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Mit der Bundestagswahl 2013 ebnete sich der Weg für eine Regierungskoalition, die Anlass zur Diskussion über die Rechte und die Rolle der Opposition im demokratischen System der Bundesrepublik Deutschland bietet.
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Seitenzahl: 71
Veröffentlichungsjahr: 2016
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG – AUSGANGSSITUATION NACH DER BUNDESTAGSWAHL 2013
2 OPPOSITION IM PARLAMENTARISCHEN SYSTEM
3 RECHTLICHE KONTROLLMÖGLICHKEITEN
3.1 Institutionen des Bundestages
3.1.1 Die Fraktionen
3.1.2 Ausschüsse des Bundestages
3.1.3 Informationsrechte
3.1.4 Das Rederecht
3.2 Untersuchungsausschüsse
3.3 Normenkontrolle
3.4 Zwischenfazit
4 POLITISCHE EINFLUSSMÖGLICHKEITEN
4.1 Einflussmöglichkeiten über den Bundesrat
4.2 Einflussmöglichkeiten über die Öffentlichkeit
5 VERFASSUNGSRECHTLICHER DISKURS
5.1 Ausgangssituation: Änderungen für die 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
5.2 Verfassungsrechtliche Möglichkeiten
5.2.1 Nullvariante: Kein verfassungsrechtlicher Handlungsbedarf
5.2.2 Anpassung der Quoren im Grundgesetz
5.3 Handlungsbedarf
6 FAZIT – DEMOKRATIE ALS TRANSFORMATIONSPROZESS
LITERATURVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ANLAGEN
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGG
Bundesverfassungsgerichtsgesetz
BWG
Bundeswahlgesetz
CDU/CSU
Christlich Demokratische Union/Christlich Soziale Union
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Union
GeschOBT
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
GG
Grundgesetz
GRÜNE
Bündnis 90/Die Grünen
LINKE
Die Linke
PUAG
Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages(Untersuchungsausschussgesetz)
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
UA
Untersuchungsausschuss
VA
Vermittlungsausschuss
Mit der Bundestagswahl 2013 ebnete sich der Weg für eine Regierungskoalition, die Anlass zur Diskussion über die Rechte und die Rolle der Opposition im demokratischen System der Bundesrepublik Deutschland bietet.
Durch die Verständigung auf die große Koalition und den Antritt der Bundesregierung zum 17.12.2013 wurde eine bis dato unübliche Ausgangslage für die parlamentarische Arbeit zu Grunde gelegt. Die neue Regierungskoalition aus CDU/CSU (41,5%) und SPD (25,7%), welche seit der Wahl zusammen 504 Sitze stellen, steht durch das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag einer „Mini-Opposition“ aus Linken (8,6%) und Grünen (8,4%) mit zusammen gerade mal 127 Sitzen gegenüber.1
Dabei stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Oppositionsrechte noch wahrgenommen werden können und ob eine wirksame Kontrolle der Regierung unter solchen Umständen überhaupt möglich ist.
Dabei sollen in dieser Bachelorthesis zum einen die rechtlich vorgesehenen Instrumente aufgezeigt und bewertet werten. Darüber hinaus soll auch ein Blick auf die politische Sichtweise geworfen werden. Welche politischen Möglichkeiten außerhalb der parlamentarischen Arbeit hat die Opposition, um Einfluss auf die Legislative auszuüben?
Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, welches momentan nicht von einer Ministerpräsidentin oder einem Ministerpräsidenten von SPD oder CDU regiert wird. Vor allem mit Blick auf den Bundesrat ist es daher interessant, inwiefern sich die Opposition Einfluss auch über andere Institutionen verschaffen kann.
Nach einer eingehenden Analyse der aktuellen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten soll sich daher in einem verfassungsrechtlichen Diskurs mit den Spielräumen für die Einflussnahme auseinandergesetzt und weiterer Handlungsbedarf erörtert und aufgezeigt werden.
Die Bachelorthesis hat das Ziel die rechtlichen und politischen Einflussmöglichkeiten aufzuzeigen, zu bewerten und abschließend zur Lösung der Fragestellung beizutragen, ob und in welcher Form das demokratische System den Rahmenbedingungen unserer Zeit gewachsen ist.
1 Siehe Endgültig amtliches Endergebnis der Bundestagswahl 2013, Der Bundeswahlleiter, Pressemitteilung 09.10.2013, http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_13/presse/w13034_Endgueltiges_amtliches_Ergebnis.html.
Zu Beginn ist es grundlegend zu verstehen, welche Stellung der Begriff „Opposition“ im deutschen Verfassungsrecht innehat und welche Funktionen damit verbunden sind.
Die allgemeinen Linien der Politik werden von den Vorstellungen der politischen Parteien getragen.2 Schon der Grundgedanke bei der Entstehung des Grundgesetzes war, ein System demokratischer, chancengleich konkurrierender Parteien rechtlich abzusichern.3 Mittlerweile hat sich im deutschen demokratischen System die Situation etabliert, dass eine große Partei die Regierung führt und die andere die Hauptopposition stellt. Die aktuelle Situation hingegen mit einer Regierungskoalition aus beiden „großen“ Parteien wird als lediglich in Notlagen hinnehmbar und nicht als Konzept auf Dauer angesehen.4 Auch in der Bevölkerung wird eine Koalition großer Parteien eher als „undemokratisch“ eingestuft.5 In der politischen Praxis herrscht daher bereits das Denken des „Dualismus Regierung - Opposition“6 vor. Lediglich in der rechtsstaatlichen Ausgestaltung besteht weiter die Grundannahme, dass es eine „Opposition“ nur im Sinne des Gesamtparlaments gegenüber der Regierung gibt, wie es auf das System der Gewaltenteilung zurückzuführen ist.7 Daher hat das BVerfG Oppositionsrechte umfangreich als „Richterrecht“ deklariert und gestärkt.8 Unter der Betrachtung des Dualismus Regierungsmehrheit und Oppositionsfraktionen wäre der Anspruch vertretbar, auf der Legislativebene diesen aus Art. 21 GG entsprungenen konkurrierenden „Wettstreit“ der Parteien nicht lediglich durch Wahlen auszutragen, sondern auch während einer Wahlperiode über die Fraktionen und deren Abgeordneten.9 Schließlich nimmt das Parlament die Funktion einer Schlüsselinstitution bei der demokratischen Willensbildung und Entscheidungsfindung ein.10
Der Schwerpunkt oppositioneller Arbeit liegt nicht in der Gesetzgebung, sondern in der Kontrolle der Regierung und der Artikulation ihrer politischen Interessen.11 Durch die Funktion der Opposition eine Alternative zur bestimmenden Mehrheit darzustellen, ergeben sich Einflussmöglichkeiten eher über das Hinterfragen und Kritisieren von Regierungshandeln als dem Streben nach der eigenen Regierungsverantwortung.12 Nichtsdestotrotz versucht die Opposition mit ihrer konkreten parlamentarischen Arbeit der Regierung ihren Gestaltungswillen aufzuzwingen.13 Unbestritten ist auch, dass die Kontrollfunktion des Parlamentes überwiegend von der Opposition ausgeübt wird.14 Selbst wenn das Grundgesetz und die Gewaltenteilung das Parlament als Ganzes betrachten, so ist zu erkennen, entspricht dies doch wenig der politischen Wirklichkeit.15 Somit ist bereits zu Beginn festzuhalten, dass sich eine institutionalisierte Opposition als eine wesentliche Einrichtung für eine moderne Demokratie erweist.16
Dem auf die aktuelle Konstellation angeführten Argument, dass die WählerInnen das Ergebnis bestimmt und somit die aktuelle Situation im Parlament herbeigeführt haben, kann nur in Teilen entsprochen werden. Denn trotz der demokratischen Legitimation von Koalitionsregierungen,17 entstehen durch die Bildung von Koalitionen sowohl politisch als auch parlamentarisch veränderte Konstellationen. Daher macht es durchaus Sinn im Weiteren zu untersuchen, welche Einflussmöglichkeiten speziell für die Opposition bestehen und wo noch Handlungsbedarf besteht.
2 Ähnlich Rudzio, Wolfgang, Das politische System der BRD, S. 77.
3 Art. 21 GG; Ähnlich Rudzio, Wolfgang, Das politische System der BRD, S. 97.
4 Ähnlich Bpb, Handwörterbuch, Opposition.
5 Ähnlich Bpb, Handwörterbuch, Opposition.
6 Ähnlich Rudzio, Wolfgang, Das politische System der BRD, S. 197 f.
7 Ähnlich Schneider, Hans-Peter, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht, S. 5, 14f.; Bpb, Handwörterbuch, Opposition.
8 Ähnlich Schneider, Hans-Peter, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht, S. 200 ff., 208 ff., 232 ff.
9 Ähnlich Schneider, Hans-Peter, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht, S. 78.
10 Ähnlich Sarcinelli, Ulrich, Politische Kommunikation in Deutschland, S. 310.
11 Ähnlich Rudzio, Wolfgang, Das politische System der BRD, S. 197.
12 Ähnlich Bpb, Handwörterbuch, Opposition.
13 Ähnlich Bpb, Handwörterbuch, Opposition.
14 Huster/Rux in BeckOK GG, Art. 20, Rn. 100.
15 Ähnlich Schneider, Hans-Peter, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht, S. 13 f.; Von Beyme, Klaus, Die Parlamentarische Demokratie, S. 242.
16 Ähnlich Bpb, Handwörterbuch, Opposition.
17 Ähnlich Huster/Rux in BeckOK GG, Art. 20, Rn. 122 ff.
Mit einem Blick in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland lässt sich feststellen, dass die parlamentarische Opposition nicht als eindeutiger Rechtsbegriff definiert wird. Das GG verwendet den Begriff schlicht nicht. Das mag daran liegen, dass der Grundgedanke des parlamentarischen Systems darin liegt, dass es Aufgabe des kompletten Parlaments ist, die Arbeit der Exekutive zu kontrollieren.18 Allerdings ist auch ersichtlich, dass der Opposition dabei eine andere Rolle zukommt als der regierungsnahen Mehrheit.19 Rechtsprechung, BVerfG sowie die einhellige Literaturauffassung setzen daher die Funktion einer parlamentarischen Opposition als Verfassungsgut voraus.20
Für das Parlament und insbesondere die Opposition gibt es mehrere Möglichkeiten die Arbeit der Regierung zu kontrollieren. Relevante Instrumente sollen im Folgenden aufgeführt werden. Allerdings gewinnen diese Rechte erst an praktischer Relevanz, wenn sie mit den Kräftekonstellationen im Parlament in Verbindung gebracht werden.21 Erst die reellen Auswirkungen und Einflüsse durch diese Kontrollinstrumente bestimmen letztendlich die Wirksamkeit oppositionellen Handelns und somit die „Substanz des parlamentarischen Kontrollverhaltens“.22
Durch die gegebenen Mehrheitsverhältnisse fällt die Aufgabe der Gesetzgebung eindeutig auf Seiten der Regierung und der Ministerien.23 Ein Einfluss der Opposition über die Mitwirkung bei der Entstehung und Änderung von Gesetzen ist daher nur begrenzt möglich. Eine Mitwirkung durch „parlamentarisches Mitregieren“ ist jedoch im Wesen unseres Parlamentssystems vorgesehen.24 Daher sollen grundlegend die wesentlichen Institutionen des Bundestages betrachtet werden.
Der Abgeordnete steht nach dem Verfassungsrecht im Mittelpunkt des parlamentarischen Entscheidungsprozesses.25 Unbeeinträchtigt davon werden viele Rechte im Bundestag durch Fraktionen ausgeübt. Dadurch wird erkenntlich, dass diese „notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens“ sind.26 Durch die Fraktionen erfolgt die politische Steuerung des Parlaments und somit auch die Erarbeitung des politischen Willens des Bundestages.27 Zwar haben die Fraktionen einen rechtlich unabhängigen Status, jedoch sind sie durch ihre starke parteipolitische Prägung, Wahlprogramme, sowie Parteibeschlüsse eng an die parteipolitische Ausrichtung gebunden.28
In einer Fraktion erweitern sich andererseits auch die Wirkungsmöglichkeiten eines einzelnen Abgeordneten.29