Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen - Alexander Grieger - E-Book

Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen E-Book

Alexander Grieger

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Beschreibung

Kaum ein Streit hat die juristische Wirtschaftspraxis so bewegt wie der Disput um die angeblichen Mängel der AGB-Kontrolle im B2B-Bereich. Das vorliegende Werk greift dies in einer praktischen Tiefe auf, die bislang kaum erreicht wurde. Aus dem Blickwinkel des betrieblichen Risikomanagements konzentriert sich die Arbeit auf: - die Darstellung von Rechtsprechung aller Instanzen, um im Raum stehende, angeblich unzureichende Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere in Bezug auf Folgeschäden differenziert zu hinterfragen; - die relevanten Gestaltungsspielräume und Empfehlungen, die in der Debatte bislang kaum angesprochen wurden; - die Rechtsprechung, died, differenziert nach Massengeschäft und Projektgeschäft, weitaus mehr interessensgerechte Gestaltungsmöglichkeiten bietet als vielfach kolportiert; - einen Vergleich mit den Grenzen privatautonomer Risikoverlagerungen im Schweizer Recht sowie in den USA. Abschließend wird aus diesen Erkenntnissen mit dem neuartigen Konzept einer Folgeschädenpflichtversicherung ein Vorschlag zur Lösung abgeleitet, der aus Unternehmenssicht praxistauglich und international wettbewerbsfähig wäre und auch rechtssichere Weiterentwicklungen im LegalTech-Bereich fördern würde.

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Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen

 

Dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. jur.

 

vorgelegt von Alexander Grieger aus Hirschau

 

 

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

 

 

Als Dissertation genehmigt vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tag der mündlichen Prüfung: 10.03.2021

 

 

Vorsitzende/r des Promotionsorgans: Prof. Dr. Dr. h.c. Mathias Rohe, M.A.

Gutachter/in:

Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke, LL.M. (NYU)

 

Prof. Dr. Franz Hofmann, LL.M. (Cambridge)

 

 

WIDMUNG: Herrn Prof. Dr. Rohe danke ich ganz herzlich für die Betreuung der Arbeit. Dessen Unterstützung für die besondere Zielsetzung der Arbeit und sein großes Verständnis für die Herausforderungen einer berufsbegleitenden Erstellung haben den erfolgreichen Abschluss der Arbeit wesentlich befördert. Bei Herrn Prof. Dr. Schmolke möchte ich mich ebenfalls für die Erstellung des Zweitgutachtens bedanken. Dank gebührt nicht zuletzt auch meinem Arbeitgeber THORWART Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer PmbB, der mir in beruflicher Hinsicht über lange Zeit die unerlässliche Flexibilität gewährt hat, um Beruf, Promotion und Familie in Einklang zu bringen.Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern Hans und Ingrid Grieger, die mich auf meinem beruflichen Weg stets uneingeschränkt unterstützt haben. Auch ohne das große Verständnis meiner Frau Anne und unserer Tochter Johanna wäre diese Arbeit nie entstanden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1797-8

© 2021 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main www.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang

Printed in Germany

Zusammenfassung

In den letzten Jahren kam es zu einer teils sehr kontrovers geführten Debatte im juristischen Schrifttum, ob die deutsche AGB-Kontrolle den Erfordernissen einer im internationalen Wettbewerb stehenden Rechtsordnung gerecht werde. Der Hauptkritikpunkt, der im Rahmen dieser Arbeit herausgearbeitet wird, ist die angebliche Unmöglichkeit, wirksame Haftungsausschlüsse oder Haftungsbeschränkungen für nicht oder nur teilweise versicherbare Folgeschäden (wie entgangenen Gewinn) zu vereinbaren.

Dieser Streit wurde von Wirtschaftsverbänden aufgegriffen, in der breiten Anwaltschaft thematisiert und sogar auf die politische Agenda gesetzt. Zuletzt hat eine spürbare Abschwächung der Diskussion stattgefunden. Trotz schier endloser Anregungen und unzähligen Vorschlägen ist keine Lösung in Sicht, welche den Spagat zwischen Privatautonomie und staatlichem Schutz vor einseitig ausgenutzter Gestaltungsmacht aufzulösen vermag.

Die vorliegende Arbeit analysiert die Ausgangslage des Streits, die historische Entwicklung, nach heutigem Stand denkbare Vermeidungsstrategien sowie neue dogmatische Ansätze und stellt dabei – abweichend zu vielen Ansätzen – als Ausgangsbasis eine unterschiedliche Verhandlungsmacht, mithin also fehlende Vertragsparität der beteiligten Verhandlungspartner, fest.

Wenn, so die Ansicht des Verfassers, von Kritikern wie Befürwortern aus Sicht der Unternehmenspraxis argumentiert wird, muss auch die Rechtsprechung der Maßstab sein, an dem sich die AGB-Kontrolle messen lassen muss – und nicht an theoretischen Konzepten. Deshalb stellt die Arbeit im Schwerpunkt auf die Darstellung der Rechtsprechung ab, welche unmittelbar in der gebotenen Ausführlichkeit zitiert wird, um später im rechtsvergleichenden Teil auch vergleichende Parallelen zu den Ansätzen fremder Rechtsordnungen ziehen zu können.

Dabei wird vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der AGB-Kontrolle und dem konkreten gesetzlichen Handlungsauftrag an die Richterschaft herausgearbeitet, dass im Schrifttum vielfach zu undifferenziert und oberflächlich in ein Schwarz-Weiß-Denken verfallen wird. Es wird hervorgehoben, dass die Rechtsprechung, dem gesetzlichen Auftrag zu interessensgerechten Lösungen im Einzelfall folgend, sehr wohl einzelne Ansätze entwickelt hat, die zum einen der strengen AGB-Kontrolle standhalten und wirksame Risikobegrenzungsmöglichkeiten bieten. Zum anderen wird in einer ausführlichen Rechtsprechungsanalyse herausgearbeitet, dass die vielfach angeführte fehlende Erreichbarkeit einer individualvertraglichen Vereinbarung zumeist daran scheitert, dass anscheinend keinerlei Verhandlungen geführt werden. Sofern aber durch die Gerichte tatsächliche Verhandlungssituationen bewertet werden, lassen sich insbesondere für das Projektgeschäft konkrete Handlungsempfehlungen ableiten, welche im Schrifttum und der Praxis in Teilen bislang unzureichend beachtet werden. Allerdings wird festgestellt, dass es aus dem Blickwinkel des betrieblichen Risikomanagements heraus insbesondere hinsichtlich des Massengeschäftes (und damit zum Beispiel auch hinsichtlich zukünftiger LegalTech-Entwicklungen) neuer Ansätze bedarf.

Hierfür wird – ebenfalls wieder gestützt auf eine ausführliche Darstellung der Rechtsprechung – der Blick auf die rechtlichen Grenzen von Haftungsklauseln im Recht der Schweiz und der USA gerichtet. Dabei wird nicht nur nach begrifflich gleichen Instrumenten zur AGB-Kontrolle gesucht, sondern allgemein gesetzliche sowie – in der deutschen Debatte vielfach unterschlagene – richterliche Grenzen für zulässige Haftungsklauseln herausgearbeitet. Aus den teilweise überraschenden Ergebnissen wird abgleitet, dass ungleiche Machtverhältnisse in Verhandlungssituationen in allen betrachteten Rechtsordnungen vorkommen und die andersartigen ausländischen Ansätze nicht unbedingt mehr Rechtssicherheit bieten als der deutsche, am Verhandlungsverlauf orientierte Ansatz.

Fazit ist, dass eine Vertragsparität in keiner der betrachteten Rechtsordnungen mit den jeweils angewendeten Instrumenten mit absoluter Rechtssicherheit erreicht werden kann, weil sich alle Rechtsordnungen mit Auslegungsspielraum verbundene Eingriffsmöglichkeiten zur Korrektur von Fehlsteuerungen vorbehalten. Sofern eine fehlende Vertragsparität nicht mit den bestehenden Instrumenten ausgeglichen werden kann und schlicht als nicht auflösbar anzusehen ist, stellt sich die Frage nach einer Zusammenführung verschiedener Ideen und Konzepte aus den betrachteten Rechtskreisen zur Ableitung eines neuartigen Lösungskonzeptes.

Dieser Lösungsvorschlag, hier Folgeschädenpflichtversicherung genannt, soll die kritischen Folgeschädenrisiken zwischen den Vertragspartnern auf eine Versicherungslösung auslagern und im Übrigen limitieren. Wie zuvor herausgearbeitet lässt sich die Zulässigkeit eines solchen Konzeptes gar aus der existierenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ableiten. Nach Ansicht des Verfassers wird eine solche Lösung auch den Anforderungen des betrieblichen Risikomanagements gerecht. Darüber hinaus könnte es der deutschen Rechtsordnung zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber ausländischen Rechtsordnungen verhelfen.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

§ 1. Einleitung

A. Einführung in die Problematik/Ziel der Arbeit

B. Gang der Darstellung

§ 2. Quod est demonstrandum: Stand der Debatte und praktische Auswirkungen

A. Zusammenfassung zum Stand der Debatte

B. Die Auswirkungen der Debatte auf die Wirtschaft

§ 3. Grundlagen des deutschen Haftungsregimes

A. Schadensarten

I. Definition

II. Nichtvermögensschaden

III. Vermögensschäden, insbes. Folgeschäden

B. Der Grundsatz der Totalreparation nach BGB und CISG

C. Das Prinzip der Verschuldenshaftung

D. Rechtshistorische Überlegungen zur unbeschränkten und beschränkbaren Haftung

E. Bewertung aus Sicht der Wirtschaft

F. Zwischenfazit

§ 4. Gesetzliche Haftungsausschlüsse und -begrenzungen nach deutschem Recht

A. Schranken der Schadenszurechnung

B. Gesetzliche Haftungsbegrenzungen und -ausschlüsse

I. Gesetzliche Haftungsbeschränkung, insbes. im Bereich der Gefährdungshaftung

II. Gesetzlich tolerierte vertragliche Haftungsbeschränkung

C. Zwischenfazit

§ 5. Vertragliche Haftungsausschlüsse und -begrenzungen nach deutschem Recht

A. Einschränkung des Betrachtungsgegenstandes

B. Grundbegriffe und -konzepte der vertraglichen Beschränkbarkeit von Haftung

C. Entstehungsgeschichte und Begründung der AGB-Kontrolle

I. Einführung

II. Gesetzgeberische Entstehungsgeschichte

III. Die Entwicklung der Rechtsprechung nach herrschender Meinung im Schrifttum

IV. Verfassungsrechtlicher Schutz und Grenzen der Privatautonomie

V. Unzureichende Zielerreichung durch §§ 138, 242 BGB

VI. Rechtscharakter von AGBs und dogmatische Begründung der AGB-Kontrolle

1. Vertragstheoretischer Ansatz: Individualaspekte

2. Rechtsökonomischer Ansatz: Marktaspekte

VII. Eigener dogmatischer Ansatz: Vertragsparitätskonzept

D. Die Zulässigkeit von Haftungsausschlüssen und -begrenzungen in Individualvereinbarungen und vorformulierten AGBs

I. Einschränkung der Betrachtungstiefe

II. Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in Individualvereinbarungen

III. Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in vorformulierten AGBs

1. Gesetzliche Rahmenbedingungen

2. Meinungsstand der Literatur

3. Rechtsprechungsanalyse zum Inhalt der AGB-Kontrolle

(1) Allgemeine Maßstäbe der Rechtsprechung

(2) Im Einzelfall zulässige Haftungsbeschränkungen in AGB und deren Abgrenzung zu anderen Fällen

(3) Zwischenfazit

4. Zwischenfazit und Empfehlungen für die Praxis

IV. Rechtsfolgen, insbes. Einbeziehung und Verbot geltungserhaltender Reduktion

V. Zwischenfazit

E. Die Abgrenzung zwischen AGBs und Individualabrede im unternehmerischen Geschäftsverkehr und deren Auswirkung auf Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten

I. Einführung

II. Abgrenzung in Gesetz und Rechtsprechung

1. Tatbestandsvoraussetzungen für AGBs, insbes. fehlendes Aushandeln

(1) Vorformuliert

(2) Für eine Vielzahl von Verträgen

(3) Formunabhängig

(4) Durch Verwender gestellt

(5) Nicht gem. § 305 Abs. 1 S. 3 „im Einzelnen ausgehandelt“

2. Einzelfragen

(1) Beweislast

(2) Auswahlalternativen

(3) Leerräume/Lückentexte

(4) Notarverträge

(5) Paketlösungen

(6) Auftragswertbezogene Haftungshöchstgrenzen samt Versicherungsofferten/Tarifwahl

3. Meinungsstand der Literatur

4. Rechtsprechungsanalyse zum Maßstab des Aushandelns

(1) Anwendung des AGB-Rechts im geschäftlichen Verkehr

(2) Erfordernis des Aushandelns

a. Allgemeine Maßstäbe

b. Anerkanntes Aushandeln bzw. Individualvereinbarungen

(i) Abänderung von Klauseln

(ii) Fehlende Abänderung von Klauseln 1: Unabdingbarkeit

(iii) Fehlende Abänderung von Klauseln 2: Erörterung und Sachgerechtigkeit der Lösung

(iv) Fehlende Schutzbedürftigkeit im Fall missbräuchlicher Verweigerungshaltung

(v) Zwischenfazit

(3) Berücksichtigung von Sitten und Gebräuchen des Handelsverkehrs i.S.v. § 310 Abs. 1 S. 2 2. HS BGB

(4) Zwischenfazit und Empfehlungen für die Praxis

5. Zwischenfazit

III. Nach dem derzeitigen Rechtsstand denkbare Vermeidungsstrategien

1. Dokumentation der Verhandlungsführung und Verhandlungsbereitschaft

2. Vertragsmuster des Verwendungsgegners als Verhandlungsbasis

3. Verhandlungsstrategien, insbes. Harvard-Konzept

4. Bestätigung der Individualvereinbarung

5. Provokation des Aushandelns

6. Lücke bei entscheidenden Vertragsinhalten

7. Schiedsabrede

8. Anwendung des CISG als Teil des deutschen Rechts

9. Wahl einer fremden Rechtsordnung

10. Gesellschaftsrechtliche Haftungsisolierung

11. Gestaltung von Tatbestands- und Rechtsfolgenseite

12. Zwischenfazit

IV. Zwischenfazit

F. Im Schrifttum diskutierte neue dogmatische Ansätze und Abgrenzungskriterien

I. Einführung

II. Ansätze

1. Rechtsfortbildender Ansatz: Fortentwicklung der Rechtsprechung unter Beibehaltung der gesetzlichen Regelungen

2. Kaufmännischer Ansatz I: Vertragsvolumen

3. Kaufmännischer Ansatz II: Einpreisung von Haftungsrisiken

4. Verhandlungsorientierter Ansatz 1: Ablauf von Vertragsverhandlungen/2-Stufen-Ansatz

5. Verhandlungsorientierter Ansatz 2: Dauer von Vertragsverhandlungen

6. Verbraucherschutzorientierter Ansatz: Informationspflichten

7. Optischer Ansatz: Drucktechnische Hervorhebungen

8. Struktureller Ansatz: Ausnahme für KMU

9. Geschäftsbezogener Ansatz: Unterscheidung zwischen Kern- und Nebentätigkeit

10. Marktmachtbezogener Ansatz: Marktbeherrschende Stellung

11. Personeller Ansatz: Juristischer Sachverstand der Verhandlungsteilnehmer

12. Transaktionskostenbezogener Ansatz: Transaktionskosten-Vertragswert-Relation

13. Dokumentarischer Ansatz: Bestätigung des Aushandelns

14. Grenzüberschreitender Ansatz

15. Gesetzgeberische Ansätze

16. Ablehnender Ansatz: Keinerlei Änderungsbedarf

III. Zwischenfazit

G. Ausblick

I. Vergleich der Europarechtlichen Vorgaben mit der Umsetzung in Deutschland

II. Ansatzpunkte nach dem Entwurf für ein europäisches Kaufrecht (GEK)/ Common European Sales Law (CESL)

III. Digitalisierung und LegalTech

IV. Zwischenfazit

§ 6. Das Haftungsregime in ausgewählten Rechtsordnungen

A. Grundätze der Rechtsvergleichung

B. Einleitung

C. Ausgewählte Rechtsordnungen

I. Schweizer Recht

1. Einführung

2. Grenzen der Vertragsfreiheit und Relevanz der Unterscheidung zwischen AGBs und Individualabrede

3. Die Zulässigkeit von Haftungsausschlüssen und -begrenzungen

(1) Grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen vertraglicher Vereinbarungen und grundlegende Haftungsprinzipien

(2) Offene Inhaltskontrolle im B2B-Bereich

(3) Verdeckte Inhaltskontrolle im B2B-Bereich (v.a. Auslegungs- und Geltungskontrolle)

a. Allgemeine Auslegungskontrolle

(i) Unklarheitenregel

(ii) Mangelvorhersehbarkeit und erhebliche Vertragszweckbeeinträchtigung im Kaufrecht

(iii) Zusicherungen und Freizeichnungsklauseln im Kaufrecht

b. Geltungskontrolle bei Globalübernahme von AGBs

(i) Subjektive und Objektive Ungewöhnlichkeit

(ii) Heilungsmöglichkeit

c. Verstoß gegen die Natur des Vertrages

(4) Rechtsfolgen unzulässiger Klauseln, insbes. geltungserhaltende Reduktion

4. Die Abgrenzung von AGBs und Individualvereinbarung bei Formularverträgen

5. Rechtsprechungsanalyse

(1) AGBs, Abgrenzung zur Individualabrede und verdeckte Inhaltskontrolle

(2) Zulässigkeit von Haftungsklauseln

6. Zwischenfazit und Empfehlungen für die Praxis

7. Rechtsvergleichung

8. Bewertung der Rechtslage aus Sicht der Wirtschaft

9. Zwischenfazit

II. US-Amerikanisches Recht

1. Einführung

2. Grenzen der Vertragsfreiheit und Relevanz der Unterscheidung zwischen AGBs und Individualabrede

3. Die Zulässigkeit von Haftungsausschlüssen und -begrenzungen

(1) Grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen vertraglicher Vereinbarungen und grundlegende Haftungsprinzipien

(2) Offene Inhaltskontrolle im B2B-Bereich

a. Offene Inhaltskontrolle auf der Grundlage des Modellgesetzes § 2–719 UCC, insbes. failure of essential purpose und unconscionability

b. Zwischenfazit

(3) Verdeckte Inhaltskontrolle im B2B-Bereich

a. Unklarheitenregel (ambiguity)

b. Unzulässigkeit von exculpatory clauses hinsichtlich der Haftung für negligence

(i) Ausgewählte Entscheidungen des U.S. Supreme Courts und verschiedener Courts of Appeal

(ii) Ausgewählte Entscheidungen von einzelnen State Courts sowie von Gerichten unterhalb der Federal Court of Appeals

(4) Offene Inhaltskontrolle im B2B-Bereich in Spezialgesetzen, insbes. knock-for-knock-Theorie nach texanischem Recht

(i) knock-for-knock-Theorie

(ii) Sonderregelungen und Einschränkungen in Texas

(5) Rechtsfolgen unzulässiger Klauseln, insbes. geltungserhaltende Reduktion

(6) Zwischenfazit und Empfehlungen für die Praxis

4. Rechtsvergleichung

5. Bewertung der Rechtslage aus Sicht der Wirtschaft

6. Zwischenfazit

D. Zwischenfazit

§ 7. Fazit aus rechtsvergleichender Sicht

§ 8. Eigener Ansatz: Versicherungslösung „Folgeschädenpflichtversicherung“

§ 9. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

andere Ansicht

a.E.

am Ende

a.F.

alte Fassung

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

ADSp

Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AGBG

Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

AHB

Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung

AJP/PJA

Aktuelle juristische Praxis – Pratique juridique Actuelle (Zeitschrift)

AktG

Aktiengesetz

allg.

allgemein

Alt.

Alternative

AnwBl.

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

AVB

Allgemeine Versicherungsbedingungen

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landgericht

BDI

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

BeurkG

Beurkundungsgesetz

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BBl

Bundesblatt der Schweiz

Bd.

Band

Bekl.

Beklagter/r

Beschl. v.

Beschluss vom

BGA

Bundesverband des deutschen Groß- und Außenhandels e.V.

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGE

Entscheidung des Bundesgerichts (Schweiz)

BGer

Schweizerisches Bundesgericht

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

BGHZ

Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BKR

Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Zeitschrift)

BNotO

Bundesnotarordnung

BR/DC

Baurecht/Droit de la Construction (schweizerische Zeitschrift)

BRAO

Bundesrechtsanwaltsordnung

BR-Drs.

Bundesrats-Drucksache

Bsp.

Beispiel

BT-Drs.

Bundestags-Drucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Sammlung)

bzw.

beziehungsweise

B2B

Business-to-Business (= unternehmerischer Geschäftsverkehr)

B2C

Business-to-Consumer (= Verbrauchergeschäfte)

CAD

computer aided design (rechnergestütztes Konstruieren)

CHF

Schweizer Franken (Währung)

CISG

UN Convention on Contracts for the International Sale of Goods

CISG online

CISG Datenbank der Universität Basel, abrufbar unter http://www.cisg-online.ch

CLOUT

Case Law on UNCITRAL Texts, Rechtsprechungsdatenbank der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL), abrufbar unter http://www.uncitral.org/clout

CR

Computer und Recht (Zeitschrift)

DAS

Deutscher AnwaltSpiegel (Online-Zeitschrift)

DAV

Deutscher Anwaltverein

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

DIHK

Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

DS

Der Sachverständige (Zeitschrift)

dt.

deutsch/deutsche

EDI

Electronic Data Interchange (standardisierter elektronischer Datenaustausch)

EG

Europäische Gemeinschaft

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

ehem.

ehemals

Einl.

Einleitung

et al.

et alii/aliae

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EUR

Euro (Währung)

europ.

europäisch/europäische

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Entscheidungssammlung)

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FIDIC

Fédération Internationale des Ingénieurs Conseils (frz.) bzw. International Federation of Consulting Engineers (engl.)

Fn.

Fußnote

f.

folgend

ff.

fortfolgend

gem.

gemäß

gesetzl.

gesetzlich

GG

Grundgesetz

ggfs.

gegebenenfalls

grds.

grundsätzlich

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

h.M.

herrschende Meinung

HansOLG

Hanseatisches Oberlandesgericht

HDE

Handelsverband Deutschland e.V. (ehem. Hauptverband des deutschen Einzelhandels e.V.)

HGB

Handelsgesetzbuch

hrsg.

herausgegeben (von)

Hrsg.

Herausgeber

HS

Halbsatz

IHK

Industrie- und Handelskammer

IHR

Internationales Handelsrecht (Zeitschrift)

IPR

Internationales Privatrecht (i.S.d. dt. EG-BGB)

IPRG

Schweizer Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht

IWRZ

Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

i.d.R.

in der Regel

i.E.

im Ergebnis

i.e.S.

im engeren Sinne

i.H.v.

in Höhe von

i.R.d.

im Rahmen des/der

i.S.d.

im Sinne des/der

i.S.e.

im Sinne eines/einer

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S.

im weiteren Sinne

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

jur.

juristisch/juristische

JURA

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KG

Kammergericht

Kl.

Kläger/in

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

krit.

kritisch

LG

Landgericht

Loy. Mar. L. J.

Loyola Maritime Law Journal (Zeitschrift)

max.

maximal

Mio.

Millionen

MMR

Zeitschrift für IT-Recht und Recht der Digitalisierung (Zeitschrift)

Mrd.

Milliarden

m.E.

meines Erachtens

m.w.V.

mit weiteren Verweisen

M&A

Mergers & Acquisitions (Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen)

Nr.

Nummer

NJOZ

Neue Juristische Online Zeitschrift (Zeitschrift)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NWB

Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift)

NZBau

Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (Zeitschrift)

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

OLG

Oberlandesgericht

OR

Obligationenrecht (Schweiz)

ORGALIM/ORGALIME

Organisme de Liaison des Industries Métalliques Européennes (Vereinigung der europäischen Maschinen-, Elektro- und Elektronik- sowie metall-verarbeitenden Industrie), umbenannt in ORGALIM im Januar 2019

PHi

Haftpflicht international – Recht und Versicherung (Zeitschrift)

PrHG

schweizerisches Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz)

ProdHaftG

Produkthaftungsgesetz

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift)

rd.

rund

RdW

Das Recht der Wirtschaft (Schriftenreihe)

recht

Zeitschrift für juristische Weiterbildung und Praxis (Zeitschrift)

RG

Reichsgericht

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft (RIW) (Zeitschrift)

Rn.

Randnummer

RNotZ

Rheinische Notar-Zeitschrift (Zeitschrift)

Rspr

Rechtsprechung

Rz.

Randziffer

r+s

recht und schaden (Zeitschrift)

S.

Satz

SchiedsVZ

Zeitschrift für Schiedsverfahren (Zeitschrift)

schw.

schweizerisch

schw. UWG

schweizerisches Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

sjz

Schweizerische Juristen-Zeitung (Zeitschrift)

sog.

sogenannte/sogenannter

ST

Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift)

StBerG

Steuerberatungsgesetz

s.a.

siehe auch

s.o.

siehe oben

s.u.

siehe unten

TEUR

Tausend Euro

TOAIA

Texas Oilfield Anti Indemnity Act

TranspR

Transportrecht (Zeitschrift)

UCC

Uniform Commercial Code (USA)

Urt. v.

Urteil vom

USA

Vereinigte Staaten von Amerika

u.a.

unter anderem

u.U.

unter Umständen

VDMA

Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.

vgl.

vergleiche

VOB/B

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B

Vorb.

Vorbemerkung

Vorbem.

Vorbemerkung

v.a.

vor allem

vs.

versus

WiPrO

Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer

WM

Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht

ZBJV

Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Zeitschrift)

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift)

ZfBR

Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (Zeitschrift)

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

ZGS

Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht (ehemals: Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht) (Zeitschrift)

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Zeitschrift)

zit.

zitiert (als)

ZVEI

Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.

ZVglRWiss

Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (Zeitschrift)

ZWeR

Zeitschrift für Wettbewerbsrecht (Zeitschrift)

zzgl.

zuzüglich

z.B.

zum Beispiel

z.T.

zum Teil

§ 1. Einleitung

A. Einführung in die Problematik/Ziel der Arbeit

Wenngleich China mittlerweile Deutschland den Rang als Exportnation Nummer 1 abgelaufen hat, hat die deutsche Wirtschaft im Jahre 2019 noch immer einen beachtlichen Anteil seiner Güter und Dienstleistungen im Wert von mehr als 1.300 Milliarden Euro an das Ausland verkauft1. Rund die Hälfte dieser Exporte machen technisch anspruchsvolle Zwischen- und Endprodukte aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Autoindustrie, Chemie, Elektroindustrie sowie Datenverarbeitung2 aus, welche in komplexe Produktionsabläufe eingegliedert werden, bei deren Störungen es zu erheblichen Betriebsunterbrechungen und damit zusammenhängenden Haftungsrisiken für den Lieferanten kommen kann3. Dabei exportieren nicht nur Großkonzerne, sondern insbesondere auch der Mittelstand4, als Stütze der deutschen Wirtschaft. Die deutsche Wirtschaft hat somit ein nachvollziehbares Interesse daran, auch im internationalen unternehmerischen Geschäftsverkehr Haftungsrisiken in ihren Exportverträgen zu limitieren. Die Wahl des dem Vertrag zu Grunde liegenden Rechts stellt hier die grundlegenden Weichen für das spätere Haftungsregime und etwaige vertragliche Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten.

Trotz einer langsam aber stetig anwachsenden Gegenströmung5 haben die weitaus überwiegende Anzahl deutscher Justiziare und Unternehmensverbände sowie ein überwiegender Anteil in der juristischen Literatur einen „Abgesang“ auf die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechts im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen eingeleitet6. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat einen eigenen Gesetzesvorschlag entwickelt und in die Diskussion eingesteuert7. Kritisiert werden – was im Laufe dieser Arbeit näher zu beleuchten ist – die fehlende Vorhersehbarkeit sowie mangelnde Praxistauglichkeit der deutschen AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, insbesondere im Bereich von nur vermeintlich individuell und somit unwirksam vereinbarten Haftungsfreizeichnungsklauseln. Das deutsche Recht, das auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland ein entscheidender Standortfaktor ist8, sei international nicht mehr wettbewerbsfähig. Aus dem Blickwinkel des Risikomanagements heraus9 wird folglich die Anwendbarkeit bzw. freie Wahl des deutschen Rechts im Lichte der AGB-Kontrolle offen als Risikofaktor dargestellt, verbunden mit der scheinbaren Glorifizierung ausländischer Rechtsordnungen, insbesondere des Schweizerischen Rechts. Deutsche Exporteure werden zunehmend in fremde, vermeintlich verkäuferfreundlichere Rechtsordnungen gedrängt – ohne zu wissen, ob die vertraglichen Vereinbarungen zur Risikobegrenzung nicht auch dort nationalen rechtlichen Hürden unterliegen. Es darf vermutet werden, dass auch fremde Rechtsordnungen, welche den „Grundsatz der unbeschränkten Haftung“ kennen, Mechanismen entwickelt haben, um privatautonomen Fehlentwicklungen entgegenzusteuern. Diese Beschränkungen können wie in Deutschland explizit in Gesetzen zur AGB-Kontrolle („offene Inhaltskontrolle“) verankert sein, müssen aber nicht10. Denkbar ist neben allgemeinen gesetzlichen Prüfungsmaßstäben auch, dass z.B. auch die Rechtsprechung ihr Übriges tut („verdeckte Inhaltskontrolle“).

Ziel der Arbeit ist es, den Stand der Debatte um die deutsche AGB-Kontrolle kritisch zu hinterfragen, den Stand der Rechtsprechung als Überprüfungsmaßstab heranzuziehen, einen rechtsvergleichenden Blick in andere Rechtsordnungen zu werfen und die gewonnenen Erkenntnisse mit einem bislang kaum diskutierten Lösungsvorschlag abschließend zusammen zu führen.

1

Deutsches Statistisches Bundesamt, Zusammenfassende Übersichten für den Außenhandel – Vorläufige Jahresergebnisse, Fachserie 7 Reihe 1 – 2019, S. 26/Abbildung 1.1, abgerufen am 05.04.2020 unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/_inhalt.html.

2

Deutsches Statistisches Bundesamt, Zusammenfassende Übersichten für den Außenhandel – Vorläufige Jahresergebnisse, Fachserie 7 Reihe 1 – 2019, S. 66/Ziffer 1.11.1, abgerufen am 05.04.2020 unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/_inhalt.html.

3

Zur zunehmenden Technologiedynamik und den damit einhergehenden zunehmenden Risiken: Gassmann/Kobe, Management von Innovation und Risiko, S. 6ff.. Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453); Kaufhold, BB 2012, S. 1235ff. (1235); Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, S. 309ff. (309/310). Zur allgemeinen Üblichkeit von Haftungsbeschränkungsklauseln im Unternehmensalltag siehe Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 113. Die Bedeutung von AGBs betonend, welche die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Lieferung komplexer Produkte ins Ausland abändern: Niebling, Allgemeine Geschäftsbedingungen – Besonderer Teil/Praxiswissen, S. 44.

4

Ostendorf/Neumann/Ventsch, IHR 2006, S. 21ff. (21).

5

Vgl. „Initiative pro AGB-Recht“, gemeinsame Erklärung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Unternehmern vom April 2012, zuletzt aktualisiert im Februar 2019, bestehend aus mittlerweile mehr als 30 Verbänden, u.a. dem Zentralverbands des deutschen Handwerks e.V., Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Markenverband e.V., Gesamtverband der deutschen Mode- und Textilindustrie e.V., Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V., Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie e.V., Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V., Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., abgerufen am 02.09.2019 unter http://www.pro-agb-recht.de/.

6

Kritisch hierzu ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 50.

7

DAV, Stellungnahme 23/2012, abgedruckt im AnwBl 5/2012, S. 402ff. (402).

8

Kondring, RIW 2010, S. 184ff. (184).

9

Lischek/Mahnken, ZIP 2007, S. 158ff. (158); Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (424); Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 37; zur ex ante-Berücksichtigung und Einpreisung von Haftungsrisiken vgl. Roth, ZGR 3/86, S. 371ff. (374).

10

Zum Begriff der „Inhaltskontrolle“ bzw. „Rechtskontrolle“ vgl. ULMER/BRANDNER/HENSEN-Fuchs, Vorb. v. 307 Rn. 1ff..

B. Gang der Darstellung

Zu Anfang werden kurz das von Wirtschaft, Branchenverbänden und dem überwiegenden Anteil der juristischen Literatur kolportierte Meinungsbild als zu beweisende (oder zu widerlegende) Behauptung zusammengefasst und die Auswirkungen auf die Wirtschaftspraxis beleuchtet.

Anschließend werden in einem Sachteil die Grundzüge des deutschen Haftungsrechts dargestellt, um die aufgeworfenen Fragen im Kontext richtig einordnen zu können. Es folgt eine Darstellung und Analyse zulässiger Haftungsbeschränkungen auf gesetzlicher sowie vertraglicher Basis. Zur Meinungsbildung betrifft dies auch bewusst sachfremde Rechtsgebiete, um den Blick für etwaige Lösungsansätze zu weiten.

Anschließend werden die Entstehungsgeschichte der AGB-Kontrolle, die Intention des Gesetzgebers, die Behandlung durch die Rechtsprechung und ausgewählte dogmatische Ansätze samt eigenem Ansatzpunkt dargestellt.

Hieran schließt eine ausführliche, auf Gesetz und Rechtsprechung basierende Darstellung zulässiger Haftungsausschlüsse und -beschränkungen an.

Dieser Gang der Darstellung folgt einem bestimmten Zweck: Zuallererst ist zu ermitteln, welche Problemstellungen der deutsche Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung mit der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu lösen versucht, und wie diese Ziele mit unterschiedlichen Instrumentarien erreicht werden sollen. Der Schwerpunkt liegt anschließend auf der Fragestellung, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung im unternehmerischen Geschäftsverkehr die Privatautonomie im Bereich von Haftungsbeschränkungen zulässt oder gegebenenfalls beschränkt. Herauszuarbeiten ist, ob die deutsche AGB-Kontrolle (auch unter Berücksichtigung des eventuell anwendbaren CISG) tatsächlich dermaßen unsichere Rahmenbedingungen in internationalen Exportverträgen bietet, dass eine gezielte Wahl ausländischen Rechts Sinn machen kann. Hierbei soll auch ein kurzer Abstecher in nicht unmittelbar rechtstypische Gebiete gewagt werden, um zu beleuchten, ob etwaige Problemstellungen nicht durch praktische Ansätze (wie Verhandlungsstrategien (z.B. Harvard-Verhandlungsstrategie)) umgangen werden könnten und somit doch eher theoretische als praktische Probleme darstellen. Auch einige derzeit diskutierte Reformvorschläge werden in die Betrachtung miteinbezogen.

Im später folgendem rechtsvergleichenden Teil soll versucht werden, die vertraglichen Grenzen von Haftungsausschlüssen und -begrenzungen beispielhaft in verschiedenen fremden Rechtsordnungen zu beleuchten. Wenn die deutsche AGB-Kontrolle im Bereich der Haftungsfreizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr tatsächlich dermaßen unzulänglich und unpraktikabel sein sollte, stellt sich die Frage, wie in ausgewählten anderen Ländern mit der zu Grunde liegenden Problemstellung umgegangen wird, welche beispielhaften Ansätze hier verfolgt werden, und vor allem, ob diese Ansätze gegenüber dem deutschen Recht denn tatsächlich vorzugswürdig sind. Von erheblicher Bedeutung ist hier nicht nur, ob und wo solche Grenzen bestehen, sondern insbesondere auch, warum und wie sich diese Grenzen von den deutschen Beschränkungen der Privatautonomie unterscheiden. Auch hierbei soll, der im Raum stehenden Frage der praktischen Unzulänglichkeit der Rechtsanwendung folgend, ein besonderer Fokus auf die Vorstellung konkreter Urteile gelegt werden. Hierzu werden beispielhaft folgende Rechtsordnungen abgehandelt:

1. Schweizer Recht: Sollten wie von den Kritikern der deutschen AGB-Kontrolle propagiert trotz der vom Schweizerischen Bundesgericht entwickelten Überprüfungsmaßstäbe (z.B. Ungewöhnlichkeits- und Unklarheitenregel11 für AGBs) keine praktisch relevanten Beschränkungen der Privatautonomie existieren, stellt sich die Frage, wie das Schweizer Recht dies begründet und welche Schlüsse sich für die den beiden Rechtsordnungen zu Grunde liegende Problemstellung ergeben.

2. US-Amerikanisches Recht: Zudem wird noch eine Rechtsordnung aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis herangezogen. Aus diesem Rechtskreis, dessen grundsätzlich weite Vertragsfreiheit – auch des Modellgesetzes UCC12 – allgemein bekannt ist, wird ein dem deutschen Verständnis eher fremdes vertragliches Haftungskonzept (sog. „knockfor-knock indemnification“13) dargestellt, welches – dem allgemeinen Rechtsverständnis des case law widersprechend – durch den texanischen Gesetzgeber in gewisse Grenzen verwiesen wurde14. Zu klären wird sein, wie dieser uns fremde Ansatz funktioniert und welche Problemstellungen durch welche gesetzlichen Vorgaben gelöst werden sollen.

Das rechtsvergleichende Fazit soll neben einer abschließenden Bewertung der verschiedenen Ansätze und gewonnenen Erkenntnisse auch neue Aspekte in die Debatte um die Fortentwicklung der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr einbringen.

Die Arbeit schließt mit der Vorstellung eines auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse abgeleiteten Modells sowie einer konkreten Empfehlung, die den rechtlichen wie praktischen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht werden soll und die Debatte lösungsorientiert versachlichen möchte.

11

Berger, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 959.

12

Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 83ff..

13

Dieses im Bereich der Ölförderung häufig vertraglich vereinbarte Haftungskonzept stellt nicht auf ein Verursacher- oder Verschuldensprinzip ab, sondern teilt Verantwortlichkeiten rein z.B. nach Unternehmenszugehörigkeiten der klagenden Person ein. Wird solch ein Konzept zwischen Vertragspartnern vereinbart, kann dies zur vollständigen Haftungsfreistellung für den Schädiger führen. Siehe hierzu später im rechtsvergleichenden Teil unter § 6 B II.3 (4).

14

Civil Practice & Remedies Code, Chapter 127, Indemnity Provisions in certain Mineral Agreements.

§ 2. Quod est demonstrandum: Stand der Debatte und praktische Auswirkungen

A. Zusammenfassung zum Stand der Debatte

Mittlerweile werden die angeblichen Unzulänglichkeiten der deutschen AGB-Kontrolle im Vergleich zur Vertragsfreiheit in fremden Rechtsordnungen nicht mehr nur von einzelnen Branchenverbänden kritisiert, sondern auch in weiten Fachkreisen aus Wirtschaft, Anwaltschaft15 und zunehmend auch Forschung16 rege diskutiert17. Hier hat sich insbesondere die Abgrenzung von AGB-Klauseln, welche der strengen Kontrolle der §§ 307ff. BGB unterliegen, und individuell ausgehandelten Klauseln, welche gem. § 305b BGB nicht angreifbar sind bzw. eigentlich sein sollten, als größter Kritikpunkt herauskristallisiert18.

Nach Angabe diverser Unternehmensverbände, insbes. auch des VDMA, mangele es den Unternehmen auf Grund der unklaren Überprüfungskriterien an Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit und somit Rechtssicherheit im Umgang mit allgemein gebräuchlichen Vertragsmustern und -klauseln. Die Vorgaben von Gesetzgeber und Rechtsprechung, die ursprünglich dem Verbraucherschutz dienen sollten, würden im unternehmerischen Geschäftsverkehr, dem sog. B2B-Bereich19, als Beschneidung der Privatautonomie verstanden, die dem Leitbild eines selbstbestimmten und verantwortlich handelnden Unternehmertums zuwiderlaufe20. Insbesondere eine fehlende Haftungsbeschränkungsmöglichkeit im Bereich der einfachen Fahrlässigkeit führe dazu, dass unternehmerische Risiken weder kalkulierbar noch versicherbar seien21. Teile des Schrifttums sprechen gar von einer „uneinsichtigen und doktrinären“ Rechtsprechung, welche in der praktischen Anwendung im Widerspruch zur geltenden Gesetzeslage stehe22. Die „zahllosen Fallstricke zu vermeiden“23 sei auch einem vernünftigen Rechtsanwender angesichts der Rechtsprechung kaum möglich24.

Besonders deutlich bringt dies die von BDI, DIHK, VDMA, ZVEI, IHK Frankfurt am Main, diversen Rechtsanwälten und Syndizi aus Unternehmen getragene Initiative zur Fortentwicklung des deutschen AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr25 zum Ausdruck. Diese rät, solange die angestrebten Änderungen in Gesetz und/oder Rechtsprechung oder Entschärfung dieser Problematik nicht eintreten, mehr oder weniger offen zur „Flucht aus dem deutschen Recht“26, wofür sich mittlerweile auch konkrete Fortbildungsreihen von Seminar-Dienstleistern entwickelt haben27. Die Unternehmen werden aus eigener Erfahrung heraus bereits seit längerem mit solchen Seminar-Angeboten nahezu überschwemmt. Insbes. größere Unternehmen sollen seit schon geraume Zeit das Schweizer Recht dem deutschen Recht vorziehen28. Zuletzt stellt die Initiative verstärkt auch auf die Herausforderungen der Digitalisierung ab und sieht eine Neuordnung als wesentlich für die digitale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands29.

Auch internationale Branchenverbände haben Ihren Beitrag zu einer internationalen Diskussion geleistet: So sehen z.B. selbst die ORGALIME Bedingungen30 speziell für den Fall einer Wahl des deutschen Rechts einen separaten Annex31 vor, welcher die – branchenüblichen, aber gem. AGB-Rechtsprechung unzulässigen – Haftungsausschlüsse für Folgeschäden („loss of production, loss of profit and other indirect loss“32) abwandelt bzw. vollständig aufhebt33. Auch die FIDIC Bedingungen, immerhin internationaler Standard für Ingenieursdienstleistungen, haben sich den Herausforderungen der deutschen AGB-Kontrolle zu stellen34.

Auf der Ebene von Politik und Justiz hat der „Wettbewerb der Rechtsordnungen“35 schon vor einiger Zeit Aufmerksamkeit erregt und das Bundesministerium der Justiz Ende 2008 veranlasst, mit dem Deutschen Richterbund, dem Deutschen Anwaltverein, der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Notarverein und dem Deutschen Juristinnenbund ein „Bündnis für das deutsche Recht“ auszurufen36. Die Thematik der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr wurde anscheinend jedoch nicht aufgegriffen37. Die zugehörige Werbebroschüre („Law – Made in Germany – global, effektiv, kostengünstig“38) preist nur die große Rechtssicherheit an, welche „den Bedürfnissen des internationalen Handelsverkehrs verlässlich Rechnung“39 trage. Das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Justiz hat die Verbandsinitiative zur Fortentwicklung des deutschen AGB-Rechts zur Kenntnis genommen und Anfang 2012 ein Anhörungstermin durchgeführt, bei dem durch Experten und Verbände konkrete Änderungsvorschläge vorgelegt werden sollten. Der Koalitionsvertrag 2018 beinhaltet gar explizit eine Überprüfung der Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr:

„Wir werden das AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen auf den Prüfstand stellen mit dem Ziel, die Rechtssicherheit für innovative Geschäftsmodelle zu verbessern. Kleine und mittelständische Unternehmen, die Vertragsbedingungen ihres Vertragspartners aufgrund der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse faktisch akzeptieren müssen, sollen im bisherigen Umfang durch das AGB-Recht geschützt bleiben.“40

Laut Auskunft eines Sprechers des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz sei auch Ende 2019 auf Grund der Komplexität der laufenden Prüfung des Vorhabens noch keine Aussage darüber möglich, ob und wann es zu einer Umsetzung kommt41. Auch am Regensburger workshop, der sich im Mai 2019 mit der Reform der AGB-Kontrolle im B2B-Bereich beschäftigt hat, nahmen Vertreter des BMJV teil, allerdings ohne inhaltlichen Beitrag zu den oder Bewertung der dort diskutierten Vorschläge42.

Durch die sich abzeichnenden Änderungen aufgeschreckt entstand die aus mehreren, vornehmlich kleineren Wirtschaftsverbänden initiierte Initiative pro AGB-Recht43, welche sich wegen der besonderen Verlässlichkeit des deutschen AGB-Rechts und dessen Schutz für den wirtschaftlich schwächeren Vertragspartner im Hinblick auf Transparenz, Ausgewogenheit und Rechtssicherheit gerade im unternehmerischen Geschäftsverkehr hervorragend bewährt habe und keiner legislativen Änderungen bedürfe44. Feindbild der Initiative ist hierbei der Großkonzern, der durch die interne Rechtsabteilung oder externe Rechtsspezialisten gegenüber Kleinunternehmen ein Ungleichgewicht schaffe, das dem zwischen Unternehmen und Verbrauchern gleich komme45. Aus praktischer Sicht sei keine Flucht in Schweizer Recht zu belegen, da die Risiken der kaum bekannten Rechtsordnung in keiner Relation zur (ohnehin bestrittenen) Problematik stehen würden46.

15

Vgl. das Symposium des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und des Deutschen Juristentages (DJT) am 19.01.2012 in Berlin. Zu den vorgestellten Konzepten vgl. z.B. Hannemann, AnwBl 4/2012, S. 314ff. (314ff.) sowie Schmidt-Kessel, AnwBl 4/2012, S. 308ff. (308ff.). In den 2012er Beschlüssen des DJT (abgerufen am 07.03.2014 unter http://www.djt-net.de/beschluesse/beschluesse.pdf) finden sich 3 angenommene Beschlussvorlagen, welche a) die Indizwirkung der §§ 308, 309 BGB auch im B2B-Bereich ablehnen, b) eine Anpassung des Erfordernisses des Aushandelns an die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs fordern und c) eine Beschränkung der Inhaltskontrolle im B2B-Bereich auf good commercial practice wünschen.

16

Vgl. z.B. auch „Zusammenfassung AGB-Expertendialog Heidelberg vom 14.12.2009“, abgerufen am 23.10.2010 unter http://www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/vertragsrecht/agb_recht_initiative/14-12-09-zusammenfassung/.

17

Zusammenfassend mit „Der große Streitpunkt: AGB im Unternehmensverkehr“ beschreibend: Pfeiffer, NJW 2017, S. 913ff. (917). Der Disput erinnert bei Prüfung der Debatten zum AGBG in weiten Teilen verblüffend den bereits in den 80er Jahren geführten Diskussionen, auch unter Beteiligung von Vertretern von Wirtschaftsverbänden, um die Auswirkungen der AGB-Kontrolle auf den kfm. Geschäftsverkehr, vgl. z.B. Hensen, NJW 1987, S. 1986ff. (1986ff.) und Rabe, NJW 1987, S. 1978ff. (1978ff.).

18

Zusammenfassend aus Sicht eines Befürworters: Graf v. Westphalen, NJW 2009, S. 2977ff. (2977).

19

Berger, NJW 2010, S. 465ff. (465).

20

Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1231); Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1810).

21

Mit weiteren Verweisen: Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1231). Zur Wichtigkeit von Haftungsbeschränkungsklauseln aus der Sicht der Unternehmenspraxis: Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 56ff..

22

Maier-Reimer, NJW 2017, S. 1ff. (1).

23

STAUDINGER-305ff.-Mäsch, Vorbem. zu §§ 305ff. Rn. 48.

24

STAUDINGER-305ff.-Mäsch, Vorbem. zu §§ 305ff. Rn. 48.

25

Ausführliche Informationen hierzu unter www.agb-recht-initiative.de. Neufassung unter dem Slogan „AGB-Recht für Unternehmen modernisieren – Wirtschaftsstandort Deutschland stärken“ am 18.10.2018 durch Bitkom e.V., Bundesverband Deutsche Startups e.V., Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Bundesverband Gesundheits-IT– bvitg e.V., Die Deutsche Kreditwirtschaft, ICC Germany e.V. – Internationale Handelskammer, VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., Verband der Auslandsbanken in Deutschland e.V., Verband der privaten Bausparkassen e.V., Verband Deutscher Bürgschaftsbanken e.V., Verband öffentlicher Versicherer e.V., ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V., abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.zvei.org/fileadmin/user_upload/Themen/Maerkte_Recht/Allgemeine_Geschaeftsbedingungen_im_unternehmerischen_Geschaeftsverkehr/pdf/Verbaendeerklaerung-Politische-Forderung-AGB-Reform.pdf.

26

„AGB-Recht: Rechtswahl im Export: Risiko deutsches Recht“, Betriebsberater online, abgerufen am 24.10.2010 unter http://www.betriebs-berater.de/magazin/pages/show.php?timer=1251446559&deph=0&id=66662&currPage=3; so auch Leuschner, AcP Bd. 207 (2007), S. 491ff. (491); vgl. Anmerkungen von Hobeck zu ICC (Teil-)Schiedsspruch Nr. 10279, SchiedsVZ 2005, S. 108ff. (112).

27

Z.B. „Schweizer Recht im Anlagenbau – Profitieren Sie von Vertragsfreiheiten!“, Management Circle Intensiv-Seminar, 1 tägige Veranstaltung, Kosten 1.245,- EUR (netto); „Kauf-, Liefer- und Werkverträge nach Schweizer Recht“ mit dem hervorgehobenen Hinweis „Nutzen Sie Ihre Gestaltungsmöglichkeiten nach Schweizer Recht!“, FORUM Institut für Management GmbH, 1 tägige Veranstaltung, Kosten 890 EUR (netto).

28

So u.a. Brachert/Dietzel, angestellt bei der SIEMENS AG im Bereich Legal Services, beschrieben in ZGS 2005, S. 441; Ostendorf, SchiedsVZ 2010, S. 234ff. (234). Als „„erste Adresse“ für eine das deutsche Recht vermeidende Rechtswahl“ sehend: Müller/Schilling, BB 2012, S. 2319ff. (2323).

29

Siehe Stellungnahme „AGB-Recht für Unternehmen modernisieren – Wirtschaftsstandort Deutschland stärken“ vom 18.10.2018 durch Bitkom e.V., Bundesverband Deutsche Startups e.V., Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Bundesverband Gesundheits-IT– bvitg e.V., Die Deutsche Kreditwirtschaft, ICC Germany e.V. – Internationale Handelskammer, VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., Verband der Auslandsbanken in Deutschland e.V., Verband der privaten Bausparkassen e.V., Verband Deutscher Bürgschaftsbanken e.V., Verband öffentlicher Versicherer e.V., ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V., abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.zvei.org/fileadmin/user_upload/Themen/Maerkte_Recht/Allgemeine_Geschaeftsbedingungen_im_unternehmerischen_Geschaeftsverkehr/pdf/Verbaendeerklaerung-Politische-Forderung-AGB-Reform.pdf.

30

ORGALIME S 2000, General Conditions for the Supply of Mechanical, Electrical and Electronic Products, Brüssel, August 2000. Zur Gebräuchlichkeit verschiedener Standardbedingungen vgl. Hök, Handbuch des internationalen und ausländischen Baurechts, S. 192ff..

31

ORGALIME Guide on ORGALIME General Conditions, July 2002; vgl. auch Ostendorf, ZGS 2006, S. 222ff. (226).

32

ORGALIME S 2000, General Conditions for the Supply of Mechanical, Electrical and Electronic Products, Brüssel, August 2000, Artikel 37.

33

Die ORGALIME S 2000, General Conditions for the Supply of Mechanical, Electrical and Electronic Products, Brüssel, August 2000, enthalten in dem beschriebenen Annex im Fall der Anwendbarkeit deutschen Rechts Klauseln, welche die ORGALIME Haftungsausschlüsse streichen oder ersetzen.

34

Kondring, RIW 2010, S. 184ff. (185).

35

Kondring, RIW 2010, S. 184ff. (184/185); Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, S. 309ff. (309); so auch Maier-Reimer, NJW 2017, S. 1ff. (1).

36

Weiterführende Informationen auf der Homepage des Deutschen Richterbunds, abgerufen am 14.04.2020 unter https://www.drb.de/positionen/verbandsthemen/buendnisfuer-das-deutsche-recht/.

37

Gerade deshalb als Beleg zu Gunsten der bestehenden Regelungen wertend: Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232).

38

Herausgegeben von Bundesnotarkammer, Bundesrechtsanwaltskammer, Deutscher Anwaltverein, Deutscher Notarverein und Deutschem Richterbund, abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Buendnis_deutsche_Recht/Broschuere_Law_-_Made_in_Germany_EN.pdf.

39

A. a.O., S. 8; Maier-Reimer, NJW 2017, S. 1ff. (1).

40

Koalitionsvertrag zur 19. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD, Zeile 6186–6190, abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1; siehe auch Müller, BB 26/2018, Die erste Seite; Graf v. Westphalen, ZIP 2018, S. 1101ff. (1101).

41

Nitschke, JUVE 9/2019, S. 49ff. (50).

42

Herresthal, Reform der AGB-Kontrolle im B2B-Bereich, Vorwort S. 8 sowie S. 137.

43

Vgl. gemeinsame Erklärung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Unternehmern vom April 2012 (regelmäßig aktualisiert, zuletzt im Februar 2019), S. 1, der „Initiative pro AGB-Recht“, bestehend aus dem Zentralverbands des deutschen Handwerks e.V., Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Markenverband e.V., Gesamtverband der deutschen Mode- und Textilindustrie e.V., Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V., Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie e.V., Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V., Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., abgerufen am 13.04.2020 unter http://pro-agb-recht.de/.

44

Aus einem der an der Initiative beteiligten Wirtschaftsverbände stammend: Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232); ebenfalls keinen Handlungsbedarf im unternehmerischen Geschäftsverkehr feststellend: Niebling, MDR 2019, S. 907ff. (919).

45

Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232).

46

Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232).

B. Die Auswirkungen der Debatte auf die Wirtschaft

Die exportlastige deutsche Wirtschaft wird durch die sich verstärkende Debatte nicht nur generell, sondern insbesondere auch im Hinblick auf ihre Verhandlungsstrategie bei Vertragsverhandlungen zunehmend verunsichert:

Auf Grund der häufig schwächeren Position des Verkäufers gegenüber dem Käufer47 sehen sich Exporteure zu Beginn der Vertragsverhandlungen i.d.R. zuallererst mit den vertraglichen Vorstellungen des Käufers konfrontiert, die auf dessen Rechtsordnung basieren. Dieser hat verständlicherweise ein grundsätzliches Interesse daran, die im Falle fehlender Parteivereinbarung in der Regel anwendbare deutsche Rechtsordnung48 zu Gunsten der eigenen Rechtsordnung abzubedingen.

Der deutsche Exporteur, der von der AGB-Debatte Kenntnis genommen hat, befindet sich bei den Vertragsverhandlungen mit dem Kunden unweigerlich in einem Interessenkonflikt: Erreicht er eine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts und werden die von ihm vorgelegten Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln hierbei nicht ausreichend individuell „ausgehandelt“49, besteht die Gefahr, dass auf Grund der deutschen Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle die Risikobegrenzungen nicht anerkannt werden und trotz der vermeintlich freundlicheren heimischen Rechtsordnung eine potentiell existenzgefährdende unbeschränkte Haftung greift. Insbesondere könnte der Verwendungsgegner bewusst auf eine Abänderung von vorgelegten Vertragstexten verzichten und auf die Unwirksamkeit nicht ausgehandelter Vertragsbestandteile spekulieren50. Wählt oder akzeptiert der Exporteur folglich fremdes Recht (was wegen der kolportieren Popularität Schweizerisches Recht sein kann, aber nicht muss), kann er sich jedoch nicht sicher sein, dass die vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln auch nach diesem fremden Recht zulässig sind. Die Einholung fachkundigen nationalen Rechtsrates unterbleibt v.a. bei dem die deutsche Wirtschaft prägenden Mittelstand51 vielfach, sei es aus Kosten- oder Zeitgründen oder aus einer „gefühlten Sicherheit“ heraus. Denn schließlich sei, nach alledem was man so höre, keine fremde Rechtsordnung so unberechenbar wie das deutsche Recht.

Festzuhalten ist somit, dass in der Wirtschaft – verständlicherweise – eine nicht zu unterschätzende Verunsicherung existiert. Die vorliegende Arbeit versucht zu ergründen, ob die Verunsicherung der Wirtschaft in diesem Bereich berechtigt ist und welche Handlungsempfehlungen gegeben werden können. Die AGB-Kontrolle von Haftungsausschluss- und Haftungsbegrenzungsklauseln wird hierbei beispielhaft herausgegriffen, da diese für Unternehmen Existenz entscheidend sein können und die Kritik an der AGB-Kontrolle zumeist aus dem Blickwinkel des Risikomanagements zur Vermeidung existenzbedrohender Haftungsrisiken geführt wird.

47

Schuhmann, BB 1996, S. 2473ff. (2473).

48

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), Art. 4. Für vor dem 17.12.2009 abgeschlossene Verträge gilt noch Art. 28 I S. 1, II S. 1 EGBGB. Vgl. STAUDINGER-AGB-Coester, Vorbem zu §§ 307–309 Rn. 11.

49

Ausführlich zu Verhandlungsstrategien aus dem Blickwinkel der Inhaltskontrolle: Schuhmann, BB 1996, S. 2473ff. (2473ff.).

50

Kessel/Jüttner, BB 2008, S. 1350ff. (1351); so auch bereits zu Zeiten des AGBG: Schuhmann, BB 1996, S. 2473ff. (2476).

51

Gemäß Deutschem Statistischen Bundesamt gehörten 2017 dem Mittelstand (inkl. Kleinbetriebe) 99,7 Prozent aller deutschen Unternehmen an, welche mehr als 60 % der bei allen Unternehmen tätigen Personen beschäftigten. Abgerufen am 05.04.2020 unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Kleine-Unternehmen-Mittlere-Unternehmen/Tabellen/wirtschaftsabschnitte-insgesamt.html;jsessionid=DE62AA8D760EB94F35A509CBB6078EF8.internet711.

§ 3. Grundlagen des deutschen Haftungsregimes

A. Schadensarten

I.Definition

Unter einem natürlichen Schaden ist „jede Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Lebensgütern“52 erfährt, zu verstehen. Der natürliche Schaden kann weiter Vermögens- als auch Nichtvermögensschaden sein53, wobei die Abgrenzungskriterien im Einzelfall fließend sein können54.

II.Nichtvermögensschaden

Unter einem Nichtvermögensschaden versteht man sämtliche immaterielle Schäden, welche keine (messbare) Vermögensminderung mit sich bringen55. Ein Anspruch auf Geldentschädigung entsteht nur, sofern dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist (z.B. § 253 Abs. 2 BGB)56. Da sich typischerweise Schäden im kaufmännischen Geschäftsverkehr in Geld bewerten lassen, spielen Nichtvermögensschäden bei der hier vorliegenden Betrachtung keine Rolle.

III.Vermögensschäden, insbes. Folgeschäden

Liegt hingegen ein Vermögensschaden vor, so liegt der Wert des Vermögens des Geschädigten messbar unter dem Wert, wie er ohne schadensbegründendes Ereignis liegen würde57. Voraussetzung ist also eine Messbarkeit einer Einbuße in Geld58.

Im unternehmerischen Geschäftsverkehr kommt im Bereich der Vermögensschäden den sog. „Folgeschäden“, welche auch als „mittelbare Schäden“ oder „indirekte Schäden“ bezeichnet werden, eine besondere Bedeutung zu59. Auch wenn eine justiziable Definition dieser Schadensart fehlt und selbst in umfangreichen Klauselwerken eine vertragliche Definition als kaum verwirklichbar angesehen wird60, wird dieser Begriff im Allgemeinen dazu verwendet, die Gruppe von Schäden zusammen zu fassen, welche nicht am Liefergegenstand selbst entstanden sind, wie z.B. entgangener Gewinn (§ 252 BGB), Produktions- und Nutzungsausfall61. Die Vorhersehbarkeit einer Gewinnchance spielt hierbei keine Rolle62. Nur die direkt am verletzten Rechtsgut entstandenen Schäden (auch Objektschäden63 genannt) werden hiernach als unmittelbare Schäden bezeichnet64. Da weitere Abgrenzungskriterien eher vage sind und z.B. auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts abstellen65, wird nachfolgend die am Liefergegenstand orientierte Definition beibehalten. Nur am Rande sei angemerkt, dass die vor der Schuldrechtsreform gewichtige Unterscheidung nach Mangel- und Mangelfolgeschäden mittlerweile stark an Relevanz verloren hat66.

Für die Wirtschaftspraxis ist aus Risikogesichtspunkten jedoch noch eine weitergehende Unterteilung notwendig: Und zwar in diejenigen Folgeschäden, welche ohne Weiteres versichert werden können, und solchen, für die üblicherweise kein oder nur ein stark begrenzter Versicherungsschutz möglich ist. Zu Ersterem zählen z.B. Schäden an einem Gebäude, nachdem der Liefergegenstand einen Brand verursacht hat, oder auch Schäden, welche basierend auf einer Fehlfunktion des Liefergegenstandes durch die Verletzung von Personen entstanden sind. Diese versicherbaren Folgeschäden sind in aller Regel bereits durch die üblichen Betriebshaftpflichtversicherungen gedeckt67, und werden deshalb – sofern ein Versicherungsschutz in ausreichender Höhe vorgehalten wird – vielfach als relativ unproblematisch angesehen.

Zu den üblicherweise nicht oder nur begrenzt versicherbaren Folgeschäden68 zählen hingegen die „klassischen“ Folgeschäden wie z.B. entgangener Gewinn (§ 252 BGB) und Produktionsausfall. So sah zum Beispiel die bis 2007 geltende Fassung von § 53 VVG mangels anderweitiger Versicherungsvereinbarungen einen expliziten Ausschluss der Deckung für entgangenen Gewinn vor69. Mittlerweile wird die Deckungsübernahme jedoch mittels Allgemeiner Versicherungsbedingungen (AVB) definiert, welche unterschiedlichen Inhalts sein können70. Die Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB), welche im Dezember 2016 in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) überführt wurden, schließen in Ziffer A1-3.2 die Deckung für Nutzungsausfallschäden, Schäden infolge ausbleibenden Vertragserfolges oder nutzloser Aufwendungen explizit aus71. Auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) schließen in Ziffer 7.7/7.8 mittelbare Vermögensfolgeschäden bewusst aus72. Solche Versicherungsausschlüsse betreffen wirtschaftlich sehr sensible Risiken: Im Automobilzulieferbereich können sich zum Beispiel die aus einem Bandstillstand herrührenden Folgeschäden ohne Weiteres im sechsstelligen Bereich bewegen – und das pro Stunde73. Auf Grund kaum kalkulierbarer Risiken und demnach unwirtschaftlich hohen Versicherungsprämien schrecken Versicherungen davor zurück, einen umfassenden Schutz vor Folgeschäden anzubieten74. Es existieren zwar einzelne Modelle (wie z.B. die „Erweiterte Maschinenklausel“ oder die sehr selten anzutreffende „Nutzungsausfallversicherung“), die in Teilbereichen einen Schutz für Folgeschäden anbieten, jedoch nicht das volle Risiko innerhalb wertschöpfungsintensiven Lieferketten abdecken75. Wenn bereits Versicherungsunternehmen das Angebot einer effektiven Risikoabsicherung für Folgeschäden ablehnen, stellt sich die Frage, wieso die alleinige und unbeschränkte Tragung dieses Risikos dem einzelnen Zulieferanten zumutbar sein soll – falls vertragliche Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten ausscheiden.

Nachdem somit die nicht oder nur begrenzt versicherbaren Folgeschäden im Fokus des Risikomanagements von Unternehmen stehen dürften, beschränkt sich diese Arbeit im Folgenden darauf, diese Art der Schäden als typischen Folgeschaden zu betrachten und näher zu beleuchten.

52

PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 9; auf die Beeinträchtigung vermögenswerter oder ideeller Interessen abstellend: MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 16; ähnlich: NK-Magnus, Vor 249–255 Rn. 17.

53

PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 9; krit. STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 35–42.

54

PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 10ff.; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 24ff.; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 17ff..

55

PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 9; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 19.

56

MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 24; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 19.

57

PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 10; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 28.

58

MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 28; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 19.

59

Kollmann, NJOZ 2011, S. 625ff. (625); MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 99; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21.

60

OLG Stuttgart, Urt. v. 22.04.1988 – 2 U 219/87, Ziffer 2.c; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 102; Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453/2458); in der Praxis des Industrieanlagengeschäfts wird eine exemplarische Aufzählung der gängigsten und größten nicht versicherbaren Risiken wie loss of profit, lost interest, loss of production und overheads befürwortet, vgl. OSTENDORF/KLUTH-Klaft, § 20 Rn. 223; darüber hinaus eine rechtssichere vertragliche Abgrenzung als „unmöglich“ erscheinend bezeichnend: MÜNCHNER VERTRAGSHANDBUCH Bd. 2/I-Kratzsch, S. 384 (Rn. 65).

61

Die grundsätzliche Ersatzpflicht für entgangenen Gewinn konkret für den Fall der Lieferung einer Industrieanlage mit unzureichender Erfüllung technischer Toleranzen nicht beanstandend: BGH, Urt. v. 06.04.2016 – VIII ZR 261/14; allgemein: MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 101; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 15; Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453); STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 43.

62

MüKo/BGB-Oetker, § 252 Rn. 6; NK-Spallino, § 252 Rn. 3, 14.

63

NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21.

64

MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 100; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 15.

65

Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453); MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 102. Dies überzeugt jedoch nicht, da sich auf Grund eng verknüpfter Lieferketten und Prozessintegration (nahezu) gleichzeitig mit dem unmittelbaren Schaden auch mittelbare Schäden ergeben können (vgl. z.B. just-in-time-Fertigung, Großanlagenbau mit mehreren Komponenten, Arbeitsgemeinschaften/Konsortien). Zum gleichen Ergebnis kommend: STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 43.

66

NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21. Unter einem Mangelschaden versteht man die durch einen Mangel verursachten Nachteile, die trotz einer Nacherfüllung beim Geschädigten weiter bestehen (z.B. reparaturbedingter Minderwert), während ein Mangelfolgeschaden einen durch Nacherfüllung nicht beseitigbaren Schaden (wie Nutzungsausfall) beschreibt, vgl. PALANDT-Grüneberg, § 437 Rn. 34f..

67

Vgl. Ziffer 1.1 der Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) in der Fassung vom Februar 2014. Die im Anlagenbau fehlende Versicherbarkeit von Vermögensschäden bestätigend: Frankenberger, AnwBl 4/2012, S. 318f. (319). Bezüglich der Versicherbarkeit ebenfalls eine Differenzierung in Haftungsklauseln zum Ausschluss von Folgeschäden feststellend: Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (429).

68

Ostendorf, SchiedsVZ 2010, S. 234ff. (235); ders., ZGS 2006, S. 222ff. (223). Nach Ziffer 1.2 Abs. 3 der Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) in der Fassung vom Februar 2014 besteht explizit kein Versicherungsschutz für Ansprüche, „wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges“. Vgl. auch MÜNCHNER VERTRAGSHANDBUCH Bd. 2/I-Kratzsch, S. 385 (Rn. 65); OSTENDORF/KLUTH-Ostendorf, § 8 Rn. 1, 6/7.

69

MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 99.

70

RÖMER/LANGHEID-Langheid, § 100 Rn. 9; LANGHEID/WANDT-Reiff, AVB Rn. 2.

71

Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) für die Betriebshaftpflicht in der Fassung vom Dezember 2016, abgerufen am 05.11.2018 unter https://www.gdv.de/de/ueber-uns/unsere-services/musterbedingungen-23924. So auch bereits bestätigt durch BGH VersR 1985, S. 1153ff. (1154), wo es heißt: „Daß Nutzungsausfallschäden das unmittelbare Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand betreffen und daher nach § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung sind, ist in ständiger Rechtsprechung des BGH anerkannt [...]“.

72

Zu den versicherungsrechtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten für mittelbare Vermögensfolgeschäden und den hieran anschließenden Empfehlungen zu Ziffer 7.7/7.8 AHB siehe im Detail: VEITH/GRÄFE/GEBERT-Schanz, § 15 Allgemeine betriebliche Haftpflichtversicherung, Rn. 444–456. BECKMANN/MATUSCHE-BECKMANN-v. Rintelen, § 26 Berufshaftpflicht- und Betriebshaftpflichtversicherung, Rn. 90/91.

73

Werner, Supply Chain Management, S. 205; für einen Tag bei Stillstand einer 3-Schicht-Fertigung einen zweistelligen Millionenschaden wegen Produktionsausfall bestätigend: Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (424).

74

Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453).

75

Das im Maschinenbau vorkommende Modell einer sog. „Erweiterten Maschinenklausel“ springt für Folgeschäden ein, welche dann auftreten, wenn auf einer vom Versicherungsnehmer gelieferten fehlerhaften Maschine Werkstücke falsch bearbeitet werden und somit unbrauchbar werden (sog. „Ausschuss“). In der Regel endet an dieser Stelle jedoch die Haftung für Folgeschäden, da nur unmittelbar mit der Fehlproduktion verbundene Kosten ersetzt werden, in der Regel nicht aber z.B. entgangener Gewinn. Vgl. Gasser/Seiring/Steinberger/Voth, Produkthaftung, S. 113/114, 117/118.Auch eine „Nutzungsausfallversicherung“ bietet in der Regel nur Schutz vor Schadensersatzansprüchen wegen Nutzungsausfällen beim unmittelbaren Abnehmer des Liefergegenstandes, wenngleich auch für den entgangenen Gewinn. Diese Beschränkung auf den unmittelbaren Abnehmer ist kritisch zu sehen, nachdem in komplexen Wertschöpfungsketten der Schaden nicht originär beim unmittelbaren Abnehmer, sondern in nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (z.B. Betreiber einer Industrieanlage, nicht z.B. Komponenten- oder Einzelmaschinenhersteller oder mit Errichtung der Industrieanlage beauftragter Generalunternehmer) entstehen dürfte. Doch auch Regresse dieser Personenkreise, welche über den unmittelbaren Abnehmer auf den Zulieferanten durchschlagen, sind oft explizit vom Versicherungsschutz nicht erfasst. Begründet wird diese Beschränkung durch die Versicherer aus eigener Erfahrung heraus damit, dass bei einer fehlenden Beschränkung auf den unmittelbaren Abnehmer a) die Risiken für den Versicherer bereits wegen zu hoher Komplexität verschiedenster Schadensszenarien nicht mehr kalkulierbar sein und b) somit auch keine Rückversicherung die ausgelegte Versicherung übernehmen würde. Dies führt dementsprechend dazu. dass beim Versicherungsnehmer die nicht übernommenen Risiken der gesamten nachfolgenden Wertschöpfungskette verbleiben.Eine Ausnahme könnte (wohl) die nur VDMA-Mitgliedern zugängliche VDMA-Nutzungsausfalldeckung sein, deren konkrete Versicherungsbedingungen jedoch leider nicht einsehbar und somit auch nicht bewertbar sind. Mit weiteren Informationen und Downloadmöglichkeiten der VSMA GmbH unter https://www.vsma.de/vdma-branchenloesungen/vdma-nutzungsausfalldeckung/,abgerufen am 13.04.2020.

B. Der Grundsatz der Totalreparation nach BGB und CISG

§§ 249ff. BGB stellen nicht die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch an sich dar, sondern regeln vielmehr, wie der zu ersetzende Schaden zu ermitteln ist. Nach den in § 249 BGB verankerten Grundsätzen ist der Geschädigte so zu stellen, wie wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (sog. Differenzhypothese nach Mommsen)76. Grundlage dieser Überlegung ist es, dass alle entstandenen Nachteile in Form eines Ausgleichs zu ersetzten sind (sog. Totalreparation77), welche äquivalent kausal, d.h. auf Basis der conditio-sine-qua-non-Formel, zugerechnet werden können78. Eine (begrenzende) wirtschaftliche Relation zwischen Auftragswert und maximal zu tragendem Schaden ist nicht anerkannt79. Auch nur durch leichteste Fahrlässigkeit verursachte Schäden, welche die persönliche Leistungsfähigkeit des Schädigers übersteigen, erfahren keine Privilegierung und auch eine Unterscheidung nach der Vorhersehbarkeit eines Schadens findet nicht statt80. Die früher gängige Haftungsbefreiung für entgangenen Gewinn bei leichter Fahrlässigkeit ist bereits seit der Durchsetzung der 1855 vorgestellten Differenzhypothese passe81. Die Unterscheidung zwischen direkten Schäden und Folgeschäden spielt demnach im Bereich des deutschen Schadensersatzrechtes keine Rolle, nachdem beiden Schadensarten nach den gleichen Kriterien zu ersetzen sind82. Auch im Bereich der AGB-Kontrolle hat sich der Gesetzgeber auf Grund der schwierigen praktischen Unterscheidbarkeit sowie der regelmäßig schwereren Belastung durch den mittelbaren als den unmittelbaren Schaden bewusst gegen eine Differenzierung entschieden83.

Das Interesse des Geschädigten an der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gilt als einheitlicher Ausgangspunkt der Schadensermittlung84. Ein darüber hinaus gehender Strafschadensersatz (punitive damages), wie er z.B. nach dem anglo-amerikanischen Rechtsverständnis fällig werden kann, ist dem derzeitigen deutschen Rechtsverständnis mit gewissen Einschränkungen fremd85. Neben einer Ausgleichsfunktion stehen dort die Straf- sowie Präventionsfunktion bei der Rechtfertigung von Schadensersatz im Vordergrund86.

Auch nach Art. 74 CISG, welcher als Teil des deutschen Rechts bei fehlendem explizitem Ausschluss bei nicht privat tätig werdenden Vertragspartnern mit Niederlassungen in verschiedenen Staaten unmittelbar zur Anwendung kommen kann, gilt hier nichts anderes87. Zwar sieht Art. 74 S. 2 CISG eine Beschränkung auf den vorhersehbaren Schaden vor („als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder unter Berücksichtigung der Umstände, die sie kannte oder kennen musste, hätte voraussehen müssen“), was durch den dabei unterstellten verstärkten Informationsaustausch aus rechtsökonomischer Sicht entweder verstärkte Schadensminimierungsbestrebungen oder zumindest Einpreisung der Risiken (auch über Versicherungslösungen) erwarten lassen könne88. Bei den für den deutschen Export typischen Produkten, welche in komplexe Wertschöpfungsketten (z.B. im Maschinen- und Anlagenbau, Automobilbau, chemische Industrie) eingebracht werden, sind weit reichende Haftungsrisiken bereits vor Vertragsabschluss ohne Weiteres deutlich vorhersehbar, weshalb dies kein ausreichendes Unterscheidungskriterium ist89. Dies wird für einen Lieferanten häufig dadurch subjektiv ersichtlich, dass sein Liefer- und Leistungsumfang mittels einer Vielzahl definierter technischer Schnittstellen/Spezifikationen zur Gesamtanlage bestimmt wird und zumindest objektiv die zu erwartenden Schäden aus der typischen Benutzung des Liefer- und Leistungsumfangs erwartbar sind90. Die Gesamtanlage und die möglichen Auswirkungen eines Ausfalls seines Liefer- und Leistungsumfangs sind somit zumeist ausreichend klar umrissen, Einschränkungen im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit von entgangenem Gewinn oder Betriebsausfallschäden nicht ersichtlich91. Die Rechtsprechung bejaht deshalb in aller Regel die Haftung auch für Folgeschäden wie entgangenem Gewinn92.

Dieser Grundsatz der unbeschränkten Haftung ist, wie nachfolgend im rechtsvergleichenden Teil dieser Arbeit dargestellt wird, nicht unüblich. Allerdings darf trotz der beispielhaft näher dargestellten Rechtsordnungen nicht ausgeblendet werden, dass sehr wohl Rechtsordnungen existieren, deren Vertragsrecht die Haftung für Folgeschäden bereits per se nicht vorsieht. So beschränkt z.B. das indische Vertragsrecht (Section 73, Indian Contract Law) Schadensersatzansprüche auf direkte und vorhersehbare Schäden und schließt indirekte Folgeschäden explizit aus93.

76

MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 18; STAUDINGER-249ff.-Schiemann, § 249 Rn. 4ff.; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 6. Zur historischen Entwicklung des Schadensrechts vgl. STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 23–25.

77

NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 30; STAUDINGER-249ff.-Schiemann, § 249 Rn. 2; Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 8.

78

PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 25; MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 8 u 98; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 64.

79

Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, S. 438. Beispielhaft: Relation Auftragswert zu Folgeschaden im Rahmen des Schwimmschalter-Falles (BGHZ 67, 359ff.) bei einem Preis von 5 DM in Relation zu mehr als 70 TDM Schaden: ca. 1:14.200. Weiteres Beispiel: Relation ca. 1:9 (Auftragswert für eine Teil-EDV-Klimatisierung 15 TDM (nt.) in Relation zum durch austretendes Wasser im Serverraum verursachten Mangelfolgeschaden i.H.v. 136 TDM) in BGH, Urt. v. 20.12.1984 – VII ZR 340/83.

80

PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 3; zur historischen Überwindung der Schadensverantwortlichkeit auf Basis anderer Kriterien (wie z.B. Verschuldensgrad), vgl. STAUDINGER-249ff.-Schiemann, § 249 Rn. 2; Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 8.

81

STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 25; ders., § 252 Rn. 6.

82

MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 99; NK-Magnus, Vor §§ 249–255 Rn. 21.

83

BT-Drs. 7/3919, S. 31/32.

84

STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rn. 25.

85

MüKo/BGB-Oetker, § 249 Rn. 8; PALANDT-Grüneberg, Vorb v § 249 Rn. 2; STAUDINGER-249ff.-Schiemann, Vorbem zu §§ 249 Rn. 104.

86

Koller, ZIP 1986, S. 1089ff. (1090ff.).

87

MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 15ff.; BAMBERGER/ROTH-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 2, 7f.; Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn. 1106, 1109, 1111; Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453).

88

M. w.V., insgesamt aber kritisch gegenüberstehend: MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 2.

89

BGH, NJW 1985, S. 3016ff. (3018). So auch Langer, WM 2006, S. 1233ff. (1235/1236); Ostendorf, ZGS 2006, S. 222ff. (225); Verweyen/Foerster/Toufar, Handbuch des internationalen Warenkaufs, S. 172; AnwK AGB-Recht/Bornhofen Rn. 956. I. E. wegen konkreter Erkennbarkeit ebenfalls bejahend: BeckOK/BGB-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 12. A.A. und bei Betriebsausfallschäden auf den jeweiligen Einzelfall abstellend: SCHLECHTRIEM/SCHWENZER/SCHROETER-Schwenzer, Art. 74 Rn. 55.

90

Zu den Beweisproblemen subjektiver Vorhersehbarkeit und der geringen Hürde objektiver Erwartbarkeit vgl. MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 30ff.. Nur auf den objektiven Maßstab abstellend: Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn. 1112. Allgemein zum Erfordernis der Vorhersehbarkeit: HANDBUCH IWR-Benicke, Teil B. Rz. 380–382.

91

INTERNATIONALES VERTRAGSRECHT-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 7; Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn. 1107f.; MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 36; in Bezug auf den Betriebsausfallschaden so i.E. auch MüKo/BGB/CISG-Huber P., CISG Art. 74 Rn. 40. A.A. (nur bei explizitem Hinweis auf Betriebsausfallschaden): BAMBERGER/ROTH-Saenger, CISG Art. 74 Rn. 12.

92

OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 20.11.2012 – 5 U 129/11, Rn. 103 (bestätigend bezüglich „Folgeschäden (consequential loss [...] und zwar in Gestalt einer Gewinnchance“); OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.02.2016 – 1 U 192/14, abrufbar unter cisg-online 2740, Ziffer II.6.a; OLG Koblenz, Urt. v. 10.09.2013 – 3 U 223/13, abrufbar unter cisg-online 2472, Ziffer II.1.b.cc.

93

Tulsian, Business Law, Kapitel 10.5; Meena, Textbook on Law of Contract, S. 298; Kuchhal, Business Law, S. 288.

C. Das Prinzip der Verschuldenshaftung

Nur bei einer zu vertretenden Pflichtverletzung räumt § 280 BGB eine Schadensersatzpflicht ein, wobei sich der genaue Umfang nach §§ 276–278 BGB definiert:

§ 276 Verantwortlichkeit des Schuldners

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

§ 277 Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten

Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.

§ 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

Die Begriffe „Vertretenmüssen“ und „Verschulden“ sind hiernach nicht gleichzusetzen, sondern der erweiterte Umfang des „Vertretenmüssens“ hervorzuheben94. Zu vertreten kann nach § 276 Abs. 1 S. 2 auch eine verschuldensunabhängige Pflichtverletzung (wie z.B. bei vertraglicher Abgabe einer Garantie) sein, wobei dieser Betrachtungsgegenstand für den Gegenstand dieser Arbeit außen vor bleibt, nachdem Garantien als eigenständige Haftungsregime nicht die Beschränkung, sondern Ausweitung von Verantwortlichkeiten zum Ziel haben (vgl. hierzu später). Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass eine gesetzliche verschuldensunabhängige Haftung insbes. auch im B2B-Bereich nur sehr versprengt zu finden ist. Hierzu zählt z.B. die Haftung des Schuldners bei Verzug auch bei Zufall (§ 287 S. 2 BGB) oder auch, für Geschäftsraummietverträge geltend, die Haftung des Vermieters für alle zum Mietbeginn vorliegenden Mietmängel (§§ 536a, 536 BGB). Auf typische Beispiele für Gefährdungshaftung infolge geduldeter Gefahrschaffung (wie § 1 ProdHaftG) wird später noch eingegangen.

Nach § 276 BGB sind Vorsatz und Fahrlässigkeit, zusammengefasst unter dem Begriff des Verschuldens, zu vertreten, sofern keine strengere oder mildere Haftung bestimmt ist. Der Vorsatz, der das Wissen und Wollen um die objektiven Tatbestandsmerkmale aufweist, wird dabei wie im Strafrecht in verschiedene Vorsatzformen untergliedert, wobei die Abgrenzung der verschiedenen Vorsatzgrade vertragsrechtlich keine Rolle spielt95. Das gesetzliche Verbot des vertraglichen Haftungsausschlusses im Voraus für den Fall des Vorsatzes (§ 276 III BGB) belegt jedoch die Notwendigkeit der Abgrenzung von Vorsatz (mit dolus eventualis als niedrigste Vorsatzart) zur groben Fahrlässigkeit96. Im Fall des Vorliegens eines dolus eventualis hält der Schädigende die Tatbestandsrealisierung für möglich und nimmt die damit verbundenen Folgen billigend in Kauf97. Für den Fall grober Fahrlässigkeit (vgl. § 277 BGB), die eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraussetzt, besteht das wesentliche Abgrenzungskriterium zum dolus eventualis darin, dass der Schädiger hierbei die Folgen zwar für möglich hält, jedoch auf das Nichteintreten im Sinne eines „wird schon gutgehen“ vertraut98. Die zuletzt noch verbleibende einfache Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn es keine Gründe für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit gibt und man sich im Rahmen des Regelfalles nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB befindet99.