkeit beschreibt das bewusste Wahrnehmen des aktuellen Moments.42 Wir schalten den Autopiloten aus, mit dem wir manchmal durch die Welt laufen, und werden wachsam für das, was gerade ist. Dabei nehmen wir zum einen unsere äußere Umgebung mit allen Sinnen wahr: Wir sehen die Menschen, die neben uns auf der Straße gehen, wir hören den Lärm der Autos und riechen den Geruch der umstehenden Bäume. Wir erleben aber auch unseren Körper und unser inneres Gefühlsleben bewusst: Ist da ein Engegefühl in meiner Brust? Ein Kribbeln in meinem Bauch? Welche Signale will mein Körper mir damit senden? Fühle ich mich unwohl? Bin ich traurig oder im akuten Stress? Diese Empfindungen nehmen wir aus der Vogelperspektive wahr, ohne sie sofort zu bewerten oder auf sie reagieren zu müssen.43
Ein solch bewusstes Wahrnehmen unserer Umwelt und unseres Inneren ist wichtig für ein freundliches Miteinander. Denn wenn wir nicht achtsam sind, können wir auch nicht wahrnehmen, was ist. Wir sehen nicht, dass die Frau in der U-Bahn eigentlich unseren Sitzplatz benötigen würde. Wir bemerken nicht, dass der Mann auf der Straße unsere Hilfe braucht. Wir hören nicht die brüchige Stimme, mit der unser Kollege uns sagt, dass es ihm gut gehe.
Und auch das Wahrnehmen unserer eigenen Emotionen ist für unsere Beziehungen zu anderen und zu uns selbst wichtig. Nur wenn wir achtsam sind, spüren wir auch das unangenehme Gefühl, wenn wir zu einer Verabredung Ja sagen, für die wir eigentlich keine Energie haben. Nur wenn wir achtsam sind, spüren wir, dass wir akut gestresst sind und deshalb so gereizt auf unsere Mitmenschen reagieren. Und nur wenn wir achtsam sind, merken wir, dass der ruppige Kommentar unseres Partners uns verletzt hat und es Zeit wird, mit ihm ins Gespräch zu gehen.
Erst wenn wir aufmerksam für unsere Umgebung im Außen und unsere Gefühle im Innen sind, nehmen wir unsere Mitmenschen und uns selbst wahr. Und diese Wahrnehmung ist Voraussetzung für ein ehrliches und freundliches Miteinander.
3. Impulskontrolle
Eins der wohl schönsten Zitate der Psychologie stammt von Viktor Frankl, einem weltbekannten österreichischen Neurologen und Psychiater. Es lautet: »Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion.«44 Mit diesem Zitat macht Frankl darauf aufmerksam, dass wir auf äußere und innere Reize nicht sofort reagieren müssen. Stattdessen geht es im Leben immer wieder darum, unserem ersten Handlungsimpuls nicht sofort nachzugeben, sondern denjenigen Raum zu betreten, in dem wir uns bewusst für eine Reaktion entscheiden können. Dieses Innehalten ist auch für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen essenziell. Überleg mal, in welchen Momenten du in der Vergangenheit unfreundlich zu jemandem warst. Hast du in diesen Momenten bewusst gehandelt, oder war es eine impulsive Reaktion auf ein Verhalten deines Gegenübers?
Bin ich besonders unfreundlich oder reagiere gereizt auf jemanden, dann passiert dies meistens aus einem emotionalen Impuls heraus. Sei es, weil ich unter Zeitdruck ein Projekt fertigstellen muss und mich jemand im Prozess stört. Oder weil ich im Rahmen einer mir wichtigen Diskussion das Gefühl bekomme, jemand verletze meine Werte. In diesen Situationen kann ich auch mal spontan aus der Haut fahren und jemanden anfahren, ohne dass ich das unbedingt geplant habe. Aus diesem Grund braucht es für ein freundliches Miteinander die Fähigkeit, kurz innezuhalten und unseren ersten Ärgerimpuls an uns vorbeiziehen zu lassen. In vielen Situationen hilft uns dabei das tiefe Atmen in den Bauch.
4. Empathie
Empathie ist die Fähigkeit, Gefühle, Gedanken und Perspektiven anderer Menschen zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden.45 Der amerikanische Psychologe Paul Ekman beschreibt zwei verschiedene Formen des Empathievermögens: zum einen die kognitive Empathie, also das intellektuelle Verstehen der Gefühle und Perspektiven einer anderen Person, zum anderen die emotionale Empathie, also das tatsächliche Mitfühlen mit den Emotionen des Gegenübers.46
Beide Kompetenzen sind für einen freundlichen Umgang mit unseren Mitmenschen essenziell. Wollen wir jemand anderem eine Freude machen, dann hilft es zu verstehen, was er oder sie gerade braucht oder sich wünscht. Womit kann ich meinen Freund bei Liebeskummer gerade am meisten unterstützen? Wie wichtig ist es für meine Freundin, dass ich heute noch beim Umzug helfe? Besonders wichtig wird Empathie in Situationen, in denen es uns schwerfällt, freundlich zu bleiben, zum Beispiel weil jemand unfreundlich zu uns war oder unsere Grenzen verletzt hat. Gerade dann hilft es, sich wohlwollend mit den möglichen Beweggründen unseres Gegenübers zu verbinden und zu probieren, Verständnis aufzubringen. Die meisten Menschen, die sich uns gegenüber schlecht verhalten, sind mit einer hohen Wahrscheinlichkeit selbst verletzt worden oder hatten einen schlechten Tag.47 Das rechtfertigt ihr Verhalten nicht und bedeutet nicht, dass wir es gutheißen müssen. Gleichzeitig kann uns der empathische Blick auf die möglichen Beweggründe unseres Gegenübers dabei helfen, in der Situation etwas gelassener zu bleiben.
5. Eine klare Entscheidung
Vieles im Leben dreht sich am Ende um einen Entschluss, den wir treffen: Wie wollen wir uns verhalten? Was ist uns wichtig? Wer wollen wir sein? Beim Thema Freundlichkeit ist es letztlich nicht anders. Immer wieder werden wir in Situationen kommen, in denen sich die Frage stellt, wie wir uns verhalten wollen. Dabei wird die respektvolle Variante nicht immer die einfachere sein. Freundlichkeit kann bedeuten, alten Groll loszulassen. Es kann bedeuten, in ein unangenehmes Gespräch zu gehen und ehrlich auszusprechen, was dich stört. Es kann bedeuten, wohlwollend auf jemanden zu blicken, der dir unrecht getan hat. Nichts davon ist leicht. Gerade deswegen wird Freundlichkeit immer wieder eine klare Entscheidung von dir fordern.
Um dir diese Entscheidung leichter zu machen, kann es hilfreich sein, Freundlichkeit als einen für dich höheren Wert zu definieren. Die positive Qualität eines Lebens, das sich an höheren Werten ausrichtet, hat vor allem der eben schon genannte Neurologe und Psychiater Viktor Frankl geprägt.48 Er war der Überzeugung, dass der Hauptantrieb des Menschen darin besteht, im eigenen Leben Sinn zu finden. Ein Weg zur Verwirklichung dieses Lebenssinns besteht seines Erachtens darin, nach unseren inneren Werten zu handeln.49 Definierst du Freundlichkeit als einen für dich wichtigen Wert, so kann dir das helfen, dich immer wieder für einen freundlichen und respektvollen Umgang mit anderen und dir selbst zu entscheiden. Auch ich besinne mich in schwierigen Situationen auf meinen Wert »Freundlichkeit« zurück. Er dient mir als innerer Kompass. Und wenn ich nach meinen persönlichen Werten lebe, fühlt sich das für mich authentisch und gut an.
Alle fünf Werkzeuge sind einzeln und für sich genommen wertvoll und hilfreich. Vielleicht merkst du aber auch bereits, wie sie in vielen Situationen ineinanderspielen: Durch Selbstreflexion verstehen wir die Filter, durch die wir die Welt sehen und die uns manchmal unfreundlich werden lassen. Mit Achtsamkeit nehmen wir unser Gegenüber und unsere entstehenden Emotionen wahr, um dann mithilfe der Impulskontrolle nicht blind aus ihnen heraus zu reagieren. Stattdessen verbinden wir uns mit unserer Empathie und können uns für einen freundlicheren Umgang mit unseren Mitmenschen entscheiden. Je nach Situation wird dir die Nutzung dieser Werkzeuge mal einfacher und mal schwerer fallen. Ich kann dir aber versprechen: Meistens ist es die Mühe wert.
Kapitel 2
Auf Unfreundlichkeit freundlich reagieren. Macht unabhängig
Ich sitze im Zug. Heute Morgen bin ich bereits früh aufgestanden, um die erste Verbindung nach München zu bekommen. Am Nachmittag habe ich eine Präsentation bei einer Krankenkasse, um unsere Therapieprodukte vorzustellen und ich möchte mich vor Ort noch in Ruhe vorbereiten. Reserviert habe ich nicht. Meistens finde ich irgendwo noch was. Heute war es etwas schwieriger, aber am Ende des Zuges konnte ich noch einen Gangplatz neben einem jungen Mann ergattern. Ein kurzer Blick auf die Reservierungsanzeigen zeigt mir, dass beide Plätze nicht reserviert zu sein scheinen. Da haben wir wohl Glückgehabt. Als ich mich setze, tauschen wir kurz ein paar nette Worte aus. Dann klappen wir jeweils unsere Laptops auf, um zu arbeiten.