Raus aus Hamsterrad und Tretmühle - Julitta Rössler - E-Book

Raus aus Hamsterrad und Tretmühle E-Book

Julitta Rössler

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Beschreibung

Raus aus Tretmühle und Hamsterrad - und zwar mit starken Argumenten gegenüber dem Chef und selbst bestens motiviert, endlich etwas zu ändern: Die Psychologin erläutert, was nach den Erkenntnissen der Hirnforschung gegen die sieben größten Arbeitsfallen, die Millionen Menschen heute drücken, zu tun ist. Zur unmittelbaren Umsetzung im Arbeitsalltag stattet die Autorin die Leser mit zahlreichen Anregungen und konkreten Tipps aus.

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Seitenzahl: 156

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Julitta Rössler

Raus aus Hamsterrad und Tretmühle

Erkenntnisse der Hirnforschungfür den Job

Impressum

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012

Alle Rechte vorbehalten

www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung: [rincón]2 medien gmbh, Köln

Umschlagfoto: © shutterstock/Eric Isselée/AleksandrN

ISBN (E-Book): 978-3-451-33937-0

ISBN (Buch): 978-3-451-61098-1

Inhaltsübersicht

Vorwort

Kapitel 1 – Immer und überall arbeiten – Energie durch Abschalten und Loslassen

Kapitel 2 – Informationsstress und Medienterror – Weniger ist meistens mehr

Kapitel 3 – Der Preis der Mobilität – Gelingendes Leben in Zeiten räumlicher Flexibilität

Kapitel 4 – Druck und Angst – Menschenwürde im Arbeitsleben

Kapitel 5 – Burnout – Arbeit ist nicht alles im Leben

Kapitel 6 – Arbeitsleben 2.0 – anders, schnell, flexibel, neu – Der Arbeitnehmer als Künstler

Schlusswort

Danke

Anmerkungen

Literaturempfehlungen

Wegweiser zu den Übungen

Dieses Buch widme ich allen Menschen, die gerne und leistungsstark arbeiten wollen, daneben aber auch anderen Dingen in ihrem Leben Raum und Zeit geben möchten,

sowie ganz besonders

Horst, Kevin und Marvin, die wichtigsten Menschen in meinem Leben, für die ich Zeit haben möchte und deshalb ganz bewusst immer wieder auch aufhöre zu arbeiten.

Vorwort

Gehören Sie zu den Menschen, die von steigenden Arbeitsanforderungen geplagt sind und sich zunehmend demotiviert, überlastet und erschöpft fühlen? Möchten Sie stattdessen endlich gerne und mit Wohlbefinden sowie genau deshalb leistungsstark arbeiten? Dann ist dieses Buch gut und wichtig für Sie. Es enthält viele Anregungen und liefert Impulse, wie Ihnen das wieder gelingen kann. Die äußeren Arbeitsbedingungen sind zwar in der Regel nicht zu ändern und allzu oft sehr belastend. Wie Sie aber selbst damit umgehen, darauf können Sie Einfluss nehmen. Hier können Sie oft schon durch kleine Veränderungen viel erreichen.

Sechs besonders belastende Komponenten des heutigen Arbeitslebens sind: überlange Arbeitszeiten und ständige Erreichbarkeit, Informationsflut und exzessive Mediennutzung, steigende Mobilität, zunehmende Angst und Druck, Burnout-Gefährdung sowie extreme Flexibilität. Jeder dieser großen Belastungen widme ich ein Kapitel. Darin gehe ich auf die aktuelle Situation ein, erläutere, warum Sie etwas anders machen sollten, und biete Anregungen und Tipps, wie Sie sich im täglichen Kampf um Höchstleistungen vor Überlastung schützen können. Dabei sind die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung und der Psychologie meine theoretische Basis. Davon ausgehend stelle ich Ihnen Möglichkeiten vor, wie Sie die Erkenntnisse zu Ihrem unmittelbaren Nutzen im Arbeitsalltag praktisch umsetzen können. Zudem können Sie von den konkreten Übungen und Anregungen zur Selbstreflexion profitieren. In den grau unterlegten Kästen finden Sie Angebote für Ihre aktive Auseinandersetzung mit Ihrer persönlichen Situation sowie alltagstaugliche Hilfestellungen. Bei der Zusammenstellung habe ich mich von den Erfahrungen aus meiner Coachingarbeit leiten lassen. Die Auswahl der Angebote beinhaltet vieles von dem, was meine Kunden immer wieder als bereichernd und hilfreich empfunden haben. Natürlich können Sie nicht alles, was in diesem Buch angeboten wird, unmittelbar umsetzen; suchen Sie sich einfach das heraus, was Ihnen momentan sinnvoll und hilfreich erscheint. Probieren Sie aus, was gerade jetzt zu Ihnen passt und gut für Sie ist. Gehen Sie in kleinen Schritten vor und überfordern Sie sich nicht, denn ein zweites Hamsterrad brauchen Sie gerade jetzt nicht.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre, viele Impulse und Freude beim Lesen dieses Buches.

Ihre Julitta Rössler

Immer und überall arbeitenEnergie durch Abschalten und Loslassen

»Wer vom Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, ist ein Sklave.«

Friedrich Nietzsche

Traum und Wirklichkeit

Glaubt man manchen Berichten in den Medien, so befinden wir uns auf dem Weg in eine paradiesische Arbeitswelt. Laptop, Smartphone und Tablet-PC sei Dank. Jeder kann selber bestimmen, wann, wo und wie lange er arbeiten will. Die Anwesenheitsdauer im Büro ist nicht länger wichtig. Zeiterfassungssysteme gehören der Vergangenheit an. Allein die Arbeitsergebnisse zählen. Manager leiten ihre Unternehmen aus weiter Ferne unter südlicher Sonne, während sie mit ihrer Segeljacht eine schöne Badebucht ansteuern. Ihre Mitarbeiter arbeiten derweil in ungezwungener Atmosphäre in ihrem Lieblingscafé, auf dem gemütlichen Sofa zu Hause, auf der Terrasse ihres Ferienhauses oder von irgendwo sonst auf dieser Welt. Zwischendurch machen sie einen Stadtbummel, kümmern sich um ihre Kinder, erledigen nebenbei ihre Hausarbeit und widmen sich ihrer Arbeit, wenn es in ihren alltäglichen Zeitplan passt. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für junge Paare aufgrund zeitlicher Flexibilität ein Kinderspiel. Morgenmenschen arbeiten schon, wenn alle anderen noch schlafen. Nachteulen genießen lieber erst den Tag und arbeiten abends und nachts, wenn sie so richtig munter werden. Gelegentlich geht der moderne Büromensch in die Firma an seinen flexiblen Arbeitsplatz. Dort trifft er sich mit den Kollegen und dem Management. Die Atmosphäre und die Umgebung sind äußerst offen und anregend gestaltet, quasi als Arbeitsoase mit Wellness-Charakter. Inspiriert zu kreativen Brainstorming-Feuerwerken können die Mitarbeiter sich hier entfalten und voller Ideen wieder in ihre privaten Arbeitsbereiche zurückkehren. Vertrauensarbeitszeit, Frei-Angestellter und Selbst-Unternehmer, das sind die oft benutzten Umschreibungen für diese moderne, freie und selbstgesteuerte Art zu arbeiten.

Klingt das nicht fantastisch? Tatsächlich sieht die Wirklichkeit für viele Menschen aber noch völlig anders aus – leider. Ich lege die Betonung auf »leider«, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass die medialen Möglichkeiten Spielraum für freie, selbstbestimmte und unabhängige Arbeit bieten.

In der Arbeit mit meinen Klienten, in Gesprächen mit Seminarteilnehmern und Freunden erlebe ich allerdings sehr anschaulich, wie weit Traum und Wirklichkeit derzeit noch voneinander entfernt sind. Da gibt es die Mitarbeiterin, die andauernd bis spät in den Abend arbeiten muss. Auf die Frage nach möglichen Arbeitserleichterungen erhält sie von ihrem Chef lediglich den Hinweis, dass sie doch eine Putzhilfe engagieren könne. Ein Abteilungsleiter wird am Tag der Beerdigung seines Schwiegervaters zur Teilnahme an einer Telefonkonferenz genötigt. Immer mehr Menschen arbeiten auch im Urlaub. Morgens beim Frühstück checken sie ihre E-Mails, ihren Laptop nehmen sie mit an den Pool und auch in abendlichen Unterhaltungen an der Bar mit anderen Urlaubern schleicht sich immer wieder das Thema Arbeit in den Vordergrund. Im Skilift wird zwischen zwei Abfahrten per Handy ein laufendes Projekt mit dem Kollegen besprochen. Selbst Mitarbeiter, die krank und arbeitsunfähig zu Hause bleiben müssen, werden von den Kollegen belästigt. Telefonkonferenzen zu beinahe jeder Tag- und Nachtzeit bestimmen den Arbeitsalltag vieler Menschen. Schließlich kennt die globalisierte Welt keinen Feierabend. Irgendwo auf dieser Welt wird immer gearbeitet. Selbst an Sonn- und Feiertagen bleiben viele Menschen auch für Arbeitsanfragen erreichbar. Die klassische »Nine-to-five-Gesellschaft« hat längst ausgedient. Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Privatzeit verschwimmen. Viele Menschen sind dabei zum Extremjobber geworden. In einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes heißt es, dass 10Prozent der Erwerbstätigen überlange Arbeitszeiten von mehr als 48Stunden pro Woche haben, teilweise sogar 60Stunden pro Woche und mehr.1

Noch können wir eben doch nicht arbeiten, wann, wo und wie lange wir wollen, sondern müssen scheinbar immer und überall einsatzbereit sein. Irgendetwas scheint in der modernen Arbeitswelt nicht zu stimmen.

Auszeiten schützen vor emotionaler Erschöpfung

Um dauerhaft effizient und produktiv arbeiten zu können, brauchen wir persönliche Auszeiten, also immer wieder Abstand von unserer Arbeit. Nur wer auf ein gelungenes Wechselspiel zwischen herausfordernder Aktivität und erholsamer Ruhe achtet, kann langfristig in hohem Maße leistungsfähig sein. Im Rahmen einer zwölfmonatigen Studie mit 300Angestellten hat sich gezeigt, dass bei hohen Anforderungen im Berufsalltag gerade die Auszeiten langfristig vor emotionaler Erschöpfung bewahren.2 Auch spätabends, nachts oder am Wochenende zu arbeiten kann zwar kurzfristig dazu beitragen, hohe Arbeitsanforderungen und großen Zeitdruck zu reduzieren; langfristig treten dadurch allerdings erhebliche mentale Erschöpfungszustände auf. Um dauerhaft leistungsstark und effizient sein zu können, ist es wichtig, die Arbeit und alle Themen rund um die Arbeit regelmäßig aus dem Kopf zu verbannen. Menschen, die von der Arbeit abschalten, sich entspannen oder sich engagiert ganz anderen Themen zuwenden, verbessern ihre mentale Verfassung und tragen diese bessere Stimmung leistungsförderlich mit in den Arbeitsalltag.

Wir können etwas ändern! Dabei möchte ich keineswegs die alten Arbeitszeitsysteme erhalten oder zu diesen zurückkehren. Zeiten und Möglichkeiten ändern sich. Überholte Zeitstrukturen zu erhalten oder ihre Wiedereinführung zu propagieren ist eine naive und völlig unrealistische Utopie. Anwesenheitskontrolle ist nicht erstrebenswert, raubt sie uns doch Freiheit und Selbstbestimmung. Eine moderne und freie Arbeitswelt ohne Zeitdiktat ist attraktiver, aber eben auch schnelllebig, flexibel und allzeit präsent. Das können wir nicht ändern. Damit sind Vorteile, aber auch mögliche Nachteile verbunden. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Genießen wir die positiven Chancen oder leiden wir unter den negativen Auswirkungen? So wie die Glühbirne nicht erfunden wurde, um zu jeder Tages- und Nachtzeit zu arbeiten, so wurden auch die modernen Medien nicht erfunden, um pausenlos und rund um die Uhr tätig zu sein. Mancher Chef scheint da anderer Meinung zu sein. Wie sonst können die oben beschriebenen Absonderlichkeiten entstehen? Kompetente Führung und Respekt vor den Mitarbeitern sehen anders aus. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir selber die Verantwortung für uns übernehmen.

Manchmal scheint es aber, als ob wir verlernt hätten, Zeit völlig frei und ohne einen konkreten Zweck unseres Handelns zu genießen. Stattdessen erledigen wir andauernd irgendetwas, reagieren auf alles, arbeiten unsere To-do-Liste ab und füllen sogar unsere Freizeit mit pausenlosen Aktivitäten. Immer glauben wir, etwas tun zu müssen, fast so, wie Loriot es wunderbar in seinem Sketch »Feierabend« beschriebenen hat. Dort bedrängt die Ehefrau ihren Mann immer wieder, sich zu beschäftigen. Dabei möchte er nichts lieber tun, als Nichts zu tun, nichts Besonderes denken und dabei einfach nur entspannen.3

Zeiten des geistigen Nichtstuns, des wunderbaren Tagträumens, des selbstbestimmten Müßiggangs schaffen Wohlbefinden, anhaltende Leistungskraft und mentale Gesundheit. Dann, wenn unser Gehirn vermeintlich nichts Besonderes tut, ist es dennoch aktiv, allerdings auf besondere Art und Weise. Der amerikanische Neurologe Marcus Raichle, einer der ersten Forscher, der bildgebende Verfahren nutzt, um dem Gehirn bei der Arbeit zuzusehen, entdeckte eher zufällig eine Grundaktivität in einigen Regionen des Gehirns. Sie ist immer dann vorhanden, wenn der Mensch gerade nicht konkret mit einer Aufgabe beschäftigt ist, sondern ganz zweckungebunden seinen Gedanken freien Lauf lässt. Dieser auch als »Default-Modus« bezeichnete Aktivitätszustand ist nach neuesten Erkenntnissen sehr wichtig, um in unserem Kopf aufzuräumen und Freiraum für neue Ideen zu schaffen. Man geht davon aus, dass es sich um einen »Offline-Modus des Gehirns« handelt, ähnlich dem Offline-Modus eines Computers. Ohne Internetverbindung können wir am Computer nur mit den internen Daten der Festplatte arbeiten. In gleicher Weise schaltet auch unser Gehirn auf einen internen Betrieb um, ohne Signale von außen. Es sichtet, sortiert und beschäftigt sich dann nur mit den vorhandenen Informationen. Neue Informationen werden organisiert, geordnet und sinnvoll in das bestehende Gedankennetz eingebunden. Ähnliches passiert übrigens auch im Schlaf, einer der wichtigsten Auszeiten, insbesondere wenn wir stark belastet sind.

Diese Aufräumarbeiten schaffen nach heutigen Erkenntnissen anscheinend auch die Basis dafür, dass wir uns und unsere Situation kritisch und mit etwas Abstand betrachten können, quasi aus der Vogelperspektive. Offenbar gelingt es dadurch auch besser, uns in die Situation anderer Menschen hineinversetzen zu können. Außerdem können wir gerade, wenn wir uns nur mit uns selbst beschäftigen, vergangene Ereignisse gut in Erinnerung rufen und uns zukünftige Ereignisse unter einem neuen Blickwinkel vorstellen. Das hilft, Routinereaktionen zu durchbrechen. 4,5

Durch Tagträumerei gelingt es, wohltuend Abstand von der zeitlichen Dauerbeanspruchung zu nehmen. Abgeschottet von außen kommen unsere Gedanken zur Ruhe. Kurze Zeiten dieser Art des Nichtstuns, auch während der täglichen Arbeitszeit, bewahren vor gefährlicher Überlastung. Lehnen Sie sich also ab und zu einfach zurück und lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf. Unser Gehirn braucht diese schöpferischen Pausen. Sie sind die Basis für kreative, neue und außergewöhnliche Ideen. Die besten Ideen entstehen nämlich genau dann, wenn wir aufhören, angestrengt über etwas nachzudenken. Jeder kennt solche Momente mit plötzlichen Geistesblitzen und Aha-Erlebnissen. Sie passieren meist genau dann, wenn wir uns mit nichts Besonderem beschäftigen. Erst wenn wir uns ab und an dem wundervollen Nichtstun hingeben, schöpfen wir die gesamte Vielfalt der Fähigkeiten unseres Gehirns aus.6 Möglicherweise erinnern wir uns dabei auch an schöne Erlebnisse in der Vergangenheit. Unser Hirnstoffwechsel verändert sich dadurch. Glückshormone werden ausgeschüttet und wir fühlen uns wohl. Beflügelt von dieser kurzen Seelenmassage kehren wir wieder mit frischer Energie an unsere Aufgaben zurück.

Was wir tun können

Bleibt die Frage, wo und wie wir Grenzen ziehen können und auch wollen. In welchem Umfang lassen wir es zu, zum modernen Arbeitssklaven zu werden? Wieso erlauben wir anderen, uns pausenlos zu beanspruchen? Es ist dringend nötig, über die eigenen Einstellungen nachzudenken.

Ist es wirklich erstrebenswert, das Privatleben einer vielleicht steilen und schnellen Karriere mit extremen Arbeitszeiten zu opfern? Bei ehrlicher Rechnung ist der realisierte Lohn pro Arbeitsstunde unter Umständen nicht mehr wesentlich höher als der Stundenlohn eines gering Qualifizierten. Der karriereorientierte und rund um die Uhr arbeitende Angestellte hat nur absolut betrachtet gut verdient, vielleicht sogar viel Geld verdient, er hat aber keine Zeit mehr, sein Leben zu genießen.

Nicht immer wird ständige Arbeit als belastend und negativ empfunden. Der intellektuelle Anspruch moderner Arbeit ist mitunter sehr reizvoll und es kann Spaß machen, sich schnell immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Da fällt es schwer, ab und an einfach mal aufzuhören. Der dauernde Adrenalin-Kick kann süchtig machen. Fast jeder kennt mittlerweile einen Workaholic in seinem Umfeld.

Bedeutet permanente Erreichbarkeit und Arbeitsbereitschaft vielleicht auch das gute Gefühl von Unentbehrlichkeit? Sich darin zu sonnen macht auch Spaß, oder? Na ja, zumindest, bis wir irgendwann vor Erschöpfung zusammenbrechen. Wenn wir dadurch für längere Zeit ausfallen, müssen wir schmerzlich erkennen, dass wir eben doch, sehr schnell sogar, ersetzbar sind. Unser Gefühl von Wichtigkeit reduziert sich dann unmittelbar und notgedrungen auf ein realistisches Maß.

Viele denken vielleicht auch, wenn die Kollegen und Kunden nicht wären, könnte ich ja weniger arbeiten und hätte mehr Freizeit. Schließlich kann man sie ja nicht hängen lassen. So oder ähnlich kann überlanges Arbeiten auch begründet werden. »Ich würde ja…, wenn da nicht die anderen wären«. Das klingt, als ob wir mildtätige Samariter wären. Ich vermute darin eher eine wenig überzeugende Entschuldigung all derjenigen, die einfach nicht »Nein« sagen können.

Gut ist eben nicht gut genug. Auch das kann antreiben, immer mehr zu arbeiten. Natürlich können alle Aufgaben immer noch besser erfüllt werden. Insbesondere wenn die Arbeit immer und überall erledigt werden kann. Wie viel mehr Energie müssen wir aber aufwenden, um von guter zu perfekter Qualität zu gelangen? Ist das Ergebnis diesen erhöhten Energieaufwand wirklich wert?

Inkompetente Führungskräfte sind nur die eine, zweifellos sehr unangenehme und beklagenswerte Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille sind wir selber. Uns und unser Verhalten können wir ändern, das der anderen nicht. Regelmäßig 60Stunden und mehr in der Woche zu arbeiten, das ist sicherlich überdenkenswert.

Ich möchte Sie an dieser Stelle anregen, sich gelegentlich Zeit für einen inneren Dialog mit sich selbst zu nehmen. Es gibt eine Menge Fragen, die helfen können, die eigene Lebens- und Arbeitssituation zu klären und Ansatzpunkte für Veränderungen zu finden. Auch das ist eine sinnvolle Auszeit, die wir uns ab und an gönnen sollten. Hier finden Sie eine kleine Auswahl möglicher Fragestellungen:

Mein Leben, meine Arbeit – eine Selbsteinschätzung

Wofür arbeite ich? Was ist mein Ziel? Was treibt mich an?

Gestatte ich anderen, mich zu treiben, und wer treibt mich?

Für wessen Ziele arbeite ich? Sind das auch meine Ziele?

Wer bin ich, wenn ich nicht arbeite oder arbeiten kann?

Wenn ich finanziell abgesichert ein Jahr Zeit frei zur Verfügung hätte, was würde ich damit machen?

Wie wichtig ist mir privates Glück, wie wichtig beruflicher Erfolg? Wie gelingt es mir, beides zu verbinden?

Wie viel Zeit für selbstbestimmte Gestaltung habe ich und wie nutze ich diese Zeit?

Was ist meine Vision, mein Traum von einem idealen Leben?

Was würde ich bereuen, im Leben nicht getan zu haben?

Was ist mir wirklich wichtig im Leben? Was genau tue ich, um es zu verwirklichen?

Persönliche Grenzziehungen sind nicht nur ein individuelles Problem. Es ist schwer, inmitten von rund um die Uhr arbeitenden Kollegen auf die Einhaltung von persönlichen Auszeiten zu achten. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zwingt dazu, Zugeständnisse zu machen und Kompromisse einzugehen. Es ist nicht leicht, sich den ultimativen und allein durch kurzfristiges Erfolgsdenken getriebenen Forderungen des Managements zu entziehen. Wir arbeiten in einem eng und global vernetzten System von aufeinander bezogenen und voneinander abhängigen Kollegen und können unsere Arbeit nicht völlig nach eigenem Gusto zeitlich gestalten und organisieren. Müssen wir uns aber deshalb andauernd hetzen lassen? Müssen wir wirklich jede Anforderung sofort und unmittelbar erfüllen? Müssen wir auf Regeneration, auf Zeit fernab von der Arbeit, ja letztlich auf Lebensgenuss verzichten? – Sicher nicht! Der Preis dafür ist definitiv zu hoch. Geben Sie niemandem die Macht und das Recht, Sie pausenlos in Beschlag zu nehmen.

Gönnen Sie sich Zeit zum Abschalten. Widmen Sie sich einem Hobby, pflegen Sie Freundschaften, gestalten Sie Ihre Partnerschaft, sprechen Sie mit anderen Menschen über angenehme Themen fernab von laufenden Arbeitsprojekten. Genießen Sie Ihr Leben und hängen Sie auch einfach einmal tagträumerisch Ihren Gedanken nach. Sie können zwar nicht aus dem modernen, sehr schnellen und flexiblen Zeitrhythmus aussteigen. Sie können aber immer wieder ganz bewusst Zeit für sich nutzen. Überprüfen Sie regelmäßig, ob Sie möglicherweise etwas in Ihrem Leben vernachlässigen. Achten Sie darauf, dass keiner Ihrer Lebensbereiche zu kurz kommt. Folgende Gedankenübung kann dabei helfen:

Die Balance der Lebensbereiche

Überlegen Sie, welche Lebensbereiche und was dort genau für Sie wichtig und Glück bringend ist. Hier einige Anregungen:

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Partnerschaft? Wie viel Zeit haben Sie füreinander? Was vermissen Sie?

Wie steht es um Ihre Gesundheit? Wie ernähren Sie sich? Wie oft treiben Sie Sport? Wie fühlen Sie sich?

Welche Freundschaften pflegen Sie? Wie viel Zeit widmen Sie Ihren Freunden? Wie oft sehen Sie Ihre Freunde?

Wie viel Zeit widmen Sie Ihrer Familie? Wie viel Zeit verbringen Sie mit Ihren Kindern? Was wissen Sie von Ihren Kindern?

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer beruflichen Situation? Was möchten Sie noch erreichen? Was müssen Sie dafür tun? Auf was müssen Sie dafür verzichten?

Welche persönlichen Interessen, Leidenschaften oder Hobbys haben Sie? Wie intensiv kümmern Sie sich darum? Was davon kommt momentan zu kurz? Wie können Sie es möglicherweise doch jetzt realisieren?

Wie sieht Ihre materielle Versorgung aus? Woran hängen Sie, was ist Ihnen wichtig zu haben? Was müssen Sie dafür tun und sind Sie dazu bereit? Worauf könnten Sie verzichten? Welchen Zugewinn hätte möglicherweise ein Verzicht?

Betrachten Sie immer wieder auf diese Weise Ihre gesamte Lebenssituation und schreiben Sie Ihre Erkenntnisse auf. Ergänzen Sie die obigen Beispiele um weitere für Sie ganz persönlich wichtige Themen und Fragen. Seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst und schauen Sie genau hin, wo Sie Defizite entdecken. Überlegen Sie sich, was Sie als Nächstes tun wollen, um wieder zu einer ausgeglichenen Balance aller wichtigen Lebensbereiche zu kommen. Überfordern Sie sich nicht. Nehmen Sie sich stattdessen immer wieder gut realisierbare Kleinigkeiten vor, beispielsweise eine konkrete Verabredung mit Ihren Kindern zum Fußballspielen.

Eine besonders wirkungsvolle Auszeit ist es, wenn wir die Natur genießen. Anblick und Genuss von Natur haben einen äußerst erholsamen Effekt. Unser Gehirn kann in der reizarmen Natur sehr gut regenerieren. Nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen reicht dafür schon der Spaziergang durch einen Park oder allein das Betrachten eines schönen Naturfotos.7