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Lotta hat nur einen Traum: Sie möchte auf die Bühne. Seit sie klein war, hat sie im Chor gesungen und früh war sie die Frontsängerin von drei Bands. Aber reicht das, um ihren Traum zu erfüllen? Sie fällt immer wieder hin, es legen sich ihr Steine in den Weg und nicht nur einmal stellt sie sich die Frage: Ist es das, was ich immer wollte? Eine Erzählung über den Weg zum Rampenlicht und dass es Umwege gibt, die es wert sind, gegangen zu werden. 'Ein berührendes Buch, das Mut macht, nicht aufzugeben, sondern an seine Träume zu glauben.' Karen Christine Angermayer, Bestseller-Autorin und Buchcoach
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Seitenzahl: 118
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Für Amelie
Möge die Lotta in Dir
den für Dich richtigen Weg finden.
in diesem Buch verwende ich meist die bekannte Form der Mehrzahl. Wichtig ist mir, dass der Lesefluss durch ein Benennen der einzelnen Geschlechter nicht unterbrochen wird. Für mich ist es wichtig, dass jeder Mensch auf dieser Welt eine Daseinsberechtigung hat, egal, ob männlich, weiblich oder divers. Seid bunt, seid vielfältig, aber seid vor allem ihr selbst. Ich hoffe, dass sich jede Person, die dieses Buch liest, in der von sich selbst gewählten Form angesprochen fühlt.
Sonja Gründemann
Sei Du selbst.
Egal, was die anderen sagen.
Moped fahren
Kind, mach was Vernünftiges
Schmerzhafte Einsichten
Meeting the Broadway – na ja, fast
Losing the Broadway
Die Sache mit der Frischhaltefolie
Es muss nicht perfekt sein
Dickes Fell
Und nun?
Weihnachtswunder
Froschgesang
Der Anruf
Silvester
Entscheidung
Super Trouper
Steve
Theater, Theater
Hilfe für einen Freund
Film ab
Ich bin mehr wert
Neue Wege
Frauenverachtende Inhalte
Etwas mehr Pink
Na so was
Positiv
Äußere Stimmen
Aufgeben ist keine Option
Und plötzlich war alles still
Wie lange noch
Was denn noch
War es genug?
Oma
Meilensteine
Es geht weiter
Der nächste Meilenstein
Wetten, dass..?
Rampenlicht
Nicht allein
Rampenfieber
Nachwort
Danksagung
Über die Autorin
Zusammenarbeit
Vortragscheck
Rampenlicht to go
Bühnenprogramme
„Bis nächste Woche“, rief Lotta, packte ihr Aufnahmegerät ein und lief zu ihrem Moped. Seitdem sie Gesangsunterricht hatte, fuhr sie bei Wind und Wetter in die 20 Kilometer entfernte Kleinstadt, um dort an der Musikschule zu lernen. Ihr Lehrer war ein Opernsänger. Eigentlich wollte sie keine Opern singen, aber Lotta hatte schnell begriffen, dass es darum ging, ihre Stimme zu schulen. Sie wurde immer wieder heiser, wenn sie mit einer ihrer Bands einen Auftritt hatte. Neben der Schulband hatte sie zwei weitere Bands, in denen sie als Frontfrau sang. Ja, das war ihrs. Auf der Bühne zu stehen und zu singen.
Ihr Gesangslehrer hatte am Anfang noch gefragt: „Lotta, haben Sie wieder gerockt?“ Ja klar, denn das war das, was sie wollte. Ihr Lehrer wollte, dass sie klassischen Gesang studierte, aber die Vorstellung, dass sie dann immer mit einem Schal rumlaufen musste, nicht mehr in die Disco und tanzen gehen konnte, nicht nur das schreckte sie ab. Die Tatsache, dann Klavier lernen zu müssen, fand sie toll, hätte aber bedeutet, ein zweites Mal in der Woche in die 20 Kilometer entfernte Stadt zum Unterricht zu fahren. Und dass ihre Eltern das auch noch bezahlen mussten. Und das war irgendwie nicht drin. Lottas Opa hatte ihr 1000 Mark geschenkt, um ihren Gesangsunterricht zu finanzieren. Dafür war Lotta ihm sehr dankbar. Wenn ihre Oma das noch erlebt hätte. Sie wäre so stolz auf sie. Leider war sie vor vier Jahren gestorben. Lotta vermisste sie immer noch.
Sie nahm ihren Mopedhelm, setzte ihn auf und startete ihre Maschine. Es war eine 80er, auch wenn Lotta nur einen 50er-Führerschein hatte. Diese war gedrosselt und konnte nur 50 Kilometer pro Stunde fahren, sah aber cooler aus, wie ein richtiges kleines Motorrad. Und mit ihrer Lederjacke, den Lederstiefeln und dem Lederrucksack kam Lotta sich einfach größer vor. Sie wusste, dass alleine diese Dinge etwas mit ihr machten. Sie wusste nicht genau, was es war, aber sie fühlte sich so sicherer und stärker, was ihr half, sich in ihrer Umgebung zu behaupten. Und auf dem Moped fühlte Lotta sich frei.
Lotta war keine typische Einzelgängerin, aber sie merkte, wie ihre gleichaltrigen Mitschüler sie immer wieder komisch anschauten. Lotta tanzte auf vielen Hochzeiten. Auf dem Gymnasium war sie Klassenvertreterin und auch Schulsprecherin. Sie war Solistin im Schulchor und Frontfrau in der Schulband. Sie hatte in ihrer Freizeit zwei weitere Bands, war Tambourmajorin und Flötistin im Spielmannszug und war als Pferdenärrin turnend auf dem Rücken der tollsten Tiere unterwegs, die sie sich vorstellen konnte, und gewann Turniere. In der Schule war sie gut, ohne viel lernen zu müssen.
Für Lotta war das alles selbstverständlich – für ihren Jahrgang nicht greifbar. Bis auf eine Freundin, die sie in ihrer Stufe hatte, guckten sie alle anderen verwundert an. Und wenn sie sich meldete, kam es nicht selten vor, dass einer der Jungs wieder genervt stöhnte oder Schleimgeräusche machte.
Ihr Freundeskreis waren somit eher Ältere und auch eher die, die als Freaks in der Schule bezeichnet wurden.
Aber irgendetwas in Lotta wusste, dass sie das alles nur stärker machen würde und sie eins nicht tun würde – sich von ihrem Traum von der Bühne abbringen lassen.
„Mahlzeit.“ Seitdem Lotta in der Bank arbeitete, war das ein Satz, der jeden Mittag ertönte. Sie mochte den Satz nicht besonders, aber irgendwie gehörte man dazu, wenn man ihn sagte. Und darum ging es ja auch, dazuzugehö-ren. Seit mittlerweile zwei Jahren studierte sie BWL und Bank. Als Kind hatte sie immer gern Geld gezählt und das Planspiel Börse in der 10. Klasse fand sie spannend. Das Studium war etwas trocken, aber die Arbeit in der Bank machte ihr Spaß. Besonders Wertpapiere interessierten sie und ihr Einsatz in der Marketingabteilung war bisher die beste Station.
„Kind, mach was Vernünftiges. Gesang ist brotlose Kunst.“ Ihre Eltern hatten ihr den Satz immer wieder gesagt. Da sie nicht in ihrem Heimatdorf bei der örtlichen Sparkasse versauern wollte und nicht in der nächsten Stadt studieren, um womöglich auch noch zu Hause zu wohnen, hatte sie sich schlussendlich für das duale Studium in einer Großbank entschieden.
Lotta kannte dort niemanden, aber das war auch die Chance, neu zu starten und aus den Fesseln der Blicke der Mitschüler zu entschwinden. Ein neuer Anfang.
Schnell hatte Lotta sich eine Gesangslehrerin und auch eine Band gesucht. In einem Karaokeschuppen bei ihr um die Ecke hatte sie einen Bandleader kennengelernt und so stand sie an den Wochenenden auf Stadtfesten auf der Bühne.
Rock ’n’ Roll.
Na ja oder so ähnlich. Manchmal auch nur vor 20 Zuschauern. Ihre Eltern waren einmal extra angereist und ihr Papa hatte ihr einen Blumenstrauß gekauft. Sogar Freunde aus der Bank waren für ihren Auftritt gekommen. Allerdings waren sie die einzigen Zuschauer neben dem torkelnden Betrunkenen, der begeistert vor der Bühne hin- und herwankte, und den Kindern, die spielten.
Lotta sah ihren Eltern die Enttäuschung an. Sie selbst war ja auch enttäuscht. Sie sang nach wie vor gern.
Aber eins lernte sie bei diesen Auftritten: zu performen. Egal, wie schlecht die Umstände waren. Denn die Menschen, die da waren und zuhörten, konnten nichts dafür, dass die anderen nicht da waren. Also gab sie alles. Ihr Papa nahm sie hinterher in den Arm und sagte, dass das toll war.
In der Filiale in ihrer Bank verstand sie sich super mit den Kollegen. Lotta war glücklich – irgendwie. Es war ja auch toll, jeden Monat Geld zu verdienen, sich den Gesangsunterricht leisten zu können und immer wieder mal auf der Bühne zu stehen. Lotta hatte sich an die Bankkleidung gewöhnt. Sie war zu einem Teil von ihr geworden. Einem Teil der Rolle, die sie in der Bank einnahm. Während sie zu ihrem Vorstellungsgespräch noch einen Nietenblazer in Schwarz anhatte, hatten mittlerweile der weiße Nadelstreifenanzug und der Minirock Einzug gehalten. Die Blasen an den Füßen in den Pumps ignorierte sie. Und sie füllte ihre Rolle als Bänkerin aus. Sogar eine Dauer-welle ließ sie sich machen, die ihre langen blonden Haare toll aussehen ließ. Dachte Lotta zumindest. Das gehörte nun mal dazu, um eine seriöse Bänkerin zu sein. Genauso wie die schwarze Handtasche und der schicke Trenchcoat. Ja, so machte man was her. Wie viel davon wirklich Lottas Herz berührte, das wusste sie in dem Moment nicht.
„Aua“, dachte Lotta. Es war mittlerweile die dritte Woche, die sie mit Wirbelsäulenprellung dalag. Sie war mit den Kollegen aus dem Projekt in der Bankzentrale Gokartfahren gewesen und einer ihrer Kollegen war unachtsam und hatte sie in einer Kurve von der Seite genau erwischt. Im Krankenhaus diagnostizierten sie dann eine Prellung an der Lendenwirbelsäule.
Dummerweise hatte Lotta das nicht ernst genommen und war zwischendurch mit dem Zug in die Heimat gefahren, was das Ganze nicht einfacher machte. Also lag sie da und konnte nichts tun, außer den ganzen Tag fernzusehen und zu lesen und, wenn es ihr Modem zuließ, im Internet zu surfen. Aber das Sitzen am Schreibtisch erleichterte die Schmerzen auch nicht, deshalb war der Fernseher vor ihrem Bett ihr bester Freund. Mist, dabei ging sie doch auch sehr gern zum Sport. Ihre Freunde mussten arbeiten und ihre Kollegen waren im Projekt in der Zentrale, in das sie nach dem Studium berufen worden war, und deshalb unter der Woche auch nicht greifbar.
Eigentlich war Lotta kurz davor, Vermögenskundenberaterin zu werden, aber ihre ehemalige Ausbilderin traute ihr dieses Projekt zu. Also war sie teilweise sechs Tage die Woche in Frankfurt, dort in einem Hotel untergebracht, damit sie auch morgens früh da sein und abends lange arbeiten konnte. Glücklich war Lotta dort nicht, aber was getan werden musste, musste getan werden. Und es war ja auch eine Ehre, als Nachwuchstalent in das Projekt berufen worden zu sein. Sie bekam auch einen kleinen finanziellen Bonus für die Arbeit. Damit konnte sie sich ein paar Extra-Gesangsstunden finanzieren, wenn das Projekt irgendwann vorbei war. Das war etwas, was sie sich ausbedungen hatte, jeden Dienstag für den Gesangsunterricht die 80 Kilometer nach Hause zu fahren und deshalb früher Feierabend zu machen.
Lotta schloss die Augen. Sie war müde, als sie plötzlich eine Stimme hörte. „Lotta!“ Lotta öffnete die Augen und sah sich um. Die Stimme kam ihr bekannt vor, aber das konnte nicht sein. „Lotta, wach auf!“ Die Stimme wurde immer fordernder. Lotta richtete sich auf und plötzlich sah sie ihre Großmutter am anderen Ende des Bettes sitzen. „Nein, das kann nicht sein.“ Lotta rieb sich die Augen. Oma Lotte war bereits seit zehn Jahren tot. Sie sah auf einmal aber so lebendig aus. Lotta kniff sich in den Arm. Vor allem war ihre Oma nicht allein. Sie hatte eine kleine Eidechse auf der Schulter sitzen. „Sorry, Lotta, jetzt drehst du komplett durch. Dabei nimmst du doch kaum Schmerzmittel. Reiß dich zusammen“, kreisten Lottas Gedanken durch ihren Kopf.
„Hallo Lotta“, sagte ihre Oma.
„Oma, was machst du hier?“
„Ich bin hier, um dich zu unterstützen.“
„Ach Oma, ich freue mich, dich zu sehen. Aber wie du vielleicht mitbekommen hast, habe ich mein Leben gut im Griff. Ich bin in der Bank, verdiene gutes Geld, hab einen Freund, der unglaublich toll ist und mich am liebsten gleich heiraten will. Dann gründen wir eine Familie. Und immer wieder spiele ich auf Stadtfesten mit einer Band und mache Musik.“
Während Lotta das so aufzählte, wurde ihr auf einmal ganz komisch. Die Eidechse auf Omas Schulter hielt sich vor Lachen den Bauch und fiel fast von Omas Schulter runter. Plötzlich verschwanden die beiden wieder. Und Lotta blieb mit einem komischen Gefühl im Bauch zurück. Sie hatte noch Omas Blick gesehen, den sie nicht zu deuten wusste.
War es das? War es wirklich das, was sie immer wollte? Ein geregeltes Leben mit einer Familie, geregeltem Einkommen und ab und zu auf Stadtfesten vor Betrunkenen Musik machen. War das ihr Lebenstraum?
Lotta wurde plötzlich ganz anders. Und sie fragte sich, wann sie sich auf dem Weg verloren hatte.
„Your english is very funny“, sagte der Broadway-Regisseur.
„Yes, my brother in law is from close to Leeds“, antwortete Lotta. Das Vorsingen für die Hauptrolle war gut gelaufen. Sie war in den Final Callbacks, der letzten Runde einer ihrer Traumrollen. Sie war so kurz davor. Diese Hauptrolle hatte nicht nur megacoole Songs, für die frau eine kräftige Stimme brauchte, sondern machte in der Story eine Entwicklung vom Naivchen zur starken Frau, die Entscheidungen treffen musste.
Lotta mochte die Rolle und die Lieder. Jetzt hieß es warten. Sie war bereits für die Kostüme vermessen worden. Bei der letzten Runde hatte sie im Publikum gesessen, weil der Regisseur wollte, dass sie sich das Stück anschaute. Lotta fuhr zurück nach Hamburg, denn nun hieß es erst einmal zurück in den Schulalltag an der Musicalschule. Sie war mittlerweile am Anfang des dritten Ausbildungsjahres. Fünfmal tanzen die Woche, dabei war sie offiziell als Nichttänzerin eingestuft worden.
Lotta suchte sich die Bühne, wann immer es ging. Sie sang für jede öffentliche Veranstaltung der Schule vor, wurde aber selten genommen. Als sie die Schulleiterin drauf ansprach, warum das so sei, sagte diese nur: „Es müssen ja auch andere mal auf die Bühne.“
„Ja klar“, dachte Lotta, „aber warum lässt du dann Klara immer wieder auf die Bühne mit ihrem Ziegenvibrato und Ilse mit ihrem Pferdeblick.“
„Pfui, Lotta.“ Da war sie wieder.
„Ja, Oma, ich weiß, das war nicht nett.“ Mittlerweile war Lotta es gewohnt, dass Oma auftauchte, manchmal aus dem Nichts, um sie an etwas zu erinnern, und manchmal auch bei wichtigen Entscheidungen, um sie allein durch ihre Anwesenheit zu unterstützen. In dem einen Moment reichte ein Blick, dann wieder waren es auch ganze Diskussionen und Unterhaltungen, die sie führten.
Die Eidechse war fast immer mit dabei. Sie hatte etwas Verschmitztes, manchmal auch Hinterlistiges und sogar Garstiges an sich. Richtig bösartig war sie nie. Na ja, fast nie. Und Lotta wusste ja, dass sie selbst nicht allzu garstig sein sollte. Aber manchmal gingen die Pferdegebisse, äh Pferde doch mit ihr durch.
Lotta packte ihre Tasche. Sie war diese Woche schon zum dritten Mal bei einem ihrer drei Nebenjobs vor der Schule. Sie ging um sieben in eine Krankenkasse, um Daten einzugeben. Nach der Schule arbeitete sie in einem Marktforschungsinstitut und bereitete die Räume für die Teilnehmer vor. Am Wochenende arbeitete sie oft auf