Rational-Emotive Verhaltenstherapie - Albert Ellis - E-Book

Rational-Emotive Verhaltenstherapie E-Book

Albert Ellis

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Beschreibung

Den Menschen als Einheit verstehen Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) basiert auf der Annahme, dass Kognition, Emotion und Verhalten niemals getrennt voneinander gedacht werden können: Wenn wir fühlen, so denken und handeln wir auch; wenn wir handeln, so fühlen und denken wir auch, und wenn wir denken, so fühlen und handeln wir auch. Damit ein Mensch eine psychische Störung bewältigen kann, ist also sowohl eine Veränderung seiner Kognitionen als auch seiner emotionalen Reaktionen und Aktivitäten notwendig. Die Praxis der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie entwickelt sich ständig weiter. Die Autoren bieten in diesem Buch eine Übersicht über die Theorie der REVT sowie die aktuellsten Informationen über die Praxis und die spezifischen Interventionen, die von REVT-Praktikern auf der ganzen Welt verwendet werden.

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Seitenzahl: 250

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Albert Ellis & Catharine MacLarenRational-Emotive Verhaltenstherapie

Reihe Therapeutische Skills kompakt Band 9

Über dieses Buch

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) basiert auf der Annahme, dass Kognition, Emotion und Verhalten beim Menschen keine getrennten Funktionen sind, sondern vielmehr eine ganzheitliche Natur aufweisen und dementsprechend behandelt werden müssen. Wenn Menschen psychisch beeinträchtigt sind, so denken, fühlen, handeln sie in einer dysfunktionalen, selbstschädigenden Weise, und wenn sie ihre Störung bewältigen, dann verändern sie fast zwangsläufig einige ihrer Kognitionen, ihrer emotionalen Reaktionen und ihrer Aktivitäten. 

In diesem Band erörtern Ellis und MacLaren die zentralen Gründe dafür, dass Menschen psychische Störungen entwickeln, und beschreiben die Vielzahl kognitiver, emotionaler und behavioraler Interventionen, die in der REVT verwendet werden.

Albert Ellis (1913–2007) entwickelte die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) und eröffnete 1961 das Albert Ellis Institut in New York.

Catherine MacLarenist Psychotherapeutin und Mitglied im Albert Ellis Institut. Sie arbeitet auf der Grundlage der REVT als Supervisorin und Trainerin.

Copyright: © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2015

Copyright: © der Originalausgabe: 1998, 2005 by The Albert Ellis Institute

Die Originalausgabe ist 2011 in der vierten Auflage unter dem Titel „Rational emotive behavior therapy: a therapist’s guide“ bei Impact Publishers, Inc., erschienen.

Übersetzung: Guido Plata

Coverfoto: © gilles vallée – Fotolia.com

Coverentwurf / Reihengestaltung: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2015

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-044-6

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-045-3 (EPUB), 978-3-95571-345-4 (PDF), 978-3-95571-344-7 (MOBI).

Janet L. Wolfe gewidmet
– Albert Ellis
Elizabeth M. Love-Brockway und meinen Eltern gewidmet
– Catharine MacLaren

Einführung

Unser Hauptziel mit dem vorliegenden Band Therapeutische Skills kompakt: Rational-Emotive Verhaltenstherapie ist es, Ihnen als praktizierendem Kliniker einen leicht zugänglichen und umfassenden Überblick über die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) zu verschaffen.

Der erste Teil des Buches konzentriert sich auf die Beantwortung der Fragen danach, wie wann und wo die REVT entstanden ist. Dabei erörtern wir die philosophischen Wurzeln der Theorie ebenso wie die zentralen Gründe dafür, dass Menschen psychische Störungen entwickeln und diese bei ihnen anschließend bestehen bleiben.

Einige Kapitel haben wir der praktischen Durchführung der REVT gewidmet. Wir beginnen mit einer Darstellung der diagnostischen Phase in der Therapie und beschreiben anschließend die Vielzahl kognitiver, emotionaler und behavioraler Interventionen, die in diesem Ansatz üblicherweise verwendet werden. Auch haben wir etliche Fallbeispiele beigefügt, um Ihnen den Lernprozess zu erleichtern.

Schließlich haben wir ein Kapitel zur Integration der REVT mit einer Reihe anderer theoretischer Schulen eingefügt. Ob Sie nun ein Neuling auf diesem Gebiet oder bereits ein erfahrener Kliniker sind, wir hoffen, dass Ihnen dieses Buch gefällt und Sie es auch in Zukunft als Nachschlagewerk nutzen werden.

TEIL I: DIE THEORETISCHEN GRUNDLAGEN DER REVT

1. Rational-Emotive Verhaltenstherapie: Einführung und Reflexion

Die Rational-Emotive Verhaltenstherapie basiert auf der Annahme, dass Kognition, Emotion und Verhalten beim Menschen keine getrennten Funktionen sind, sondern vielmehr eine intrinsisch integrierte und holistische Natur aufweisen. Wenn wir fühlen, so denken und handeln wir auch; wenn wir handeln, so fühlen und denken wir auch; und wenn wir denken, so fühlen und handeln wir auch. Warum? Weil Menschen kaum jemals, und dann auch immer nur für einen kurzen Moment, ausschließlich fühlen, ausschließlich denken oder ausschließlich handeln.

Wenn Menschen psychisch gestört sind, so denken-fühlen-handeln sie in einer dysfunktionalen, selbstschädigenden Weise, und wenn sie ihre Störung bewältigen, dann verändern sie fast zwangsläufig einige ihrer Kognitionen, ihrer emotionalen Reaktionen und ihrer Aktivitäten. Susan, eine Klientin von AE[1], hatte panische Angst davor, mit attraktiven Männern zu sprechen, und mied diese daher bei Tanzveranstaltungen, Partys und anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen. Sie nahm sie als „gefährlich“ wahr, empfand bei Begegnungen mit diesen Männern große Angst und ergriff die Flucht, wenn es den Anschein hatte, dass sie sich ihr nähern wollten. Sie dachte, dass die Männer „gefährlich“ seien, fühlte Panik und handelte daher vermeidend.

Nach einigen Sitzungen REVT erkannte Susan im Wesentlichen, dass sie sich selbst einredete, auf keinen Fall von attraktiven Männern zurückgewiesen werden zu dürfen, da sie ansonsten eine Außenseiterin und eine wertlose Person sei. Sie veränderte ihre zentralen irrationalen → Überzeugungen zu „Ich bevorzuge es, die Zurückweisung durch attraktive Männer zu vermeiden, aber wenn dies geschieht, so beweist es nur, dass ich dieses eine Mal gescheitert bin, dass ich aus der Zurückweisung lernen kann und es vielleicht nächstes Mal besser läuft. Aber sogar wenn ich mit attraktiven Männern immer scheitere, bin ich nur in einem wichtigen Bereich meines Lebens frustriert und kann Beziehungen mit weniger attraktiven Männern genießen.“

Wie in der Theorie der REVT beschrieben wird, veränderte Susan damit eine ihrer zentralen negativen Kognitionen und half sich auf diese Weise selbst dabei, ihre Panik und ihr Vermeidungsverhalten zu reduzieren. Das klingt schon einmal gut, und „beweist“ scheinbar auch, dass diese Veränderung von irrationalen Überzeugungen Susan weniger ängstlich und phobisch machte. Genau genommen veränderte Susan jedoch neben ihren zentralen Überzeugungen auch (möglicherweise ohne dass es ihr bewusst war) eine Reihe weiterer Wahrnehmungen und Kognitionen, wie etwa: 1) Attraktive Männer sind „gefährlich“. 2) Von ihnen zurückgewiesen zu werden, ist „schrecklich“. 3) „Solange mich keiner wirklich will, kann ich überhaupt nicht glücklich sein“, 4) „Jedes Mal, wenn ich es riskiere und bei einem versage, macht mich das zu einem total wertlosen Menschen.“ 5) „Wenn ich mich mit einem weniger attraktiven Mann zufriedengebe, werden die Leute sehen, dass ich aus Schwäche aufgegeben habe, und werden mich für eine Versagerin halten.“

Wie wir sehen, waren Susans zentrale Kognitionen komplex und führten zu weiteren negativen Kognitionen – welche sich dann wiederum aber veränderten, nachdem sie ein oder zwei ihrer irrationalen Überzeugungen verändert hatte. Weiterhin änderten sich Susans Gefühle von Panik zu Besorgnis – einem gesunden negativen Gefühl, das ihr anschließend erlaubte, mit attraktiven Männern zu sprechen und lediglich traurig und enttäuscht zu sein, wenn sie zurückgewiesen wurde. Mit ihren neuen rationalen Überzeugungen fühlte sie sich nicht länger unbehaglich, wenn sie attraktive Männer sah. Manchmal fühlte sie sich sogar glücklich, wenn diese auf sie zugingen; sie fühlte sich danach, bei ihnen zu verweilen und mit ihnen zu reden; sie fühlte sich dabei interessiert und vom Gespräch eingenommen und empfand noch diverse damit zusammenhängende Gefühle mehr.

Auch in Bezug auf ihre Handlungen änderte sich etwas: Nachdem sie ihre irrationale Überzeugung, auf keinen Fall von attraktiven Männern zurückgewiesen werden zu dürfen, da sie ansonsten eine wertlose Person sei, abgelegt hatte, wurde sie frei von ihrer Phobie und legte schon bald neue Verhaltensweisen an den Tag. 1) Sie sah oft attraktiven Männern nach, anstatt zu vermeiden, sie anzuschauen. 2) Auf einige von ihnen ging sie zu. 3) Sie arrangierte es, einigen von ihnen vorgestellt zu werden. 4) Sie unterhieltsich lebhaft mit ihnen. 5) Sie versuchte, einige von ihnen zu einem Rendezvous mit ihr zu bewegen etc.

Hieraus lernen wir Folgendes: Laut der REVT sind pathologische wie auch weniger pathologische Gedanken, Gefühle und Handlungen komplex, variabel und beeinflussen sich wechselseitig in erheblichem Ausmaß. Die Perspektive der REVT ist heute noch diejenige, die von AE vor über 50 Jahren formuliert wurde:

Anstatt zu sagen „Jones denkt über das Puzzle nach“, sollten wir lieber die zutreffendere Formulierung „Jones sieht-bewegt-fühlt das Puzzle“ wählen. Da Jones’ Aktivität in Reaktion auf das Puzzle jedoch größtenteils darauf konzentriert sein dürfte, es zu lösen, und nur nebenbei darauf, es zu sehen, zu manipulieren und zu lösen, ist es möglicherweise auch gerechtfertigt, wenn wir nur sein Denken hervorheben. Emotionen sind keine abgegrenzte Sache, sondern eine Kombination und holistische Integration von diversen scheinbar unterschiedlichen, jedoch tatsächlich eng verwandten Phänomenen.

(Übersetzt nach Ellis, 1958, S. 35)

Integrative und eklektische Aspekte der REVT

Die REVT ist stets integrativ in ihrem therapeutischen Bestreben, Menschen bei der Umwandlung ihrer irrationalen Überzeugungen in rationale zu helfen und dadurch ihre emotionale und behaviorale Funktion zu verbessern. Zu diesem Zweck nutzt sie viele multimodale Methoden (Lazarus, 1989) – kognitive, emotionale und behaviorale –, die sie auch integriert, und gleichzeitig verdeutlicht sie den Klienten, wie diese Methoden einander beeinflussen.

Die REVT beinhaltet eine Reihe einzigartiger Theorien, wie wir in späteren Kapiteln noch zeigen werden; ihre Praxis ist in der Theorie begründet und nicht lediglich „eklektisch“. Darüber hinaus bezieht die REVT beträchtliche Teile anderer therapeutischer Konzepte ein. So enthüllt sie etwa die unbewussten Motive und Abwehrmechanismen eines Klienten, wie es Freudianer tun. Sie verwendet Jungs Konzept der → Selbstaktualisierung. Sie umfasst Rogers Theorie und Praxis der bedingungslosen positiven → Wertschätzung[2] oder vollständigen → Akzeptanz. Sie ermutigtzur Veränderung, wie Adlerianer es tun. Sie nutzt aktiv-direktiv Hausaufgaben, ebenso operante Konditionierung und In-vivo-Desensibilisierung (→ Desensibilisierung), wie sie von Skinnerianern und anderen Behavioristen (→ Behaviorismus) verwendet werden. Sie gebraucht ebenfalls viele Methoden in Bezug auf Erleben, Encounter und Fühlen, wie sie von Gestalttherapeuten angewendet werden. Manchmal, wenngleich selten, nutzt sie sogar irrationale und magische Techniken, wenn Klienten auf rationale Verfahren gewissermaßen „allergisch“ reagieren.

Die REVT integriert Aspekte vieler psychotherapeutischer Theorien und verwendet spezifische Techniken aus zahlreichen Quellen in eklektischer Weise, um Klienten zu behandeln, bei denen die gängigsten Methoden nicht zum erhofften Erfolg geführt haben. Eine nähere Erörterung zur Integration der REVT mit anderen Ansätzen findet sich in Kapitel 8.

Die Wirksamkeit der REVT

AE entwickelte die REVT, da ihr Ansatz eine höhere Wirksamkeit gegenüber anderen Therapien versprach. Im ersten großen Artikel zu diesem Thema (Ellis, 1958, S. 49) sagte er voraus, dass „Psychotherapie mit einem hohen Maß an rationaler Analyse (…) sich bei einer größeren Vielfalt von Klienten als wirksamer erweisen wird als alle der nichtrationalen oder semirationalen Therapien, die derzeit in breitem Umfang angewendet werden“. In vierzig Jahren Psychotherapieforschung wurden Teile dieser Voraussage durch Hunderte von Studien zur REVT und KVT (→ Kognitive Verhaltenstherapie) teilweise untermauert. Jedoch nur Teile!

Zu diesen Teilen zählt zunächst AEs Theorie, dass Menschen sowohl rationale Überzeugungen (RB, vom engl. rational belief) als auch irrationale Überzeugungen (IB, vom engl. irrational belief) haben, und dass sie, wenn sie häufige und intensive IBs haben, mehr zu psychischen Störungen neigen, als wenn sie weniger und schwächere IBs haben. Diese Idee wurde durch über tausend veröffentlichte Studien gestützt (Clark, 1997; Glass & Arnkoff, 1997; Schwartz, 1997). Gemäß diesen Studien besteht eine signifikante Korrelation zwischen der Anzahl der anerkannten IBs eines Menschen und dem Ausmaß seiner emotionalen Störung. Somit lässt sich sagen, dass eine der Haupthypothesen der REVT empirisch gut abgesichert ist.

Die zweite Haupttheorie von AE – dass das Ausmaß der psychischen Gestörtheit eines Menschen signifikant abnimmt, wenn er seine IBs entweder in einer Therapie oder durch Selbsthilfeverfahren zu eher rationalen Überzeugungen wandelt – wird ebenfalls durch umfangreiche Evidenz gestützt. Mehr als 250 kontrollierte Studien zur Wirksamkeit der REVT wurden bislang veröffentlicht, und die überwiegende Mehrheit hiervon zeigt positive Ergebnisse (McGovern & Silverman, 1984; Lyons & Woods, 1991; Silverman, McCarthy & McGovern, 1991). Über tausend Studien zur Wirksamkeit zahlreicher Varianten der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) wurden publiziert, und auch hier belegt die überwiegende Mehrheit der Studien die Wirksamkeit dieser Therapie (Dobson, 1989; Hollon & Beck, 1994). Außer der Verhaltenstherapie kann keine andere Form der Psychotherapie so gute empirische Ergebnisse vorweisen, und auch die Verhaltenstherapie schließt heutzutage normalerweise viele kognitive Methoden ein.

REVT und KVT sind empirisch somit offensichtlich exzellent abgesichert und haben sich bei einer großen Bandbreite von Klienten als hochgradig wirksam erwiesen. Zahlreiche Aspekte dieser Behandlungsformen „schleichen“ sich nun auch in andere Therapiesysteme ein!

Die Ursprünge der REVT

Der Ursprung der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie geht bis in das Jahr 1953 zurück, als AE sich von der → Psychoanalyse in ihrer klassischen Form abwandte.

Ich hatte die Analyse sechs Jahre lang praktiziert, aber ich war zu dem Schluss gekommen, dass sie hochgradig ineffizient sei. Im günstigsten Fall half sie meinen Klienten, einige der psychodynamischen Aspekte ihrer Störungen zu erkennen, aber nicht dabei, ihr Denken, ihr Fühlen und ihr Verhalten zu verändern, um so die selbstschädigenden Aspekte ihres Lebens ungeschehen zu machen. Wahrscheinlich verstanden sie durchaus, wie sie in ihre derzeitige Lage geraten waren – sie wussten aber dennoch nicht, was sie tun sollten, um eine Veränderung herbeizuführen.

So gewann beispielsweise ein Klient → Einsicht in die Tatsache, dass er einen unbewussten Hass gegen seinen Vater hegte und dieses Gefühl auf einen Hass gegen seinen Chef und andere Männer mit ähnlichen Eigenschaften wie sein Vater „übertragen“ hatte; es gelang ihm jedoch nicht, seine selbstschädigenden Verhaltensweisen gegenüber seinem wohlhabenden und dominanten Vater oder seinem einflussreichen und diktatorischen Chef abzulegen. Seine dramatische „Einsicht“ in seine Probleme mit starken Männern und sein Sturm an Gefühlen beim Erlangen dieser Einsicht halfen ihm nicht im Geringsten.

Dieser und einige weitere Fälle, in denen Einsicht und Ausdruck unterdrückter Gefühle allein einfach nicht zum Erfolg führten, „brachten mich zu einigen weitreichenden Überlegungen über die Psychotherapie“.

Zunächst kehrte ich zu meinen präpsychoanalytischen therapeutischen Techniken zurück, insbesondere denen, die ich in der Sexualtherapie und Eheberatung gelernt hatte, und begann damit, meinen Klienten Aktivitäts-Hausaufgaben und Fertigkeitstraining aufzugeben. Dies funktionierte sehr viel besser, ganz besonders bei sozial phobischen Klienten, die zwar über ein beträchtliches Maß an Einsicht in die vornehmliche Ursache ihrer Hemmungen verfügten, aber dennoch nicht in der Lage waren, diese Einsicht zu nutzen, um Beziehungen zu anderen Menschen herzustellen. Innerhalb weniger Wochen mit In-vivo-Desensibilisierung und Beziehungstraining machten diese Klienten mehr Fortschritte als in einem Jahr oder mehr an Psychoanalyse. Interessant! Daher fügte ich fortan auch weiterhin behaviorale Methoden in meine analytische Therapie ein.

Noch wertvoller für meinen therapeutischen Ansatz war jedoch meine Überarbeitung des gesamten Konzepts der Einsicht. Ich begann zu erkennen, dass man zwar einigen wenigen Klienten helfen konnte, indem man ihnen Einsicht in ihre Vergangenheit ermöglichte. Diese Klienten gelangten so zu dem Schluss, dass, egal wie schlecht sie als Kinder auch behandelt worden waren, sie sich heute nicht auf dieselbe unreife Weise verhalten mussten. So verziehen sie ihren Eltern und lebten ihr Leben. Aber für die große Mehrheit derjenigen, die dieselben dramatischen Einsichten erlangt hatten, führten diese zu keinerlei Verbesserung. Sie hassten ihre Eltern und sich selbst nach wie vor. Nein, das eher traditionelle Konzept von Einsicht ist für tief greifende und dauerhafte persönliche Veränderungen nicht ausreichend. Die Wahrheit ist, dass die meisten Menschen sehr gut ausmachen können, welche schlimmen Dinge sie in ihrem Leben erlitten haben, aber dieses Wissen allein führt nur selten zu langfristigen positiven Veränderungen. Tatsächlich kann es ohne angemessene Maßnahmen, um sich mit diesen negativen Erfahrungen auszusöhnen und weiterzuentwickeln, sogar extrem kontraproduktives Selbstmitleid nach sich ziehen und auf manche Leute einen „retraumatisierenden“ Effekt haben.

Ich dachte hierüber nach und erkannte, dass die Art der Einsicht, die Klienten in den meisten Formen von Psychotherapie normalerweise gewinnen, nicht allzu hilfreich ist. Sie zeigt ihnen nicht, durch welche Handlungen sie jetzt die Leiden und Schrecken der Vergangenheit weiterleben lassen – und ebenso wenig, was sie damals in ihrer Kindheit getan haben, um sich selbst in Leiden und Schrecken zu versetzen. Warum sind sie seinerzeit überhaupt so erschüttert worden? Durch welche Handlungen halten sie diese Erschütterung nun aufrecht oder verschlimmern sie sogar? Wie wäre es mit Einsicht hierin?

Ich war immer an Philosophie interessiert, insbesondere der Philosophie des Glücks, und zählte sie seit meinem sechzehnten Lebensjahr zu meinen Hobbys. Nun las ich viele der antiken und modernen Philosophen von Neuem, um Antworten auf diese wichtigen Fragen zu finden. Glücklicherweise wurde ich fündig. Viele Philosophen – vor allem die frühen Vertreter der östlichen Philosophie, Gautama Buddha und Laozi [neue Transkription; im traditionellen Pinyin-Transkript heißt er noch Laotse, Anm. d. Übers.] sowie Epikur, Epiktet und Marcus Aurelius aus der Zeit der griechischen und römischen Antike – hatten klar erkannt, was die Psychoanalytiker und Behavioristen nicht beachteten: dass Menschen Konstruktivisten sind, die nicht nur durch externe Einflüsse Störungen entwickeln können, sondern auch selbst in signifikantem Maße zu ihrem eigenen dysfunktionalen Denken, Fühlen und Handeln beitragen. Wie Epiktet es vor zweitausend Jahren auf den Punkt brachte: „Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen über dieselben beunruhigen die Menschen“. Phänomenalismus, → Konstruktivismus und Postmodernismus! Ich bin froh, sagen zu können, dass es mir in den 1950er-Jahren gelang, Epiktet vor dem völligen Vergessenwerden zu bewahren und ihn von Neuem berühmt zu machen.

Die Geschichte der REVT

Inspiriert von der Philosophie, arbeitete ich von 1953 bis 1955 an meiner psychotherapeutischen Theorie und veröffentlichte im Januar 1955 schließlich das, was ich zunächst noch als Rationale Therapie (RT) bezeichnete (Ellis, 1957a, 1957b, 1958). Darin stellte ich die recht einzigartige → ABC-Theorie emotionaler Störungen vor. Diese besagt, dass, wenn Menschen mit auslösenden Ereignissen (A, im Engl. zunächst adversity, später activating event) konfrontiert werden und mit Konsequenzen (C, im Engl. consequences) in Form psychischer Störungen wie ausgeprägter Angst und Depressionen reagieren, dies größtenteils die Folge ihres Überzeugungssystems (B, im Engl. belief system) ist. Somit gilt, A x B = C. Diese Theorie unterschied sich signifikant von Psychoanalyse, Konditionierung und anderen bekannten Theorien emotionaler Störungen, die im Jahre 1955 populär waren. Nun sind kognitive Auffassungen der Psychotherapie nichts vollkommen Neues, sie wurden bereits von Pierre Janet (1898), Paul Dubois (1907), Alfred Adler (1929) und anderen Therapeuten des frühen 20. Jahrhunderts vertreten. In den 1950er-Jahren jedoch hatten sie an Popularität verloren, da sie durch psychodynamische und in geringerem Ausmaß auch konditionierungsbezogene Ideen verdrängt worden waren. So hatte ich, als ich den Faktor B (Überzeugungen) in der ABC-Theorie der Rationalen Therapie stark betonte, zunächst nur wenige Anhänger. Indem ich mein eigenes Überzeugungssystem dazu verwendete, mir selbst Mut zu machen – und mich insbesondere selbst davon zu überzeugen, dass ich die Wertschätzung anderer Therapeuten nicht erlangen musste, auch wenn es schön wäre, sie zu haben –, verfolgte ich weiterhin mein Bestreben, die REVT als Pionierform der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) publik zu machen, obwohl ich damit fast nur auf Widerstand stieß. Ich schrieb umfassend zu diesem Thema und hielt zahlreiche Lehrveranstaltungen dazu ab, bis mir in den 1960er-Jahren einige fähige Kliniker mit ihren eigenen Versionen der KVT folgten – darunter Glasser (1965), Beck (1976), Bandura (1997) und Meichenbaum (1977).

Meine Innovationen in der Therapie umfassten nicht nur die starke Betonung der Einbeziehung von Kognition, sondern erstmals auch die Verschmelzung mit der Verhaltenstherapie, wodurch die RT zur ersten der heute populären kognitiven Verhaltenstherapien wurde. Der Grund für diese Verschmelzung war, dass ich im Alter von 19 Jahren einige der behavioralen Techniken von John B. Watson (Watson, 1919) dazu benutzt hatte, meine eigene Phobie vor dem Halten öffentlicher Reden und meine soziale Angst zu überwinden. Auch hatte ich, bevor ich Psychoanalytiker wurde, behaviorale Methoden in der Sexualtherapie und der allgemeinen Psychotherapie eingesetzt. Als ich 1953 damit aufhörte, mich selbst als Psychoanalytiker zu bezeichnen, begann ich, diese behavioralen Methoden häufiger zu gebrauchen. 1955 dann integrierte ich sie in die Rationale Therapie und wurde ein Pionier auf dem Gebiet der kognitiven Verhaltenstherapie.

Wie ich in meiner ersten großen Veröffentlichung zur Rationalen Therapie, die ich auf der American Psychological Association Convention in Chicago am 31. August 1956 vorstellte, bereits sagte, war die Rationale Therapie auch hochgradig aktiv-direktiv (→ Vorgehen, aktiv-direktives), konfrontativ und emotiv. Aufgrund ihres Titels erkannten jedoch viele Therapeuten ihre emotionalen Aspekte nicht. Im Jahre 1961 änderten ich und Robert Harper, der mein wichtigster Mitstreiter war, den Namen in Rational-Emotive Therapie (RET). Raymond Corsini widersprach dieser Benennung korrekterweise für mehr als 20 Jahre, indem er sagte, dass die RET einen sehr starken behavioralen Aspekt habe und daher als Rational-Emotive Verhaltenstherapie bezeichnet werden solle.

Ich stritt hierüber fälschlicherweise mit Ray, da die RET in den 1960er-Jahren sehr populär wurde, jedoch räumte ich schließlich ein, dass er im Recht war und ich im Unrecht. So änderte ich den Namen im Jahre 1993 formell in Rational-Emotive Verhaltenstherapie (Ellis, 1993), und ich denke, dass dies der endgültige Name der Therapie sein wird. Er beschreibt in sehr präziser Weise die Art von umfassendem, integrativem und multimodalem System, die die Therapie in der Tat ist.

2. Die philosophischen und persönlichkeitstheoretischen Grundlagen der REVT

Der REVT liegen in ihrem Kern zwei Arten von Theorien zugrunde: erstens ihre philosophische Betrachtungsweise und ihre allgemeine Sicht der menschlichen Persönlichkeit und ihrer Störungen, zweitens ihr Konzept der therapeutischen Veränderung. Diese beiden Arten von Theorien greifen in mehrerlei wichtiger Hinsicht ineinander. In diesem Kapitel befassen wir uns vorwiegend mit der philosophischen Betrachtungsweise der REVT, ihren persönlichkeitstheoretischen Aspekten und der Frage, weshalb manche Menschen scheinbar ausgeprägtere Störungen aufweisen als andere.

Postmoderne Philosophie und REVT

AE begründete die REVT als logischer Empirist[3] – also als ein Mensch, der überzeugt ist, dass wir uns als Wissenschaftler der Wahrheit annähern müssen, indem wir Fakten aufspüren und aus diesen dann Schlussfolgerungen ziehen.

Der logische → Empirismus hat seine Grenzen, wie Popper (1935), Bartley (1984) und Mahoney (1991) später zeigten, und wurde insbesondere von einigen Vertretern des Postmodernismus stark erschüttert (Derrida, 1967; Feyerabend, 1975; Gergen, 1991). Diese weisen darauf hin, dass „Fakten“ und „Wahrheiten“ stets von Menschen identifiziert würden, weshalb ihnen keine „objektive“ oder „wahre“ Realität innewohnen würde. Nachdem er lange Zeit viel von einem Phänomenologen und Existenzialisten hatte, wurde AE schließlich zu einem gemäßigten, nicht radikalen Postmodernisten. Die REVT selbst war ebenfalls stets recht postmodern, da sie vehement gegen absolutistische Konzepte von „müssen“ und „sollen“ eintrat und damit dem Gedanken einer absoluten Wahrheit entgegenstand. Im Folgenden sind die wichtigsten postmodernen Ideen der REVT aufgezählt, wie sie in „Postmodern ethics for active-directive counseling and psychotherapy“ beschrieben wurden (Ellis, 1997).

Möglicherweise existiert irgendeine Art von unzweifelhafter objektiver Realität oder Sache an sich, aber wir können diese nur mit unserer fehlbaren, persönlich und sozial überformten, individuell unterschiedlichen und veränderlichen menschlichen Wahrnehmung erfassen. Wir haben keine absolute Gewissheit darüber, was Realität ist oder sein wird – obwohl wir oft in hohem Maße überzeugt sind, dass dies der Fall wäre.

Unsere Sichtweise in Bezug darauf, was richtig und falsch, was moralisch und unmoralisch ist, basiert, wie von George Kelly (1955) ausgeführt, größtenteils auf persönlichen und sozialen

Konstrukten

. Universelle Wahrheiten zu identifizieren ist eine unlösbare Aufgabe, und alle ethischen Überzeugungen beruhen auf Konstrukten.

Auch wenn die menschliche Persönlichkeit einige wichtige angeborene und relativ fixe Elemente aufweist, ist sie dennoch in weiten Teilen das Produkt relationaler und sozialer Einflüsse und sehr viel weniger individualistisch als gemeinhin angenommen wird.

Menschen werden durch die Kultur, in der sie aufwachsen, stark beeinflusst oder konditioniert. Ihr Verhalten ist erstaunlich multikulturell und es gibt keine schlüssigen Beweise dafür, dass eine Kultur richtig oder falsch, besser oder schlechter ist als irgendeine andere (Ivey & Ragazio-DiGilio, 1991; Sampson, 1990).

Entweder-oder-Konzepte von Gut und Schlecht sind oft anzutreffen und werden auch vehement vertreten, jedoch neigen sie dazu, unzutreffend, eingeschränkt und vorurteilsbeladen zu sein. Aufgeschlossenere Sichtweisen des Menschen betonen hingegen eher, dass Dinge und Prozesse auf einer Sowohl-als-auch- und einer Und-ebenso-Basis existieren. Da monolithische Entweder-oder- und Alles-oder-nichts-Lösungen für irgendwelche Probleme ihre Grenzen haben, sollten wir besser auch eine breite Palette alternativer Und-ebenso-Lösungen in Betracht ziehen und diese ausprobieren, um zu sehen, wie gut – und wie schlecht – sie funktionieren.

Fast alle Lösungen, die wir für unsere Probleme anstreben, hängen davon ab, welche Ziele und Absichten wir als Ausgangsbasis nehmen. Diese Ziele und Absichten sind stets diskutierbar, niemals absolut. Wir können einen Konsens darüber erreichen, welche Ziele und Absichten wir auswählen, aber keine absolute Übereinkunft darüber, welche besser und welche schlechter sind.

Die REVT wurde gelegentlich als nicht konstruktivistisch bezeichnet (Guidano, 1991; Mahoney, 1991), tatsächlich ist sie jedoch auf eine ungewöhnliche Art und Weise konstruktivistisch. Sie betont, dass Menschen in flexibler und adaptiver Weise denken und handeln. Sie stellt heraus, dass Menschen das rigide, absolutistische Müssen, mit dem sie sich oft selbst unter Druck setzen, einerseits in ihrer Kultur lernen, es andererseits aber auch das Produkt ihrer eigenen schöpferischen und biologischen Tendenzen ist. Für Klienten ist es hilfreich, zu erkennen, wie sie zentrale dysfunktionale Philosophien für sich erschaffen und wie sie diese durch Denken, durch Denken über das Denken und durch Denken über das Denken über das Denken verändern können (Dryden, 1995; Ellis, 1994, 1996; Ellis & Dryden, 1975; Ellis, Gordon, Neenan & Palmer, 1998). In Bezug auf Probleme mit dem Selbstwertgefühl steht die REVT im Einklang mit der sozialkonstruktivistischen und existenzialistischen Position von Heidegger (1927), Tillich (1953) und Rogers (1961), dass Menschen sich selbst als wertvoll definieren können, indem sie sich einfach dafür entscheiden, dies zu tun. Sie befasst sich mit unbewussten und verborgenen Prozessen, die Störungen hervorrufen oder auch die Lösung von Problemen begünstigen. Sie vertritt die Position, dass Menschen eine ausgeprägte natürliche Fähigkeit dazu besitzen, sich selbst zu rekonstruieren und zu verändern, aber sie versucht aktiv-direktiv, sie in der Zusammenarbeit mit einem involvierten Therapeuten dabei zu unterstützen. Sie betont den Einsatz der flexiblen, nicht dogmatischen Methode der wissenschaftlichen Hypothesenbildung und Hypothesenprüfung sowie die empirische Erkundung von Werten und Standards, um zu sehen, welche Ergebnisse diese in der Regel hervorbringen.

Die philosophische Ausrichtung der REVT

Wie wir oben beschrieben haben, entstammt ein Großteil der Theorie der REVT der Philosophie anstatt der Psychologie. Und wie wir weiterhin beschrieben haben, ist die REVT kognitiver, emotionaler und behavioraler, jedoch nicht strikt „intellektueller“ Natur. Jedoch ist sie in mancherlei Hinsicht darauf ausgerichtet, dass die Klienten tief greifende philosophische Veränderungen vornehmen, anstatt lediglich ihre spezifischen irrationalen Überzeugungen und negativen automatischen Gedanken im Disput infrage zu stellen und vernünftigere hervorzubringen. Ebenso wenig strebt die REVT das an, was man als „positives Denken“ bezeichnet, oder das Ersetzen negativer Gedanken durch – manchmal unverbesserlich – optimistische.

Donald beispielsweise hatte die irrationale Überzeugung, ein schlechter Mensch zu sein, da er seinen Bruder David um einen Teil des Geldes betrogen hatte, das ihre Mutter ihnen testamentarisch vererbt hatte. Donald war der Vollstrecker des Testaments und zweigte unberechtigterweise mehrere Tausend Dollar für Ausgaben bei der Abwicklung des Nachlasses für sich ab, was David naiverweise akzeptierte. So betrachtete Donald sich selbst ein Jahr später als einen „dreckigen Dieb“ und schämte sich, David zu sagen, was er getan hatte. Er ging gnadenlos mit sich ins Gericht und wurde depressiv.

Donald nahm mehrere Sitzungen bei einem Hypnotherapeuten, der Donald mittels positiven Denkens dazu brachte, zu sehen, dass er viele gute Dinge getan und David auch die meiste Zeit seines Lebens sehr oft geholfen hatte, jedoch nur einige wenige schlechte Dinge, wie etwa David zu betrügen. Das Mantra seines positiven Denkens, dass er sich selbst immer wieder eindrücklich aufsagen sollte, lautete: „Ich tue mehr gute als schlechte Taten, daher bin ich im Grunde ein guter Mensch.“

Dieses positive Denken funktionierte eine Weile, aber bald fühlte Donald sich wieder schuldig und depressiv und wurde in Bezug auf die Wirksamkeit seines positiven Denkens sehr desillusioniert. Als er AE für eine REVT aufsuchte, hegte er immer noch die verdeckte irrationale Überzeugung: „Ich darf absolut keine eindeutig bösen Taten tun. Die guten Dinge, die ich tue, wiegen die absolut unzulässigen schlechten kaum auf. Eine wirklich böse Tat, wie mein Betrug an David, macht mich zu einer verkommenen Person! Ich verdiene es daher, zu leiden und depressiv zu sein. Nur genug Leid wird mich zu einem guten Menschen machen. Ich bin wirklich von Grund auf verkommen!“

Donalds positives Denken hatte seinen Anspruch, niemals böse Dinge zu tun, nur weggeschoben und sein negatives, selbstabwertendes Denken für eine Weile verdeckt – es aber nicht entfernt. Mit der REVT half AE ihm dabei, seine irrationalen Überzeugungen aktiv im Disput zu prüfen und sie wirklich abzulegen. In der Folge von diesem Vorgehen, einigen REVT-„Schamüberwindungsübungen“ (eine Erklärung findet sich hier) und der Überwindung zum Beichten der eigenen Tat gegenüber David, begann Donald, einige zentrale Philosophien zu sehen und an ihrer Verinnerlichung zu arbeiten: 1) „Es gibt keinen Grund, weshalb ich absolut keine wirklich bösen Taten tun darf, auch wenn es eindeutig vorzuziehen ist, diese zu unterlassen“; 2) „Ich werde immer ein fehlbarer Mensch sein und mich daher manchmal ungeschickt verhalten. Schade, aber ich werde mein Bestes tun, um weniger fehlbar statt unfehlbar zu sein“; 3) „Eine böse Tat zu tun kann mich nicht zu einem insgesamt schlechten Menschen machen, nur zu einem Menschen, der manchmal böse Dinge tut und besser daran arbeiten sollte, dies zu korrigieren.“

Durch engagierten Disput und Handlungen entgegen seinen irrationalen Überzeugungen, die ihn zu einigen neuen zentralen rationalen Überzeugungen brachten (die in der REVT als effektive neue Philosophien bezeichnet werden), konnte Donald sein gestörtes Denken-Fühlen-Verhalten wirklich untergraben, anstatt es nur zu verdecken. So wurde es ihm möglich, sich aus seiner Niedergeschlagenheit und Depression zu befreien. Es ging ihm tatsächlich besser, während er sich zuvor beim positiven Denken nur besser gefühlt hatte (diesen Umstand werden wir im nachfolgenden Abschnitt noch genauer ausführen). Wir streben in der REVT danach, Menschen bei einer tief greifenden philosophischen Veränderung zu unterstützen – also ihre Sichtweise grundlegend zu verändern und diese veränderte Sichtweise beizubehalten. Dies zu tun geht über eine Veränderung negativer automatischer Gedanken hinaus, es ist vielmehr eine Veränderung zentraler irrationaler Überzeugungen. Es ist eine tiefere Form des Denkens, mit der wir uns später noch befassen werden.

Multikulturelle Aspekte der REVT

Die REVT ist im Vergleich zu anderen Therapieformen ungewöhnlich offen für Klienten aus anderen Kulturen und Angehörigen von Minderheiten aus derselben Kultur. Der Grund hierfür ist, dass ihre zentrale Theorie absolutistisches, rigides Denken ablehnt und stattdessen Individuen und Gruppen dazu ermutigt, eine Vielzahl eigener Präferenzen, Wünsche und Standards zu pflegen – solange sie nicht dogmatisch und diktatorisch darauf bestehen, dass sie selbst und andere sich absolut danach zu richten hätten. Wenn Klienten Neigungen haben, die signifikant von den Standards ihrer Familie, ihrer Kultur, ihrer Religion oder ihrer politischen Gruppierung abweichen, aber keine Gesetze brechen oder andere Menschen mit diesen Standards schädigen, so unternimmt die REVT in der Regel nichts, um sie vom Ausleben dieser Neigungen abzuhalten. Jedoch weist die REVT deutlich darauf hin, dass sie, wenn sie sich selbst oder anderen ihre Ziele und Werte diktatorisch aufzwingen wollen, oft Probleme auf der persönlichen und sozialen Ebene bekommen. Daher ist es in der Regel das Beste, persönliche und kulturelle Regeln einzuhalten, aber jede davon als starke Präferenz anstatt übergeordnetes „Müssen“ oder Befehl anzusehen.

Die therapeutische Nutzung der Theorien und Praktiken der REVT unterstützt Klienten somit dabei, eigene Ziele und Werte zu erreichen, ohne extreme Haltungen des „Müssens“ einzunehmen. Extremismus und Rigidität aufseiten der Klienten durchkreuzen oft ihre persönlichen und sozialen Absichten. Flexible, aber dennoch eindeutige Standards tun dies hingegen normalerweise nicht. Somit erlaubt die REVT es den Therapeuten, ein breites Spektrum an unterschiedlichen persönlichen, kulturellen und religiösen Hintergründen ihrer Klienten wertfrei zu akzeptieren, anstatt über diese zu urteilen.

Wie definiert die REVT die Begriffe „rational“ und „irrational“?

Für manche Menschen hat das Wort „rational“ einen negativen Beiklang. Andere Menschen wiederum, verbinden damit weitere Dinge, die nicht besonders „rational“ (im Sinne von vernünftig) sind.