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Viele Frauen fühlen sich in der aktuellen Arbeitswelt wie im Hamsterrad. Sie sind einem hohen Erwartungs- und Leistungsdruck ausgesetzt, sollen ihre Gefühle am besten unterdrücken und funktionieren wie Männer. Hier setzt dieses Buch an: In kurzen Impulsen teilt die Autorin ihr Wissen, Bewusstsein und hilfreiche Methoden rund ums FÜHREN, FÜHLEN und FRAUSEIN in einer männlich geprägten Arbeitswelt. Damit möchte sie noch mehr Frauen dabei unterstützen, sich ein gutes, selbstbestimmtes und gesundes Arbeitsleben zu gestalten. Denn sie ist überzeugt: Unsere Wirtschaft und Gesellschaft braucht dringend mehr engagierte Frauen, die eine bessere Welt für uns alle mitgestalten. Und dabei sollen sie sich nicht getrieben und ausgelaugt wie im Hamsterrad, sondern selbstbestimmt und lebendig wie auf dem Surfbrett fühlen.
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Seitenzahl: 178
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Für all die wunderbaren Frauen, die unser aktuelles Arbeitssystem regelmäßig an ihre Grenzen bringt. Und für meine Mama. Möge dieses Buch euch hilfreiches Wissen, heilendes Mitgefühl und ein bisschen Freiheit bringen.
Einleitung
Meine Geschichte des Ausstiegs aus dem Hamsterrad
Teil 1: Führen als Frau in der Arbeitswelt
1 Du bist die Veränderung, nach der du dich sehnst
2 Du bist nicht deine Gedanken
3 Glaub an dich, deine Vorstellungen und deine Träume
4 Du bist großartig, fähig und wertvoll
5 Hör auf, die nette und fleißige Frau zu sein!
6 Die Kompetenz-Lüge
7 Nein sagen
8 Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen
9 Kümmere dich mehr um dich selbst als um andere
10 Deine Themen haben Priorität
11 Bewusst Verantwortung zurückgeben
12 Konflikte eingehen und aushalten
13 Du musst nicht jedes Feedback annehmen
14 Mansplaining erkennen
15 Du brauchst nicht Everybody’s Darling zu sein!
16 Mythos-Memory: Finde deine eigenen Maßstäbe
17 Pleasure Instead of Pressure
18 Der inneren Kritikerin auf die Schliche kommen
19 Effizienz ist eine Illusion
20 Erlaube dir, langsam zu sein
21 Das Ende der To-do-Listen
22 Raus aus dem Überlebensmodus
23 Weniger arbeiten statt mehr
24 Die Bedeutung von unverplanter Zeit
25 Erlebe Lebendigkeit und Leichtigkeit
26 Die Kraft der Introversion
27 Du musst nicht alles alleine schaffen
28 Es ist okay, Unterstützung anzunehmen
29 Du musst nicht empowered werden
30 Vergiss die Frauenförderung
31 Sisterhood is powerful – it can kill you
32 Das Krabbenkorb-Phänomen
33 Choose Your Battles
Teil 2: Fühlen als Frau in der Arbeitswelt
34 Gefühle über Gedanken
35 Alle deine Gefühle sind wichtig!
36 Entdecke die Vielfalt deiner Gefühle
37 Die Kraft des Selbstmitgefühls
38 Schaffe dir Stille im Arbeitsalltag
39 Fühlen findet im Körper statt
40 Die Kraft der Meditation
41 Kurzmeditation für zwischendurch: Check-in mit dir selbst
42 Verbringe Zeit in der Natur
43 Drei Schritte für einen guten Umgang mit unangenehmen Gefühlen
44 Du darfst wütend sein!
45 Entdecke die Bedürfnisse hinter deinen Gefühlen
46 Kommunikation von Gefühlen und Bedürfnissen
47 Zwischen Sicherheit und Anpassung und Freiheit und Selbstbestimmung
48 Der Einfluss von Trauma auf dein Arbeitsleben
49 Warum Traumawissen so wichtig ist
50 Heilung von Trauma: Innere-Kind-Arbeit
51 Der Einfluss transgenerationaler Traumata
52 Face Your Fears: Umgang mit Ängsten
53 Follow Your Dreams
Teil 3: Frau sein in der Arbeitswelt
54 Bye-bye Powerfrau!
55 Superstark und superweich – das Yin und Yang
56 Lerne zu empfangen
57 Du musst nicht weiterkämpfen – an der gläsernen Decke
58 Sexuelle Belästigung
59 Der weibliche Körper in einem männlichen Arbeitssystem
60 Entdecke deine Zyklus-Superkräfte für dein Arbeitsleben
61 Beende Stress- und Leistungssport
62 Spiel und Spaß statt Stresssport
63 Du bist schön genug
64 Sei weich mit deinem Körper
65 Dein Körper ist immer für dich
66 Du bist deine beste Ärztin
67 Die erschreckende Lage der Frauen in der Medizin
68 Die schädlichen Auswirkungen hormoneller Verhütungsmethoden
69 Schlafen für deine Gesundheit
70 Deine Lebensmittel und intuitives Essen
71 Das Männerbild in Arbeitswelt und Gesellschaft
72 Gute Beziehungen
73 Eine Portion Hoffnung zum Schluss: ein Blick auf die Menschheitsgeschichte
Anhang
Danksagung
Über die Autorin
Als ich meine Karriere begann, dachte ich noch, es ginge um Kompetenz. Ich müsste nur gut genug sein und mich genug anstrengen, dann würde ich schon Karriere machen. »Benachteiligung als Frau? Trifft mich sicher nicht!«, war ich überzeugt.
Zwar habe ich schnell und erfolgreich Karriere gemacht, aber je höher ich kam, desto weniger Frauen gab es. Und ich konnte hautnah erleben, dass die Strukturen und Menschen noch weit von Gleichberechtigung und kompetenzbasierter Beförderung entfernt sind.
Ich konnte erleben, wie dieses männliche Arbeitssystem dazu führt, dass Frauen sich oft getrieben und ausgelaugt wie im Hamsterrad fühlen, häufig an sich zweifeln, ihre Gefühle unterdrücken und versuchen, sich und ihren Körper in dieses männliche Arbeitssystem zu pressen – auf Kosten der eigenen Selbstbestimmtheit, Motivation und Gesundheit.
Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben: Damit du die Macht- und Karrieremechanismen des aktuellen Arbeitssystems und deren Auswirkungen auf Frauen verstehst. Damit du diesen Strukturen und Verhaltensweisen nicht mehr unbewusst ausgeliefert bist, sondern sie durchschauen und strategisch damit umgehen kannst. Damit du dich selbst bewusst, achtsam und gesund führen kannst.
Denn wir brauchen dringend mehr Frauen (in Führung), die eine bessere (Arbeits-)Welt für uns alle mitgestalten. Wir brauchen dringend mehr Change-Makerinnen, die neue Wege des Arbeitens und Führens gehen und damit die Veränderung der aktuell ungerechten und ungesunden Arbeitswelt vorantreiben. Und dabei sollst du dich nicht getrieben und ausgelaugt wie im Hamsterrad fühlen, sondern selbstbestimmt und lebendig wie auf dem Surfbrett.
Das ist mein Herzensanliegen für alle Change-Makerinnen und deshalb habe ich meine bahnbrechendsten Erfahrungen und Erkenntnisse, die ich zu Frauen in der Arbeitswelt und zu neuem Arbeiten erworben habe, in diesem Buch für dich aufgeschrieben.
Dazu habe ich das Buch in drei Teile gegliedert – entsprechend der drei wesentlichen Durchbrüche, die ich auf meinem Weg erlebt habe:
Im ersten Teil erwirbst du wichtiges Wissen über die Herausforderungen als Frau in der männlichen Arbeitswelt. Du lernst, ungesunde Mechanismen des aktuellen Arbeitssystems zu erkennen und souveräner mit stereotypen Erwartungen umzugehen. So stärkt dieses Kapitel dein kognitives Bewusstsein und deine Handlungsfähigkeit im Arbeitsalltag.
Im zweiten Teil lernst du die Vielfalt und Wichtigkeit deiner Gefühle kennen und wie du mit intensiven Gefühlen konstruktiv umgehen kannst. Du erfährst, wie Trauma deinen Arbeitsalltag beeinflusst und wie du es heilen kannst. So stärkt dieses Kapitel deine emotionale Intelligenz und deine innere Ruhe.
Im dritten Teil erlangst du heilsames Wissen für einen weicheren und gesünderen Umgang mit dir und deinem Körper. Du erfährst, wie wichtig es ist, deine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen und wie dir Zykluswissen dabei hilft. So unterstützt dich dieses Kapitel dabei, dich wieder mit deiner Weiblichkeit und deiner Weisheit zu verbinden.
Auch wenn die Teile auf den ersten Blick vielleicht als ungewöhnlich für eine Business-Ratgeberin erscheinen – erst die Kombination dieses mentalen, emotionalen und körperlichen Wissens hat mir zufriedenstellend bei der Gestaltung eines besseren Arbeitslebens geholfen.
Denn ich beobachte immer wieder, dass in den Elfenbeintürmen unserer aktuellen Wissenschaft zwar unfassbar viel und detailliertes Spezialwissen vorhanden ist. Leider gelingt es jedoch häufig nicht, dieses Wissen sinnvoll zu verbinden und in wirklich hilfreiche Lösungsansätze für den Arbeitsalltag der Menschen zu übersetzen.
Genau deshalb habe ich mein vielfältiges Wissen, das ich in den vergangenen Jahren von exzellenten Expert*innen aus Wirtschaft, Psychologie, Philosophie, Spiritualität, Sport und Gesundheit erlangt und mit meinen Erfahrungen kombiniert habe, zusammengetragen und in diesem Buch für dich zugänglich gemacht – kompakt im Überblick und nah am Arbeitsalltag.
Für deine Arbeit mit diesem Buch ist mir wichtig: Du darfst alles, was dich innerlich zum Schwingen bringt, für dich mitnehmen und in dir fortwirken lassen. Und du darfst alles loslassen, was in dir keine Resonanz findet. Denn: Ich habe nicht den patriarchalen, hierarchischen Anspruch, die eine und einzige Wahrheit für alle zu kennen.
Deshalb nenne ich die einzelnen Kapitel auch »Impulse«. Mit diesen Impulsen möchte ich dir neue Perspektiven aufzeigen, dich zu neuen Denk- und Sichtweisen inspirieren und dich in deinem Sein und Fühlen bestärken. Jeder Impuls endet mit spezifischen Reflexionsfragen, die dich dabei unterstützen, dein eigenes Denken und Handeln zu hinterfragen und konkrete Veränderungen in deinem eigenen Arbeitsalltag zu gestalten.
So soll dieses Buch ein nährendes Medizinbuch für deine Seele sein, das dir im Hamsterrad des Arbeitsalltags immer wieder Inspiration, Kraft und Perspektive gibt. Es soll dich beim Surfen der Wellen als Frau in einer Männerwelt unterstützen und deinen Glauben an dich selbst und deine Träume stärken. Und: Es soll ein bisschen mehr Surf-Gefühle, das heißt mehr innere Ruhe und Leichtigkeit, in dein Leben bringen.
Ich wünsche dir viel Spaß und viele befreiende Erkenntnisse beim Lesen!
Wie ich auf Teneriffa lernte zu leben, anstatt nur zu funktionieren
Ich habe es gewagt: Ich bin aus dem Hamsterrad ausgestiegen. Aus dem Hamsterrad des Funktionierens, des Abarbeitens, des Leistens. Mein Zwischenfazit: Es ist echt schwer, aber das Leben auf dem Surfbrett und das Arbeiten im Flow fühlen sich großartig an!
Starten wir mit einem Blick zurück: Als Kind einer Lehrerin habe ich bereits früh gelernt, als angepasste Frau in den Mühlen unserer Leistungsgesellschaft zu performen. Stets war ich das liebe Mädchen, das alle brav grüßt und immer mitspielen lässt und bloß nie etwas gegen einen Vorgesetzten sagt. Auf ein Einser-Abitur, Leistungssport und ein Studium mit Einser-Abschluss in Lüneburg folgte eine steile Karriere im Volkswagen Konzern. Es lief alles wie im Bilderbuch. Ich hatte mir einen Status im Unternehmen und in der Gesellschaft erarbeitet, ich hatte ein stabiles Umfeld und ein sicheres Einkommen – und ja, auch mein Vater war froh darüber, denn die Tochter sieht man ja nur allzu gerne in Sicherheit. Und wenn ich anderen von meiner Laufbahn erzähle, blicke ich in staunende Gesichter und höre bewundernde Worte. Und ja, ich war und bin stolz auf diese Karriere.
Doch du kennst es sicher auch – dieses Gefühl, in einem dieser eisernen Hamsterräder zu laufen: Es dreht sich schnell, man kommt mit den Schritten kaum hinterher, es bleibt keine Zeit zum Durchatmen, das Rad dreht sich immer weiter, ein Ziel ist nicht in Sicht. Aber wenn dieses Projekt geschafft ist, dann wird’s besser. Nur noch diese Position erreichen, dann wird alles anders.
Mit dieser Hoffnung handelte auch ich: Ich wechselte meine Jobs und suchte mir mein Umfeld immer genauer aus, wechselte auf Stellen, in denen ich noch mehr Verantwortung und Vertrauen bekam, in denen ich noch wirksamer und erfüllter tätig sein konnte. Ich eignete mir zunehmend mehr Wissen und Bewusstsein über die Herausforderungen als Frau in der Arbeitswelt an und blieb meiner Art und meinen Werten treu, so gut es ging. Und ich suchte mir meine Chefinnen und Chefs ganz bewusst aus, denn: »Ich arbeite nicht mehr für jede oder jeden.«
So erlangte ich bereits mit 30 meinen Traumjob: Ich wurde Pressesprecherin für Neue Mobilität des Volkswagen-Konzerns – und das als Frau. Ich gestaltete eine neue, integrative und nachhaltige Mobilität der Zukunft mit. Das gab mir Sinn und ganz viel Motivation.
Nach einigen Jahren in einer klassisch hierarchischen, patriarchalischen Unternehmenskultur erlebte ich endlich Chefs, die mir vertrauten, anstatt mich ständig zu kontrollieren oder alles besser zu wissen, die mich als Mensch sahen und bei denen ich Gefühle zeigen durfte (auch weinen). Chefs, die mich unterstützten und bestärkten und mir den Rücken deckten, wenn es drauf ankam, statt mich infrage zu stellen und auf Schwächen rumzureiten. Das gab mir ganz viel Sicherheit und Vertrauen.
Doch ein Teil der Wahrheit ist auch: In meinen insgesamt acht Jahren im Volkswagen Konzern mit Stationen in Wolfsburg, Peking und Prag war ich oft sehr müde, frustriert, wütend und erschöpft. Müde von den langen Tagen im Büro, von den vielen Anrufen, der nie endenden E-Mail-Flut, den ständigen Meetings, dem Bauchpinseln großer Egos. Ich war häufig frustriert, weil ich oft die einzige Frau unter vielen Männern war. Weil ich oft die Einzige war, die das Wort erhob und sich für das aus meiner Sicht Gute einsetzte. Und weil ich mich immer mehr als doppelt beweisen musste. Ich war oft wütend und hilflos, weil ich ständiger Bewertung und Abwertung ausgesetzt war, weil mir vieles so viel schwerer gemacht wurde als meinen männlichen Kollegen. Ich war oft erschöpft, weil es scheinbar nie genug war.
Nach der Arbeit dann zum Sport hetzen, es gerade noch rechtzeitig zu einer Verabredung schaffen oder einfach völlig platt auf dem Sofa einschlafen. Am Wochenende dann bitte Spaß auf Knopfdruck und Speed-Erholung im Urlaub, damit ich dann wieder mit Höchstleistungen im Hamsterrad funktionieren kann. Allein beim Gedanken an diese Zeit spüre ich, wie sich meine Nackenmuskulatur anspannt.
Und überhaupt: Dieses ganze Metall des Hamsterrads fühlte sich ziemlich hart, kalt und ungemütlich an. Mich jeden Tag in einem Umfeld zu bewegen, in dem die meisten Menschen in eine Rolle geschlüpft sind, in dem es angeblich immer um die Sache und selten um die Menschen geht und in Wirklichkeit vor allem um Egos und Macht. Sich täglich in einem solch unmenschlichen Umfeld zu bewegen, das macht auf Dauer ganz schön mürbe.
Nach einer schweren Sportverletzung begann ich mir noch häufiger Fragen zu stellen: Das soll es nun gewesen sein? Darauf habe ich mein ganzes bisheriges Leben hingearbeitet? Etwas in mir rief ganz klar nach mehr (oder Meer) – nach etwas, das tiefer liegt, das erfüllender ist, sich leichter und lebendiger anfühlt.
Und als sich dann mit einem unerwarteten CEO-Wechsel die so wohltuende Unternehmenskultur wieder komplett zurückdrehte, war mir klar: So kann und will ich nicht mehr arbeiten. Mit 31 Jahren, wenn sich viele andere Frauen für Mann, Hochzeit, Haus und Kinder entscheiden, habe ich die Entscheidung getroffen, mich noch mal ganz neu auf den Weg zu machen und aus diesem Hamsterrad auszusteigen. Rauszugehen, ohne Ziel, ohne Plan. Einfach mal meinen inneren Impulsen, Sehnsüchten und Visionen zu folgen, mich auf die Entdeckungsreise einzulassen, was da abseits des klassischen, vorgezeichneten Wegs noch so auf mich wartet – in mir, in meinem Leben, in der Welt.
Seitdem bin ich unterwegs, unterwegs zu mir selbst, zu meinem ganz eigenen Leben und Arbeiten. Doch auch wenn es heute vielleicht so erscheinen mag: Dieser Weg ist keine schnurgerade Autobahn, sondern gleicht mehr einem verschlungenen und abenteuerlichen Pfad. Wer bin ich eigentlich? Was sind meine innersten Interessen, meine Talente und meine Visionen für diese Welt? Und wie will ich mein eines, einzigartiges Leben auf diesem wundervollen Planeten verbringen? Sich auf all dieses Ungewisse einzulassen, ist – wie bei jeder Abenteuerreise – spannend und beängstigend zugleich.
Ein gutes Team an erfahrenen Reiseberatenden ist unersetzlich, geradezu überlebensnotwendig. Zu oft stoße ich an die Grenzen meiner eigenen Vorstellungskraft, zu oft holen mich alte Ängste, Selbstzweifel und Erwartungen meines Umfelds ein, zu gering ist das Vertrauen in mich selbst, zu schwer fällt es mir, das Ungewisse auszuhalten. Immer wieder fürchte ich, dass mir die Puste ausgeht. Denn es gibt so viel, von dem ich mich befreien muss. Und das ist harte Arbeit.
Ich musste viele Dinge erst mal verlernen. Etwa, wie ich als Frau angeblich zu sein habe – nämlich nett, lieb, harmonisch, gut aussehend und zurückhaltend. Wie ich im Job angeblich erfolgreich werde – nämlich mit einem geradlinigen Lebenslauf ohne Lücken und indem ich mich als Frau angepasst verhalte, immer fleißig bin und stillschweigend noch mehr Aufgaben übernehme. Und wie ich im Leben angeblich glücklich werde – nämlich mit einem festen Wohnsitz, der einen Liebe fürs Leben, einer festen Routine und einem monatlich sicheren Einkommen.
Ich musste mich von meinen Ängsten und denen meiner Mitmenschen immer wieder befreien. Denn nach vielen Jahren in der Festanstellung, in einem Umfeld, in dem alle nach größtmöglicher Sicherheit, höchstmöglichen Kontoständen und höchster sozialer Anerkennung streben, war mein Ausstieg mit vielen Ängsten verbunden. Wie lange wird mein Geld reichen? Werde ich uninteressanter für meine Instagram-Follower*innen, wenn ich nicht mehr bei einem namhaften Unternehmen arbeite? Was bin ich dann noch wert?
Und ich musste mich nicht nur vom gesellschaftlichen Idealbild befreien, sondern auch von meinem idealisierten Selbstbild, davon, wie ich mir mich selbst und meine Zukunft bislang vorgestellt habe.
Ich musste bisher Gelerntes, vermeintlich Sicheres infrage stellen und für mich überprüfen und dann Vieles davon loslassen. Ich musste Platz schaffen, damit Raum entsteht, in dem ich mein wahres inneres Selbst entdecken kann.
Neben dieser vielfachen Befreiung stand ich vor einer weiteren großen Herausforderung: Ich musste Vertrauen in mich selbst entwickeln – in mein Können, meinen Wert und mein Leben. Auch das war und ist gar nicht so leicht in einer Gesellschaft, die mich stets verbessern und verändern will, in der ich scheinbar nie gut genug bin, in der ständig mein Aussehen kommentiert wird, in der ich von klein auf weniger wert bin als ein Mann. Mich als Frau in einem solchem Umfeld genau so zu akzeptieren und lieben zu lernen, wie ich bin, mit all meinen Stärken und vermeintlichen Schwächen, mit meinen starken und meinen weichen Seiten, mit meinem sportlichen und nicht modelhaften Körper, mit meinen leichten und glücklichen ebenso wie mit meinen traurigen, wütenden und verzweifelten Gefühlen – das ist eine wahre Mammutaufgabe!
Wenn ich mich von äußeren Ansprüchen frei mache, darf und muss ich dazu erst einmal wieder lernen zu fühlen – nämlich mich selbst. Wie fühlt sich dieser Schritt für mich an? Wie fühle ich mich in dieser Freundschaft? Habe ich gerade wirklich Lust auf dieses Projekt oder bekomme ich schon Bauchschmerzen, wenn ich nur daran denke? Ich musste lernen, mich selbst und alle meine Gefühle zu fühlen, meine Intuition wieder wahrzunehmen und mein Handeln dann daran auszurichten – manchmal ohne rationale Begründung, sondern einfach im Vertrauen auf mich selbst. Das musste ich in unserer kopfgesteuerten Gesellschaft erst einmal lernen und darin übe ich mich nach wie vor täglich.
Meine wichtigste Unterstützung in dieser Zeit: Ich habe begonnen, Yoga zu praktizieren, täglich zu meditieren und Salsa zu tanzen. Dabei kann ich loslassen, einfach im Hier und Jetzt sein und tief in mich selbst reinhören und reinspüren. So nehme ich immer wieder Kontakt zu meinem innersten Selbst auf, werde immer wieder zur Beobachterin meiner Gefühle und Gedanken und kann immer bewusster handeln.
Mit der zunehmenden Befreiung und dem zunehmenden Vertrauen in mich selbst entstand nach und nach immer mehr Ruhe in mir, und auf dieser Basis gelang es mir, meinen beruflichen Träumen nachzugehen. In meinen ersten Jahren bei Volkswagen habe ich hautnah erlebt, wie herausfordernd, anstrengend und hart eine Karriere als Frau in unserer männlich geprägten Arbeitswelt ist. Ich habe erfahren, was hierarchische, Ego-zentrierte Strukturen mit mir, meiner Motivation und meinem Wohlbefinden machen. In meinen letzten Jahren bei Volkswagen konnte ich erleben, was selbstbestimmtes, menschliches und sinnvolles Arbeiten auf Augenhöhe für mich bedeutet, wie es sich anfühlt und wie ich mich als Frau frei entfalten kann.
Aus diesen Erkenntnissen heraus ist nach und nach meine Vision für eine bessere Welt gewachsen: Ich wünsche mir eine menschlichere, lebenswertere Arbeitswelt mit mehr Frauen in Führung, gesunder Männlichkeit und neuen, gesünderen Formen der Arbeit. Eine Welt, die Frauen und Männer gemeinsam für- und miteinander gestalten und in der wir Menschen ein lebendiges Arbeiten und Leben genießen. Diese Vision treibt mich an. Diese Welt möchte ich mitgestalten.
Auf einer sechswöchigen Mexiko-Reise kurz nach meinem VW-Ausstieg entschied ich dann: Ich werde nicht zurück in ein Angestelltenverhältnis gehen, sondern versuchen, meine Vision, meine Herzensthemen beruflich zu verfolgen. Selbstständig. In Süddeutschland.
Aber wie genau? Ich hatte keinen Plan. Dem Mexiko-Abenteuer folgten weitere abenteuerliche Monate der Entdeckung: Wie kann ich meine Vision umsetzen? Wie soll mein Beitrag dazu aussehen? Ich las, lernte, kreierte, telefonierte, ging auf Konferenzen und sprach mit vielen anderen Menschen. Ein kompetenter Coach begleitete mich durch diese bewegte Zeit und begleitet mich bis heute auf meinem Weg. Mit ihm an meiner Seite lernte ich, an meine Vorstellungen einer besseren Welt zu glauben und daran, diese auch beruflich umsetzen zu können. Ich lernte, an mich selbst zu glauben.
Mehr als 15 Monaten seit meiner ersten Idee, ein Jahr nach meinem Ausstieg bei VW und einer gescheiterten Gemeinschaftsgründung, war es dann soweit: Ich meldete meine Selbstständigkeit als Beraterin für eine lebenswertere Arbeitswelt an. Seitdem unterstütze ich Frauen, die etwas in dieser (Arbeits-)Welt verändern wollen, dabei, mit den Wellen in einer männlichen Arbeitswelt selbstbestimmt umzugehen. Ich helfe Unternehmen, neue Formen der Arbeit einzuführen und Diversität im Alltag voranzutreiben. Das ist meine Berufung, mein Beitrag zu einer besseren Gesellschaft für uns alle. Das erfüllt mich.
Doch: Die Fliehkräfte des Hamsterrads sind bekanntlich stark. Alte, eingefahrene Denk- und Handlungsmuster sind hartnäckig. Der gesellschaftliche Standardweg, der deutsche Hochleistungsdruck, ist omnipräsent. Und so musste ich zwei Jahre nach meinem Weggang von Volkswagen feststellen, dass ich noch immer im Hamsterrad lief, wenn auch mittlerweile in meinem eigenen. Saß ich nicht mindestens sieben Stunden pro Tag am Schreibtisch, war ich mit mir selbst unzufrieden. Hatte ich nicht alle Punkte meiner To-do-Liste abgearbeitet, bewertete ich den Arbeitstag als nicht erfolgreich. Waren nicht alle meine Kundinnen hoch zufrieden, verunsicherte mich das.
Und so entschied ich: Ein Ortswechsel musste her! Ein Ort, an dem ich ausbrechen konnte, ausbrechen aus meinen eigenen inneren Schranken, ausbrechen aus einem beschränkten und ungesunden Verständnis von Arbeiten und Leben. Ende Oktober 2020 buchte ich mir ein Ticket nach Teneriffa, und zwar One-Way. Eine spanische Insel voller Menschen mit verschiedensten Lebenskonzepten und einem offenen Herzen schien mir ideal. Ich wollte es ausprobieren, ein Leben außerhalb des Hamsterrads zu führen. Ein gutes Leben. Mein Leben.
Es waren intensive sieben Monate auf der Insel des ewigen Frühlings. Monate voller Sonne, weichem Sand und warmem Wasser. Monate voller Stürme, trockener Berglandschaften und großer Wellen. Monate voller Trauer und Schmerz. Ausbrechen heißt immer auch loslassen – nicht nur Denkmuster, Umgebungen und Handlungsweisen, sondern auch Menschen. Loslassen tut weh und loslassen befreit.