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Das nachfolgende Gebetbüchlein für Reisende trägt den Namen "Raphael" von dem Reisebegleiter des jungen Tobias in dem allbekannten schönen apokryphischen Buche. Der Name war bequem und in den Lebenskreisen des Verfassers als Name für den Engel des Herrn, welcher die Reisenden schützt, so geläufig geworden, daß es kein Wagnis zu sein schien, ihn auf den Titel unseres Büchleins zu setzen. Es finden sich darin sowohl die traditionellen Psalmen, Morgen- und Abendgebete, als auch vieles aus der Feder des Verfassers, welches er im Laufe seiner eigenen Reisen zu Papier brachte. So möge dieses Büchlein dem frommen Christen auf seinen Wanderungen geistlichen Nutzen und Segen bescheren.
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Seitenzahl: 179
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
Hebr. 13, 14.
Vorwort
Allgemeine Gedanken
I.
Heilsgebete vom Aufbruch aus der Heimat bis zur Heimkehr.
1. Ein Psalm Davids
2. Beim Antritt der Reise
3. Abschied vom Hause
4. Wider das Heimweh
5. Um Befreiung von Last und Druck des irdischen Berufes auf der Reise
6. Um Sammlung auf der Reise
7. Gegen Langeweile, böse Lust und melancholische Erstarrung auf der Reise
8. Um rechte Freude an der Kreatur
9. Um Segen zur Kur. (Für Badereisende.)
10. Um Bescheidenheit im Reden
11. Um Freudigkeit des Bekenntnisses
12. Um geistlichen Anschluß
13. Für die Kirche, um Liebe zum Fremdling.
14. Fürbitte für die Heimat
15. Um Segen zur Erreichung des Reisezweckes bei einer Berufsreise
16. Um gute Aufnahme in der Fremde und Segen für die Gastfreunde
17. Der Sonntag in der Fremde
18. Um Gesundheit auf der Reise
19. Wenn man auf der Reise krank wird
20. Wider Verlust an Hab und Gut
21. Um Bewahrung der leiblichen Unschuld und Keuschheit
22. Um den Schutz der heiligen Engel
23. Für die Obrigkeit und das Volk des Landes, in welchem man reist
24. Wenn man traurige Botschaft fürchtet
25. Wenn eine traurige Botschaft gekommen ist
26. Heimkehr
27. Ankunft
28. Dankgebet
II.
Eine Reisewoche
–
Betrachtungen und Gebete für den Morgen und Abend.
A. Für den Morgen:
1. Sonntag
2. Montag
3. Dienstag
4. Mittwoch
5. Donnerstag
6. Freitag
7. Samstag
B. Gedanken und Gebete für den Abend:
1. Sonntag
2. Montag
3. Dienstag
4. Mittwoch
5. Donnerstag
6. Freitag
7. Samstag
Reiselieder.
1. Von Joh. Hiltstein
2. Von Nicol. Herman
3. Von Paul Fleming
4. Anonym
5. Von August Herm. Francke
DAS nachfolgende Gebetbüchlein für Reisende trägt den Namen „Raphael“ von dem Reisebegleiter des jungen Tobias in dem allbekannten schönen apokryphischen Buche. Der Name war bequem und in den Lebenskreisen des Unterzeichneten als Name für den Engel des Herrn, welcher die Reisenden schützt, so geläufig geworden, daß es kein Wagnis zu sein schien, ihn auf den Titel unseres Büchleins zu setzen. Zwar trug der Unterzeichnete doch Bedenken, aber auch Personen, welche ihm ferner stehen, rieten dazu, das Bedenken fahren zu lassen. Doch aber glaube ich denen eine Entschuldigung und Bitte um Verzeihung aussprechen zu müssen, welche an dergleichen Anstoß nehmen, oder gar gehört haben, daß es ein römisch-katholisches Reisegebetbuch gleichen Namens gibt. Das letztere hat mit unserem Büchlein nichts gemein als den Titel. Möchte der Inhalt des evangelischen Raphael die versöhnen, welche dem Titel gram sind!
Gerade aber der Inhalt kann vielleicht manchem anstößiger sein, als der Titel, sofern mit Ausnahme der alten Morgen- und Abendgebete, welche der zweiten Abteilung des Büchleins vor und nach den Psalmen einverleibt sind, alles, Gebet und Betrachtung, von dem Unterzeichneten stammt. Für den, welcher den Schatz der alten Gebete kennt und liebt, mag es immer als ein Wagnis erscheinen, wenn neue Gebete veröffentlicht werden. Der Unterzeichnete, obwohl ein Freund und Bewunderer der alten, zumal der ältesten Gebete, wagte es aber dennoch, die nachfolgenden Gebete und Betrachtungen reisenden Christen darzubieten. Er glaubte, eine Lücke unserer asketischen Literatur bemerkt zu haben, und versuchte, sie hiermit zu büßen. Die Gedanken der Gebete und Betrachtungen haben ihn schon früher auf Reisen begleitet, – im vorigen Jahre aber hat er sie auf einer Reise zu Papier gebracht. Kann man sie brauchen, so wird es ihn, als den Vorbeter, herzlich freuen. Wo nicht, so nimmt er wenigstens einen Nutzen des Büchleins hin, den nämlich, zurechtgewiesen, gestraft und gedemütigt zu werden. Wer Erbauungsschriften drucken läßt, wagt mehr, als ein anderer Autor: er wendet sich an zartere Ohren und feinere Sinne. Er muß bereit sein, beschämt zu werden.
Ein Kalender, eine kirchliche Statistik zu Nutz und Dienst der Reisenden, leere Blätter für Denksprüche von Reisegenossen und neuen oder alten Bekannten und Freunden, für Einzeichnung von Reisestationen u. dgl. schienen dem Unterzeichneten willkommene Beigaben für ein Reisegebetbuch. Selbst eine Tabelle der Münzen und Maße würde er nach dem erprobten Vorgang alter Gebetbücher, die nicht einmal bloß für Reisende bestimmt waren, nicht verschmähen. Der Reisende hat allen Bedarf fürs Leibliche und Geistliche gern kurz beisammen, und ist er ein Christ, so kann er beides wohl vereinigen: er tut alles im Namen des Einen Herrn, auch wenn er sein Reisegeld verwaltet. – Mehr noch! Es hätte dem Unterzeichneten auch ganz wohl gefallen, wenn er die kirchliche Statistik zu einem geistlichen Reisebuche hätte erweitern dürfen und können. Eine Darlegung der religiösen und kirchlichen Verhältnisse einer jeden Gegend und eines jeden Ortes im Vaterlande und in der Fremde, eine Beratung des Reisenden im konfessionellen Sinn, so wie im Sinne jener Einigkeit, die über den Konfessionen liegt, – ein Verzeichnis der an jedem Orte bestehenden christlichen und kirchlichen Vereine, Gesellschaften und Genossenschaften, sowie der verschiedenen Anstalten und Stiftungen barmherziger Liebe, namentlich für Pilgrime und Fremdlinge u. dgl. m. kommt ihm als sehr wünschens- und schätzenswert vor. Aber freilich, so freudig der Verleger zu allen Gedanken des Unterzeichneten die Hand geboten hätte, konnte der letztere doch nicht zu viel wagen. Etwas Rechtes hätte er allein im Sinne christlicher Gemeinnützigkeit nicht leisten können, – andere aber konnte er zu eifriger Beihilfe bis jetzt nicht gewinnen. Vielleicht finden sich anderwärts günstigere Verhältnisse, geschicktere Hände und größerer Eifer. Ich aber lasse einstweilen mein Wagnis hinausgehen und befehle mein armes Büchlein dem Herrn, „der die Fremdlinge lieb hat.“
Dem Leser und Beter Segen und Frieden von unserem Herrn Christo! Amen.
Neuendettelsau, den 7. April 1862.
SO war es im Alten Testamente. Bereits 3. Mose 25, 23. spricht der Herr zu seinem Volke: „Das Land ist mein, und ihr seid Fremdlinge und Gäste vor mir.“ David aber antwortet zu seinen Zeiten dem Herrn, seinem Gott, und spricht 1. Chron. 30, 15: „Wir sind Fremdlinge und Gäste vor Dir, wie unsere Väter alle. Unser Leben auf Erden ist wie ein Schatten, und ist kein Aufhalten.“ Ja, nicht bloß David spricht also, sondern die ganze Reihe von heiligen Menschen des Alten Testamentes, welche Hebräer 11. aufgezählt werden, haben den gleichen Sinn gehabt und dasselbe Bekenntnis geführt: „Sie haben bekannt, daß sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind.“ Vers 13.
Ebenso ist es im Neuen Testament. St. Petrus nennt die Christen, an welche er in seinem erstem Briefe schreibt, „erwählte Fremdlinge hin und her“, 1. Petri 1, 1., „Fremdlinge und Pilgrime“ 2, 11. Und Hebräer 13, 14 lesen wir von uns selbst: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
DAS sagt er selbst 5. Mose 10, 17. 18. Majestätisch und prachtvoll fängt er an zu reden: „Der Herr, euer Gott ist ein Gott aller Götter und Herr über alle Herren, ein großer Gott, mächtig und schrecklich, der keine Person achtet und kein Geschenk nimmt.“ So fängt er an, und verschmäht es nicht, unmittelbar darauf fortzufahren: „Und schaffet Recht den Waisen und Witwen, und hat die Fremdlinge lieb.“
Und so sehr liebt er sie, daß er im Alten Testamente bei Abraham selbst als ein Fremdling einkehrte 1. Mose 18, im Neuen Testamente aber Menschheit annahm und mitten unter den Seinen dreiunddreißig Jahre als ein Fremdling wallte, obwohl sie ihn nicht aufnahmen. Und als er weg ging, um den Himmel einzunehmen, setzte er neben anderen Elenden auch die Gäste und Fremdlinge zu seinen Stellvertretern auf Erden ein, in welchen er selbst den Seinen begegnen und von ihnen geehrt sein will, bis er wieder kommt. Bei seiner Wiederkunft aber will er alle Völker gegenüber seinem Thron versammeln, sie durch seine Engel von einander scheiden, sie zu seiner Rechten und Linken aufstellen lassen und zu den ersteren unter anderem sagen: „Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt.“ Matth. 25, 35 ff.
Wem nun das nicht genug wäre, die Liebe des Herrn zu den Fremdlingen zu erkennen, dem würden wir den Rat geben, die vielen, vielen Stellen der heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes aufzusuchen, welche göttliche Anordnungen und Befehle zum Besten der Gäste und Fremdlinge enthalten. Jede Konkordanz leistet Hilfe und kann dem, der Augen hat zu sehen, Zeugnis und Überzeugung geben, wieviel das Wort Gottes von der Liebe Gottes zu den Fremdlingen spricht.
ER ist in eigner Person auf Erden ein Gast gewesen, und ein Fremdling in seiner Heimat; so sollen auch wir ihm nach auf Erden nicht heimisch sein, sondern Fremdlinge und Pilgrime, heimwärts, nämlich himmelwärts trachten. St. Petrus, welcher 1. Br. 1, 1. die Christen Fremdlinge genannt hat, ruft sie 2, 11 an: „Lieben Brüder, ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilgrime“, – und darauf kommen einzelne Ermahnungen, deren Schönheit und Kraft man erst dann recht versteht, wenn man sie als Anweisungen zu einem Leben der Fremdlingschaft und Pilgrimschaft auf Erden faßt. Hier Fremdlinge, werden wir mit dem Bürgerrecht des Himmels getröstet, wie wir Phil. 3, 20 lesen: „Unser Wandel, d. i. unser Bürgerrecht, ist im Himmel.“ Dort ist die zukünftige Stadt Hebr. 12, 22 u. 13, 14. Auch mit Hinweisung auf diese predigen die Boten Gottes freudenvoll, daß wir, ob schon Gläubige aus den Heiden, nicht mehr Fremdlinge, sondern Bürger und Gottes Hausgenossen seien. Eph. 2, 19.
GOTTES ewige Bürger und Hausgenossen, die er lieb hat, und die da Fremdlinge sind auf Erden, sollen sich nicht allein selbst als Fremdlinge fühlen und also wandeln; sondern der Herr will auch, daß sie einander lieben und sich als Fremdlinge und Mitpilgrime erkennen, sonderlich wenn sie auf Erden auch leiblich von einem Orte zu dem anderen wallen und reisen. Denn so lesen wir 5. Mose 10, 19: „Der Herr hat die Fremdlinge lieb, daß er ihnen Speise und Kleider gebe; darum sollt ihr auch die Fremdlinge lieben, denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland.“ Wir sollen die Fremdlinge nicht schinden 2. Mose 22, 21., nicht unterdrücken 23, 9., ihr Recht nicht beugen 5. Mose 24, 14–27, 19.; sondern recht zwischen ihnen richten 5. Mose 1, 16., ihnen keine Gewalt tun Jer. 3, 6. Ez. 22, 7. 29., überhaupt kein Unrecht Sach. 7, 10; der Fremdling soll fröhlich sein bei uns 5. Mose 16, 11–14. 21. Genau genommen sind alle diese Fremdlinge, von welchen in den angeführten Stellen die Rede ist, Heiden und das Volk Israel, welchem die Befehle zunächst gegeben sind, soll also die Heiden lieben, welche die Grenzen des gelobten Landes betreten. Wieviel brünstiger wird die Liebe zu den Fremdlingen sein müssen, wenn sie, wie bei uns gewöhnlich, Glaubensgenossen oder doch Glaubensverwandte sind! Da lies Stellen wie 1. Tim. 3, 2. 5, 10., 1. Petr. 4, 9., Hebr. 13, 2. u. dgl. Ja, nicht bloß Stellen oder einzelne Verse lies: es gibt ja einen Brief, den dritten des heiligen Johannes, welcher ganz und gar von der Liebe zum Fremdling handelt. Wie mancher weiß nicht, wozu der Brief in der Bibel steht; wie leicht aber kann jeder fassen und sich überzeugen, daß der heilige Geist der Kirche aller Zeiten in demselben ein leuchtendes Zeugnis und strahlendes Denkmal der Fremdlingsliebe geben und setzen wollte.
Wir sind Fremdlinge auf Erden und wandern unsere Zeit mitten unter einem Strome von Fremdlingen dahin. Am tiefsten und schmerzlichsten fühlen wir das, wenn wir auch leiblich reisen. Aber gerade dann haben wir zum besonderen Troste, daß der Herr die Fremdlinge lieb hat; obschon auch die besondere Mahnung, daß wir andere Fremdlinge lieben sollen.
Das alles steht mit Recht an den Pforten eines Gebetbüchleins für die Fremdlinge. Ihr Fremdlinge freuet euch, denn der Herr liebet die Fremdlinge! Ihr Fremdlinge, heiliget euch, daß ihr euch von dieser Welt der Fremde unbefleckt erhaltet, und wenn ihr heimkehret zu den Euren und in eure irdischen Hütten, so erneuert das Gelübde des Dankes und vereinigt euch mit eurem Gott, die Fremdlinge zu lieben.
1. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
2. Er weidet mich auf einer grünen Auen,
Und führet mich zum frischen Wasser.
3. Er erquicket meine Seele;
Er führet mich auf rechter Straße
Um Seines Namens willen.
4. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
Fürchte ich kein Unglück,
Denn Du bist bei mir;
Dein Stecken und Stab trösten mich.
5. Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde;
Du salbest mein Haupt mit Öle,
Und schenkest mir voll ein.
6. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen
Mein Leben lang,
Und werde bleiben im Hause des Herrn
Immerdar.
O Herr, vor dem wir alle auf Erden Fremdlinge und Pilgrime sind, nun breche ich auf aus meinem Orte und meiner Heimat, und gehe wallen in ein fremdes Land. Du weißt, daß ich nicht aus Müßiggang reise, und nicht die eitle Ergötzung meiner Augen und Sinne suche, sondern einem heilsamen Zwecke nachgehe. So bitte ich Dich, sei nun bei und mit mir, gib mir Deinen Engel zum Geleit und Schutz, und Deinen Geist in mein Herz, der mich lehre in der Fremde einsam, aber gottselig zu leben. Sammle durch Deinen Geist meine Gedanken zu Dir ein, und erhalte sie allezeit in der Richtung und im Gebete zu Dir. Denn Du bist meine Heimat, und wenn ich bei Dir einkehre und Dich anrufe, Du allgegenwärtiger Herr und Freund meiner Seelen, so bin ich alle Wege daheim, ohne irdisches Heimweh, zufrieden und glücklich. Herr, schenke mir auf dieser meiner Reise das verborgene Freudenleben des Umgangs mit Dir, den Frieden und die Seligkeit der Andacht, und laß, wohin ich gehe oder komme, Deinen Geist in mir unablässig das „Abba, lieber Vater“, schreien. Erhöre mich, Du treuer Gott, und nimm mein Reisen zu Herzen, der Du bist hochgelobet von mir und allen den Deinen an allen Orten, in Zeit und Ewigkeit. Amen.
Mein Herr und mein Gott, ich gesegne nun die Meinigen und mein Haus und trete meine Reise an. Noch vor einer ganz kleinen Zeit war ich daheim in dem Meinen und bei den Meinen. Nun aber liegt der Ort bereits hinter mir, wo ich gewohnt bin, mein Haupt niederzulegen, zu Tische zu sitzen, zu handeln und zu wandeln; es ist mir alles wie genommen, und ich bin wie herausgerissen aus der Gemeinschaft, in die Du mich gestellt hast. Weil ich denn also scheide, so bleibe Du statt meiner daheim, halte Deine Hand über allem, was ich zurücklasse, und regiere mein Haus, der Du der eigentliche rechte Hausherr bei mir bist, ich aber bin nur Dein armer und unzulänglicher Haushalter und Knecht. Regiere auch alle die Meinen, welche ich samt ihren Leibern und Seelen hiermit ganz in Deine Hände befehle. Dein heiliger Geist lehre und unterweise sie in allen ihren Taten, und enthalte sie vom Bösen; Dein heiliger Engel schütze und schirme sie vor allem Übel. Bleibe bei mir daheim, gehe aber auch mit mir und geleite mich, o Du Allgegenwärtiger, der Du den Ort nicht zu wechseln brauchst, um mit mir zu gehen, die Meinen nicht verlässest, um mir beizustehen, der Du allgegenwärtig bist, Himmel und Erde erfüllest. Sei mir anstatt alles dessen, was ich verlasse: anstatt Weib und Kind und Freundschaft, anstatt Haus und Hof, und weil Du mehr und ein größerer Schatz bist als alles, was ich verlasse, so laß mich auch zufrieden und fröhlich sein mit Dir, und das Glück der Gottseligkeit begleite mich auf meiner Reise. Wenn Du also bei den Meinen bist und auch bei mir, so sind wir vereinigt in und bei Dir und am besten Ort alle beisammen, und ob uns dann auch das Herz wollte bluten und wehe tun um der leiblichen Scheidung willen; so sind wir dennoch getrost, weil wir eins sind in und mit Dir, freuen uns auch, daß die Zeit meiner Reise vorüber geht, und Du uns auch geben kannst, daß wir einander leiblich in der Heimat wieder finden, noch sicherer aber uns in der ewigen Heimat in kurzer Zeit vor dir versammeln wirst ohne alle weitere Trennung. Und weil wir also, die Meinen und ich, jedenfalls eine Weile geschiedene Wege gehen, so sei mit uns beiderseits Dein Pilgersegen, welchen Du Aaron am Sinai für Dein Volk und ihre Reise durch die Wüste in den Mund gelegt hast: „Der Herr segne uns, und behüte uns! Der Herr erleuchte sein Angesicht über uns und sei uns gnädig! Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden!“ Durch Jesum Christum. Amen.
O Herr mein Gott, der Du mir auf Erden eine Heimat gegeben hast, welche mir Pfand und Vorbild der ewigen Vaterstadt sein soll: ich bitte Dich, bringe mein armes Herz zu einer geordneten und Dir gefälligen Liebe der Heimat hier und der ewigen Heimat in der Höhe. Die Liebe und Gewöhnung meiner irdischen Heimat ist in mir größer, als billig und recht ist vor Dir, denn ich denke und sehne immer nach heim und leide unter dem Heimweh wie ein Knäblein, das zum ersten Male den süßen Ort der väterlichen und mütterlichen Liebe verlassen und in die ferne Stadt ziehen muß, der Schule wegen. Ich reise dahin über Berg und Tal und merke allenthalben Ruf und Einladung der Kreatur, Dich in Deinen Werken zu finden und zu preisen; aber meine Augen sind gehalten, und ich kann den Weg des Lobes und Dankes nicht betreten, weil ich im Kerker des traurigen Brütens und Andenkens an das, was daheim ist, wie angeschmiedet bin. Ich kann mich auch nicht aufschwingen zu dir, nicht andächtig sein und beten, wie ich soll, weil ich immer nur Ein Gebet habe und Einen Wunsch, zu den Meinen zurückzukehren, unter denen ich doch, wenn ich bei ihnen verweile, auch nicht völlig daheim, nicht völlig zufrieden bin. O entwöhne mich doch durch die Kraft Deines heiligen Geistes von aller ungeordneten Liebe zu dem, was zeitlich und sichtbar ist, und lehre michʼs innerlich recht bedenken und fassen, daß das Wesen dieser Welt vergeht. Laß mich die irdische Heimat lieben, aber nicht also, daß ich sie nicht gerne und willig entbehren könnte und möchte: die unordentliche Liebe zu ihr und den stündlichen Hang nimm mir weg. An die Fremde laß mich meine Seele nicht hängen, so reizend und schön und fesselnd sie sein möge; aber auch nicht an die Heimat, in welcher ich nach Deinem Willen doch auch nur ein Pilgrim und Fremdling bin. Ich weiß, daß ich sterben und alles dahinten lassen muß, und daß mein Geist berufen ist, einsam aus dem Leibe und der Welt zu dem himmlischen Jerusalem zu wandern. So entbinde mich doch von meinen Banden der Anhänglichkeit; lehre mich sterben ehe ich sterbe, und gib mir, daß ich aufhöre, die Kreaturen anders zu lieben, als es recht ist vor Dir und einer Seele geziemt, die auf Erden allezeit ist wie Israel in der Passanacht, nämlich davon eilend, ein anderes Vaterland suchend. Dein heiliger Geist mache mich durch sein Wort und durch die Speise aus der Heimat, dein Hochwürdiges Sakrament, zu einem recht entfesselten und freien Fremdling und Pilgrim auf Erden, auch in der Heimat. Er mache mich aber auch bereits hier durch einen rechtschaffenen Glauben zu einem Insassen und Bürger jener ewigen Stadt, zu welcher ich nach Hebr. 12. schon jetzt gehöre. Das Bewußtsein und die Zuversicht meines himmlischen ewigen Bürgerrechtes begleite mich nicht bloß wie ein schwacher Gedanke, und wie ein matter Schein des Mondes, durchs Leben, sondern es durchdringe und erfülle mich mit der Kraft einer göttlichen Offenbarung und regiere mein ganzes Leben. Die Freude an meinem ewigen Aufenthalt mache mich in dieser Welt allezeit sehnsuchtsvoll singen mit Deiner Braut, der heiligen Kirche: „O Ewigkeit, du schöne, mein Herz an Dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“ Die Lust an dem, was droben ist in der ewigen Heimat, verschlinge in mir, oder versüße doch alles Gefühl der Unvollkommenheit jedes irdischen Aufenthalts. Durch sie nüchtern geworden von aller