Rauhe Sonnseite - Franz Josef Kofler - E-Book

Rauhe Sonnseite E-Book

Franz Josef Kofler

4,8

Beschreibung

BERÜHRENDE KINDHEITSERINNERUNGEN VOM LEBEN AUF EINEM OSTTIROLER BERGBAUERNHOF. Hart war es, aber trotz allem schön - das Leben hoch oben auf der Sonnseite des Osttiroler Pustertales. In seinen Kindheitserinnerungen erzählt der österreichische Romanautor Franz Josef Kofler VON FREUD UND LEID DES BÄUERLICHEN LEBENS UM DIE JAHRHUNDERTWENDE. Locker, amüsant und detailgetreu berichtet er davon, wie es anno dazumal in Haus und Hof zuging, womit die Kinder spielten, was gegessen und angezogen wurde, wovor man sich fürchtete und worüber man sich freute. Seine Geschichten über die Welt im Kleinen, über Dienstboten und fremde Leute, Heumahd und Dreschen, Osterzeit und Prozessionen erzeugen eine EINZIGARTIG AUTHENTISCHE ATMOSPHÄRE, DIE JEDEN IN IHREN BANN ZIEHT. Mit einem Vorwort von Johannes Trojer.

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Seitenzahl: 340

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HAYMON

© 2011

HAYMON verlag

Innsbruck-Wien

www.haymonverlag.at

Dieses Ebook basiert auf der ungekürzten Taschenbuchausgabe, Haymon Taschenbuch, 2011

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-7475-9

Umschlaggestaltung: hoeretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Cover- und Autorenfoto: Haymon Verlag

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

Franz Josef Kofler

Rauhe Sonnseite

Eine Kindheitam Bergbauernhof

Franz Josef Kofler

Rauhe Sonnseite

Inhalt

Vorwort von Johannes Trojer

WIR KINDER

MUTTER & VATER

DIE BAS NANNE

DIENSTBOTEN

FREMDE LEUTE

WELT IM KLEINEN

BÄUME UM DAS HAUS

NACHBARSCHAFT

JAHRESZEIT DER BAUERN

Anbauen

Heumachen

Kornschneiden

Dreschen

Erdeführen

Laubrechen

Krauthacken

Brecheln

Mahlen

Fuhreziehen

ARBEITEN FÜR KINDER

SO WAR ES »BRAUCH«

Neujahrsgeld

Um Lichtmeß

Fastenzeit

Der Palmbesen

Die Kartage

Ostereier

Engeleintanzen

Die Pfingsttaube

Prozession

Wetterrosenkränze

Allerseelen

Ins Rorate

Die Nikolausbescherung

Weihnachtsfeiertage

Die Kleine Räucherung

KIRCHTAGE

WALLFAHRTEN

SCHULE GEHEN

SPIELZEUG UND SPIELE

VOGELNARREN

IM HÖHENLICHT

Lebensabriß des Autors

Ein Vorwort

Franz Josef Kofler ist 1961 siebenundsechzigjährig gestorben. Das Herz, auf dessen Schwäche er sich die längste Zeit viel zugute gehalten hat, hatte sich als das gesündeste erwiesen. Leidend, weit vor den tatsächlichen Todesschmerzen, hat er sich empfunden. Aus solchem Beweggrunde mag er sich gern aus seiner soliden Wohnung im Stöcklgebäude des »Turfer«-Hauses zu Schwaz zeit- und ortsversetzt haben nach seiner Kindheit in Heinfels. Mit der erinnerten Rückkehr zu seiner Herkunft konnte er sich als kerngesunden Knaben wiedersehen; es geschah, daß sie sich über die Jahrzehnte hinweg zuwinken konnten, die beiden Kofler.

Daß er sich aber wenig in wehmütigen Kinderseligkeiten erging, zeichnet die vorliegenden Erinnerungsstücke schon einmal aus. Er verfaßte sie auch nicht mit jener billigen Ironie, mit der sich das Alter der Jugend gegenüber, zumal der eigenen, gerne behilft. So vermißt man wohltuend die übliche Sentimentalität. Er ist darin nicht einmal mit sich selbst sonderlich zimperlich umgegangen, wenngleich die ausgesprochene Ehrlichkeit durchaus eine besonders raffinierte Abart der Koketterie sein kann. Es ist aber wenig belangvoll, wieviel an Selbstportrait des Verfassers dem Verfasser gelungen ist, noch weniger belangvoll, wieviel eitle Bespiegelung hier vorliegt, sondern ob alles in allem eine Authentizität der damaligen Gegebenheiten und Verhältnisse ausmacht, die örtlich und zeitlich, wenn auch beschränkt, übertragbar ist und über die »Fallstudie« hinaus Geltung beanspruchen kann, weil sie auch von den (regionalen) Zeitgenossen und deren Nachfahren so und ähnlich erfahren wurde.

Kofler hat in der Zwischenkriegs- und Hitlerzeit mehrere volkstümliche Romane und Erzählungen geschrieben. Einige sind gedruckt worden, der größere Teil ist unveröffentlicht geblieben. Sie liegen ganz auf der Welle heimatverklärender, bodenbetonter alpenländischer Unterhaltungsliteratur und müssen als fragwürdige Zeugnisse einer fragwürdigen Auffassung von Heimat, Lebensmuster und Vorbildern erachtet werden. Dies zu sagen ist legitim. Dagegen sind ihm dichterisches Darstellungsvermögen und schriftstellerische Gestaltungskraft keineswegs abzusprechen.

Nach 1945 wandte er sich deutlich den kleinen literarischen Formen zu, dem Gedicht, der Kurzgeschichte. Es wird nicht bloß am kürzeren Atem des Gealterten gelegen haben, wenn er sich nun nicht mehr in dreihundert Seiten langen Romanmanuskripten ausließ, sondern die kurze Form pflegte. Er muß erkannt, zumindest geahnt haben, daß er sich mit seinen bisherigen Arbeiten als Schriftsteller, vielleicht sogar etwas opportunistisch, in bedenklicher Nachbarschaft zu den »Blut-und-Boden«-Schreibern befunden hatte, da er gewissermaßen mit der politischen Naivität seines professoralen und geistlichen Berufsstandes einfach konform gegangen war. Angesichts der Folgen des Dritten Reiches dürfte er sich zurückgezogen haben auf sich selbst und in einer Art von Selbstreinigung sich selber nahe gekommen sein; nun war ihm »Ich, meiner, mir, mich« zu sagen nicht mehr zuwider. Äußerlich war er auf den Posten zurückgekehrt, von dem er 1938 vertrieben worden war. Innerlich suchte er die Vergangenheit als sicheren Ort der Zuflucht auf. Einerseits griff er jetzt nach Stoffen aus der klassischen Antike, wie sie ihm am humanistischen Gymnasium vermittelt worden waren, andererseits versuchte er die Stätten seiner bäuerlichen Kindheit zu orten.

Seine Kindheitserinnerungen hat Franz J. Kofler in den fünfziger Jahren geschrieben; er hat davon 126 Titel hinterlassen. Es handelt sich um erzählende Berichte und erzählte Episoden, eingebettet in das bäuerliche Kalendarium von Werktagen und Feiertagen, wesentlich bestimmt von der »Kirchen- und Sonnenuhr«. Die als unterhaltliche Schilderungen angelegten Feuilletons sind vereinzelt ab 1960 in der nord-, süd- und osttirolischen Wochen- bzw. Tagespresse erschienen. Die meisten hat der Osttiroler Bote 1979/1980 in einem Jahreszyklus veröffentlicht.

Da Franz J. Kofler auf eine koordinierte Aufeinanderfolge nicht Bedacht genommen hat, eine Planmäßigkeit seinerseits überhaupt nicht ersichtlich ist, mußte für diese Buchausgabe das einschlägige Material erst einmal geordnet und strukturiert werden. Der Zusammenhang dabei lag im Stoff. Die zahlreichen Wiederholungen, oft ganze Absätze mußten gestrichen werden. Die Zahl der Titel wurde im Interesse einer Verdichtung der verzettelten Teile auf 42 vermindert, wobei ungefähr zur Hälfte die Originalüberschriften verwendet wurden. Durch Kontamination und Streichungen ist etwa ein Viertel des textlichen Quantums weggefallen. Gewisse Überschneidungen und Repetitionen wurden absichtlich belassen, um die grundsätzlichen Befindlichkeiten im Dargestellten fester zu machen und Leitmotivisches im vermuteten Sinne des Autors besser gegenwärtig zu halten.

Meine redaktionelle Sorgfalt war darauf bedacht, bei allen erforderlichen Eingriffen die vorhandenen Texteinheiten nicht zu zerreißen, die manifeste Atmosphäre nicht zu stören, Koflers Stilhaltung und Gefühlsgesten nicht zu fälschen: die expressive Ausdrucksweise, die gestuften Steigerungen, die (wenigen) Vergleiche und Metaphern usw. Lediglich sein durch die starken Zeitwortformen manchmal stark hackender Duktus wurde gelegentlich etwas gemildert. Was in der Diktion vielleicht ein wenig monumental aufgedonnert erscheint, wollte ich nicht beschönigen. Was vom ›Reden der Berge und vom Schweigen der Wälder‹ zu hören war, ist erträglich; mehr: Gerade in der gleichsam banalen Landschafts- und Naturschilderung erweist er sich als annehmbar, ja angenehm. Auch die Darstellung bäuerlichen Heroismuses und kirchlicher Selbstgefälligkeit hält sich in Grenzen. Pathos wie Verniedlichung, was davon da ist, gespielte Einfalt und ›echte‹ Einfalt sind wiedergegeben. Widersprüche wurden nicht aufgehoben, sondern stehen gelassen. Gerade die Ambivalenzen sind wichtig neben dem Eindeutigen. Die Sprache ist Ausdruck und Mitteilung zugleich.

Franz J. Koflers Schreibstil scheint der Kleinen Welt, die er beschreibt, sehr angemessen zu sein. Seine Sprache hat wie die Inhalte, denen sie gilt, ihre unsensationellen Schönheiten. Ihre Gegenständlichkeit vermittelt eine anschauliche Realistik des Dargestellten. Trotzdem ist das Ganze keine volkskundliche Dokumentation. Eine solche war vom Verfasser auch nie beabsichtigt. Selbst die mundartliche Sprechweise ist schriftsprachlich gefaßt. Teilweise hat er sogar mit akademischem Vokabular operiert und dadurch den stilistischen Ton reizvoll erhöht. Es wirkt fast befremdlich, daß er nicht einmal in der direkten Rede Dialekt verwendet hat (obwohl er seinerzeit über den Dialekt seiner Gegend dissertiert hatte). Man könnte beinahe ein gestörtes, zumindest distanziertes Verhältnis zu den Mundarten vermuten.

Als humanistisch ausgebildeter Akademiker, Gymnasialprofessor und Geistlicher dazu, war er dem Milieu, dem er entstammte, den Interessen und Problemen, die dort aktuell waren, natürlich irgendwie entfremdet. Ländlicher Brauch und bäuerliches Volkstum waren für ihn schon zu einem Objekt des Interesses und der Beobachtung geworden, im weiteren zu einem handlichen Stoff, aus genauer persönlicher Kenntnis, für den Schriftsteller. Umso anerkennenswerter ist, daß er vom Schreibtisch des Oberstudienrates aus einen Standpunkt gefunden und gewählt hat, der es ihm ermöglichte, ohne die korrupte Erkenntnis der Defekte, aber mit nachsichtiger Noblesse, in einem untadeligen Einverständnis mit der Herkunft, nicht bloß reine Idyllen im Plusquamperfekt, in der Vorvergangenheit zu verfassen, sondern ein sehr authentisches, wenn auch nicht umfassendes Kultur- und Sittenbild einer ländlichen Daseinsweise, wie sie von beiden Weltkriegen unbeirrt (unbeschadet nicht) lebendig gewesen ist. Sie hat »vor Ort« erst mit dem Einbruch der konsumorientierten Produktionswirtschaft, dem Aufkommen neuer Erwerbszweige, dem Abbau des Ackerbaues, mit der Motorisierung, der Mobilität, der Technisierung der Landarbeit und der Kommunikation, in einer Gegend wie Osttirol also erst nach 1945 angefangen unterzugehen.

Alltag auf dem Bauernhof in der »Ochswiese« am Heinfelser Berg, Panzendorf liegt auf der Ebene, Sillian ist nicht weit; um 1900: Es gibt von Haus aus die malerischen Ausblicke in die Landschaft des obersten Drautales. Die Menschen leben, arbeiten und rasten in und mit dem vegetativen Rhythmus der Natur. Die Köpfe sind mit dem Schwergewicht der Überlieferungen beladen. Es gibt viele ungedruckte Gesetze, die unangezweifelt eingehalten werden, eiserne Gepflogenheiten. Die Unterordnung der Jüngeren unter die Älteren, des Angenehmen unter das Notwendige versteht sich von selbst. Daß man prüde war, gehört soviel wie zur Zeit. Es kommt nicht alles vor und nicht alles, was vorkommt, wird zur Sprache gebracht. Es gibt viel Uneingestandenes im Denken und Sagen. Das Unglück hat keinen großen Namen. Die Gemütsruhe ist im verkündeten Glauben gebettet. Materielle Zwänge und religiöse Pflichten halten die Existenz ebenmäßig im Gleichgewicht. Die bäuerliche Sinnesfreude (wenn es eine solche gibt) ist gezähmt. Man läßt alles oder fast alles über sich ergehen. Das ganze Dasein ist eindeutig zentriert. Was in der Umwelt und in der Welt vorgeht, scheint überschaubar zu sein, als machte ihre Stabilität sie einsichtig fürs Verstehen.

Und wie geschieht dem Kinde? – Das Eine macht den überwältigenden Unterschied zur stadtbürgerlichen Umgebung: aus dem Hause hinaus und es ist in der »Weite«, im Freien, wie es sehr richtig auch heißt, es spürt die Beschaffenheit des Bodens mit seinen bloßen Füßen, Kälte und Spitzes, Weiches und Wärme. Bewegung ist alles. Körperkraft und Lautstärke geben den Ton an. Wasser, Schnee und Eis sind da. Die Unmittelbarkeit von Tageslicht und Wetter trifft immer auf die Haut. Es ist ein altes, im Winter kaltes Haus, in dem die Familie wohnt. Kinder sind die Hauptsache, aber die Hauptrolle spielen sie nicht. Mit den Tieren besteht eine selbstverständliche Lebensgemeinschaft. Alles ist altväterisch, der Speisenplan, die Kleidung, das Gerät, und unverrückbar. Wachstum wie Gewachsenes und dessen Absterben werden elementar erfahren, weil es ganz gewöhnlich ist. Die Kinder werden naturwüchsig erzogen, sozusagen. Die Gebote und Verbote erfolgen auf Befehl. Auf Gehorsam ohne lange Widerrede wird gepocht.

Nicht zufällig agiert der Verfasser häufig mit dem mehrheitlichen »Wir«. Für Kinder ist das Kollektiv sehr wichtig, um einige ihrer Bedürfnisse durchzusetzen. Im Rudel sind sie stärker gegenüber den Autoritäten. Kofler ergeht sich manchmal ziemlich genüßlich im rüden Ton kindlicher Ungezogenheiten. Es gibt Übertreibungen und Untertreibungen, wie Kinder unter- und übertreiben, unverhohlene Abschätzigkeit, ausgesprochene Maßlosigkeiten, die gewisse Aufsässigkeit durch Wiederholung in bezug auf die Streitlust und Prahlsucht der Kinder, auf die Spargesinnung der Erwachsenen, auf die Gewandung und das Essen.

Der Vater war ein großer Mann mit rotem Gesicht, langem Schnauzer, breitem Hut und einer weißen Schürze. Er steht als die oberste Instanz des Hauswesens da und exekutiert die äußersten Erziehungsmaßnahmen. Aus der Schilderung geht er eher als ein bißchen Geldmensch, denn Geltungsmensch hervor. Die Mutter erscheint auffallend farblos gezeichnet, wortkarg, verharmt. Die »Bas Nanne« ist die emotionale Zuflucht der Kinder. Es gibt viel nebensätzlich Angespieltes. Sicherlich hat Kofler dramaturgisch mit so etwas wie Versatzstücken gearbeitet und ganz offensichtlich stehende Szenen verwendet. Er hat fabuliert und stilisiert, hat beispielsweise den einsilbigen Erwachsenen die sprachesprudelnden Kinder gegenübergesetzt. In attraktiven Ausmalungen und lustigen Schnurren hielt er wohltuendes Maß. In Rücksicht auf sein auf Harmonisierung gerichtetes Weltbild wird er auch Retuschen angebracht haben. Mit den Reflexionen vom schreibenden Standpunkt aus, mit zurückdatierten Erkenntnissen ist er sehr zurückhaltend umgegangen, allzu sehr, wie mir dünkt.

Was liegt schließlich vor in diesem Buch: Etwa harm- und arglose Erinnerungen an eine bergbäuerliche Kindheit in Lodenkleidung, in einer kinderreichen, geldarmen Familie, einer einklassigen Notschule, einem Dorfe an der k.u.k. pustertalischen Reichsstraße? Gibt es so etwas wie eine ›fröhliche Armut‹ trotz einer objektiv herben Kinderzeit, wenn sie subjektiv als nicht hart empfunden wurde und vom Erinnerungsträger selbst nach Verlauf eines halben Jahrhunderts und mehr noch ebenso empfunden wird? Ist es eine Verklärung der eigenen Person und der Vergangenheit allgemein, mit Täuschung und Selbsttäuschung? War die ökologisch gesunde Welt der Jahrhundertwende auch eine psychologisch und sozial ›heile‹ Einrichtung, waren Gerechtigkeit, Menschenwürde, Wert und Werte des Lebens damals höher im Kurs? Was ist die mentale Haltung des Autors?

Franz J. Kofler legt ziemlich authentische Sachverhalte vor. Das Kolorit hat er bestimmt richtig getroffen. Auf einige Fragen gibt er, direkt oder indirekt, Antwort, auch negative. Er macht dabei wenig belehrende Nutzanwendung, vor allem bläst er nicht ins Folgetonhorn der Moral. Mit umsichtiger Genauigkeit stellt er uns die Außenwelt seiner Kindheit vor Augen, Kinderspiel und Bauernarbeiten, Kirchen- und Schulegehen, Haus und Hof, eine beseelte Natur; das ist nicht wenig.

Es liegt an uns, wie wir uns dieser erinnerten Vergangenheit aus zweiter Hand bedienen, ob wir auch sie wie oft die eigene als bequemen Ort unserer Fluchtversuche aus der Gegenwart benützen oder dazu, um der Ursachen unserer Ausflüchte besser inne zu werden. Unserer Gegenwart ist die eigene Vergangenheit nicht mehr hinreichend gegenwärtig. Geschichte ist Politik geworden, und die Politik spielt sich als Geschichte auf. Wir sind eine geschichtslose Generation von Söhnen und Enkeln, die mit den Leitbildern der Väter und Großväter nicht mehr viel anfangen kann, weil jene mit jenen in Katastrophen gelandet sind. Aber wir haben noch nicht die Kraft, neue Werthaltungen durchzusetzen gegen die Patriarchen. Wir sind Hinterbliebene, denen nach zwei großen Konkursen nichts geblieben ist als ein Erbe, das ihnen zur Last fällt.

Außervillgraten, im April 1985

Johannes Trojer

Wir Kinder

Im ganzen waren wir unser sieben Brüder. Einer starb früh an einer Kinderkrankheit, in einem kleinen Sarg trug ihn ein Mann vom Hof nach Sillian, ein kurzer Leichenzug ging dahinter her. Also blieben noch sechs Stück Buben, die wild durch Haus und Feld rammelten. Oft schrien wir so durchdringend und laut, namentlich wenn wir stritten, daß man uns auf der anderen Talseite, in Rabland und Gschwend, hörte, und nicht nur hörte, auch verstand, obwohl das Pustertal bei Sillian nicht sehr schmal ist, eine weite, grüne Ebene, durch die Straße und Draufluß ziehen, die eine am Fuße der Sonnseite, der andere gegenüber nahe der Schattseite.

Wir waren alle rasch hintereinander gekommen, zuletzt noch ein süßes, sehr hübsches Schwesterchen, das gar nicht zu uns paßte und mit dem wir nichts Rechtes anzufangen wußten, und das wohl deshalb von den Engeln schon mit sieben Jahren wieder abgeholt wurde. Eine schwere Lungenentzündung hatte es weggerafft, sehr zu unserem Leidwesen und noch mehr zum Leidwesen der Mutter, die gerade eine Stütze an ihm gefunden hätte, denn mit uns war in der Küche nichts zu machen.

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