Rechne dich schlank - Dr. Guido Rohrer - E-Book

Rechne dich schlank E-Book

Dr. Guido Rohrer

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Beschreibung

Jeder Mensch ist anders und braucht seine eigene Diät. Künstliche Intelligenz (KI) kann die perfekte Begleiterin sein, um sie zu finden. Richtig genutzt, liefert sie persönliche Ernährungspläne ohne Heißhunger-Attacken und Jo-Jo-Effekt. Aber wie wenden wir sie richtig an? Der Arzt Dr. Guido Rohrer nennt 15 Regeln, die Abnehmen mit KI sicher und effektiv machen. Wie lässt sich ihr Potenzial nutzen? Wo liegen die Risiken und wie lassen sie sich vermeiden? Abnehmen wird damit so einfach wie noch nie.

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Guido Rohrer:Rechne dich schlank

Alle Rechte vorbehalten© 2025 edition a, Wienwww.edition-a.at

Cover: Bastian WelzerSatz: Bastian Welzer

Gesetzt in der PremieraGedruckt in Europa

12345—28272625

ISBN: 978-3-99001-822-4eISBN: 978-3-99001-823-1

Dr. Guido Rohrer

RECHNE DICH SCHLANK

Abnehmen mitKünstlicher Intelligenz

INHALT

Kapitel 1Ein Abendessen zu später Stunde

Kapitel 2Blind Date mit der Künstlichen Intelligenz

Kapitel 3Einen KI-Account anlegen

Kapitel 4Mein innerer Schweinehund

Kapitel 5Daten sammeln für die Künstliche Intelligenz

Kapitel 6Als die KI meinen ersten Einkaufszettel schrieb

Kapitel 7Yasmins größte Schwachstelle

Kapitel 8Heißhunger, Welthunger und die Antwort der KI

Kapitel 9Warum jeder Mensch anders ist

Kapitel 10Die Künstliche Intelligenz und der Jo-Jo-Effekt

Kapitel 11Rundes Gesicht und dünner Hals

Kapitel 12Essfaktor Stress

Kapitel 13Die Bedeutung von Bewegung

Kapitel 14Zu dritt erfolgreich

Kapitel 15Abnehmen mit Künstlicher Intelligenz Das Fazit

Meinen Eltern Lidia undEberhard gewidmet.

Mit liebem Dank an Daria,Tanya und Claudia.

Kapitel 1

Ein Abendessen zu später Stunde

Ein Patient mit Übergewicht, ein Podcast über Künstliche Intelligenz und eine spontane Idee

Dr. Guido Rohrer

Wenn Menschen in meiner radiologischen Praxis landen, wollen sie die Ursachen bestimmter Symptome erfahren, sind verletzt oder wollen einfach wissen, wie gut ihr Körper mit den Strapazen des Lebens zurechtkommt. Dank Ultraschall, Röntgengerät, Magnetresonanz- und Computertomograph sehe ich als Radiologe in alle Winkeln des Körpers und erkenne Veränderungen oft schon, bevor sie sich als körperliche Symptome manifestieren.

Ich stand in der Küche meiner Wiener Wohnung und bereitete mein Abendessen und mein Lunchpaket für den nächsten Tag vor. Ich liebe es, zu kochen. Für mich ist das Entspannung. Die Küche ist für mich das geografische Zentrum meines Lebens. Das Kraftzentrum. Das spirituelle Zentrum. Meine »Rückkehr zum Ursprung« und mein »Fortschreiten in die Zukunft«, wie es Lao-Tse formulierte.

Vermicelli aglio e olio mit Peperoncini und steirischer Käferbohnensalat für heute und für morgen Patate al Forno standen am Programm. Letzteres, weil ich es erstens liebe und zweitens auf meine Figur achten musste. Kartoffeln eigneten sich da für mich, zumal aufgewärmt, denn dabei kristallisierte ein Teil ihrer Stärke. Der Körper kann sie nicht mehr aufnehmen und sie verlieren an Kalorien.

Zudem sind sie einfach in der Zubereitung. Beilagenoder festkochende Kartoffeln in Würfel mit rund drei Zentimetern Seitenlänge schneiden. Sieben Minuten kochen, damit sie innen weich werden, mit drei Esslöffeln Olivenöl, etwas Rosmarin und zwei geschälten oder ungeschälten Knoblauchzehen aufs Blech legen und dann bei zweihundert Grad Ober- und Unterhitze etwa vierzig Minuten lang goldbraun backen. Phantastisch, und am nächsten Tag aus der Mikrowelle sind sie noch genauso gut.

Ich hatte mir längst die Schürze umgebunden, die mir meine Mutter geschenkt hatte. Schwarz mit weißer Handschrift darauf.

La Cucina di mammaè sempre la miglioreperché è fatta con amore

Das Essen bei Mamaist immer das Besteweil es mit Liebe gemacht ist

Während ich das Wasser für die Nudeln aufsetzte, hörte ich im Hintergrund die Kennmelodie der ORF-Nachrichtensendung Zeit im Bild 2. Es war also schon zehn Uhr abends und damit aus Sicht vieler Ernährungsexperten zu spät für eine Mahlzeit mit allem Drum und Dran. Es heiße ja aus gutem Grund »Abendessen« und nicht »Nachtessen«, meinen sie.

Vielleicht haben sie recht, aber ich halte nichts von Dogmen in der Ernährung und von dem modernen Zwang zur Selbstoptimierung.

Jeder Mensch ist anders. In vielen Krankheitsfällen braucht deshalb jeder Mensche eine andere, individualisierte Therapie. Diese Erkenntnis bestimmt nicht zufällig die aktuellen Trends in der Medizin und sie gilt auch für die Ernährung. Nicht alles lässt sich verallgemeinern.

Meine Verdauung, zum Beispiel, kommt mit späten Mahlzeiten zurecht. Sogar mit Rohkost, die angeblich nachts im Magen gärt und den Schlaf stört. Mir ist es wichtiger, frisch zu kochen, als früh zu essen. Ich bin für Wohlfühl-Essen statt für gesunde Ernährung.

Meine Lieblingsgericht, Pasta, lasse ich mir sowieso von nichts und niemandem ausreden. Ich bin Deutscher und lebe in Österreich, aber meine Mutter stammt aus dem norditalienischen Cremona, wo auch die Stradivaris herkommen. Ich bin also Halbitaliener, und das am liebsten beim Essen.

Schon mein deutscher Vater erkannte die Vorzüge der italienischen Küche. Solange ich denken kann, kocht er auch gerne selbst die Gerichte meiner Mutter, Gnocchi, Lasagne, Moscardini, Polenta, Risotto und vor allem sein Lieblingsgericht, Ravioli mit Kürbisfüllung. Für alle, die es probieren wollen, findet sich ganz hinten in diesem Buch das Rezept dafür.

Die mediterrane Kost ist auch meine Leidenschaft. Pizza und Pasta, viel Gemüse, viel Fisch, Olivenöl. Ich kann mich stundenlang mit neuen Rezepten, einer besonderen Zubereitungsart oder Gewürzen befassen. Da prägte mich das Jahr vor dem Abschluss meines Studiums, das ich am Universitätsklinikum von Neapel verbrachte. Im gesellschaftlichen Leben der Süditaliener nimmt das Essen viel Platz ein. Die Pfleger brachten jeden Morgen ihren Melanzaniauflauf oder ihrer Lasagne und bereiteten in der Küche ihre Pasta aglio e olio zu. Manchmal legten sie dort sogar ihre Oliven oder Kapern ein.

Beim Mittagessen redeten alle vom Abendessen und beim Abendessen darüber, was es am Wochenende geben würde. In Süditalien ist der Lebensstandard niedrig, aber die Patienten brachten uns trotzdem ihre regionalen Spezialitäten mit. Jedes Dorf hat seinen eigenen Käse oder seine eigene Art, Nudeln zu machen.

Strenge Regeln haben für mich ihren Sinn. Im Job bin ich genau. Ein unaufmerksamer Moment reicht, um eine vielleicht wichtige Abweichung auf einem Scan zu übersehen. Fehler dieser Art kann ich mir nicht leisten. Ich schulde meinen Patienten Präzision. In meiner Freizeit und beim Essen ist das anders. Da will ich keine angeblich allgemeingültigen Regeln einhalten. Die Stadt Wien, in der ich lebe, hilft mir mit ihrer Nonchalance, meine exakte und meine lockere Seite in Einklang zu bringen.

Klar, mit Ernährung müssen wir uns befassen. Zu wichtig ist die Rolle, die sie in allen unseren Lebensbereichen spielt. Sie beeinflusst unser Gewicht und damit unsere Selbstwahrnehmung und den Blick der anderen auf uns, unsere Gesundheit und unseren Seelenzustand, unsere kognitiven Fähigkeiten und unser Sozialverhalten.

Erzwungene Selbstdisziplinierung war für mich aber nie die richtige Antwort auf die großen Ernährungsfragen. Ich beherzige einige Grundregeln. Zum Beispiel verarbeite ich am liebsten frische Zutaten. Kräuter sind bei mir grün, nicht blassgefroren. Tomaten hinterlassen einen charakteristischen Duft auf meinen Händen.

Ich will gar nicht von Tomaten zu reden anfangen, sonst geht es mir wie den Süditalienern und ich kann nicht mehr damit aufhören. Die besten der Welt, so viel sei gesagt, wachsen auf den Hängen des Vesuvs. Der Boden ist besonders fruchtbar. Tagsüber ist es heiß, nachts kalt. Deshalb ist ihre Schale dick und ihr Geschmack intensiv. Die Italiener hängen sie in Trauben auf ihren Terrassen auf. Dort halten sie bis zur nächsten Ernte im April.

Gute Lebensmittel erkenne ich am Geschmack, nicht an der Verpackung. Die Segnungen der Lebensmittelindustrie vermeide ich. Keine Fertigmenüs, keine Emulgatoren, keine Geschmacksverstärker und keine Konservierungsstoffe.

Auf meinen Teller kommen alle Arten von Lebensmitteln. Auch Fisch und Fleisch. Beides ebenfalls immer so frisch wie möglich und, wenn es geht, nicht verarbeitet. Wurst gibt es bei mir kaum. So gerne ich mich tagelang vegetarisch oder vegan ernähre, so wenig halte ich auch hier von Fertigprodukten, die geschmacklich Fleisch, Ei oder Käse imitieren. Sie sind voller Chemie.

Meine frisch zubereiteten Vermicelli waren fast fertig. Das große Geheimnis der italienischen Pasta besteht ja darin, sie zwei Minuten vor dem Garpunkt aus dem Topf zu nehmen und sie mit einer Kelle des Wassers und der Sauce in der Pfanne zu Ende zu garen. Dort vermengen sie sich mit der Soße und der Stärke aus dem verdampfenden Nudelwasser und werden perfekt.

Mit einem Glas frischer Limetten-Minze-Limonade dazu setzte ich mich an den Esstisch. Für die passende Stimmung spielte ich nach längerem wieder einmal Songs von Jovanotti und sah beim langsamen Kauen aus dem Fenster hinüber zum Schloss Belvedere, dessen Fassade in den Wiener Nachthimmel strahlte. Jeder Bissen bereitete mir Freude. Beim Essen bin ich ein Nerd, aber ich muss auch aufpassen.

Der Stoffwechsel eines Jugendlichen verzeiht viel, aber mit 34 ist das anders. Im Gegensatz zu meinem Bruder habe ich die mediterranen Gene geerbt und nehme leicht zu. Es kommt darauf an, sich Grenzen zu setzen und körperlich einigermaßen in Bewegung zu bleiben. Es gab einen Moment in meinem Leben, in dem ich das verstand. Weiter so und du wirst dick, dachte ich damals.

Davor hatte ich das zweite Steak auch noch genommen, wenn es mir jemand anbot. Einfach weil es gut schmeckte. Von diesem Moment an beobachtete ich mich selbst und legte mir Konzepte für den Umgang mit solchen Angeboten zurecht. Wenn ich »ja, bitte« statt »nein, danke« sagte, konnte ich ein paar Minuten länger essen und mich am Geschmackserlebnis erfreuen. Danach brachte es keine Vorteile, sondern nur Nachteile. Das aufregende Geschmackserlebnis würde ich bei der nächsten Mahlzeit, die unvermeidlich kommen würde, wieder haben.

Ich habe mir angewöhnt, vor dem Essen vom Stress des Alltags herunterzukommen. Wer entspannt isst, isst erwiesenermaßen weniger und da kam mir meine Leidenschaft für das Kochen entgegen. Während ich koche, komme ich zur Ruhe. Wenn ich dann esse, muss es meistens gar nicht mehr so viel sein, wie ich beim Vorbereiten der Zutaten noch dachte.

Jovanotti sang Gli Immortali (Die Unsterblichen), als ich meine Mahlzeit mit einer Feige abschloss. Ich war ganz bei mir angekommen und ließ wie immer, wenn ich Zeit hatte, meinen Arbeitstag Revue passieren. Dabei fiel mir Thomas Pal ein.

Ein ehrlicher Patient

Thomas Pal, einer meiner Patienten an diesem Tag, konnte Ärzte nicht ausstehen, wie er mir ziemlich unverblümt mitteilte. Er hatte als Student nach einer Operation quälende Wochen auf einen Befund gewartet, den das Krankenhaus verlegt hatte. Statt das zuzugeben, hatten die Ärzte ihn im Kreis geschickt, während seine letztlich unbegründete Angst wuchs, womöglich an einer unheilbaren Krankheit zu leiden.

Der Patient Pal hatte mir einige ältere Befunde mitgebracht. Eine Verletzung im Bereich des Wirbels C5 machte ihm seit Jahren zu schaffen. Seine Versuche, das selbst hinzukriegen, waren vergeblich geblieben. Ein befreundeter Orthopäde hatte ihn nun zu mir überwiesen. »Was halten Sie von einer Operation?«, fragte ich ihn.

Er winkte ab. »Ich kenne zu viele Menschen, die nach harmlosen Bandscheibenoperationen nie wieder ganz die Alten wurden. Solange keine ernste Gefahr für den Bewegungsapparat besteht, vermeide ich das.«

Offenbar hatte er sich darüber online gut informiert. Thomas Pal war 52, also deutlich älter als ich, aber digital im Vergleich zu mir recht fit.

Ich habe einen Hang zum Analogen. Selbst Jovanotti höre ich mit einem Retro-Plattenspieler von einer LP, die ich aus Neapel mitgebracht habe. Pal hingegen trug eine Health Watch, deren Daten über seinen Gesundheitszustand er mehrmals in unser Gespräch einbrachte. Das MRT-Gerät schien ihn aber ebenso zu beunruhigen wie ich als Arzt. »War’s schlimm?«, fragte ich ihn, als er wieder heraus kam.

»Wieviel Tesla hat die Röhre?«

»Vom Fach?«

»Eine glücklose Episode mit einer Radiologin.«

Ich nickte. »Nicht alles, was ein Tesla ist, hat ein Lenkrad.«

»Was haben Sie gesehen?«

»Alles.«

»Wie sieht C5 aus?«

»Der Wirbel hat sich gegenüber Ihren früheren Befunden kaum verändert. Gibt es besondere Umstände, die Ihre Schmerzen verursachen könnten? Neues Bett? Neuer Job? Neues Hobby?«

»Neues Gewicht«, sagte er.

Das machte Sinn. Sein Gewicht zeigte sich nicht nur in Rückenschmerzen und einem Doppelkinn, es hatte auch seine Organe und sein Gewebe schon verändert. Die Leber war zu groß. Eine beginnende Fettleber vermutlich. Auch an anderen Stellen entdeckte ich erste Schädigungen.

»Bestimmt erzählen Sie mir gleich etwas über falsches Essen und mangelnde Bewegung«, sagte Pal. »Wahrscheinlich sollte ich jede Woche dreißig Kilometer laufen, nur Kohlsprossen essen und Sachertorten durch frische Luft ersetzen. Aber ich sag’s Ihnen gleich, ich hasse Sport. Ich hasse schlechtes Essen. Ich hasse Lufttorten.«

»Ich auch«, antwortete ich.

Sekunden lang sahen wir uns stumm an. In einem Seminar über die Arzt-Patienten-Kommunikation hatte ich zu schweigen gelernt. »Geben Sie den Menschen Zeit, ihre Fragen zu finden und zu stellen«, hatte die vortragende Psychologin erklärt. »Wer mit Antworten um sich wirft, bevor das Problem einen Namen hat, redet an Bedürfnissen vorbei.«

»Was schlagen Sie vor?«, fragte Thomas Pal.

Amerikanische Touristen

Die Idee für den Vorschlag, den ich ihm machen wollte, hatte ich etwa ein halbes Jahr davor gehabt. An einem Tag, an dem ich ausnahmsweise mit dem Auto zur Arbeit gefahren war. Meistens nehme ich die U-Bahn, aber damals musste ich meine Anzüge aus der Reinigung holen. So steckte ich am Morgen im Stau. Auf der Höhe des Wiener Burgtheaters hatte ich ein denkwürdiges Erlebnis.

Ein Reisebus hielt in der Nebenfahrbahn. Die rund vierzig Menschen, die ausstiegen, wirkten alle krank. Ein älterer Herr mit Schirmkappe und der Baseballjacke einer amerikanischen Hochschule hielt sich angestrengt an seinem Rollator fest. Zwei andere saßen ihrer Adipositas wegen in überbreiten Rollstühlen. Zunächst hielt ich sie für Bewohner eines Pflegeheims.

Gleichzeitig hörte ich einen Podcast über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Medizin, den mir ein Kollege empfohlen hatte. Die KI würde unser Fach, die Radiologie, maßgeblich verändern. Sie war schneller und genauer bei der Diagnose. Das hatte sich bei Tests gezeigt, bei denen sie ganze Teams ausgewiesener Experten etwa bei der Früherkennung von Tumoren übertraf.

Wer lässt sich schon gerne ins Handwerk pfuschen, von einer Maschine mit horrendem Stromverbrauch? Anfangs war ich kein Freund der KI gewesen. Inzwischen hatte ich meine Einstellung zu ihr gefunden. Die menschliche Interaktion würde sie nicht ersetzen können. Intuition, die heilende Wirkung des ärztlichen Gespräches und der ärztlichen Berührung, das alles würde sie nicht lernen.

Ohne Menschen wäre das Gesundheitswesen ein kalter Apparat, der wahrscheinlich so krank macht, wie er heilt.

Doch von Menschen richtig eingesetzt, bot die KI Chancen. Es entstand eine Welt, in der sich Menschen um das Menschliche kümmern und den Rest Maschinen überlassen konnten. Unseren Selbstwert aus dem Strampeln in einem Hamsterrad zu beziehen, war eine Idee des Kapitalismus und der war menschheitsgeschichtlich noch relativ jung. Hunderttausende Jahre lang hatten unsere Vorfahren nur gejagt, gesammelt und sich ein wenig um ihre Unterkünfte gekümmert. Den großen Rest ihrer Zeit hatten sie sich miteinander befasst.

Während ich weiterhin vor dem historistischen Prachtbau des Burgtheaters im Stau stand und mir den Podcast anhörte, betrachtete ich neuerlich die Gruppe da draußen. Aus einem Pflegeheim konnte sie nicht sein, dachte ich jetzt. Dafür waren die Männer und Frauen zu jung. Manche konnten keine fünfzig sein. Das waren normale Amerikaner auf Europatour, begriff ich. Fünf Gehstöcke, drei Rollatoren, zwei Rollstühle.

Eine junge Frau und ihr Lebensgefährte stachen mir ins Auge, beide bereits übergewichtig. Frauen mit einem BMI über 28 haben ein 2,8 Prozent erhöhtes Risiko, unfruchtbar zu sein, ging es mir durch den Kopf. Gleichzeitig treten während der Schwangerschaft häufiger Komplikationen auf, zum Beispiel Eklampsie, einer Form von Krampfanfällen. Adipöse Frauen haben ein mehr als vier Mal höheres Risiko, ihr Kind tot zur Welt zu bringen. Ob diese junge Frau das nicht wusste? Ob es ihr egal war?

Und wie mochte dieser ältere Herr mit Schirmkappe und Baseballjacke vor 35 Jahren ausgesehen haben? Er musste kräftige Schultern gehabt haben, spielte vielleicht in der Baseballmannschaft seiner Uni und brauchte für den Homerun, einmal rund ums Spielfeld, wahrscheinlich so lange wie heute von der Bustür zur Gehsteigkante. Übergewicht mit gesundheitsschädlichen Ausmaßen, das war ein fundamentales amerikanisches Problem.

Die Autos bewegten sich wieder einige Meter weiter. Im Podcast ging es gerade um Kai-Fu Lee, einen der wichtigsten KI-Forscher. Er hat Konzerne wie Apple, Google und Microsoft in Sachen Künstliche Intelligenz beraten und sieht die Medizin an einem Wendepunkt. Die Welt werde in den kommenden zwanzig Jahren auf KI-basierte Gesundheitsversorgung umschwenken. Die KI werde diagnostizieren und Therapiepläne entwickeln und Ärzte würden ihre Patientinnen und Patienten dabei begleiten und beraten.

Dieses KI-Gesundheitssystem komme nicht über Nacht, so Lee. Es übernehme vielmehr allmählich immer neue Bereiche, etwa auch die Medikamententwicklung. In der Allgemeinmedizin werde die KI anfangs im Hintergrund den Ärzten zuarbeiten. Bis die Ärzte zu den menschlichen Vertretern der KI werden. Zu fürchten brauche sich davor niemand. Wir alle würden mit KI länger gesund bleiben und Krankheiten früher und genauer erkennen.

Währenddessen fragte ich mich, was diese Welt bloß aus den Menschen im Reisebus gemacht hatte. Waren sie selbst schuld? Hatten sie keine Disziplin? Oder aßen sie nur das Falsche?

Zucker, Fett und Geschmacksverstärker hatten wohl ihr Werk vollbracht. Ich wusste als Radiologe, was das alles mit ihren Knie- und Hüftgelenken, mit ihren Bandscheiben, Lebern und Gefäßen machte. Dazu kamen die häufig unbehandelten Begleiterscheinungen wie Bluthochdruck und Zuckerkrankheit. Sie alle riskierten Schlaganfälle, Herzinfarkte und absterbende Gefäße. War das nötig?

Als ich das Burgtheater hinter mir ließ und nun schneller vorankam, hatte ich die Idee, die ich heute Thomas Pal vorgeschlagen hatte. Ich hatte sie in den vergangenen sechs Monaten durchgedacht und medizinisch aus verschiedenen Perspektiven für den weiblichen und für den männlichen Körper betrachtet. Jetzt war sie reif für den Praxistest und Thomas Pal schien mir ein passender Patient Null zu sein. Weil er in Sachen Übergewicht noch kein hoffnungsloser Fall war und weil er ein digitaler Mensch war.

Ein Konzept, das alles verändert?

E lo ridico ancoraPer impararlo a memoriaIn questi giorni impazzitiChe qui si fa la storiaE lo ripeto ancoraFino a strapparmi le corde vocaliOra che siamo quiOra che siamo quiOra che siamo quiNoi siamo gli immortaliNoi siamo gli immortaliOra che siamo qui

Und ich wiederhole es nochUm es auswendig zu könnenIn diesen verrückten TagenWo Geschichte entstehtUnd ich wiederhole es nochBis die Stimmbänder versagenJetzt wo wir hier sindJetzt wo wir hier sindJetzt wo wir hier sindWir sind die UnsterblichenWir sind die UnsterblichenJetzt wo wir hier sind