Rebel Minds - Melanie Jahreis - E-Book

Rebel Minds E-Book

Melanie Jahreis

0,0
14,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer hat die Solarenergie erfunden? Den Paketfallschirm und die Einbauküche? Das kleine Schwarze, die Wegwerfwindel und das Champagner- Rüttelpult? Das Fertighaus, die Drahtlostechnologie, die Umweltbewegung und den Matilda-Effekt? Es waren Frauen - rebellische Geister mit einem ausgeprägten Hang zur findigen Problemlösung. Melanie Jahreis, Kuratorin am Deutschen Museum, erzählt ihre unwiderstehlichen Geschichten. Sie machen Mut, verrückte Träume zu haben, sich hohe Ziele zu stecken und entschlossen dem eigenen Weg zu folgen. Eine inspirierende Lektüre für junge Leserinnen und Leser ab 12 Jahren, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Kongenial illustriert von Katinka Reinke.

Mit: Virginia Apgar, Melitta Bentz, Madame Blavatsky, Rachel Carson, Coco Chanel, Barbe-Nicole Clicquot, Josephine Cochrane, Marie Curie, Marion Donovan, Rosalind Franklin, Kate Gleason, Maria Goeppert-Mayer, Jane Goodall, Bette Nesmith Graham, Temple Grandin, Zaha Hadid, Margaret Hamilton, Herta Heuwer, Grace Hopper, Martine Kempf, Deepika Kurup, Stephanie Kwolek, Hedy Lamarr, Mary Leakey, Henrietta Swan Leavitt, Ada Lovelace, Ann Makosinski, Karin Mölling, Maria Montessori, Florence Nightingale, Emmy Noether, Käthe Paulus, Elizabeth Magie Phillips, Mary Quant, Margaret W. Rossiter, Daniela Rus, Margarete Schütte-Lihotzky, Donna Strickland, Mária Telkes, Greta Thunberg, Jody Williams, Margarete von Wrangell, Ada Yonath, Malala Yousafzai.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Melanie Jahreis

Rebel Minds

44 Erfinderinnen, die unsere Welt verändert haben

Mit Illustrationen von Katinka Reinke

C.H.Beck

Inhalt

1  Virginia Apgar – Der Apgar-Score

2  Melitta Bentz – Der Kaffeefilter

3  Madame Blavatsky – Die moderne Theosophie

4  Rachel Carson – Die Umweltbewegung

5  Coco Chanel – Das Kleine Schwarze

6  Barbe-Nicole Clicquot – Das Champagner-Rüttelpult

7  Josephine Cochrane – Der Geschirrspüler

8  Marie Curie – Die Radioaktivität

9  Marion Donovan – Die Wegwerfwindel

10  Rosalind Franklin – Die DNS-Doppelhelix

11  Kate Gleason – Das Fertighaus

12  Maria Goeppert-Mayer – Das Schalenmodell der Atomkerne

13  Jane Goodall – Das Verhaltensrepertoire von Schimpansen

14  Bette Nesmith Graham – Das Liquid Paper

15  Temple Grandin – Die Grandin-Viehhaltungsmethode

16  Zaha Hadid – Der kinetische Baustil

17  Margaret Hamilton – Die On-Board-Flugsoftware für das Apollo-Raumfahrtprogramm

18  Herta Heuwer – Die Currywurst

19  Grace Hopper – Der Bug

20  Martine Kempf – Die Katalavox

21  Deepika Kurup – Das solarbetriebene Wasserreinigungssystem

22  Stephanie Kwolek – Das Kevlar

23  Hedy Lamarr – Das Frequenzsprungverfahren

24  Mary Leakey – Der Nussknackermensch

25  Henrietta Swan Leavitt – Die Vermessung des Universums

26  Ada Lovelace – Der Computer-Algorithmus

27  Ann Makosinski – Die thermoelektrische Taschenlampe

28  Karin Mölling – Der HIV-Selbstmord

29  Maria Montessori – Die Montessori-Pädagogik

30  Florence Nightingale – Die wissenschaftliche Krankenpflege

31  Emmy Noether – Das Noether-Theorem

32  Käthe Paulus – Der Paketfallschirm

33  Elizabeth Magie Phillips – The Landlord’s Game

34  Mary Quant – Der Minirock

35  Margaret W. Rossiter – Der Matilda-Effekt

36  Daniela Rus – Die Künstliche Intelligenz

37  Margarete Schütte-Lihotzky – Die Einbauküche

38  Donna Strickland – Die Verstärkung gechirpter Pulse

39  Mária Telkes – Das Solarhaus

40  Greta Thunberg – «Fridays for Future»

41  Jody Williams – Das Verbot von Landminen

42  Margarete von Wrangell – Die Aereboe-Wrangell-Düngung

43  Ada Yonath – Die Struktur der Ribosomen

44  Malala Yousafzai – Die Schulbildung für Mädchen

Zum Weiterlesen und -hören

Zur Autorin

Zur Illustratorin

Frauen, die erfinden, sind rebellisch. Doch muss man wirklich eine Rebellin sein, um den Paketfallschirm, die Wegwerfwindel, das Frequenzsprungverfahren oder auch nur die Currywurst zu erfinden? Es stimmt aber, wie ich bei meinen Recherchen für dieses Buch festgestellt habe. Frauen haben nicht nur mit den normalen Schwierigkeiten zu kämpfen, die damit verbunden sind, eine außergewöhnliche Idee in die Tat umzusetzen. Immer müssen sie sich auch gegen jene Barrieren und Vorurteile durchsetzen, die sich ihnen als Erfinderinnen in den Weg stellen. Und dies aus keinem anderen Grund als dem, dass sie Frauen sind. Erfindungen sind Männersache, lautet eines dieser Vorurteile. Frauen und Technik (mit nach oben verdrehten Augen), ein anderes. Hinter jeder Erfinderin steht ein Mann, ein drittes. Erfinderinnen sind gar keine echten Frauen, sondern im Herzen Männer, ein viertes. Die 44 Porträts dieses Buches sind auch 44 leibhaftige Widerlegungen dieser und zahlreicher anderer Vorurteile.

Und die Barrieren? In der Vergangenheit mussten Mädchen und Frauen oftmals einen steinigen Weg gehen, um Wissen zu erwerben. Gelangen ihnen trotzdem Erfindungen, so wurden diese von Männern patentiert, denn Frauen war das Anmelden von Patenten schlichtweg verboten. Oftmals forschte deshalb der Ehemann oder ein Mitarbeiter im Hintergrund und erntete später auch die Lorbeeren. Noch die Entdeckung der DNS-Doppelhelix durch Rosalind Franklin in den 1950er Jahren ist so bei zwei Männern gelandet. Zwar erobert das weibliche Geschlecht heute die Welt, doch die traditionellen Rollenbilder sind längst noch nicht verblasst und manche Frauen auch schlichtweg zu bescheiden.

Da kommen die unwiderstehlichen Geschichten dieses Buches gerade recht. Sie machen Mut, verrückte Träume zu haben, sich hohe Ziele zu stecken und entschlossen dem eigenen Weg zu folgen. Sie zerstreuen jegliche Zweifel an den weiblichen Fähigkeiten und Fertigkeiten und zeigen, dass wir es uns nicht erlauben können, auf die Hälfte unserer Talente zu verzichten. «Ich habe gelernt, dass man nie zu klein ist, um etwas zu bewirken», hat Greta Thunberg, die Erfinderin der «Fridays for Future», einmal gesagt. Und Florence Nightingale, der wir die wissenschaftliche Krankenpflege verdanken, hat schon im 19. Jahrhundert gemeint: «Wenn man mit Flügeln geboren wird, sollte man alles dazu tun, sie zum Fliegen zu benutzen.» In diesem Sinne:

Hebt ab und entdeckt Eure rebellischen Talente!

1Virginia Apgar

Der Apgar-Score

Wer gesund auf die Welt gekommen ist und die ersten Tage und Wochen übersteht, hat die gefährlichste Zeit seines Lebens bereits gemeistert. Gerade die ersten Minuten nach der Geburt entscheiden über Leben und Tod. Aber woran zeigt sich, ob ein Neugeborenes gesund ist? Ganz einfach: Man muss es mit den Augen von Virginia Apgar betrachten, genauer gesagt mit dem Apgar-Score.

Als Virginia Apgar am 7. Juni 1909 in New Jersey das Licht der Welt erblickte, mussten Eltern bei der Frage, wie gesund ihr Kind ist, noch den Geburtshelferinnen vertrauen. Diese waren aber in der Regel nur dürftig ausgebildet und untersuchten die Neugeborenen gar nicht erst, sondern hüllten sie gleich in Decken ein und verstauten sie dann in Wiegen. Es versteht sich von selbst, dass so Probleme unbemerkt blieben und die Säuglingssterblichkeit zur damaligen Zeit immens war – jedes fünfte Baby starb kurz nach der Geburt.

Virginia hatte das Glück, gesund auf die Welt zu kommen. Die Gesundheit war es auch, die das ehrgeizige Mädchen antrieb. Mit sieben verschiedenen Sportarten hielt sie sich fit und schon zur Schulzeit wusste Virginia: Sie will einmal Ärztin werden. Nach der Highschool machte sie am College zunächst einen Bachelor in Zoologie. Virginia war eine der besten Schülerinnen. Mit zwanzig studierte sie Medizin an der Columbia-Universität in New York und erlangte 1933 als eine der ersten Frauen ihrer Universität das Medizin-Examen. Endlich konnte sie in den weißen Kittel schlüpfen und ran an die Patienten. Im renommierten Presbyterian Hospital operierte Virginia Apgar während ihrer zweijährigen Assistenzzeit Hunderte von Menschen. Doch stets blieb ihr bewusst, dass sie trotz ihrer geschickten Hände in der Chirurgie niemals Karriere machen würde. Die Berufsaussichten für Frauen waren hier allzu bescheiden. Virginia Apgar nannte das Problem beim Namen: «Frauen wollen nicht von einer Chirurgin operiert werden. Nur Gott weiß, weshalb.»

Deshalb wandte sie sich der Anästhesie zu, in der damals ein Mangel an Fachwissen und Fachkräften herrschte. Fast im Alleingang etablierte Virginia Apgar die Anästhesiologie als eigenständigen medizinischen Fachbereich. 1938 wurde sie zur Leiterin der Anästhesieabteilung der Columbia-Universität und elf Jahre später zur ersten Professorin für Anästhesiologie in den Vereinigten Staaten berufen.

Auf dem Höhepunkt ihrer akademischen Laufbahn packte sie ihre Wissbegierde erneut. Sie erkannte, dass viele Neugeborene nicht sterben müssten, wenn sie sofort untersucht und behandelt würden. Allerdings fehlte dazu ein Beurteilungssystem. Aber was war für das Überleben eines Neugeborenen überhaupt wichtig? 1952 hatte Virginia Apgar die entscheidende Idee: Warum sollten die wesentlichsten Lebenszeichen zur Beurteilung von narkotisierten Patienten nicht auch für Neugeborene gelten? Herzfrequenz, Atmung, Muskeltonus, Reflexantwort und Hautfarbe – die vielseitige Medizinerin entwickelte daraus ein Punktesystem, den Apgar-Score, den sie an über 1000 Säuglingen erfolgreich testete. Ein Jahr später veröffentlichte sie ihre Ergebnisse in einer Fachzeitschrift. Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich das System in der ganzen Welt. Seit den 1960er Jahren gilt der Apgar-Score auch in Europa als Standard. Und er ist einfach zu merken, denn Virginias Nachname steht für die fünf Bewertungskriterien: Atmung, Puls, Grundtonus, Aussehen und Reflexe.

Virginia Apgar erlebte während ihrer Zeit als Ärztin 17.000 Geburten. Doch selbst hatte sie keine eigenen Kinder, war noch nicht einmal verheiratet. Aus nachvollziehbarem Grund: Sie fand einfach keinen Mann, der gut kochen konnte. Ihre Passion war ihr Beruf. Später wurde sie Vorsitzende einer Organisation für Schwangerschafts- und Säuglingsgesundheit. Mit deren Einnahmen trieb sie die Forschung der Perinatalmedizin voran und leistete einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Geburtsschäden. Erst eine Lebererkrankung im Jahr 1973 ließ Virginia Apgar beruflich kürzertreten. Nur wenige Monate später war sie bereits tot.

«Die Geburt ist der gefährlichste Zeitabschnitt des Lebens.»

Virginia Apgar

7. Juni 1909 – 7. August 1974, Vereinigte Staaten von Amerika

2Melitta Bentz

Der Kaffeefilter

Flat White, Cold Drip, Long Black – an die heutige Kaffeekultur war um 1900 noch nicht zu denken. Weder die zeitraubende Zubereitung mit unterschiedlichsten Apparaturen noch die gängigen Stoff-, Keramik- oder Metallfilter konnten verhindern, dass am Ende immer eine bitterbraune Brühe mit krümeligem Kaffeesatz in der Tasse und somit auch im Mund landete.

Dies sollte sich jedoch bald ändern, denn eines Morgens im Jahr 1908 hatte Melitta Bentz, eine fünfunddreißigjährige aufgeweckte Mutter, die Nase gestrichen voll von scheußlichem Kaffee. So wollte sie nie wieder in den Tag starten. Zielstrebig und energisch griff sie nach Hammer und Nägeln und durchlöcherte den Boden eines einfachen Messingbechers. Aus dem Schulheft ihres Sohnes stibitzte sie ein Löschblatt, schnitt es zurecht und legte es in den löchrigen Becher hinein. Ihr Herz raste, als sie das Kaffeepulver in den Becher füllte und es mit heißem Wasser übergoss, und das aus gutem Grund; denn was unten in die Kanne träufelte, übertraf all ihre Erwartungen: ein Kaffee voller Aromen, samtig weich und vor allem ohne den lästigen Kaffeesatz.

Begeistert von ihrer Erfindung, kochte sie einen Kaffee nach dem anderen – für ihren Ehemann, für all ihre Freundinnen, am liebsten hätte sie Kaffee für die ganze Welt gekocht! Und alle, die ihren Kaffee kosteten, verschlug es die Sprache angesichts des feinen Getränks! Beflügelt von der positiven Resonanz, meldete Melitta Bentz am 20. Juni 1908 ihren mit «Filtrierpapier arbeitenden Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern» beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin an. Noch im selben Jahr rief sie ihr eigenes Unternehmen mit dem späteren Namen «Melitta» ins Leben. Mit einem Startkapital von nur 72 Reichspfennig begann damit eine neue Kaffeeära.

Vorsichtig, wie sie war, ließ die Jungunternehmerin zunächst nur 50 Filter und dazu 100 Kartons Filterpapier herstellen. Mit ihrer Erfindung im Koffer und ihrem Mann im Schlepptau präsentierte sie ihre simple Idee in Kaufhäusern, Haushaltsgeschäften und auf Messen. Überall stieß ihr Filtrierapparat auf große Begeisterung; auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung des Jahres 1911 in Dresden erhielt sie für ihr bahnbrechendes Produkt sogar die goldene Medaille. Dank dieser Auszeichnung stieg die Nachfrage unaufhaltsam in die Höhe.

Anfangs war noch die kleine Dresdner Wohnung Sitz des Familienunternehmens, doch bald schon erfolgte der Umzug in größere Räumlichkeiten. Inspiriert vom Genuss ihres köstlichen Kaffees, verfeinerte die kreative Geschäftsfrau ununterbrochen ihre Erfindung. Aus Messing wurde Aluminium und aus Aluminium Porzellan. Der Filter wurde tütenförmig und aus dem einst runden Filterpapier wurde eine spitze konische Filtertüte, die bis heute der Porsche unten den Kaffeefiltern ist. Melitta Bentz’ leidenschaftlicher Erfindergeist blieb ungebremst: An der Seite ihres Mannes entwickelte sie zahlreiche Ideen für neue Haushaltsprodukte, während ihr Unternehmen stetig expandierte. Im Ersten Weltkrieg trennten sich die Wege des Paares zeitweilig. Während er als Soldat an der Front kämpfte, hielt sie den Betrieb durch den Verkauf von einfachen Pappkartons aufrecht. Vielleicht war es gerade diese schwere Zeit, die Melitta Bentz dazu brachte, ihre Mitarbeiter auch in Notsituationen fürsorglich und tatkräftig zu unterstützen.

Mittlerweile wird das Unternehmen von ihrem Urneffen geführt. Und mit der Renaissance frisch aufgebrühten Filterkaffees ist auch der Name der Erfinderin des Kaffeefilters wieder in aller Munde.

«Melitta macht Kaffee zum Genuss.»

Melitta Bentz

31. Januar 1873 – 29. Juni 1950, Deutschland

3Madame Blavatsky

Die moderne Theosophie

Die moderne Theosophie, 1875 in New York als Geheimgesellschaft gegründet, ist nicht nur eine Weltanschauung, sondern der einzigartige Versuch der Stiftung einer neuen Weltreligion mitten in der Moderne. Und erfunden hat das alles eine Frau, die russlanddeutsche Helena Blavatsky.

Helena Petrovna Blavatsky wurde 1831 im russischen Jekaterinoslaw, das heute zur Ukraine gehört, in die deutschstämmige Adelsfamilie von Hahn geboren. Ihr Vater war im Kaukasus stationiert, ihre Mutter starb, als Helena gerade elf Jahre alt war. So wuchs sie bei ihren Großeltern auf. Ihr Großvater weckte früh ihr Interesse an Esoterik. Schon als kleines Mädchen konnte Helena eine spirituelle Verbindung zu Geistern herstellen, allerdings wurde ihr auch mehrfach der Teufel ausgetrieben und das nicht nur wegen ihres rebellischen Geistes. Sie war ein willensstarkes und wahrheitsliebendes Kind, das sich nicht mit der Etikette der russischen Hocharistokratie anfreunden konnte. Obwohl sie viele Klischees eines adligen Mädchens erfüllte – sie malte, spielte Klavier, ritt und war bereit, beinahe jedem ihr letztes Hemd zu geben, fühlte sie sich schon immer von der einfachen Lebensweise angezogen, wie sie etwa Graf Tolstoi propagierte.

Um mehr Freiheit zu erlangen, heiratete sie mit siebzehn Jahren den bedeutend älteren General und Staatsrat Nikifor Blavatsky, doch suchte die immer noch jungfräuliche Helena bereits nach drei Monaten das Weite. Sie stürzte sich in abenteuerliche, oft auch gefährliche und strapaziöse Reisen durch Europa, Afrika, Amerika und Asien; sogar in Tibet soll sie gewesen sein, ein Land, das damals eigentlich unzugänglich war. Angeblich legte sie dafür Männerkleider an. Über zwei Jahrzehnte lang tingelte sie um die Welt, verdingte sich als Kunstreiterin oder begleitete einen Opernsänger und sog dabei alles auf, was ihr an esoterischen Praktiken begegnete, Magie und Okkultismus, Schamanismus und Voodoo-Kult, Mesmerismus und Drusen-Mythos. Später behauptete sie, auf ihren Wanderjahren von bedeutenden Meistern die Grundlagen der Theosophie vermittelt bekommen zu haben. Überall, wo sie auftrat, zog sie die Menschen mit ihren Eingebungen und Kontakten zum Jenseits in Bann.

1873 strandete Helena Petrovna Blavatsky mittellos in New York; der Tod des Vaters hatte ihr den Geldhahn zugedreht. In der Metropole fand sie schnell Anschluss an spiritistische Kreise. Sie selbst glaubte damals schon längst nicht mehr an die gängige Erklärung, wonach spiritistische Phänomene durch die Geister Verstorbener ausgelöst würden. Vielmehr begann sie spirituelle Erscheinungen generell als Emanationen eines universalen Geistes zu verstehen. Das war die Geburtsstunde ihrer Theosophie, zu deren Etablierung und Verbreitung sie zusammen mit einigen Mitstreitern die Theosophische Gesellschaft gründete. An die Stelle von Jenseitsbotschaften trat die Entdeckung alter Geheimlehren, die Blavatsky als den Kern aller Weltreligionen ansah.

Unter dem Namen Madame Blavatsky veröffentlichte sie zwei Bücher, in denen sie ihre neue, synthetische Religion darlegt. In «Isis entschleiert», 1877 erschienen, führt sie alle bestehenden Religionen auf eine Ur-Religion zurück, die es erlaube, die Gegensätze zwischen Spiritualität, Rationalität und Naturwissenschaften zu überwinden. In der ein Jahrzehnt später publizierten «Geheimlehre» dann versucht die Religionsstifterin, westliche und östliche Weisheitslehren zu einem neuen System zu verschmelzen. Davon zeugt auch ihr Wappen, das Davidstern und Swastika mit anderen Symbolen, etwa dem Uroboros, vereint.

Blavatskys Theosophie bildete die Grundlage für die anthroposophische Lehre Rudolf Steiners, der ihr jedoch vieles von ihren ursprünglich rebellischen Zügen austrieb: den fröhlichen Eklektizismus, die Neigung zur Anarchie und den unverkennbaren weiblichen Stallgeruch. Für die Geheimlehre Madame Blavatskys zeigten sich insbesondere junge, moderne Frauen empfänglich, die sich an den patriarchalischen Strukturen und der Frauenfeindlichkeit der christlichen Kirchen stießen, ohne dass damit auch gleich ihr spirituelles Bedürfnis versiegt wäre. Dazu passt auch, dass fünfzehn Jahre nach Blavatskys Tod wiederum eine Frau an die Spitze der Theosophischen Gesellschaft gelangte: die Frauenrechtlerin Annie Besant, die ihren Ehemann, einen sittenstrengen anglikanischen Priester, verlassen hatte, sich zum Sozialismus bekannte und gegen das Abtreibungsverbot zu Felde zog. Aber auch in der künstlerischen Avantgarde der Moderne gehörte die Theosophie zum festen Bestandteil der Suche nach dem Geistigen in der Kunst, wie Kandinsky und Klee, Joyce und Yeats, aber auch die kürzlich wiederentdeckte schwedische Malerin Hilma af Klint beweisen.

«Die Kirchen besitzen weder den Glauben noch das Wissen, um die Welt zu retten. Keine Religion und kein Gesetz steht über der Wahrheit.»

Helena Petrovna Blavatsky

12. August 1831 – 8. Mai 1891, Russland

4  Rachel Carson

Die Umweltbewegung

Die Regenwälder brennen, es wird stumm auf unseren Wiesen und Feldern und in den Meeren schwimmt bald mehr Plastik als Fisch. Doch es gibt auch Hoffnung: Umweltaktivisten kämpfen für die Zukunft der Erde. Ihrer aller Mutter war Rachel Carson.

Rachel Louise Carson wurde 1907 in der Nähe von Pittsburgh geboren. Die fünfköpfige Familie lebte auf dem Land, umgeben von Hühnern, Schafen und Schweinen. Die Mutter, eine naturverbundene Lehrerin, hütete das Haus, und der Vater verspekulierte das wenige Geld, das der mehrfach beruflich Gescheiterte noch besaß. Seine Tochter hingegen war sehr erfolgreich. Die Highschool schloss sie 1925 als Klassenbeste ab. Am College studierte sie zunächst Englische Literatur, wechselte dann zur Biologie und bestand ihre Prüfung mit «magna cum laude». An der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore folgte 1932 die Masterprüfung in Zoologie. Erst mitten in ihrer Promotion wurde sie ausgebremst. Die finanzielle Lage ihres Vaters war mittlerweile so katastrophal, dass sie eine Lehrtätigkeit aufnehmen musste, um die Familie über Wasser zu halten.