Recht für Architekten und Bauingenieure - Dirk R. Wühr - E-Book

Recht für Architekten und Bauingenieure E-Book

Dirk R. Wühr

0,0

Beschreibung

Architekten und Bauingenieure müssen zur erfolgreichen Führung ihrer Bauplanungsprojekte ständig Vertragsrecht anwenden. Dazu ist die Kenntnis der wesentlichen Prinzipien des Architekten- und Bauingenieurrechts und der zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten erforderlich. Der Autor greift zahlreiche Situationen aus der Praxis auf, mit denen Projektleiter auf der Auftragnehmerseite typischerweise konfrontiert werden und ordnet diese ein. Anhand von Best-Practice-Empfehlungen und Checklisten zeigt der Autor auf, wie die thesenartig dargestellten Grundlagen in konkrete Handlungen umgesetzt werden können.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 424

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorbemerkung

Das Führen eines Planungs- und Bauüberwachungsprojekts von der Angebotsabgabe bis zum Erhalt der Abnahme der eigenen Architekten- oder Ingenieurleistung erfordert eine ständige Anwendung von Vertragsrecht.

Eine solche Steuerung ist bereits aufgrund der Komplexität der Materie nicht immer einfach.

Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet es jedoch, wenn vorhandene Rechtskenntnis mit grundsätzlichen Informationslücken und Fehlvorstellungen einhergeht und damit Auftragnehmern die ausreichend breite Basis fehlt, im Laufe des Projekts ihre Interessen erfolgreich wahrzunehmen.

Das vorliegende Buch will dem entgegentreten und Auftragnehmern eine Auseinandersetzung mit den grundlegenden Prinzipien des Architekten- und Bauingenieur-Vertragsrechts ermöglichen als auch praktische Hinweise an die Hand geben.

Es ist aus der Beratungs- und Fortbildungspraxis entstanden und beschäftigt sich sowohl mit den wesentlichen Zügen des (Werk-) Vertragsrechts als auch mit stets wiederkehrenden Fallgestaltungen.

Ein wissenschaftlicher Anspruch wird nicht verfolgt. Auf das Anführen gerichtlicher Entscheidungen wurde bewusst verzichtet. Dies in der Absicht, die gelegentlich festzustellende Fixierung auf Urteile bzw. deren Vermarktung zu lösen und den Blick stattdessen auf grundlegende Prinzipien zu lenken.

Jeder Fall ist anders. Auch bei Kenntnis der grundlegenden Prinzipien sollte daher bei rechtlichen Einzelfragen im konkreten Projekt frühzeitig der Weg zu einem spezialisierten Rechtsanwalt bzw. zum Unternehmensjuristen gefunden werden.

Das Urteil des EuGH vom 04.07.2019 zur Unionsrechtswidrigkeit der HOAI wurde berücksichtigt. Insoweit wird die weitere Entwicklung abzuwarten sein.

München, im September 2019

Mit den im Folgenden verwendeten Begriffen des Auftraggebers und des Auftragnehmers sind die Vertragsparteien des Werkvertrags gemeint, juristisch korrekt also der Besteller und der Werkunternehmer, und nicht die Vertragsparteien eines Auftragsvertragsverhältnisses. Die Bezeichnungen „Auftraggeber“ und „Auftragnehmer“ entsprechen jedoch der in Verträgen über Architekten- und Bauingenieurleistungen üblichen Terminologie und sind überdies leichter zu lesen.

Zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wurde auf eine geschlechtsneutrale Wortwahl verzichtet. Die männliche Form schließt die weibliche mit ein.

Stand der vorliegenden Ausgabe: August 2019

Inhaltsübersicht

Der Vertrag

01 Grundbegriffe des Zivilrechts

02 Der Vertrag als Anspruchsgrundlage

03 Vertragsschluss durch Angebot und Annahme

04 Schweigen ist keine Willenserklärung

05 Die Vertragsurkunde als Beweismittel

06 Allgemeine Geschäftsbedingungen

07 Vertragsinhalt oder nur Geschäftsgrundlage?

08 Trennung des Vertragsinhalts in Leistungssoll und Vergütung

Besonderheiten des Werkvertrages

09 Werkvertrag oder Dienstvertrag?

10 Das Kooperationsgebot

11 Die gesetzliche Vermutung der üblichen Vergütung

12 Was ist unter der Vorleistungspflicht zu verstehen?

13 Das Anordnungsrecht des Auftraggebers

14 Die Abnahme als „Dreh- und Angelpunkt“ des Werkvertrages

15 Kündigungen im Werkvertrag

16 Nachbesserungspflichten und Ersatzvornahme

17 Gesamtschuldnerische Haftung

18 Besicherungen des werkvertraglichen Vergütungsanspruches

Das Leistungssoll

19 Die Elemente des Leistungssolls

20 Miteinander inkompatible Leistungssollelemente (Zielkonflikte)

21 Trennung von Leistungszielen und Leistungsumfang

22 Objektbezogene Leistungsziele allgemein

23 Objektbezogenes Leistungsziel Kostenobergrenze

24 Die Leistungszeit

25 Die Leistungsreihenfolge

26 Die Konkretisierung des Leistungssolls

27 Mitwirkungspflichten des Auftraggebers

Die Vergütungsvereinbarung

28 Die Vergütungsvereinbarung

29 Vertragliche Vergütungsvereinbarung und HOAI

30 Degressionseffekt der HOAI-Honorartafeln

31 Objektbildung

32 Anrechenbare Bausubstanz und Umbauzuschlag

33 Kostenberechnung und Entwicklung der anrechenbaren Baukosten

34 Honorarzone und Honorarsatz

Änderungen des Leistungssolls

35 Erkennen von gewünschten Änderungen des Leistungssolls

36 Trennung von Zusatz- und Nachtragsvereinbarung

37 Pflicht zur Änderung des Leistungssolls

38 Umgang mit gewünschten Leistungssolländerungen

39 Herleitung des Anspruchs auf Vergütungsanpassung

40 Grundsätzliches zur Darstellung eines Vergütungsanspruchs für geänderte und zusätzliche Leistungen

41 Aufbau eines Angebots über noch zu erbringende geänderte oder zusätzliche Leistungen

42 Aufbau einer Vergütungsforderung für bereits erbrachte Leistungen

43 Vergütung von Wiederholungsleistungen nach der HOAI

44 Vergütungsanpassung wegen Leistungszeitänderung

45 Umgang mit Kürzungen von Zeithonoraren

Grundlagen des Projektmanagements

46 Das Instrumentarium des Auftragnehmers

47 Technische Leistungsstandkontrolle

48 Beratungspflichten gegenüber dem Auftraggeber

49 Externer Statusbericht

50 Die Bedenkenanzeige

51 Die Behinderungsanzeige

52 Planen auf Basis vorläufiger Annahmen

53 Managen des Leistungssolls

54 Einstellung der Leistung / Kündigung

55 Umgang mit Mangelvorwürfen

56 Umgang mit Verzugsvorwürfen

57 Verlust oder Gefährdung des Versicherungsschutzes

58 Typische Fehler und Fehlvorstellungen

59 Anforderungen an eine geordnete Dokumentation

Besonderheiten bei Bauüberwachungen

60 Grundsätze der Bauüberwachung

61 Das Bauüberwachungskonzept

62 Die Dokumentation von Bauüberwachungsleistungen

Checklisten

63 Checkliste Vertragsprüfung allgemein

64 Vertragsprüfung: Außergew.. Risiken aus der Vertragsgestaltung

65 Die „Goldenen Regeln“ in der Projektbearbeitung

66 Checkliste zur Untersuchung unbekannter Projekte

Grundbegriffe des Zivilrechts

Grundprinzipien:

1.)

Ein Sachverhalt ist immer zunächst danach zu differenzieren, welche Schuldverhältnisse jeweils zwischen beteiligten Personen bestehen. Jedes Schuldverhältnis ist für sich zu betrachten. Es ist nicht möglich, ohne Vorhandensein eines entsprechenden Verweises vom Inhalt eines Vertragsverhältnisses auf den Inhalt eines anderen Vertragsverhältnisses zu schließen.

2.)

Man unterscheidet zwischen gesetzlichen und vertraglichen Schuldverhältnissen.

a)

Gesetzliche Schuldverhältnisse bestehen aufgrund Gesetzes, d.h. ohne dass es einer gemeinsamen vertraglichen Regelung durch die betreffenden Personen bedarf.

Gesetzliche Schuldverhältnisse sind:

Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger wegen unerlaubten Eingriffs in eine Rechtsposition des Geschädigten;

der Bereicherungsanspruch des Entreicherten gegen den Bereicherten. Bereichert ist eine Person, der die Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen eines Gegenstandes abhanden gekommen ist.

b)

Vertragliche Schuldverhältnisse sind solche, die aufgrund einer zwischen mindestens zwei Personen geschlossenen Vereinbarung - dem Vertrag im Rechtssinne - zustande gekommen sind.

3.)

Damit Ansprüche einer Person gegen eine andere auf ein bestimmtes Tun oder Unterlassen begründet sind, bedürfen sie einer Anspruchsgrundlage, deren Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Die Anspruchsgrundlage ist ein zwischen dem Anspruchsteller und dem Anspruchsgegner bestehendes Schuldverhältnis, das den Anspruchsteller dazu berechtigt, vom Anspruchsgegner ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.

Auch ein Gericht kann einen geltend gemachten Anspruch (z.B. auf Leistung, auf Unterlassung, auf Zahlung) nicht einfach aus freien Stücken zuerkennen. Vielmehr muss das Gericht prüfen, welche Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch in Betracht kommt und ob deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Wenn das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen unklar ist, muss es hierüber ggf. Beweis erheben.

4.)

Die Anspruchsgrundlage bei vertraglichen Schuldverhältnissen sowohl für die verlangte Leistung als auch für die verlangte Gegenleistung besteht entweder in dem geschlossenen Vertrag selbst oder in einer gesetzlichen Regelung, die an den geschlossenen Vertrag anknüpft, sofern dieser einem bestimmten gesetzlichen Vertragstypus (z.B. Kaufvertrag, Werkvertrag, Dienstvertrag) entspricht.

Die meisten dieser gesetzlichen Bestimmungen können allerdings durch die Vertragsparteien in Form von ausgehandelten Verträgen abbedungen werden. Es herrscht insoweit der Grundsatz der Vertragsfreiheit.

Um die Rechtslage festzustellen, ist daher immer zuerst zu prüfen, was die Vertragsparteien dazu vertraglich vereinbart haben.

Die Bestimmung, welchem gesetzlichen Vertragstypus der Inhalt eines geschlossenen Vertrages zuzuordnen ist, unterliegt hingegen nicht der Vertragsfreiheit, sondern erfolgt objektiv, d.h. letztlich durch den Richter. Die Vertragsparteien können daher allein durch die Wahl der Bezeichnung ihres Vertrages nicht festlegen, welche gesetzlichen Bestimmungen mit diesem Vertragsverhältnis verbunden sind. Das geht nur über die Ausgestaltung der Leistungspflicht.

5.)

Die Vertragsparteien sind an die von ihnen geschlossenen Verträge gebunden (Pacta sunt servanda).

Eine einzelne Vertragspartei kann also nicht dadurch aus einem geschlossenen Vertrag wieder aussteigen, indem sie für sich insgeheim beschließt, das alles ginge sie nichts mehr an.

Auch ein Gericht ist an einen von den Parteien geschlossenen Vertrag gebunden und kann nicht einfach unterstellen, dass sich der einmal von den Parteien geschlossene Vertrag später plötzlich nicht mehr gegolten habe.

6.)

Die Vertragsparteien können jederzeit gemeinsam eine einmal geschlossene Vereinbarung aufheben oder abändern (Vertragsaufhebung, Vertragsänderung).

Auch dies ist Ausdruck ihrer Vertragsfreiheit.

Der Umstand, dass die Vertragsparteien ihren Vertrag anders leben als sie vereinbart haben, ändert den geschlossenen Vertrag nicht. Für eine Vertragsänderung ist ein gemeinsamer rechtsgeschäftlicher Änderungswillen erforderlich. Um einen solchen annehmen zu können, ist eine bloße vom Vertrag abweichende Praxis nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es weiterer Indizien, welche den sicheren Rückschluss darauf zulassen, dass die Vertragsparteien den gemeinsamen Rechtsbindungswillen hatten, ihren einmal geschlossen Vertrag abzuändern oder gar aufzuheben.

7.)

Die Kündigung ist die Zerstörung eines bestehenden Vertragsverhältnisses durch nur eine der Vertragsparteien, d.h. durch einen einseitigen Akt.

Man unterscheidet zwischen der ordentlichen Kündigung und der außerordentlichen Kündigung. Das Unterscheidungskriterium zwischen beiden Kündigungsarten ist nicht die Kündigungsfrist, innerhalb derer die Kündigungen ihre Wirkung entfalten. Die außerordentliche Kündigung unterscheidet sich von der ordentlichen Kündigung vielmehr darin, dass sie nur dann wirksam ist, wenn sie durch mindestens einen besonderen Kündigungsgrund gerechtfertigt ist. Die ordentliche Kündigung bedarf hingegen keinerlei Rechtfertigungsgrundes.

Zu unterscheiden ist ferner zwischen der gänzlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses insgesamt und der bloßen Teilkündigung, welche sich nur auf bestimmte Leistungen bezieht, während das Vertragsverhältnis in Bezug auf die übrigen Leistungspflichten weiterbesteht.

Von der Kündigung bzw. Teilkündigung des Vertragsverhältnisses zu unterscheiden ist die bloße Leistungseinstellung. Die gänzliche oder teilweise Leistungseinstellung ist gegenüber einer Kündigung das deutlich mildere Mittel. Die Leistungseinstellung wirkt allein in tatsächlicher Hinsicht und ist nicht unmittelbar rechtsgestaltender Natur.

Die Kündigung durch den Auftragnehmer als auch die Leistungseinstellung haben aber gemein, dass sie den Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages berechtigen, wenn sie ohne ausreichenden Grund erfolgten.

8.)

Sofern ein Vertragsverhältnis nicht vorher einvernehmlich aufgehoben wurde oder durch eine der Vertragsparteien rechtswirksam gekündigt wurde, endet ein Vertragsverhältnis grundsätzlich durch die Erfüllung der wechselseitigen vertraglichen Pflichten.

Im Werkvertragsrecht besteht die Besonderheit, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit haben, im Wege der Abnahme der Leistungen des Auftragnehmers Klarheit über die Beendigung seiner vertraglichen Leistungspflichten herbeizuführen.

9.)

Nach der Beendigung einer vertraglichen Leistungspflicht können nachvertragliche Pflichten weiterbestehen. Insbesondere sind hier Mängelansprüche auf Grundlage einer vertraglich vereinbarten oder aufgrund der gesetzlichen Mängelhaftung (früher: Gewährleistung) zu nennen.

10.)

Derjenige, der für sich einen Anspruch oder günstige Behauptung geltend macht, muss deren sachliche Voraussetzungen darlegen (Darlegungslast) und sie im Falle des Bestreitens durch den Anspruchsgegner auch beweisen (Beweislast).

Hieraus folgt die Obliegenheit, d.h. eine im eigenen Interesse gebotene Verhaltensweise, stets dafür zu sorgen, dass es für die eigene Position ein geeignetes Beweismittel gibt.

Das betrifft den Vertragsschluss selbst, aber auch Nachtrags- und Zusatzvereinbarungen sowie während des Projekts erfolgte Absprachen zur Durchführung des jeweiligen Vertragsverhältnisses.

Das beste Beweismittel ist ein von beiden Vertragsparteien gemeinsam unterzeichnetes Schriftstück.

Standardsituation 01:

Trennung nach Vertragsbeziehungen / Darlegungs- und Beweislast

Der Subplaner S verlangt von Planer P für erbrachte Subplanungsleistungen die Zahlung eines Honorars in bestimmter Höhe. Die Leitungen hat S unstreitig erbracht. Planer P bestreitet lediglich, dass er mit Subplaner S eine Vergütungsvereinbarung in der von S geltend gemachten Höhe vereinbart habe.

Subplaner S verfügt über keine Vertragsurkunde, aus der sich eine entsprechende Vergütungsvereinbarung ergibt.

Subplaner S beruft sich aber auf den Hauptvertrag zwischen dem Hauptauftraggeber und Planer P. Dort sei eine entsprechende Vergütung vereinbart worden. Diese müsse dementsprechend nun auch für ihn, Subplaner S, gelten. - Hat S recht?

Antwort:

Bei mehreren vorhandenen Personen genau nach deren jeweiligen Vertragsbeziehungen untereinander zu trennen.

Was der Hauptauftraggeber und P vereinbart haben, betrifft folglich nur deren Vertragsverhältnis. Dieses ist für das Bestehen und den Inhalt des Vertragsverhältnisses zwischen P und S völlig irrelevant.

Es kommt hier also allein auf das Vertragsverhältnis zwischen P und S an.

Zwar mag es zwischen ihm und Planer P eine entsprechende Vereinbarung gegeben haben, aus der sich die Höhe des von S geltend gemachten Vergütungsanspruchs ergibt. Für diesen für ihn günstigen Sachverhalt ist S aber darlegungs- und beweislastpflichtig.

Ergebnis: Ein Vergütungsanspruch speziell in der von S geltend gemachten Höhe wird ihm nicht zuerkannt werden können. S scheitert an der ihm obliegenden Last, darlegen und beweisen zu müssen, dass es zwischen ihm und P eine Honorarvereinbarung geschlossen wurde, deren Voraussetzungen erfüllt sind und aus denen sich der von S konkret geltend gemachte Vergütungsanspruch ergibt.

Zur Frage des Anspruchs auf die übliche Vergütung siehe Kapitel 11.

Standardsituation 02:

Zuordnung zu gesetzlichem Vertragstypus anhand der Hauptleistungspflicht

Subplaner S hat gehört, dass Auftragnehmer eines Werkvertrages einen bestimmten Erfolg schulden, Auftragnehmer eines Dienstvertrages hingegen nicht. Da ihm das Einstehen für einen bestimmten Erfolg als zu riskant erscheint, besteht er darauf, dass der Vertrag über von ihm zu erbringende Planungsleistungen die Überschrift „Dienstvertrag“ erhält.

Liegt S in seiner Einschätzung richtig?

Antwort:

Welchem gesetzlichen Vertragstypus ein Vertrag zuzuordnen ist, bestimmt sich nach dem Inhalt der vereinbarten Leistungspflichten und nicht nach der von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnung. Die Vertragsfreiheit der Vertragsparteien beinhaltet lediglich, dass sie den Inhalt ihres Vertrages, d.h. das Leistungssoll, die Vergütung und die vertraglichen Nebenbestimmungen, selbst bestimmen. Es können dabei auch gesetzliche Bestimmungen, die an das Vorliegen eines bestimmten Vertragstypus anknüpfen, abbedungen werden, nicht aber die Einordnung selbst.

Welchem gesetzlichen Vertragstypus ein Vertrag zuzuordnen ist, bestimmt sich objektiv nach dem Schwerpunkt der von den Parteien vereinbarten Hauptleistungspflicht des Auftragnehmers.

Standardsituation 03:

Die vom Vertrag abweichende Praxis

Ein Vertrag sieht ausdrücklich vor, dass der Auftragnehmer einen monatlichen Bericht über die wesentlichen Entwicklungen in der Durchführung des Vertragsverhältnisses zu erstellen hat.

Der Auftragnehmer fertigt über zwei Jahre hinweg keine solchen Berichte an und der Auftraggeber fordert sie auch nicht.

Erst als im Projekt erhebliche Schwierigkeiten entstehen, fordert der Auftraggeber, dass der Auftragnehmer solche Berichte ab sofort anfertigt.

Der Auftragnehmer ist hiermit nicht einverstanden. Er habe genug zu tun, die planerischen Schwierigkeiten zu bewältigen und damit keine Zeit, jetzt auch noch Monatsberichte zu schreiben.

Der Auftragnehmer fragt, ob er dazu überhaupt noch verpflichtet ist, nachdem der Auftraggeber über lange Zeit keine Monatsberichte verlangt hat.

Antwort:

Die Praxis allein, dass der Auftraggeber über lange Zeit keine Monatsberichte gefordert hat und dass der Auftragnehmer auch keine angefertigt hat, ist nicht geeignet, einen Entfall der entsprechenden vertraglichen Verpflichtung herbeizuführen.

Es liegen auch keine sonstigen Indizien vor, die auf einen entsprechenden beidseitigen Rechtsbindungswillen der Vertragsparteien schließen lassen.

Das vertragliche Recht des Auftraggebers, die Anfertigung von Monatsberichten zu verlangen, besteht damit weiterhin.

Eine andere Frage ist es, ob die Geltendmachung dieser formal bestehenden Rechtsposition gegen Treu und Glauben verstößt. Das wäre der Fall, wenn keinerlei Interesse des Auftraggebers an der Anfertigung von Monatsberichten festgestellt werden könnte. Tatsächlich ist das aber nicht der Fall. Gerade in schwierigen Phasen hat der Auftraggeber ein Interesse daran, dass die Entwicklung des Projekts dokumentiert wird.

Die Pflichten aus einer getroffenen Vertragsvereinbarung verschwinden daher nicht einfach, nur weil der Vertrag bisher anders gelebt wurde.

Der Vertrag als Anspruchsgrundlage

Grundprinzipien:

1.)

Die Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf die Erbringung von Planungsleistungen oder Bauüberwachungsleistungen ist ein zwischen dem Anspruchssteller und dem Anspruchsgegner geschlossener Vertrag, aus dem sich ein solcher Anspruch ergeben muss.

Welche Leistungen ein Architekt oder Bauingenieur dem Auftraggeber schuldet, ergibt sich damit aus dem geschlossenen Vertrag und nicht aus der HOAI.

Die Vertragsparteien können zur Bestimmung des Leistungssolls zwar auf die HOAI Bezug nehmen. Anspruchsgrundlage ist damit aber weiterhin der Vertrag.

2.)

Auch für einen Anspruch auf die Zahlung eines Honorars bildet der zwischen dem Anspruchssteller und dem Anspruchsgegner geschlossene Vertrag die Anspruchsgrundlage, aus dem sich ein solcher Vergütungsanspruch ergeben muss.

Auch für die Bestimmung des vertraglich vereinbarten Honorars ist damit die vertraglich getroffene Vereinbarung ausschlaggebend und nicht die HOAI.

Zur Bestimmung der Vergütung können die Vertragsparteien zwar auf die HOAI Bezug nehmen. Anspruchsgrundlage für den Vergütungsanspruch bleibt aber der Vertrag.

3.)

Die Beantwortung von Rechtsfragen im Projekt zu Leistungs- oder Vergütungsfragen geht daher immer vom jeweils konkret geschlossenen Vertrag aus und nicht von Gesetzestexten, von der HOAI, von technischen Normen, von Leitsätzen zu Urteilen oder von Artikeln in Fachzeitschriften.

4.)

Der jeweils geschlossene Vertrag im Rechtssinne sind der ursprünglich geschlossene Vertrag und ggf. dazu vereinbarte Nachträge.

Zusatzaufträge hingegen bilden eigene Vertragsverhältnisse.

5.)

Aus dem Prinzip, dass der Vertrag im Zentrum aller Fragestellungen steht, die im Projekt entstehen können, ergeben sich für den Projektleiter folgende Kernaufgaben:

a)

Kernaufgabe des Architekten oder Bauingenieurs ist es, darauf zu achten, dass ein von ihm zu schließender Vertrag sowohl das Leistungssoll als auch die dazu passende Vergütung möglichst genau definieren.

b)

Kernaufgabe des Architekten oder Bauingenieurs ist es, darauf zu achten, dass die von ihm erbrachte Leistung stets dem aktuell bestehenden Leistungssoll entspricht.

Es darf nicht weniger geleistet werden.

Es darf nicht etwas anderes geleistet werden.

Es darf nicht zu viel geleistet werden.

c)

Kernaufgabe des Architekten oder Bauingenieurs ist es, dafür zu sorgen, dass für vom Auftraggeber gewünschte zusätzliche oder geänderte Leistungen zunächst eine vertragliche Grundlage geschaffen wird, bevor er mit deren Leistung beginnt.

6.)

Aus dem Prinzip, dass der Vertrag im Zentrum aller Fragestellungen steht, die im Projekt entstehen können, ergibt sich für die Vergütungsseite Folgendes:

Honorarrechnungen für erbrachte Leistungen, die nicht der vereinbarten Vergütungsregelung entsprechen, sind nicht vertragsgemäß und damit nicht prüfbar. Auf derartige Rechnungen muss der Auftraggeber keine Zahlungen leisten, selbst wenn die Höhe der für die erbrachte Leistung geltend gemachten Vergütung angemessen ist.

Standardsituation 04:

Wonach ist zu bestimmen, was geschuldet ist?

Bauingenieur B meint, die von ihm mit Auftraggebern vereinbarten Planungsverträge gingen niemanden etwas an. Er gibt daher die Planungsverträge nicht an sein Team weiter.

Das Planungsteam spult daraufhin die Grundleistungen wie immer ab, nämlich so wie sie in den Anhängen zur HOAI definiert sind.

Der Auftraggeber rügt die ihm vorgelegten Leistungen als unvollständig. Er verweist darauf, dass er im mit Bauingenieur B geschlossenen Vertrag die zu erbringenden Grundleistungen abweichend von den Grundleistungskatalogen der HOAI definiert hat.

Die Vergütungsvereinbarung des Vertrages weicht allerdings nicht von der HOAI ab.

Ein Mitarbeiter von B fragt, was nun gilt, der Vertrag oder die HOAI.

Antwort:

Sowohl das Leistungssoll als auch die Vergütung richten sich nach dem geschlossenen Vertrag.

Aus dem Vertrag heraus kann zur näheren Definition des Leistungsumfangs und der Vergütung auf die entsprechenden Stellen in der HOAI bzw. auf deren Anhänge verwiesen werden.

Solche Verweise sind vom Entfall der HOAI als staatlicher Vorgabe von Mindest- und Höchstpreisen (Urteil des EuGH vom 04.07.2019) nicht betroffen und sind auch weiterhin möglich.

Auch ist es möglich, nicht gänzlich auf die HOAI zu verweisen, sondern sowohl bei der Definition des Leistungsumfangs als auch bei der Definition der Vergütungsberechnung vom Modell der HOAI abzuweichen.

Im vorliegenden Fall wurden solche abweichende Grundleistungen vereinbart. Der Auftragnehmer hat danach mehr zu leisten als nach dem Modell der HOAI.

Die Vergütungsberechnung nach der HOAI wurde im Vertrag hingegen ohne Anpassung übernommen, obwohl sich die Vergütungsberechnung nach der HOAI an sich nur auf die Grundleistungen nach der HOAI bezieht. Auch eine solche vertragliche Vergütungsvereinbarung ist möglich!

Es gilt also insgesamt dasjenige, was im Vertrag vereinbart wurde.

Welche Good-Practice-Regeln folgen hieraus?

In von Auftraggebern verwendeten Vertragsentwürfen werden zu erbringende Grundleistungen oftmals abweichend von den Grundleistungskatalogen der Anlagen zur HOAI definiert. Gehen Sie daher vor Vertragsschluss die vom Auftraggeber im Vertragsentwurf beschriebenen Grundleistungen einzeln durch und vergleichen Sie sie mit den Formulierungen in der jeweiligen Anlage zur HOAI.

Akzeptieren Sie nicht einfach, dass das Honorarberechnungssystem der HOAI auf Grundleistungen angewendet werden soll, die anders als in den Anlagen zur HOAI definiert sind. Meist ist eine solche Abweichung in der Definition der Grundleistung mit Mehrarbeit für den Auftragnehmer verbunden. Versuchen Sie, hierfür eine angemessene Vergütung zu verhandeln, sei es in Form einer Vergütung für eine Besondere Leistung, sei es in Form einer Veränderung eines der HOAI-Honorarparameter.

Mit jedem Teammitglied sollte das vertragliche Leistungssoll besprochen werden und jedes Teammitglied sollte Zugang zum geschlossenen Vertrag, den Nachtrags- und Zusatzvereinbarungen haben, um sich selbst immer wieder während des Projekts über das aktuelle Leistungssoll informieren zu können.

Standardsituation 05:

Pacta sunt servanda (1)

Architekt A ist mit der Planung eines Bürogebäudes beauftragt. Er soll die Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 5 erbringen.

Damit sein Planungsteam in der Sache eingearbeitet bleibt und es sich nicht mehrmals mit dem Projekt beschäftigen muss, lässt Architekt A die Vorplanung (LPH 2) der wahrscheinlich vom Auftraggeber präferierten Variante von vornherein in einer Planungstiefe ausarbeiten, welche der Planungsqualität einer Entwurfsplanung (LPH 3) entspricht.

Der Auftraggeber lehnt die ihm vorgelegte Entwurfsplanung jedoch ab. Er habe eine Vorplanung bestellt und keine Entwurfsplanung. Auch möchte er hierauf keine Zahlungen vornehmen.

Architekt A kann dies in keiner Weise verstehen. Der Auftraggeber erhält doch als Vorplanung sogar erheblich mehr für sein Geld. Wie kann man da unzufrieden sein?

Muss der Auftraggeber die ihm vorgelegte Vorplanung annehmen und bezahlen?

Antwort:

Die Anspruchsgrundlage für einen Vergütungsanspruch des Architekten A ist der Vertrag. Der Vertrag sieht vor, dass er die Leistungsphasen 1 bis 5 erbringen soll. Dies ist so zu verstehen, dass jeweils Teilerfolge geschuldet sind. Es ist also als Ergebnis der Leistungsphase 2 eine Vorplanung vorzulegen, welche der üblichen Planungstiefe einer Vorplanung entspricht und es ist als Ergebnis der Leistungsphase 3 eine Entwurfsplanung vorzulegen, welche der üblichen Planungstiefe einer Entwurfsplanung entspricht.

Die Vorlage einer Vorplanung, welche eine Planungstiefe aufweist, welche der Entwurfsplanung entspricht, ist nicht vertragsgemäß. Vertraglich geschuldet wird ein eigenständiger Teilerfolg mit dem Inhalt einer Vorplanung, d.h. mit der an eine Vorplanung zu stellenden üblichen Planungstiefe. Nur für eine derart vertragsgemäße Leistung besteht auch ein Vergütungsanspruch.

Der Auftraggeber hat auch ein schützenswertes Interesse daran, dass die einzelnen Teilleistungserfolge erreicht werden und voneinander unterscheidbar bleiben. Dies aus folgenden Gründen:

Ein Planer, der in der Leistungsphase 2 eine erhöhte Planungstiefe erarbeitet, benötigt hierzu auch mehr Ressourcen. Er kann aber allenfalls das Honorar bis zur Erbringung einer üblichen Vorplanung abrechnen. Für seine Vorleistung in die Richtung einer Entwurfsplanung kann er noch keine Vergütung beanspruchen, was ihm möglicherweise wirtschaftliche Schwierigkeiten einbringt.

Dem Auftraggeber muss aber daran gelegen sein, dass der Auftragnehmer stets ein ausreichendes wirtschaftliches Auskommen hat.

Eine Vorplanung mit der Planungstiefe einer Entwurfsplanung birgt auch das Risiko, dass der Planer bei Vorliegen einer fortgeschrittenen Planung mit einem erheblichen Umplanungsaufwand konfrontiert ist, wenn der Auftraggeber eine andere Variante bevorzugt, die in der Leistungsphase 3 weiterverfolgt werden soll oder wenn der Auftraggeber Planungsänderungen in Auftrag gibt.

Dieser aufgrund fortgeschrittener Planung erforderliche zusätzliche Umplanungsaufwand kann in der Realisierung schwierig werden, weil der Planer hierzu einen höheren Aufwand betreiben muss und was ihn möglicherweise in zeitliche Schwierigkeiten bringt, Hieran kann der Auftraggeber kein Interesse haben.

Dem Auftraggeber als Ergebnis der Leistungsphase 2 eine Planung vorzulegen, welche schon die Anforderungen an eine Entwurfsplanung erfüllt, stellt damit, sofern dies nicht abgesprochen war, eher eine Bevormundung und Benachteiligung des Auftraggebers dar als etwas zu seinen Gunsten.

Der Auftraggeber kann hier die Vorplanung damit zu Recht als nicht geschuldet ablehnen und muss hierauf auch keine Vergütung zahlen.

Er kann vom Auftragnehmer verlangen, dass diese ihm eine Vorplanung übergibt, die einem üblichen Vorplanungsstand entspricht – pacta sunt servanda!

Im Übrigen ist die von Architekt A gewählte Vorgehensweise auch aus psychologischem Grunde schlecht: Der Auftraggeber wird ungern noch eine volle Leistungsphase 3 bezahlen wollen, wenn ihm ein entsprechendes Ergebnis schon mit dem Ende der Leistungsphase 2 vorgelegt wurde.

Standardsituation 06:

Pacta sunt servanda (2)

Architekt A möchte von ihm erbrachte Nachtragsleistungen abrechnen.

Sein Vertrag sieht vor, dass er hierzu ein Honorar nach der HOAI unter Zugrundelegung der Mindestsätze zu ermitteln habe.

Architekt A hingegen ermittelt die von ihm für die erbrachten Nachtragsleistungen benötigten Stunden und multipliziert diese mit einem von ihm als angemessen erscheinenden Stundensatz. Auf die Frage seines Kollegen, warum er dies so mache, antwortet er: „Nach der HOAI bekomme ich ja nichts.“

Der Auftraggeber lehnt die Begleichung der so geltend gemachten Nachtragsvergütung ab.

Architekt A findet dies ungerecht und fragt, ob er seine Leitungen einstellen könne.

Wäre dies rechtens?

Antwort:

Die Anspruchsgrundlage für einen Vergütungsanspruch für erbrachte Nachtragsleistungen findet sich im Vertrag.

Dabei gilt: Pacta sunt servanda! Vertragliche Vereinbarungen gelten immer und nicht nur situationsabhängig. Sie gelten demzufolge auch dann, wenn sie einem gerade nicht passen.

Das Verhalten des Auftraggebers ist damit rechtens, denn nur vertragsgemäß vorgenommene Abrechnungen sind prüfbar und auszugleichen.

Die Auffassung von Architekt A findet hingegen keine vertragliche Grundlage.

Lediglich wenn es Architekt A gelingt, den Auftraggeber zu überzeugen, gemeinsam die entsprechende Vergütungsregelung im Vertrag in eine neue Vergütungsvereinbarung zu ändern, kann A auf Basis einer solchermaßen neu getroffenen Vergütungsvereinbarung abrechnen.

Vertragsschluss durch Angebot und Annahme

Grundprinzipien:

1.)

Prägnant, wenn auch inhaltlich verkürzt kann man sich merken:

Ein Vertrag kommt durch mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande.

Präziser gilt:

Vertragliche Vereinbarungen kommen automatisch zustande, wenn

Eine der Parteien der anderen eine Willenserklärung hat zukommen lassen, die auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet ist,

diese Erklärung die wesentlichen Punkte des abzuschließenden Geschäfts enthält (Angebot),

die andere Partei gegenüber der ersten Partei innerhalb einer bestimmten Rechtsbindungsfrist ebenfalls die Erklärung hat zukommen lassen, sich vertraglich binden zu wollen,

diese Erklärung in den wesentlichen Punkten des Geschäfts mit dem Angebot übereinstimmt (Annahme).

Die wesentlichen Punkte, über die Übereinstimmung herrschen muss, sind die Inhalte der Hauptleistungspflichten. Bei Verträgen mit beidseitigen Hauptleistungspflichten sind dies eine hinreichend klare Beschreibung der zu erbringenden Leistung sowie eine Definition der dazu passenden Vergütung.

Die Einigung über die zu erbringende Leistung und über die dazu gehörende Vergütung bilden den Kern eines jeden Vertrages. Alles andere sind Nebenpflichten oder Nebenbestimmungen zum Vertrag. Eine Einigung hierüber muss nicht erfolgen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen, in der Praxis von Architekten- und Ingenieurverträgen meist „Allgemeine Vertragsbedingungen“ (AVB) genannt, sind für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt und können daher schon von der Natur der Sache her keine Hauptleistungspflichten enthalten. Sie bestehen durchweg aus Nebenbestimmungen. Sie dürfen folglich nicht mit dem Vertrag als Ganzes verwechselt werden.

Es macht daher nur eingeschränkt Sinn, in einem Projekt nur die AVB von einem Juristen prüfen zu lassen und zu meinen, der Jurist habe damit „den Vertrag“ geprüft, während man ihm den Kern der vertraglichen Einigung – das Leistungssoll und die Vergütung – gerade nicht gezeigt hat.

2.)

Bei Werkverträgen besteht die Besonderheit, dass es bei diesem Vertragstypus ausreichend ist, wenn sich die Vertragsparteien nur über die Vergütungspflicht als solche einig sind. Eine genaue Vergütungshöhe muss nicht vereinbart werden, damit ein Werkvertrag zustande kommt.

3.)

Ändert der Empfänger ein erhaltenes Angebot ab und sendet es zurück, so liegt darin die Ablehnung des Angebots durch den Empfänger verbunden mit einem neuen eigenen Angebot (vgl. § 150 BGB, abänderndes Angebot).

4.)

Mit dem Vertragsschluss kommt der Vertrag mit dem von den Vertragsparteien vereinbarten Leistungssoll und mit der vereinbarten Vergütung zustande.

Vereinbarungen erfolgten grundsätzlich auf Basis einer Verhandlung und können sich daher fundamental von dem unterscheiden, was der Auftraggeber ursprünglich wollte oder was der Auftragnehmer mit seinem letzten schriftlichen Angebot angeboten hatte.

Will man wissen, was als Verhandlungsergebnis vereinbart wurde, sieht man daher zuerst immer in der jeweiligen Vertragsurkunde (Hauptvertrag, Nachträge, Zusatzaufträge) nach, mit der dieses Ergebnis beurkundet wird und nicht in das irgendwann einmal erteilte Angebot.

5.)

Ein Vertragsschluss im Rechtssinne kommt automatisch durch zwei übereinstimmende, ggf. auch nur mündlich abgegebene Willenserklärungen zustande und nicht erst durch die Unterzeichnung einer gemeinsamen Vertragsurkunde.

Die Annahme, dass ein Vertragsschlusses erst mit der beidseitigen Unterzeichnung der Vertragsurkunde zustande kommen sollte, ist nicht ohne weiteres zulässig. Es müssen besondere Umstände vorliegen, die zwingend darauf

schließen lassen, dass die Vertragsparteien den rechtlichen Vertragsschluss von der beidseitigen Unterzeichnung der Vertragsurkunde abhängig machen wollten.

Ein Vertragsschluss kann daher auch schon durch eine als „Abruf“ oder „Bestellung“ bezeichnete Annahmeerklärung auf ein abgegebenes Angebot (z.B. ein Verhandlungsprotokoll) zustande kommen, ohne dass der Auftraggeber noch eine Vertragsurkunde aufsetzen würde. Insbesondere Industrieunternehmen praktizieren dies so häufig. Die Vertragsurkunde wird in diesem Fall aus der Bestellung und dem Verhandlungsprotokoll einschließlich der Anlagen zum Verhandlungsprotokoll gebildet.

6.)

In öffentlichen Vergabeverfahren kommt ein Vertrag durch den Zuschlag auf ein vom Bieter erteiltes Angebot zustande.

Bei öffentlichen Vergabeverfahren besteht die Besonderheit, dass der Bieter mit seinem Angebot auf einen vom Auftraggeber mit der Ausschreibung veröffentlichten Vertragstext Bezug nimmt und sich diesen damit zu eigen macht.

Nach erfolgtem Zuschlag sind Abänderungen des damit vom Bieter selbst angebotenen Vertragstexts folglich meist nur noch in einem sehr eingeschränkten Umfang möglich. Eine weitere Grenze setzt das Vergaberecht: Die Anpassung wesentlicher Textpassagen auf die Wünsche eines Bieters würde bedeuten, dass die Vergabebedingungen damit doch nicht für alle Teilnehmer gleich waren.

Die mit einer Ausschreibung veröffentlichten Vertragstexte sind demgemäß bereits vor der Abgabe eines Angebotes darauf zu überprüfen, ob man im Falle eines Zuschlages mit ihnen zurecht kommt oder nicht. Die Prüfung von Vertragstexten nach Abgabe eines Angebotes ist hingegen nur eingeschränkt sinnvoll, denn eine Risikoabwägung zum Vertragsschluss kann nicht mehr zum Tragen kommen.

7.)

Der Vertragsschluss erfolgt grundsätzlich formfrei, d.h. ohne den zusätzlichen Akt einer Beurkundung in Schriftform.

a) Ausnahme 1:

Bei Gemeinden und Landkreisen bestimmen die Gemeinde- und Landkreisordnungen der Bundesländer, dass Verträge mit diesen Gebietskörperschaften nur dann rechtswirksam sind, wenn sie auch in Schriftform, d.h. mit Unterschriften beider Vertragspartner auf einer Urkunde, erfolgen.

Bei anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften (z.B. Bund, Land, Universität) bedarf es zum rechtswirksamen Zustandekommen eines Vertrages keiner Schriftform.

b) Ausnahme 2:

§ 7 Abs. 1 HOAI 2013 bestimmt, dass eine Honorarvereinbarung über von der HOAI erfasste Architekten- oder Bauingenieurleistungen nur dann wirksam ist, wenn sie bei Auftragserteilung schriftlich (d.h. Unterschriften von Auftraggeber und Auftragnehmer auf einem Schriftstück in Papierform) erfolgte. Ansonsten gelte für solche Leistungen das HOAI-Mindestsatzhonorar.

Nach dem Urteil des EuGH vom 04.07.2019 zur Unionsrechtswidrigkeit verbindlicher staatlicher Preisvorgaben für Architekten- und Ingenieurleistungen ist zweifelhaft, ob diese Regelung weiterhin Bestand hat.

Standardsituation 07:

Die Vertragsparteien reden aneinander vorbei.

Das Architekturbüro A hat dem Auftraggeber ein Angebot über die Erbringung bestimmter Planungsleistungen zugeschickt. Dem Angebot lag eine Berechnung des Honorars anhand der HOAI zum Mindestsatz bei. Im Angebotstext heißt es, die so errechnete vorläufige Vergütungshöhe würde sich auf € 65.000,- brutto belaufen.

Der Auftraggeber bedankt sich in einem Antwortschreiben für das Angebot, sagt, dass er dieses annehme und bestätigt den Festpreis von € 65.000,-.

Vom externen Berater des Architekturbüros auf diese Diskrepanz in der Korrespondenz angesprochen, erklärt die kaufmännische Assistenz des Architekturbüros A: „Auf solche Kleinigkeiten achten wir hier nicht.“

Welcher Preis gilt nun? Ein Festpreis von € 65.000,- brutto oder ein HOAI-Berechnungshonorar, dessen genaue Höhe erst nach Vorliegen der Kostenberechnung bestimmt werden kann?

Antwort:

Ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande, wobei Einigkeit über die wesentlichen Elemente eines Vertrages – Leistung und Vergütung – herrschen muss.

Nach den Regeln des allgemeinen Vertragsrechts wäre hier folglich überhaupt kein Vertrag zustande gekommen, da es hinsichtlich der Vergütungshöhe an einer Einigung fehlt.

Im Werkvertragsrecht gibt es jedoch die Besonderheit, dass es dort für einen Vertragsschluss ausreicht, wenn sich die Parteien darin einig sind, dass die zu erbringende Werkleistung dem Grunde nach vergütungspflichtig ist. Über die genaue Höhe der Vergütung müssen sich die Vertragsparteien nicht ausdrücklich verständigt haben. Anstelle einer ausdrücklichen Einigung über die genaue Vergütungshöhe setzt das Gesetz in solchen Fällen die Vermutung, dass die Vertragsparteien die taxmäßige Vergütung und sofern eine solche nicht anwendbar ist, die übliche Vergütung als Vergütungshöhe vereinbart haben, vgl. § 632 Abs. 2 BGB.

Mit der Feststellung des EuGH mit seinem Urteil vom 04.07.2019, dass der Staat keine Mindestpreise für Architekten – oder Ingenieurleistungen festlegen darf, dürfte die HOAI ihre Eigenschaft als Taxe im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB verloren haben.

Die HOAI gibt auch nicht automatisch die marktübliche Vergütung wieder.

Sofern sich die Vertragsparteien im vorliegenden Fall nicht doch noch einigen, müsste durch einen Honorarsachverständigen in Form einer aufwändigen Marktforschung festgestellt werden, was die marktübliche Vergütung für die vereinbarte Leistung ist.

Eine Einigung hingegen wird nicht ohne finanzielles Nachgeben durch den Auftragnehmer zu erzielen sein.

Welche Good-Practice-Regeln folgen daraus?

Achten Sie genauestens darauf, ob sich die Annahmeerklärung Ihres Auftraggebers mit Ihrem Angebot deckt. Klären Sie Abweichungen frühzeitig und jedenfalls vor der Erbringung Ihrer Leistung.

Insbesondere was die Art der Vergütung betrifft, besteht die Gefahr, dass die Vertragsparteien den von Ihnen verwendeten Begriffen - insbesondere bei „Pauschalhonorar“ oder „pauschaliertes Honorar“ - unterschiedliche Bedeutung zumessen und damit aneinander vorbeireden. Dasselbe gilt bei der Ausweisung von Honorarbeträgen ohne den Zusatz „vorläufig“.

Verlassen Sie sich in puncto Vergütung daher nie auf den vorgelegten Text, sondern stellen Sie immer im Gespräch sicher, dass man unter den verwendeten Begriffen dasselbe versteht. Sorgen Sie dann für eine Formulierung in Ihrer Beurkundung, die für Dritte, insbesondere einen Richter, unmissverständlich ist.

Standardsituation 008:

Der Angebotstext kommt mit Änderungen zurück.

Architekt A hat dem Auftraggeber ein Angebot über eine Nachtragsleistung zugeschickt. Monate später erhält er den vom Auftraggeber gegengezeichneten Text zurück. Die darin angegebene Vergütung ist allerdings um 2/3 niedriger als von Architekt A angeboten war. Der Projektsteuerer des Auftraggebers hat nämlich den Angebotstext handschriftlich verändert, indem er den angebotenen Preis durchgestrichen hat und durch einen um 2/3 reduzierten Betrag ersetzt hat.

Architekt A hat deshalb folgende Fragen:

Frage 1:

„Sind die handschriftlichen Ergänzungen des Nachtrags durch den AG überhaupt statthaft? Handelt es sich hier nicht um eine Urkundenfälschung?“

Antwort:

Beim vorliegenden Schreiben an den AG handelt es sich noch nicht um einen Nachtrag im Sinne einer Urkunde über eine zustande gekommene Nachtragsvereinbarung, sondern erst um ein Angebot auf Abschluss eines Nachtrags, also um ein Nachtragsangebot. Mit diesem Schriftstück, das ja noch keinen Vertragsschluss beurkundet, kann der Empfänger machen, was er will.

Frage 2:

„Der AG hat durch die handschriftlichen Änderungen unseres Angebotstexts unser Angebot abgelehnt und durch ein neues eigenes Angebot ersetzt. Dies setzt nach unserem Verständnis aber eine Miteinbeziehung von uns als Vertragspartner voraus. Eine solche hat nicht stattgefunden. Vielmehr wurden wir erst durch das Übersenden des durch den AG unterzeichneten Nachtrags informiert. Ist das nur schlechter Stil oder ist das nicht rechtens?“

Antwort:

Der Verhandlungspartner hat das Nachtragsangebot abgeändert zurückschickt, nicht den Nachtrag. Für die Abänderung des Angebotes muss er den Anbietenden vorher nicht um Erlaubnis fragen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vertraglichen Kooperationsgebot, denn ein Vertrag ist hier insofern noch nicht zustande gekommen. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass es bereits einen Hauptvertrag zwischen Architekt A und dem Auftraggeber gibt.

Ohne vorherige Absprache mit A dessen Angebot abzuändern, es gegenzuzeichnen und es ohne Rücksprache mit A diesem einfach zukommen zu lassen, ist daher juristisch nicht zu beanstanden.

Ändert der Empfänger ein erhaltenes Angebot ab und sendet es zurück, so liegt darin die Ablehnung des Angebots durch den Empfänger verbunden mit einem neuen eigenen Angebot.

Frage 3:

„Können wir, um eine vertragliche Einigung zu erzielen, unsere Einwendungen in einem Anschreiben fixieren und darauf hinweisen, dass ein Einverständnis nur unter Beachtung dieses Anschreibens erfolgt?“

Antwort:

Diese Vorgehensweise wäre umständlich und würde wahrscheinlich zu einem unklaren Ergebnis führen.

Damit beide Seiten über den Stand des Vertragsschlusses die Übersicht behalten, ist es empfehlenswert, einfach eine neue Vertragsurkunde aufzusetzen und diese gemeinsam zu unterschreiben.

Welche Good-Practice-Regel folgt daraus?

Schaffen Sie rechtlich immer Klarheit. Wenn Sie einen geänderten Vertragstext erhalten, akzeptieren Sie den nicht einfach stillschweigend, sondern positionieren Sie sich ausdrücklich dazu, indem Sie die vorgenommenen Änderungen gegenüber dem Vertragspartner entweder bestätigen oder sie ablehnen.

Standardsituation 009:

Der industrielle Auftraggeber schickt einen „Abruf“.

Bauingenieur B steht in Verhandlung mit einem großen Industrieunternehmen, welches eine neue Montagehalle planen lassen will. Obwohl es sich um eine komplexe Planungsaufgabe und um ein hohes Honorarvolumen handelt, lagen den Ausschreibungsbedingungen des Industrieunternehmens kein Vertragstext über Bauplanungsleistungen, sondern lediglich deren allgemeine Einkaufsbedingungen bei, die aber lediglich auf Käufe von Zulieferbetreiben zugeschnitten sind.

Den Ausschreibungsbedingungen des Industrieunternehmens folgend hat B bereits ein Angebot abgegeben.

Es kommt zu einem Verhandlungsgespräch, in welchem die Aufgabenstellung noch näher präzisiert wird und in dem B einen Nachlass einräumt. B unterschreibt ein entsprechendes Verhandlungsprotokoll.

Eine weitere Woche später teilt das Industrieunternehmen dem B in einem „Abruf“ mit, dass es die angebotene Leistung abrufe. Es gälten das Verhandlungsprotokoll und die Allgemeinen Einkaufsbedingungen.

B fragt, wo der Vertragstext bleibt, über den ja seiner Meinung nach noch zu verhandeln sei und den er ja auch noch unterschreiben müsse. Mit einem „Abruf“ könne er nichts anfangen, schließlich habe er ja keinen Rahmenvertrag mit dem Industrieunternehmen geschlossen.

Antwort:

Ein Vertrag kommt durch in den wesentlichen Vertragspflichten übereinstimmender Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande.

Eine einheitliche Vertragsurkunde ist für den wirksamen Vertragsschluss mit einem privatrechtlichen Auftraggeber nicht zwingend nötig.

Es ist für einen Vertragsschluss nicht erforderlich, dass sich die Vertragsparteien auch über vertragliche Nebenbestimmungen einigen.

Ein Vertrag ist hier folglich bereits dadurch zustande gekommen, dass B den „Abruf“ erhalten hat. Es liegen damit zwei übereinstimmende Willenserklärungen zu den Hauptpflichten des Vertrages vor. Wie man ein Annahmeschreiben tituliert, ist dabei unerheblich. Es kann also auch als „Abruf“ bezeichnet werden.

Eine Regelung über vertragliche Nebenbestimmungen haben die Vertragsparteien in diesem Fall nicht getroffen, was für einen Vertragsschluss auch nicht notwendig ist. Die entsprechenden Regelungen dazu sind folglich dem Gesetz zu entnehmen.

Welche Good-Practice-Regeln folgen daraus?

Berücksichtigen Sie, dass Sie insbesondere bei industriellen Auftraggebern möglicherweise keinen spezifischen Architekten- und Ingenieurvertrag vorgelegt bekommen.

Ihre Risikoentscheidung für oder gegen ein Projekt muss zeitlich bereits vor der Abgabe Ihres Angebots erfolgt sein.

Sie müssen so aufgestellt sein, dass es für Ihr Büro kein Problem darstellt, wenn der Auftraggeber Ihr Angebot einfach annimmt, ohne dass er Ihnen noch einen spezifischen Text eines Architekten- und Ingenieurvertrag vorlegt.

Wird Ihnen erst nach der Abgabe ihres Angebotes ein Vertragstext unterbreitet, bedeutet dies die Ablehnung Ihres Angebotes verbunden mit einem neuen Angebot des Auftraggebers. Bevor Sie dieses Angebot des Auftraggebers annehmen, ist dieses zu prüfen und es ist darauf basierend erneut eine Risikoentscheidung vorzunehmen.

Standardsituation 010:

Vertragsschluss im öffentlichen Vergabeverfahren

Eine an das Vergaberecht gebundene Krankenhausgesellschaft schreibt Planungsleistungen für ihr neu zu errichtendes Krankenhaus aus und legt ihrer öffentlichen Ausschreibung einen Vertragstext bei, in dem nur noch die Höhe der Vergütung offen ist. Architekt A findet in dem Text einige Passagen, die er etwas problematisch findet. Er ist zuversichtlich, dass er, falls er die Ausschreibung gewinnt, sich vor der Unterzeichnung der Vertragsurkunde mit der Krankenhausgesellschaft noch auf eine für ihn akzeptable Änderung der von ihm als problematisch empfundenen Textpassagen einigen kann.

Wie erwartet, teilt die Krankenhausgesellschaft A mit, dass sie ihm den Zuschlag erteilen möchte. A hat sich mittlerweile über seinen Rechtsanwalt noch mehr Klarheit über die mit dem Vertragstext verbundenen Risiken verschafft und schickt der Krankenhausgesellschaft eine Liste mit seinen Änderungswünschen. Die Krankenhausgesellschaft bereinigt daraufhin den Vertragstext von offensichtlichen redaktionellen Fehlern, lässt den Text im Übrigen aber bestehen und teilt A mit, dass sie insofern keine weiteren Änderungen mehr vornehmen möchte.

A findet das unmöglich und bittet die Krankenhausgesellschaft um ein weiteres Gespräch mit dem Ziel, die ihm unangenehmen Passagen in dem Text zu ändern. A erklärt, er werde den Vertrag solange nicht unterschreiben, wie nicht eine Änderung in seinem Sinne erfolgt sei.

Antwort:

Öffentliche Ausschreibungen enthalten in aller Regel auch schon das Vertragswerk, das der Auftraggeber beabsichtigt, mit dem erfolgreichen Bieter zu schließen. Entweder sind solche Vertragstexte schon mit in den Ausschreibungsunterlagen enthalten oder die Bieter erhalten den Vertragstext während des Ausschreibungsverfahrens vor Abgabe ihres Angebotes. Die Ausschreibungsbedingungen sehen regelmäßig vor, dass sich der Bieter mit seinem Angebot diese zu eigen macht. Der vom Auftraggeber gewünschte Vertragstext wird damit bereits zum Bestandteil des Angebotes des Bieters.

Der Auftraggeber wird folglich grundsätzlich keine Veranlassung haben, auf Wunsch des Bieters an dem Vertragstext nach Erhalt des Angebotes noch etwas zu ändern, denn rechtlich es war ja gerade der Bieter, der ihm diesen Text mit angeboten hat.

Hinzu kommt ein vergaberechtlicher Aspekt: Nach Vorliegen der Angebote ist es nicht möglich, mit dem erfolgreichen Bieter an dem Vertragstext noch wesentliche Korrekturen vorzunehmen, denn damit würde der Auftraggeber

nachträglich die Vergabebedingungen nur für diesen einen Bieter ändern und damit die anderen Marktteilnehmer benachteiligen.

In einem öffentlichen Vergabeverfahren sind damit nach Abgabe eines Angebotes Änderungen am Vertragstext nur noch sehr eingeschränkt möglich. Mit der Abgabe eines Angebotes akzeptiert man daher immer auch den „worst case“, nämlich dass eine Verständigung über nachteilig empfundene Vertragsbestimmungen nicht mehr erfolgen wird.

Die Krankenhausgesellschaft kann Diskussionsversuche dadurch beenden, dass sie dem A endgültig den Zuschlag erteilt. In diesem Fall kommt rechtlich ein Vertrag mit dem Inhalt des Vertragstexts zustande, ohne dass es dazu noch der Unterzeichnung des Vertragstexts bedürfte, denn im Gegensatz zu Gemeinden und Landkreisen erfolgt bei einer Krankenhausgesellschaft der Vertragsschluss formfrei. Die Auffassung des A, er könne den Prozess dadurch in seinem Sinne beeinflussen, dass er die Vertragsurkunde nicht unterschreibt, ist also nicht zutreffend.

Welche Good-Practice-Regel folgt daraus?

Da der der Ausschreibung beigefügte Vertragsmuster Teil des Angebotes werden und der Auftraggeber jederzeit auf ein erteiltes Angebot die Annahme bzw. den Zuschlag erteilen kann, sollten der Ausschreibung beigefügte

Vertragstexte vor der Abgabe eines Angebotes geprüft

werden.

Es ist zu fragen, ob man als Bieter mit dem Text auch dann noch zurecht kommen würde, wenn der Auftraggeber nach erfolgtem Zuschlag hieran keine Abänderungen mehr vornehmen will („worst-case-Betrachtung“).

Sollten Sie mit dem Projekt ohne Vertragsänderungen voraussichtlich nicht oder nur schwer zurechtkommen, sollten Sie hierfür in Ihrem Angebot entweder einen ordentlichen Risikozuschlag vorsehen oder eben kein Angebot abgeben.

Standardsituation 011:

Vertragsschluss im Stufenvertrag

Ein Vertrag sieht vor, dass die erste Stufe fest beauftragt wird und dass der Auftraggeber nach seinem Wunsch die weiteren Stufen nach seinem Wunsch ganz oder in Teilen abgerufen kann (Stufenvertrag).

Nach Abschluss dieses Vertrages hat sich das Werkvertragsrecht des BGB geändert.

Architekt A fragt, welche Gesetzeslage für die weiteren Stufen gilt.

Wie verhält es sich im Vergleich dazu bei Nachträgen und Zusatzaufträgen?

Antwort:

Bei Stufenverträgen kommt der Vertrag bzgl. der weiteren Stufe erst mit deren Abruf zustande. Bis dahin räumt der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Option ein, dass der Auftraggeber die weiteren Stufen abrufen kann oder auch nicht.

Es verhält sich also ebenso wie mit der Bindungsfrist an ein Angebot: Erst mit dem Abruf der Stufe kommt diesbezüglich der Vertrag rechtlich zustande. Lediglich den Inhalt dieses neuen Vertrages, d.h. die wechselseitigen Leistungspflichten, haben die Parteien in ihrem Stufenvertrag bereits vorab festgelegt.

Da der Vertragsschluss bzgl. der neuen Stufe juristisch erst mit deren Abruf zustande kommt, gilt bzgl. dieser Stufe das BGB in der Fassung zum Zeitpunkt dieses Abrufes. Damit können im Stufenvertrag je nach Stufe unterschiedliche Fassungen des BGB zur Anwendung kommen.

Bei Nachträgen, d.h. bei bloßen Änderungen des bereits im Stufenvertrag angelegten Leistungssolls, gilt für das geänderte Leistungssoll weiterhin die alte Rechtslage. Anders verhält es sich mit der aufgrund des Nachtrags erforderlichen einmaligen Änderungsleistung. Für sie gilt die Gesetzeslage zum Zeitpunkt ihrer Beauftragung, sofern die Vertragsparteien nicht etwas anderes vereinbaren.

Zusatzaufträge stellen einen gesonderten Vertragsschluss gegenüber dem ursprünglichen Vertrag dar. Bei ihnen gilt die Gesetzeslage zum Zeitpunkt ihres Abschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht etwas anderes vereinbaren.

Schweigen ist keine Willenserklärung

Grundprinzipien:

1.)

Prägnant wenn auch inhaltlich verkürzt kann man sich merken:

Schweigen ist keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung.

Präziser: Einem Nicht-Handeln kommt kein rechtsgeschäftlicher Bindungswille zu.

Äußert sich der Verhandlungspartner auf ein Angebot nicht, so liegt in seinem Nicht-Handeln keine Annahme des Angebotes. Eine vertragliche Einigung kann so also nicht zustande kommen.

2.)

Die Äußerung eines bestimmten rechtsgeschäftlichen Erklärungswillens kann zwar auch im Zeigen eines entsprechenden Verhaltens liegen, z.B. Abschluss eines Transportvertrages durch Betreten der U-Bahn (konkludentes Verhalten).

Bei Architekten- und Ingenieurvertragsverhältnisses ist es jedoch nicht ratsam, eigene Rechtspositionen darauf aufzubauen, dass ein bestimmtes Verhalten des Vertragspartners Ausdruck eines bestimmten rechtsgeschäftlichen Erklärungswillens sei. Im Architekten- und Ingenieurrecht muss der Auftragnehmer jederzeit in der Lage sein, das Zustandekommen und den Inhalt von Verträgen, Nachträgen und Zusatzaufträgen beweisen zu können. Der Auftragnehmer sollte daher stets den sichersten Weg gehen. Situationen, in denen der Auftragnehmer darauf angewiesen ist, dass mangels einer schriftlichen Erklärung des Auftraggebers dessen Verhalten als ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungswille interpretiert werden muss, sollten dringend vermieden werden.

3.)

Höchste Vorsicht ist insbesondere dann geboten, wenn es um die Abänderung eines bestehenden Leistungssolls geht:

Die Nichtreaktion auf eine Mitteilung des Auftragnehmers, dass die Kostenobergrenze überschritten werde, stellt in der Regel keine einvernehmliche Änderung der vertraglichen Kostenobergrenze dar.

Die Nichtreaktion auf einen vom Auftragnehmer vorgelegten neuen Terminplan stellt in der Regel keine einvernehmliche Änderung der vertraglich vereinbarten Leistungszeiten dar.

2.)

Von beidseitigen Vertragsänderungen oder Aufhebungen sind die Fallgruppen zu unterscheiden, in welcher einer Partei ein einseitiges Gestaltungsrecht zukommt.

Typische Gestaltungsrechts sind:

Ein bestehendes Anordnungsrecht des Bestellers in Werkverträgen

Das Recht zur ordentlichen Kündigung des Vertrages durch den Besteller

Ein bestehendes Recht zur außerordentlichen Kündigung durch den Besteller

Ein bestehendes Recht zur außerordentlichen Kündigung durch den Werkunternehmer

Ausübung eines Optionsrechts, z.B. Abruf einer Stufe im Stufenvertrag

Freigabeerklärungen des Bestellers

Teilabnahmen und Abnahmeerklärung des Bestellers

In diesen Fällen muss die einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung nur vom anderen Vertragspartner empfangen werden. Auf irgendeine Reaktion des Empfängers kommt es nicht an, damit die Erklärungen ihre Wirkung entfalten. Die Reaktion des Empfängers kann in diesen Fällen also auch in einem Verhalten ohne jeden Erklärungswert (Schweigen) bestehen.

Standardsituation 012:

Der Auftraggeber äußert sich nicht zu den vom Planer ermittelten Baukosten.

Architekt A stellt fest, dass das Ergebnis seiner Kostenberechnung höher ausfällt, als die im Vertrag vereinbarte von ihm einzuhaltende Kostenobergrenze. Dies teilt A dem Auftraggeber schriftlich mit. Der Auftraggeber äußert sich hierzu nicht weiter.

Architekt A will das Projekt voranbringen und fertigt mit großem Aufwand eine Ausführungsplanung an. Die dazu gehörende Kostenermittlung liegt weiterhin weit über der vertraglichen Kostenobergrenze.

Nach Erhalt der Ausführungsplanung fordert der Auftraggeber Architekt A zu einer Umplanung auf, mit der die Kostenobergrenze wieder eingehalten werden kann.

A diskutiert mit seinen Kollegen, was zu tun sei. Die meinen, zu einer solchen Umplanung sei A nur gegen Zahlung einer Zusatzvergütung verpflichtet. Schließlich habe A dem Auftraggeber die Überschreitung der Kostenobergrenze ja frühzeitig mitgeteilt. Da dieser nicht reagiert hat, habe A davon ausgehen können, dass der Auftraggeber mit der erbetenen vertraglichen Anpassung der Kostenobergrenze einverstanden gewesen sei.

Haben die Kollegen recht?

Antwort:

Schweigen ist keine Willenserklärung!

Der Nichtreaktion des Auftraggebers auf die Mitteilung des A kommt keinerlei Erklärungswirkung zu. Es gibt damit keine beidseitige Vertragsänderung, durch welche die Vertragsparteien die Kostenobergrenze geändert hätten.

In diesen Fällen wird von Auftragnehmern häufig der Gedanke geäußert, dass der Auftraggeber gegen Treu und Glauben verstoße, indem er die Meldung, dass die Kostenobergrenze überschritten sei, zwar zur Kenntnis nimmt, dann aber sehenden Auges noch erhebliche Planungsleistungen auf dieser falschen Voraussetzung tätigen lässt.

Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung dürfte diese Vorstellung aber wohl nicht greifen. Voraussetzung wäre nämlich, dass der Auftragnehmer selbst eine reine Weste hat. Bei Zuerkennung des geltend gemachten zusätzlichen Vergütungsanspruchs würde der Auftragnehmer aber davon profitieren, dass er die Vertragslage im Unklaren gelassen hat. Dies obwohl er aufgrund seiner Kooperationspflicht und möglicherweise auch aufgrund einer ausdrücklich im Vertrag geregelten Hinweispflicht aktiv eine Klärung hätte herbeiführen müssen.

Der Auffassung der Kollegen des A sollte also nicht gefolgt werden. Ohne weitere Anhaltspunkte darf nicht davon ausgegangen werden, dass die bloße Mitteilung der Überschreitung der Kostenobergrenze dazu geführt hat, dass der Auftraggeber mit den neuen Kosten einverstanden war und dass die Kostenobergrenze damit vertraglich angepasst wurde.

Welche Good-Practice-Regeln folgen daraus?

Stützen Sie auf das Schweigen Ihres Vertragspartners keine Rechtspositionen.

Das gelegentlich bei Architekten und Bauingenieuren zu beobachtende Ausweichen vor dem Auftraggeber, indem man ihm etwas mitteilt und glaubt, das allein würde zur Schaffung einer klaren Rechtsposition ausreichen und eine Reaktion des Auftraggebers sei nicht nötig, ist meist eine Selbsttäuschung.

Gehen Sie stattdessen immer den sichersten Weg, indem Sie aktiv Klärungen herbeiführen.

Eine Veränderung Ihres vertraglichen Leistungssolls (im Beispielsfall die Veränderung der vertraglichen Kostenobergrenze) erreichen Sie sicher nur in Form einer mit Ihrem Auftraggeber geschlossenen schriftlichen Vereinbarung.

Gelingt Ihnen keine Anpassung des Vertrages in dem Sinne, dass alle Elemente Ihres vertraglichen Leistungssolls miteinander vereinbar sind, so liegt ein Zielkonflikt vor. Im Falle eines Zielkonflikts fehlt Ihnen zur weiteren Leistungserbringung die Grundlage.

Standardsituation 013:

Der Auftraggeber äußert sich nicht zum vom Planer überarbeiteten Terminplan.

Aufgrund von Architekt A nicht verschuldeter Störungen im Planungsablauf ist der ursprünglich vereinbarte Terminplan überholt. Architekt A legt dem Auftraggeber nacheinander mehrere der jeweiligen Situation angepasste überarbeitete Terminpläne vor. Der Auftraggeber äußert sich zu keinem der ihm vorgelegten überarbeiteten Terminpläne.

In der Folge kommt es zu weiteren Verzögerungen, weil keiner der Fachplaner zu den von A im fortgeschriebenen Terminplan vorgesehenen Zeitpunkten seine Leistung erbringt. Dies führt im Büro des A zu Stillstandzeiten.

A möchte seine mit den Stillstandzeiten einhergehenden Mehraufwendungen vom Auftraggeber wegen dessen fehlender Mitwirkung ersetzt verlangen. Er ist der Auffassung, dass ihm die Fachplanungen jeweils zu den von ihm in seinen fortgeschriebenen Terminplänen festgesetzten Zeitpunkten hätten vorliegen müssen.

Antwort:

Auch hier gilt: Schweigen ist keine Willenserklärung!

Der Nichtreaktion des Auftraggebers auf die überarbeiteten Terminpläne des A kommt keinerlei Erklärungswirkung zu. Zwischen Architekt A und dem Auftraggeber wurde damit keine Vereinbarung geschlossen, dass die Fachplanungen jeweils zu den neuen von Architekt A ermittelten Terminen vorliegen müssen.

Der Auftraggeber musste A daher die Fachplanungen nicht zu den Terminen vorlegen, die A in seinem fortgeschriebenen Terminplan dafür vorgesehen hatte.

Die entsprechenden Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers waren zu diesen Terminen also noch nicht fällig.

Lediglich ergänzend: Ein Entschädigungsanspruch gegen den Auftraggeber setzt über die Fälligkeit hinaus zusätzlich voraus, dass sich der Auftraggeber mit der Zulieferung in Verzug befunden hat. Die Inverzugsetzung erfolgt durch eine Mahnung. A müsste den Auftraggeber also zusätzlich auch mahnen müssen, d.h. ein zweites Mal zur Lieferung auffordern müssen, um ihn in Verzug gesetzt haben.

Welche Good-Practice-Regeln folgen daraus?

Eine Veränderung Ihres vertraglichen Leistungssolls (im Beispielsfall die Veränderung der Leistungszeit) erreichen Sie sicher nur in Form einer mit Ihrem Auftraggeber geschlossenen schriftlichen Vereinbarung

Die Vertragsurkunde als Beweismittel

Grundprinzipien:

1.)

Der Vertrag im Rechtssinne ist nicht gleichbedeutend mit der Vertragsurkunde.

Ein Vertrag im Rechtssinne ist der Inhalt einer zwischen den Vertragsparteien erfolgten Einigung.

Die Vertragsurkunde hingegen ist ein prozessuales Beweismittel.

Eine Vertragsurkunde trägt die Unterschriften beider Vertragspartner, wodurch ein starkes Indiz dafür geschaffen wurde, dass ihr Text wirklich den Willen beider Vertragspartner wiedergibt. Diese Indizwirkung besteht zeitlich unbegrenzt und kann sich selbst auf komplizierteste Inhalte einer getroffenen Absprache beziehen. Demgegenüber sind andere Beweismittel, etwa Zeugenaussagen, weitaus unzuverlässiger. Die Vertragsurkunde ist damit das beste Beweismittel, mit welchem der Inhalt der mit dem Auftraggeber getroffenen Vereinbarung nachweisbar ist.

Das mit einer Vertragsurkunde verbundene Indiz, dass eine entsprechende Vereinbarung tatsächlich zustande gekommen ist, kann zwar theoretisch durch die Einführung eines anderen Beweismittels in den Prozess erschüttert werden. Praktisch kommt dem aber so gut wie keine Bedeutung zu.

2.)

Eine interne Aktennotiz hat für sich genommen wenig Beweiswert. Es ist nicht sicher, ob der Inhalt stimmt und wann die Notiz wirklich angefertigt wurde. Mehr wert ist die Zeugenaussage ihres Verfassers, Der Verfasser kann sich bei seiner Aussage auf seine von ihm angefertigte interne Aktennotiz stützen.

Einfacher und besser ist es hingegen, es nicht bei der internen Aktennotiz zu belassen, sondern getroffene Vereinbarungen schriftlich festzuhalten und von der Gegenseite unterzeichnen zu lassen. Selbst wenn keine Gegenzeichnung zu erzielen ist, liegt damit eine schriftliche Bestätigung dessen, was man vereinbart hat, im Lager der Gegenseite.

3.)

Einen Sonderfall stellt das kaufmännische Bestätigungsschreiben dar:

Haben zwei Kaufleute eine Vereinbarung getroffen und bestätigt einer der Kaufleute unmittelbar danach gegenüber dem anderen schriftlich den Inhalt der getroffenen Vereinbarung und zeigt der Empfänger gegenüber dem Absender hiergegen keine ablehnende Reaktion, so ist damit eine Vertragsurkunde geschaffen worden, die den gleichen Beweiswert hat wie ein von beiden Parteien unterzeichnetes Schriftstück.

(Das kaufmännische Bestätigungsschreiben wird daher manchmal auch als Ausnahme zum Grundsatz „Schweigen ist keine Willenserklärung“ gesehen. Das trifft es jedoch nicht ganz, weil es hier nur um das Beweismittel und nicht den Vertrag im juristischen Sinne geht.)

Architektur- und Bauingenieurbüros, welche als GmbH organisiert sind und damit schon ihrer Rechtsform wegen Kaufleute sind, müssen eingehende Schreiben von Auftraggebern aufgrund der Rechtsfigur des kaufmännischen Bestätigungsschreibens besonders genau daraufhin überprüfen, ob darin nicht Vereinbarungen bestätigt werden, die so in Wahrheit gar nicht getroffen wurden.

Das gilt insbesondere für Protokolle.

Das kaufmännische Bestätigungsschreiben „funktioniert“ nur zwischen Kaufleuten und damit nicht im Verhältnis zu öffentlichen Auftraggebern (Gebietskörperschaften wie Gemeinde, Stadt, Landkreis oder sonstige Einrichtungen nach öffentlichem Recht wie Universitäten, Industrie- und Handelskammern). Dabei kommt es nur auf die Organisationsform an. Auch eine im Besitz der öffentlichen Hand befindliche GmbH (z.B. Stadtwerke GmbH) ist Kaufmann.

Die Rechtsfigur des kaufmännischen Bestätigungsschreibens darf nicht missbraucht werden. Die vorsätzliche Bestätigung einer Vereinbarung, die so gar nicht getroffen wurde, stellt einen Vertrauensmissbrauch dar. Zusammen mit anderen Faktoren kann bei Missbrauch ein Grund für eine außerordentliche Kündigung geschaffen werden.

4.)

Eine Anlage zur Vertragsurkunde wird nur dann mit ausreichender Sicherheit von der Beweiskraft der Vertragsurkunde erfasst, wenn der Vertragstext inhaltlich auf die Anlage Bezug nimmt.