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Beschreibung

Fortschrittliche Automobilität bedeutete bis vor Kurzem vor allem verbesserte Antriebskonzepte, erhöhte Sicherheit und gesteigerte Effizienz. In Zeiten von Big Data, Cloud Computing und Internet of Things (IoT) hat die Digitalisierung im Automobilbereich mit dem vernetzten Auto („connected car“) eine neue Dimension erreicht, die eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft.

Dieses Rechtshandbuch behandelt den Zugang zu den relevanten Technologien (Patente, Lizenzen, Industriestandards) sowie die Inhaberschaft bzw. Kontrolle über die Daten, die von vernetzten Autos erzeugt, verarbeitet, gesendet und empfangen werden. Zudem werden kartell- und produkthaftungsrechtliche Themen erläutert.

Besondere Vorzüge sind die

  • Erläuterung der technischen Hintergründe,
  • Darstellung von möglichen Anwendungsfällen sowie
  • Analyse aktueller und praxisrelevanter Rechtsfragen.
Die Autorinnen und Autoren aus der Anwaltschaft bürgen für eine fundierte und praxisnahe Darstellung.
Zielgruppe sind Patent- und Rechtsanwaltschaft sowie Patent- und Rechtsabteilungen der Automobil- und Automobilzulieferindustrie.

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Zum Inhalt:

Fortschrittliche Automobilität bedeutete bis vor Kurzem vor allem verbesserte Antriebskonzepte, erhöhte Sicherheit und gesteigerte Effizienz. In Zeiten von Big Data, Cloud Computing und Internet of Things (IoT) hat die Digitalisierung im Automobilbereich mit dem vernetzten Auto („connected car“) eine neue Dimension erreicht, die eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft.

Dieses Rechtshandbuch behandelt den Zugang zu den relevanten Technologien (Patente, Lizenzen, Industriestandards) sowie die Inhaberschaft bzw. Kontrolle über die Daten, die von vernetzten Autos erzeugt, verarbeitet, gesendet und empfangen werden. Zudem werden kartell- und produkthaftungsrechtliche Themen erläutert.

Besondere Vorzüge sind die

Erläuterung der technischen Hintergründe,

Darstellung von möglichen Anwendungsfällen sowie

Analyse aktueller und praxisrelevanter Rechtsfragen.

Die Autorinnen und Autoren aus der Anwaltschaft bürgen für eine fundierte und praxisnahe Darstellung.

Zielgruppe sind Patent- und Rechtsanwaltschaft sowie Patent- und Rechtsabteilungen der Automobil- und Automobilzulieferindustrie.

Rechtshandbuch Connected Cars

Herausgegeben von

Dr. Armin Kühne

VBearbeiterverzeichnis

Sarah Blazek, E.MA (European Inter-University Centre, Venedig),

Rechtsanwältin, Noerr

Kapitel 5 (Kartellrecht)

Dr. Korbinian Hartl, Rechtsanwalt, Noerr

Kapitel 3 (Datenschutz und Datensicherheit)

Dr. Armin Kühne, Rechtsanwalt, Noerr

Kapitel 1 (Einführung), Kapitel 4 (Patentrecht)

Felix Sedlmaier, Rechtsanwalt, Noerr

Kapitel 2 (Haftung)

Sebastian Wrobel, LL.M. (Cambridge), Rechtsanwalt, Noerr

Kapitel 5 (Kartellrecht)

VIIInhaltsverzeichnis

Bearbeiterverzeichnis

Kapitel 1 Einführung

A. Einleitung

I. Anwendungen

II. Relevante Technologien

1. Sensoren

2. Lokale Intelligenz

3. Plattformen

4. Konnektivität

B. Rechtliche Problemfelder

Kapitel 2 Haftung

A. Grundlagen

I. Connected Cars: neue Haftungsrisiken

II. Internationaler und europäischer Rechtsrahmen

1. Sechs Stufen des automatisierten Fahrens – der Standard SAE J3016

2. UNECE-Regelungen und Wiener Übereinkommen über den Strassenverkehr (StVÜ)

3. Produkthaftungsrichtlinie im Digitalzeitalter

4. Digitale-Inhalte-RL und Warenkauf-RL

5. Einsatz von künstlicher Intelligenz im Straßenverkehr

III. Rechtslage in Deutschland

VIIIB. Vertragliche Haftung

I. Haftung des Verkäufers und des Herstellers

1. Haftung für fehlerhafte und ausgebliebene digitale Dienste

2. Vertragliche Pflichten zur Softwareaktualisierung

II. Haftung des Anbieters digitaler Dienste und Informationen

III. Haftung des Betreibers eines vernetzten Systems

C. Außervertragliche Haftung des Fahrzeugherstellers

I. Deliktische Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB

1. Sorgfaltsmaßstab des Herstellers

2. Herstellerpflichten bis zum Inverkehrbringen des Produkts

3. Herstellerpflichten nach Inverkehrbringen des Produkts – Produktbeobachtungspflicht

II. Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB

III. Produkthaftung nach Produkthaftungsgesetz

1. Produktbegriff

2. Fehlerbegriff

D. Außervertragliche Haftung des Betreibers der Verkehrsinfrastruktur und der Nutzers eines vernetzen Fahrzeugs

I. Haftung des Betreibers der vernetzten Verkehrsinfrastruktur

1. Haftung des Betreibers für fehlerhafte digitale Dienste

2. Haftung des Betreibers für den Ausfall der digitalen Dienste

II. Haftung des Fahrzeughalters nach § 7 StVG

1. Hackerangriff als höhere Gewalt?

2. Verhältnis von Halter- und Herstellerhaftung

III. Haftung des Fahrers nach § 18 StVG

1. Haftung bei vollständig autonomem Fahren

2. Haftung des Fahrers bei hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugfunktionen

3. Datenspeicher (Blackbox)

IV. Haftung des Pflichtversicherers

IXKapitel 3 Datenschutz und Datensicherheit

A. Das vernetzte Fahrzeug aus der Perspektive des Datenschutzrechts

I. Wirtschaftlich-technischer Hintergrund

II. Bezug zum Datenschutz und Gang des Beitrags

B. Maßgeblich anwendbares Recht

I. Europäisches und nationales (deutsches) Datenschutzrecht

II. Die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)

1. Räumlicher Anwendungsbereich der DS-GVO (Art. 3 DS-GVO)

2. Sachlicher Anwendungsbereich der DS-GVO

III. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

IV. Die E-Privacy-Richtline und das TTDSG

1. Hintergrund

2. Anwendung der E-Privacy-Richtlinie auf vernetzte Fahrzeuge

3. Das Verhältnis von E-Privacy-Richtlinie und DS-GVO

4. Das TTDSG

5. Ausblick: Die E-Privacy-Verordnung

V. Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und autonomes Fahren

VI. Zwischenfazit

C. Grundzüge des maßgeblich anwendbaren Rechts

I. Grundrechtlicher Hintergrund

II. Adressaten gesetzlicher Vorgaben

1. Der Verantwortliche (Art. 4 Nr. 7 DS-GVO)

2. Der Auftragsverarbeiter

3. Gemeinsame Verantwortlichkeit

4. Die betroffene Person

III. Datenverarbeitung unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt

1. Allgemeine gesetzliche Systematik

2. Erlaubnistatbestände der DS-GVO

IV. (Weitere) Datenschutzgrundsätze

V. Informationspflichten und Betroffenenrechte

XVI. IT-Sicherheit als Element des Datenschutzes

VII. Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA)

VIII. Drittlandtransfer

IX. Datenschutzverletzung, Haftung und aufsichtsbehördliches Handeln

D. Datenschutz im vernetzten Fahrzeug

I. Gang des Abschnitts

II. Gefährdungspotential und Motivation aufsichtsbehördlicher Tätigkeit: Das vernetzte Fahrzeug als „mobiles Tracking-Gerät“

1. Konkretes Gefährdungspotential für die betroffene Person

2. Folgen für die Praxis

III. Personenbezogene Daten im vernetzten Fahrzeug

1. Kategorisierung von Fahrzeugdaten

2. Personenbezug von Fahrzeugdaten

3. Ergebnis

IV. Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit beim vernetzten Fahrzeug

1. Verantwortlichkeit für lokale verarbeitete Fahrzeugdaten („Offline-Daten“)

2. Verantwortlichkeit für die Weiterverarbeitung von Fahrzeugdaten („Online-Daten“)

V. Schutz der Geräteintegrität durch das TTDSG

1. Anwendung auf vernetzte Fahrzeuge

2. „Speicherung und Zugriff auf Informationen“ (§ 25 Abs. 1 TTDSG)

3. Einwilligungsvorbehalt und Ausnahmen (§ 25 Abs. 1 und Abs. 2 TTDSG)

4. Anforderungen an die Einwilligung

5. Verhältnis zur DS-GVO: Verbot der Zweckänderung und Vorrang der TTDSG-Einwilligung?

XIVI. Verarbeitung von Standortdaten

1. Stellungnahme des EDSA

2. Standortdaten im Arbeitsverhältnis

VII. Verarbeitung von Fahrzeugdaten zu Zwecken der Produktsicherheit

1. Produktbeobachtungspflichten zur Legitimation der Datenverarbeitung

2. Pflichtunabhängige Datenverarbeitung

VIII. Datenübertragbarkeit

IX. Datensicherheit und Datenschutz durch Technikgestaltung

1. Datensicherheit

2. Datenschutz durch Technikgestaltung und datenschutzfreundliche Voreinstellungen

X. eCall

XI. Das Gesetz zum autonomen Fahren – wesentliche datenschutzrechtliche Fragestellungen

1. Gesetzgeberische Entwicklung

2. Grundsätzliche daten(schutz)rechtliche Regelungen des § 1g StVG

3. Datenschutzrechtliche Relevanz der Datenverarbeitung iSd § 1g StVG

4. Datenschutzrechtliche Rechtfertigung

5. Fehlende Speicherfristen

XII. Datenverarbeitung bei Kraftfahrzeugen mit hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen

Kapitel 4 Patentrecht

A. Patentverletzungsrisiko durch Connected Cars

I. Grundsätzliches zur Patentverletzung

1. Verletzungshandlungen

2. Rechtsfolgen

3. Zum Unterlassungsanspruch

4. Zum Auskunfts- und Schadensersatzanspruch

XII5. Zum Vernichtungsanspruch

II. Lizenzierungspraxis und Patentverletzungsrisiko in der Automobilindustrie

1. OEMs und Zulieferer

2. Vertikales Lizenzmodell

3. Telekommunikationspatente: Vertikales Lizenzmodell untauglich

B. Standardessentielle Patente (SEP) und FRAND-Erklärung

I. Standardisierungsorganisationen

1. Standardisierungsprozess

2. Standardisierung als ausnahmsweise erlaubte wettbewerbsbeschränkende Absprache

3. SEP-Meldeprozess

II. Rechtsnatur der FRAND-Erklärung

1. Anwendbares Recht

2. Deklaratorische oder konstitutive Wirkung

3. Inhalt der FRAND-Verpflichtung

C. Der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand

I. Marktbeherrschende Stellung eines SEP-Inhabers

1. Relevanter Markt

2. Konkurrierende Standards

3. Obligatorische und optionale Standardelemente

4. Ausschlussgründe

II. Missbrauch der Marktbeherrschenden Stellung: der „FRAND-Dance“

1. Pflicht des Inhabers: Verletzungsanzeige

2. Pflicht des Nutzers: Erklärung der Lizenzwilligkeit

XIII3. Pflicht des Inhabers: FRAND-Lizenzangebot

4. Pflicht des Nutzers: Stellungnahme und Gegenangebot

5. Pflicht des Nutzers bei Nichtannahme des Gegenangebots: Rechnungslegung und Sicherheitsleistung

6. Nachholbarkeit der Verhandlungsschritte

7. Ablauf der Schutzdauer während des FRAND-Dance

III. Rechtsfolge

IV. Schadensersatzanspruch des Nutzers bei Verstoß gegen FRAND-Lizenzierungspflicht

V. Offene Fragen

D. Bestimmung von FRAND-Bedingungen

I. FR und ND

1. Einzelfallentscheidung und Leitbild des drohungsfreien Verhandlungsergebnisses

2. Vermeidung von „Royalty Stacking“

3. FRAND-Berechnungsmodelle

II. Pool-Lizenzen

III. Weltweite Lizenzierung

IV. Lizenzierung in der Lieferkette

1. Access to all

2. License to all

3. Rechtsprechung

4. SEPs Expert Group

XIVE. Anti-suit Injunctions

I. Natur und Voraussetzungen der Anti-suit Injunction

II. Typische Konstellationen

III. Anit-suit Injunctions in Deutschland

IV. Aktuelle Rechtsprechung: Abwehr drohender Anti-suit Injunctions

1. Erlass ohne Anhörung

2. Zuständigkeit

3. Verfügungsanspruch

4. Passivlegitimation

5. Antragsfassung

6. AAASI und AAAASI

7. ASI indiziert fehlende Lizenzbereitschaft

Kapitel 5 Kartellrecht

A. Einführung in das Kartellrecht

I. Kartellverbot

1. Abgrenzung des relevanten Marktes

2. Marktbeherrschung

3. Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung

III. Aktuelle Entwicklungen des Kartellrechts im digitalen Zeitalter

1. Entwicklungen in Deutschland

2. Entwicklungen im EU-Recht

B. Einführung zu Connected Cars und kartellrechtlichen Fragestellungen

I. Begriffsbestimmungen, Wertschöpfung, Marktteilnehmer

II. Technologiekonzepte: Datenzugang als zentrale kartellrechtliche Fragestellung

1. Technologiekonzepte

2. Positionen

XVC. Einzelfragen im Zusammenhang mit Connected Cars

I. Datenzugangsansprüche

1. Vorbemerkung

2. Art. 102 AEUV

3. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB

4. § 20 Abs. 1a GWB

5. Motor Vehicle Type Approval Regulation

II. Kartellrechtliche Grenzen bei horizontalen Kooperationen

1. Beschluss der Europäischen Kommission im Fall Pkw-Emissionen

2. Kartellrechtliche Grenzen beim Informationsaustausch

3. Kartellrechtliche Grenzen bei Vereinbarungen zu Technologien und technischen Standards

4. Kartellrechtliche Grenzen bei gemeinsamem Lobbying bezgl. Gesetzesvorhaben

D. Ausblick

Sachregister

1Kapitel 1 Einführung

A. Einleitung

1

Ein Connected Car ist ein Fahrzeug, das durch innere und äußere kommunikative Vernetzung ein verbreitertes Feld von Anwendungen und Leistungen ermöglicht. Die scherzhafte Bezeichnung von modernen Automobilen als „rollende Smartphones“ hat feste Wurzeln in der Wirklichkeit und verdeutlicht, wie prägend Konnektivität für moderne Automobile ist.

2

Insbesondere Navigationsfähigkeiten, Smartphone-Integration und kommunikationsbasierte Sicherheitsdienste haben den Funktionsumfang von Automobilen merklich erweitert. Zum Einen ist die Konnektivität ein Komfortmerkmal für die Benutzer des Fahrzeugs, die ihre individuelle Verbindung zur digitalen Welt in ihr Fahrzeug übernehmen können. Zum Anderen wird insbesondere durch die Vernetzung mit anderen Fahrzeugen und der Infrastruktur ein Grundstein für tiefgreifendere Änderungen der Funktion des Automobils, insbesondere für die Weiterentwicklung bestimmter Technologien des autonomen Fahrens gelegt.

I. Anwendungen

3

Der Mehrwert einer solchen Vernetzung von Fahrzeugen lässt sich an den dadurch ermöglichten Anwendungen erkennen. Sie erreichen vor allem Verbesserungen in Sicherheit, Mobilität, Fahrzeugmanagement und Fahrerassistenz sowie neue Möglichkeiten in den Bereichen Unterhaltung und Komfort.1

4

Zur Mobilitätsverbesserung tragen Funktionen wie Navigation, Auffinden nächstgelegener Parkplätze, Verkehrsinformationen und Wetterbericht in Echtzeit sowie die Verarbeitung dieser Informationen zur Routenoptimierung bei.

5

Zur Sicherheit können Warnungen vor externen Gefahren, etwa vor Kurvengeschwindigkeit, Straßenglätte, fremden Spurwechseln oder Kollisionsgefahr beitragen. Solcherlei Informationen werden außerdem perspektivisch von autonom fahrenden Fahrzeugen benötigt, um selbstständig auf entsprechende Situationen zu reagieren. Außerdem kann ein Connected Car bei Eintritt von Unglücksfällen durch Kollisionserkennung die Notrufdienste automatisch verständigen. Dieser Mechanismus ist in der Europäischen Union seit 2018 für neu zugelassene Fahrzeuge verpflichtend.2

6

2Fahrzeugmanagement-Anwendungen ermöglichen beispielsweise den Abruf des Fahrzeugstatus aus der Ferne, einschließlich Kilometerstand, Reifendruck und Kraftstofftankstand. Automatische Fahrzeugdiagnosen und Prognosen eines möglichen Komponentenausfalls vereinfachen die Wartung.

7

Neue Anwendungen in dem Bereich von Fahrerassistenz und Komfort umfassen insbesondere kontextbezogene Hilfe, also beispielsweise das Erlernen der Vorlieben eines Fahrers in einem bestimmten Kontext und das Anbieten von Hilfe, beispielsweise durch die Anzeige von nahegelegenen Tankstellen, wenn der Tank einen bestimmten Schwellenwert erreicht. Auch eine Müdigkeitserkennung ist inzwischen üblich.

8

Im Bereich Unterhaltung ermöglichen Connected Cars einerseits externen Geräten, sich mit dem Internet zu verbinden, beispielsweise durch Bereitstellung eines WLAN-Zugangspunkts. Andererseits können Smartphone-Funktionen drahtlos oder kabelgebunden über die Benutzeroberfläche des Fahrzeugs ausgeführt werden. Musik, soziale Medien, Podcasts und Internetradio, aber auch VOIP-Gespräche können über die Schnittstellen des Fahrzeugs genutzt werden.

9

Auch neue kommerzielle Anwendungen werden möglich, wie die automatische Zahlung an Mautstellen. Für Versicherungen ist die Anpassung von Versicherungsplänen auf der Grundlage der Fahrzeugnutzung, der Fahrweise, der Wartungshistorie und Ähnlichem interessant. Dabei zeichnet sich ein Konflikt zwischen den Datenschutzinteressen des Fahrers und den Versicherern ab.3

10

Diese Aufzählung der Anwendungsmöglichkeiten der für ein Connected Car wesensgemäßen Vernetzung ist selbstredend nicht abschließend. Die Vernetzung des Automobils schafft die Voraussetzungen für vielfältige Innovationen und Verbesserungen rund um das Auto. Insbesondere die kommerzielle Nutzung von Daten, die durch die Vervielfachung und Vernetzung von Sensoren erzeugt werden, dürfte kreative, noch unbekannte Blüten treiben.

II. Relevante Technologien

11

Die Anwendungen, die das Wesen des Connected Car bestimmen, erfordern eine Vielzahl von Technologien. Diese lassen sich in vier Kernbereiche einteilen: Sensorik, eine lokale Intelligenz, eine Plattform-Struktur und die Vernetzung (Konnektivität) sowohl zwischen Fahrzeug und Plattform als auch innerhalb des Fahrzeugs und zwischen verschiedenen Fahrzeugen und anderen Kommunikationsteilnehmern.4

1. Sensoren

12

Sensoren sind bildlich gesprochen die Sinnesorgane des Fahrzeugs. Sie erfassen relevante Informationen wie zum Beispiel Geschwindigkeit, Temperatur, Beschleunigungen oder Druckwellen, aber auch Daten über den Fahrer und dessen Eingaben. Sensoren verschiedener Arten waren auch schon vor dem Connected 3Car ein wichtiger Bestandteil der Automobiltechnologie, etwa um den Füllstand des Tanks oder anderer Betriebsstoffbehälter zu messen oder den Fahrer bei der Unterschreitung bestimmter Temperaturen vor Glätte zu warnen. Schon im Jahr 2016 waren in neuen Personenfahrzeugen 60 bis 100 Sensoren verbaut.5

13

Die Vernetzung, die ein Connected Car charakterisiert, ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Informationsaustausch. Dieser Informationsaustausch des Fahrzeugs mit internetbasierten Diensten beziehungsweise mit seiner Umgebung ermöglicht die Anwendungen, die den Mehrwert eines Connected Cars begründen.

14

Die Informationen, die das Connected Car zur Ermöglichung der verschiedenen Anwendungen weiterleiten soll, müssen zunächst erzeugt werden. Der damit einhergehende Mehrbedarf an Information über das Fahrzeug erhöht auch den Bedarf an Sensoren zur Erfassung der jeweiligen Information.6 Nicht zuletzt setzen Technologien zum autonomen Fahren Informationen mit hohem Detailgrad über den Zustand des eigenen Fahrzeugs voraus. Soll autonomes Fahren unter Echtzeit-Rückgriff auf Informationen über andere Fahrzeuge in der Umgebung erreicht werden, müssen die Informationen über den Zustand der einzelnen Fahrzeuge zunächst ermittelt werden, bevor sie mit Fahrzeugen der Umgebung geteilt werden.

2. Lokale Intelligenz

15

Als lokale Intelligenz wird die Rechenkapazität bezeichnet, die ein Fahrzeug aufweisen muss, um Anwendungen auszuführen, die ein Connected Car bestimmen. Das Empfangen, Verarbeiten und Weiterleiten von Informationen in der vernetzten Umgebung verlangt gegenüber einem herkömmlichen Fahrzeug ein Mehr an Rechenkapazität. Hierzu ist ein Bordcomputer mit entsprechender Software notwendig, der als zentrale Leitstelle des Fahrzeugs mit elektronischen Steuergeräten verbunden ist und Interaktion mit dem Fahrer ermöglicht. Auch die Smartphone-Integration durch Lösungen wie CarPlay oder Android Auto laufen über den Bordcomputer. Dafür wird häufig sogenannte „Middleware“ verwendet. Dabei handelt es sich um eine Software, die zwischen dem Betriebssystem des Bordcomputers und Drittanwendungen vermittelt.

3. Plattformen

16

Die Daten, die das Connected Car für die verschiedenen Anwendungen bezieht oder abgibt, werden auf Plattformsystemen gesammelt und verarbeitet. Wenn ein Fahrzeug beispielsweise verfügbare Parkplätze anzeigen soll, muss es mit einer 4Plattform verbunden sein, welche mit aktuellen Daten über freie Parkplätze versorgt ist und diese auf eine Weise bereitstellt, die das Fahrzeug verarbeiten kann.

17

Plattformen unterteilen sich grundsätzlich in ein sogenanntes „Frontend“ und ein sogenanntes „Backend“. Das Frontend umfasst sämtliche Aspekte, welche der Endnutzer wahrnimmt (Bildschirm im Cockpit, Anwendungen für mobile Endgeräte, uU ein Webportal) und gibt der Ausführung von Anwendungen ihr Gesicht. Die für die verschiedenen Anwendungen notwendigen Rechenprozesse leistet das Backend. Mit diesem Begriff werden alle Prozesse und Datenflüsse bezeichnet, die im Hintergrund bei der Dienstabwicklung entstehen, ohne dass der Benutzer, also der Fahrer, sie wahrnimmt.7

18

Größere Automobilhersteller betreiben eigene Plattformen, so zum Beispiel „BMW ConnectedDrive“, „Mercedes me connect“, „Audi connect“, „Porsche CarConnect“, „VW Car-Net“ und „Opel OnStar“. Zur Unterstützung bieten Dienstleistungsunternehmen IT-Plattformen an, welche den Backend-Betrieb der Connected-Car-Plattformen der Automobilhersteller unterstützen. Dies ermöglicht die Fremdvergabe von ausgewählten oder sämtlichen IT-Funktionalitäten des Backend. Solche Angebote werden von vielen Automobilherstellern zumindest für ausgewählte Teile des Backends genutzt. Daneben gibt es auch Drittanbieter, die komplette Connected Car Plattform-Lösungen für Automobilhersteller anbieten, sodass diese anstelle der Entwicklung einer eigenen Connected-Car-Plattform, sämtliche Services über einen Partner beziehen können.8

4. Konnektivität

19

Konnektivität ist der namensgebende und zentrale Technologiebereich des Connected Car. Man unterscheidet verschiedene Dimensionen der Konnektivität, je nachdem mit wem oder was das Connected Car kommuniziert.

a) Vehicle to Cloud (V2C)

20

V2C ist der Oberbegriff für die Vernetzung von Fahrzeugen mit der „Cloud“, also mit anderen, nicht notwendigerweise kabelverbundenen Netzwerkteilnehmern. Zur Cloud sind alle über das Internet abrufbaren Connected Car-Dienste zu zählen, insbesondere das Backend von Connected Car Plattformen. Die Vernetzung von Fahrzeug und Cloud findet über eine Internetverbindung statt. Diese wird im Regelfall unter Nutzung von SIM-Karten hergestellt, mit denen sich das Fahrzeug gegenüber einem Mobilfunkbetreiber identifiziert. Die einschlägigen Technologien sind hier insbesondere die Mobilfunkstandards 2G, 3G, 4G und 5G. Die Benutzung von Mobilfunkstandards setzt Lizenzen an standardessentiellen Patenten voraus.9

5b) Vehicle to Everything (V2X)

21

Im Übrigen gibt es eigene Begriffe für die direkte Kommunikation mit unterschiedlichen Arten von Kommunikationspartnern, insbesondere mit anderen Fahrzeugen („Vehicle to Vehicle“, V2V), Elementen der Verkehrsinfrastruktur („Vehicle to Infrastructure“, V2I) und Fußgängern („Vehicle to Pedestrian“, V2P). Die Sammelbezeichnung für diese Kommunikationsrichtungen lautet „Vehicle to Everything“ (V2X).

22

Insbesondere die Entwicklung und Standardisierung von V2V- und V2I-Konnektivität wird den Automobilmarkt absehbar verändern und technologische Ökosysteme mit eigenen wirtschaftlichen Kräfteverhältnissen schaffen.

c) Aktuelle Initiativen zur Entwicklung und Standardisierung der V2X-Kommunikation

23

Es befinden sich konkurrierende Technologien zur Implementierung von V2X-Kommunikation in der Entwicklung.

24

Bereits seit 2002 kooperieren in Europa Fahrzeughersteller und Zulieferer in dem „CAR 2 CAR Communication Consortium“ (C2C-CC) mit dem Ziel, die drahtlose Kommunikation zwischen Fahrzeugen und ihrer Umgebung zu standardisieren.10 In Zusammenarbeit mit der Infrastrukturindustrie, Straßenbehörden, Straßenbetreibern, Städten und Regionen sollen in ganz Europa Infrastruktur und Fahrzeuge mit der hierfür entwickelten „ITS-G5“11 Technologie vernetzt werden. ITS-G5 basiert auf WLAN-Technik und gewährleistet Datenübertragungen innerhalb von 100–200 Millisekunden bei einer Reichweite von bis zu 800 Metern. Nach jahrelanger Entwicklung und Massentests sind die ersten Fahrzeuge mit dieser Technologie bereits auf der Straße.

25

Auf globaler Ebene organisieren sich seit dem Jahr 2016 Unternehmen aus der Automobil-, Technologie- und Telekommunikationsindustrie in der „5G Automotive Association“ (5GAA), um gemeinsam an der Entwicklung von Konnektivität-Lösungen für zukünftige Mobilitäts- und Transportdienste zu arbeiten.12 Die 5GAA verfolgt ihr Ziel der Ermöglichung von Echtzeitkommunikation von Fahrzeugen untereinander sowie mit der Infrastruktur auf der Grundlage einer Technologie namens „Celular Vehicle to Everything“ (C-V2X). C-V2X basiert auf Mobilfunktechnologie, ist mit LTE und 5G kompatibel, und soll Kommunikation sowohl indirekt über die Cloud als auch direkt von Fahrzeug zu Fahrzeug oder zu Infrastruktur ermöglichen.

26

ITS-G5 und C-V2X sind nach aktuellem Stand nicht miteinander kompatibel. Auf lange Sicht verlangt die Kompatibilität von Fahrzeugen und Infrastruktur danach, dass sich eine Technologie durchsetzt oder die Technologien harmonisiert werden. C-V2X mit 5G gilt als potentiell leistungsfähiger und zuverlässiger als die WLAN-abhängige ITS-G5-Technologie. ITS-G5 hat jedoch einen zeitlichen Entwicklungsvorsprung und ist für eine solide V2X-Kommunikation jedenfalls geeignet. Die Volksrepublik China hat die Nutzung von C-V2X als einen wesentlichen 6Bestandteil ihrer nationalen Strategie zur Transformation ihrer Automobilindustrie etabliert. In der Europäischen Union sind die Würfel zugunsten einer der beiden Technologien noch nicht gefallen. Die Europäische Kommission hat Ende des Jahres 2020 eine ursprünglich geplante Festlegung von ITS-G5 als Standard für die V2X-Kommunikation aufgegeben. Auf Unionsebene wird nun ein technologieoffener Ansatz verfolgt, bei dem zunächst die Entscheidungen des Marktes beobachtet werden13. Darüber hinaus arbeitet das „Europäische-Telekommunikations-Standard-Institut“ (ETSI) an Definition und Bewertung von Methoden für die Koexistenz von ITS-G5 und C-V2X.14

B. Rechtliche Problemfelder

27

Unabhängig davon, welche Technologien sich im Einzelnen letztlich durchsetzen werden, schafft die Nutzung der neuen Anwendungen bereits jetzt rechtliche Schwierigkeiten. Insbesondere in den Bereichen der Haftung, der Datensicherheit, des Gewerblichen Rechtsschutzes und des Kartellrechts haben sich Problemfelder mit erheblicher Praxisrelevanz gebildet.

28

Dazu gehören insbesondere Fragen nach der vertraglichen und außervertraglichen Haftung der Hersteller, Verkäufer, Infrastrukturbetreiber, Fahrzeugnutzer und Pflichtversicherer15, mannigfaltige Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit16, Fragen zu der Benutzung und Lizenzierung standardessentieller Patente17, und kartellrechtliche Fragen zu Regulierung, Datenzugangsansprüchen und den Grenzen der Zulässigkeit horizontaler Kooperationen.18

1 Vgl. Arya GRUR-Int 2020, 365 (366f.); Übersichtliche Liste abrufbar unter: https://www. connected-cars.net/informationen/connected-cars-services-und-plattformen/.

2 Vgl. Verordnung (EU) 2015/758 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2015.

3 Vgl. → Kap. 3, Rn. 125ff.

4 Vgl. → Rn. 20f.

5 Vgl. Ennin/Munzig Sensors fort the Connected Car – Whitepaper, Oktober 2016, abrufbar unter https://www.te.com/usa-en/industries/automotive/insights/sensors-connected-car. html?tab=pgp-story.

6 Vgl. Ennin/Munzig Sensors fort the Connected Car – Whitepaper, Oktober 2016, abrufbar unter https://www.te.com/usa-en/industries/automotive/insights/sensors-connected-car. html?tab=pgp-story.

7 Vgl. Ennin/Munzig Sensors fort the Connected Car – Whitepaper, Oktober 2016, abrufbar unter https://www.te.com/usa-en/industries/automotive/insights/sensors-connected-car. html?tab=pgp-story.

8 Bosler/Jud/Herzwurm HMD 54/2017, 1005ff.

9 Vgl. → Kap. 4, Rn. 51ff.

10 C2C-CC https://www.car-2-car.org/about-us/.

11 Auch bekannt als pWLAN oder Dedicated Short Range Communication (DSRC); basiert auf IEEE 802.11p.

12 https://5gaa.org/about-5gaa/about-us/.

13 Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2020/1426 der Kommission vom 7.10.2020, ABl. 2020 L 328, 19.

14 Vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2020/1426 der Kommission vom 7.10.2020, ABl. 2020 L 328, 19.

15 Vgl. → Kap. 2, Rn. 1ff.

16 Vgl. → Kap. 3, Rn. 1ff.

17 Vgl. → Kap. 4, Rn. 1ff.

18 Vgl. → Kap. 5, Rn. 1ff.

7Kapitel 2 Haftung

Literaturverzeichnis

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Produkthaftungsgesetzes?, MMR 1999, 14–19; Borges, Georg: Haftung für selbstfahrende Autos, CR 2016, 272–280; Borghetti, Jean-Sebastien: How can Artificial Intelligence be Defective, in: Lohsse, Sebastian; Schulze, Reiner; Staudenmayer, Dirk (Hrsg): Liability for Artificial Intelligence and the Internet of Things, Baden Baden 2018, 63–95; Böck, Nicole; Theurer, Jakob: Herstellerpflichten und Haftungsrisiken bei IT-Sicherheitslücken vernetzter Produkte, BB 2021, 520–525; Buck-Heeb, Petra; Dieckmann, Andreas: Die Fahrerhaftung nach § 18 I StVG bei (teil-) automatisiertem Fahren, NZV 2019, 113–119; Burmann, Michael; Heß, Rainer; Hühnermann, Katrin; Jahnke, Jürgen (Hrsg): Straßenverkehrsrecht, 26. 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Auflage 2021; Wagner, Gerhard: Produkthaftung für autonome Systeme, AcP 217, 707–765; Wagner, Gerhard: Robot Liability, in: Lohse, Sebastian; Schulze, Reiner; Staudenmayer, Dirk (Hrsg): Liability for Artificial Intelligence and the Internet of Things, Baden Baden 2018, 27–62; Weber, Philipp: Dilemmasituationen beim autonomen Fahren, NZV 2016, 249–254; Wendehorst: Die neuen Regelungen im BGB zu Verträgen über digitale Produkte, NJW 2021, 2913–2919; Weetman, Catherina: A Circular Economy Handbook for Business and Supply Chains, London 2017; Weiß, Johannes: Die Neuerungen durch die Umsetzung der Digitale-Inhalte-RL und der Warenkauf-RL, ZVertriebsR 2021, 208–216; Wiebe, Gerhard: Produktsicherheitsrechtliche Pflicht zur Bereitstellung sicherheitsrelevanter Software-Updates, NJW 2019, 625–630; Wiesemann, Hans-Peter; Mattheis, Clemens; Wende, Susanne: Software-Updates bei vernetzten Geräten, MMR 2020, 139–144; Wilke, Felix: Das neue Kaufrecht nach Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie, VuR 2021, 283–293; Zech, Herbert, Liability for Autonomous Systems: Tackling Specific Risks of Modern IT, in: Lohsse, Sebastian; Schulze, Reiner; Staudenmayer, Dirk (Hrsg): Liability for Artificial Intelligence and the Internet of Things, Baden Baden 2018, 187–200.

A. Grundlagen

I. Connected Cars: neue Haftungsrisiken

1

Die Vernetzung von Fahrzeugen bedeutet heute weit mehr als reine Mobilität. Wie ein „Smartphone auf Rädern“ bietet es dem Nutzer mehrere Funktionen, wie zum Beispiel Echtzeit-Verkehrsinformationen, Verkehrssicherheitswarnungen, Wetterberichte, intelligente Sprachassistenten und Fernanwendungen.1 Die Entwicklung weiterer Funktionen in vernetzten Fahrzeugen ist rasant und der Markt für Connected Cars wird bis zum Jahr 2027 auf über 215 Milliarden Dollar geschätzt.2 Mit der steigenden Nachfrage nach mehr Konnektivität werden vernetzte Fahrzeuge zur neuen Normalität.

2

10Vernetzte Fahrzeuge heben sich in mehrfacher Hinsicht von konventionellen Fahrzeugen ab und bringen zugleich neue Haftungsrisiken mit sich. Diese beginnen schon bei der komplexen Verbindung von Hardware, Sensoren und Software zu einem funktionalen System im einzelnen Fahrzeug. Damit dieses möglichst gefahrlos fahren und funktionieren kann, müssen alle Komponente makellos zusammenarbeiten. Dabei ist bereits die Software im Allgemeinen selten vollständig fehlerfrei.3 Des Weiteren sind Fehler bei Aktualisierungen bzw. Updates denkbar. Und schließlich sind vernetzte Pkws darauf ausgelegt, miteinander zu interagieren, wobei sich die Vernetzung auf verschiedenen Ebenen vollzieht. So sind Connected Cars beispielsweise in der Lage, mit anderen Fahrzeugen (Vehicle-to-Vehicle, V2V)4 zu kommunizieren.5 Die V2V-Kommunikation warnt Autofahrer vor möglichen Kollisionen, trägt zur Verringerung von Verkehrsstaus bei und verbessert die Fahrbedingungen.6 Daneben kommuniziert das Fahrzeug meist auch mit einer Cloud (Vehicle-to-Cloud, V2C), zu der regelmäßig verschiedene Akteure Zugang haben. Die dabei übermittelten Informationszugänge erlauben Automobilherstellern zum Beispiel die Fahrzeugwartung zu verbessern und „Over-the-Air“-Updates7 bereitzustellen. Weiter sind Connected Cars in der Lage mit der Infrastruktur (Vehicle-to-Infrastructure, V2I), wie zum Beispiel Ampelanlagen, Verkehrsleitsystemen oder Parkhäusern zu kommunizieren oder sogar mit Verkehrsteilnehmern, die nicht mit dem Auto unterwegs sind, wie Fußgängern, Radfahrern oder Spaziergängern (Vehicle-to-Pedestrian, V2P) zu interagieren.8 Ziel dieser Konnektivität ist es weiter, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten, indem genaue Informationen über den Verkehr bereitgestellt werden.9 Diese Daten können entweder selbst gesammelt oder über ein Netzwerk bezogen werden. Die Datenabhängigkeit im letzteren Fall birgt die Gefahr, dass fehlerhafte Daten im Netz weitergereicht werden und bei ordnungsgemäß funktionierenden Systemen ein unerwünschtes Verhalten auslösen. Andererseits können auch Systeminkonsistenzen und -ausfälle auftreten, welche die Daten und damit auch die vernetzten Fahrzeuge weiter beeinträchtigen. Und schließlich werden in vernetzten Fahrzeugen immer mehr menschliche Tätigkeiten ersetzt und selbstständig ausgeführt, was die Frage aufwirft, inwieweit ein Nutzer auf das ordnungsgemäße Funktionieren der eingesetzten Technologie vertrauen kann.

3

11Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass vernetzte Fahrzeuge neue Risiken mit sich bringen, die mit ihrer Komplexität, ihrer zunehmenden Vernetzung und ihrer Abhängigkeit von Daten und Automatisierung zusammenhängen.10

4

Die genannten (neuen) Haftungsrisiken sind ein Grund, weshalb die Rechtsfragen der Zurechnung und Verantwortung zu den Hemmnissen für die Entwicklung neuer Technologien und Digitalisierung in Deutschland gezählt werden.11 Dies ist umso wichtiger, als im Bereich Connected Cars regelmäßig diverse Akteure, wie zum Beispiel Fahrzeughersteller, Softwareanbieter, Fahrzeuganwender, Netzbetreiber bzw. Mobilfunkbetreiber, Dienst-Anbieter oder Betreiber von Cloud-Diensten aufeinandertreffen.12 So funktionieren vernetzte Fahrzeuge entweder mit Software, die vom Hersteller entwickelt wurde oder Applikationen (Apps), die durch Dritte angeboten werden. Das Fahrzeug kann dabei nur dann zuverlässig fahren, wenn die Hardwarekomponenten, die Steuerungssoftware sowie alle Daten und Dienste einwandfrei zusammen funktionieren.13 Nach einem Schadensfall ist es deshalb oft schwierig, im Nachhinein festzustellen, ob der Schaden durch einen Fehler der Hardware oder der Software im Fahrzeug, durch fehlerhafte Daten oder durch Schwächen in der Datenübertragung verursacht wurde.14 Zudem sind auch Szenarien denkbar, in denen Dritte in ein mangelhaft geschütztes System eingreifen und damit Schaden anrichten.15

5

Zur Veranschaulichung sollen folgende Beispiele dienen:

Die Software einer Bremsfunktion wird gehackt. Der Autobesitzer hatte die Software nicht regelmäßig aktualisiert.16

Eine digitale Dienstleistung im Fahrzeug wird vom Hersteller bzw. einem Dritten nicht mehr zur Verfügung gestellt. Wer haftet?17

Einem Diensteanbieter, der für selbstfahrende Fahrzeuge das Lichtsignal von Ampeln in ein automatisiert lesbares Format umwandelt, unterläuft ein Fehler, woraufhin ein Fußgänger beim Überqueren einer Straße von einem selbstfahrenden Fahrzeug erfasst wird, weil dieses ein fehlerhaftes Signal erhalten hat (Ampel „grün” statt Ampel „rot”).18

6

Da vernetzte Autos in Zukunft die neue Normalität sein werden, ist die rechtliche Bewertung der geschilderten Beispiele und anderer in diesem Beitrag erörterter Haftungskonstellationen sowohl für die Wirtschaftsakteure als auch für die Nutzer vernetzter Fahrzeuge von wesentlicher Bedeutung.

12II. Internationaler und europäischer Rechtsrahmen

7

Es verwundert nicht, dass supranationale oder internationale Regelungen von entscheidender Bedeutung für das autonome Fahren sind. Denn die Erleichterung des grenzüberschreitenden Verkehrs und Handels ist ein klassisches und weithin akzeptiertes Anliegen der supranationalen Zusammenarbeit. Einheitliche Vorschriften tragen dabei stets auch zur Erreichung wichtiger Ziele wie der Sicherheit im Straßenverkehr bei. Weil die rasante technologische Entwicklung den oft nur mühsam errungenen supranationalen Kompromissen weit vorauseilt, sind einige internationale Verträge reformbedürftig oder decken die neuen Technologien nicht ab, was im Folgenden näher erläutert wird.

1. Sechs Stufen des automatisierten Fahrens – der Standard SAE J3016

8

Vernetzte Fahrzeuge stellen nach allgemeiner Auffassung einen Zwischenschritt auf dem Weg zum autonomen Fahren dar.19 Denn selbstfahrende Fahrzeuge müssen notwendigerweise vernetzt sein, um sich ohne den Einfluss eines menschlichen Fahrers fortbewegen zu können. Weil dabei aber unterschiedliche Stufen der Automatisierung denkbar sind, ist es notwendig zunächst die insoweit international gültigen Standards zu skizzieren.

9

Der Standard SAE J3016 definiert die Klassifizierung und Begriffsdefinition für Straßenkraftfahrzeuge mit automatisierten Fahrsystemen. Er wurde von SAE International20 veröffentlicht und ist seit Januar 2014 gültig.21 Zur Klassifizierung des automatisierten Fahrens wurden sechs Stufen festgelegt, von SAE Stufe 0 (keine Automation) bis SAE Stufe 5 (volle Fahrzeugautomatisierung).

10

Bei der ersten Stufe liegt keine Automatisierung vor. Das ist die sog. Stufe 0 (engl. No Driving Automation). Alle Aspekte des Fahrens werden von einem menschlichen Fahrer übernommen. Die Funktionen in der Stufe 0 beschränken sich auf Warnungen und kurzzeitige Unterstützung. Beispiel hierfür ist der Totwinkelwarner. Bei der Stufe 1, auch als Fahrer-Assistenz (engl. Driver Assistance) bekannt, helfen bestimmte Assistenzsysteme, wie zum Beispiel die Fahrspurzentrierung, der Abstandsregeltempomat oder die Einparkassistenten. Die meisten modernen Fahrzeuge sind bereits heute mit diesen Fahrerassistenzsystemen ausgestattet. Die Stufe 2 wird als teilautomatisiertes Fahren (engl. Partial Driving 13Automation) bezeichnet, wobei Funktionen wie Spurhalten, Beschleunigen und Abbremsen von den Assistenzsystemen übernommen werden. Bis zu dieser Stufe muss der Fahrer jedoch eine ständige Kontrolle über die Assistenzsysteme behalten und je nach Bedarf selbst lenken, bremsen oder beschleunigen, um die Fahrsicherheit zu gewährleisten. Hierin liegt der maßgebliche Unterschied zur Stufe 3, der bedingten Fahrautomatisierung (engl. Conditional Driving Automation). Zwar führt auch hier das Fahrzeug bestimmte Funktionen selbstständig aus, wie zB den Spurwechsel und das Halten der Fahrspur. Der Fahrer muss das System jedoch nicht mehr ständig überwachen. Er kann seine Aufmerksamkeit auf andere Aktivitäten richten, wird aber bei Bedarf vom Fahrsystem aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Warnzeit die Führung zu übernehmen. Das hochautomatisierte Fahren (engl. High Driving Automation) der Stufe 4 ist dadurch gekennzeichnet, dass die Führung des Fahrzeugs dauerhaft vom System übernommen wird und das Fahrzeug auch längere Strecken ohne menschlichen Eingriff zurücklegen kann. Bei dieser Stufe kann der Fahrer jedoch aufgefordert werden, das Fahren zu übernehmen, wenn die Fahraufgaben vom System nicht mehr bewältigt werden können.22 Das System muss dabei in der Lage sein, das Fahrzeug selbst aus jeder Ausgangssituation in einen risikominimalen Systemzustand zurückzubringen. Das Fahrzeug wird zum Beispiel sicher am Straßenrand angehalten, wenn der Fahrer die Fahrzeugsteuerung nicht oder nicht rechtzeitig übernimmt. Die Stufe 5 wird als vollautomatisiertes oder autonomes Fahren (engl. Full Driving Automation) bezeichnet und ist die letzte und somit höchste Stufe des automatisierten Fahrens.23 Ein solches System benötigt keinen Fahrer mehr zur Fahrzeugsteuerung. Mit Ausnahme der Zieleingabe ist kein menschliches Eingreifen mehr erforderlich. Alle Personen im Fahrzeug sind nur Passagiere und müssen weder fahrtüchtig sein noch einen Führerschein besitzen.

11

Die ersten drei Stufen (Stufe 0, Stufe 1 und Stufe 2) können damit als Fahrerunterstützungssysteme (engl. Driver Support Systems), die drei weiteren Stufen (Stufe 3, Stufe 4 und Stufe 5) dagegen als automatisierte Fahrsysteme (engl. Automated Driving Systems) bezeichnet werden.24

2. UNECE-Regelungen und Wiener Übereinkommen über den Strassenverkehr (StVÜ)

12

Seit Ende der 1950er Jahre werden die technischen Vorschriften für Kraftfahrzeuge auf internationaler Ebene harmonisiert, um Handelshemmnisse bei Kraftfahrzeugen und Komponenten für die Verbraucher abzubauen. Die Grundlage bildet ein am 20.3.1958 von der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für 14Europa (UNECE oder UN/ECE)25 geschlossenes Übereinkommen,26 durch das ein rechtlicher Rahmen geschaffen wurde, innerhalb dessen die Vertragsparteien gemeinsame technische Vorschriften und Protokolle für die Typgenehmigung von Fahrzeugen und Komponenten vereinbaren können. Das hat zur Folge, dass die Vertragsparteien einerseits Typgenehmigungen nur noch auf der Grundlage der vereinbarten technischen Vorschriften erteilen dürfen, andererseits werden aber erteilte Typgenehmigungen auch gegenseitig anerkannt. Diese UN-Regelungen stellen zugleich die Grundlage für das durch die Verordnung EU 2018/858 und die Verordnung EU 2019/2144 eingeführte Typengenehmigungsverfahren der Europäischen Union dar.27

13

In dem Bestreben, den internationalen Straßenverkehr zu erleichtern und die Verkehrssicherheit durch einheitliche Verkehrsregeln zu erhöhen, wurde im Jahr 1968 das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr (StVÜ)28 abgeschlossen, das in Deutschland aufgrund der Zustimmung des Bundestags nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG den Rang eines Bundesgesetzes hat. Die Harmonisierung von Zulassungsvorschriften und Straßenverkehrsvorschriften soll ausländischen Verkehrsteilnehmern die vorschriftsmäßige Teilnahme am Straßenverkehr ermöglichen und den Behörden die Sanktionierung von Verstößen erleichtern.

a) Änderungen mit Blick auf das autonome Fahren
aa) Änderung des StVÜ im Jahr 2016 und im Jahr 2022

14

Seit das Übereinkommen mit Wirkung zum 23.6.2016 aktualisiert und geändert wurde,29 sind auch Fahrerassistenzsysteme, die Einfluss auf das Führen des Fahrzeugs haben, unter besonderen Bedingungen zulässig.30 Demzufolge sind Fahrerassistenzsysteme zulässig, wenn sie einerseits den Vorgaben der einschlägigen technischen UNECE-Regelungen entsprechen oder so gestaltet sind, dass 15das System jederzeit übersteuert oder deaktiviert werden kann. Die StVÜ-Novelle vom 14.7.2022 befasst sich weiter mit dem Einsatz von automatisierten Fahrsystemen. Gem. Art. 34 bis StVÜ muss das automatisierte Fahrsystem nationalen technischen Vorschriften, jedem anwendbaren internationalen Rechtsinstrument und nationalen Betriebsvorschriften entsprechen.

bb) UNECE-Resolution vom 3.10.2018

15

Mit der Resolution vom 3.10.2018 hat das Global Forum for Road Traffic Safety (WP. 1) der UNECE zuletzt grundlegende Vorgaben für die Ausgestaltung der technischen Anforderungen im Hinblick auf die Nutzung von Fahrsystemen der SAE-Stufen 4 und 5 erarbeitet.31 Danach sind autonome Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zulässig, wenn mindestens eine Deaktivierungsmöglichkeit durch eine Person, innerhalb oder auch außerhalb des Fahrzeugs, existiert. Die Resolution hat jedoch einen unverbindlichen Empfehlungscharakter und soll den Vertragsparteien als Leitfaden dienen.

b) Anforderungen an Software-Updates und Cybersecurity von vernetzten Fahrzeugen

16

Kraftfahrzeuge verfügen heute über eine Vielzahl von Vorrichtungen, die für die Steuerung und Regelung der elektronischen Systeme im Fahrzeug verantwortlich sind. Diese sogenannten Steuergeräte kommunizieren miteinander, sodass Informationen von einem Steuergerät Auswirkungen auf andere Steuergeräte, auch in unterschiedlichen Teilen des Fahrzeugs, haben können.32 Dies stellt hohe Anforderungen an die Systemintegrität der Software und diesbezüglicher Updates, wobei die zunehmende Komplexität der Systeme auch ihre Verletzlichkeit erhöht, die wiederum von Hackern ausgenutzt werden kann. Automobile mit autonomen Fahrfunktionen sind insoweit besonders anfällig.33 Es ist daher nicht verwunderlich, dass bereits 2015 ein globaler Automobilhersteller anlässlich eines der ersten Fälle eines Cybersicherheitsrisikos in der Automobilindustrie rund 1,4 Millionen Fahrzeuge zurückgerufen hat.34 Für die Zukunft steht zu befürchten, dass mit zunehmender Digitalisierung und fortschreitender Entwicklung autonomer Fahrzeuge Cyberangriffe erheblich zunehmen werden.35

17

Als Antwort darauf haben SAE36 und ISO37 im August 2021 den technischen Standard ISO/SAE 21434:2021 zur Cyber-Security für die Automobilentwicklung erlassen.38 Das Inland Transport Committee (ITC), eine Arbeitsgruppe im Rahmen der Vereinten Nationen, hat im Jahr 2020 ebenfalls einen Vorschlag 16für Anforderungen im Bereich der Cybersecurity und für „Over the Air“ bzw. OTA-Software-Updates – die genannte UNECE WP.29/2020/79 vorbereitet.39 Im Herbst desselben Jahres wurde das Interpretationsdokument für die künftige UN-Regelung über Cybersicherheit und Cybersicherheits-Managementsysteme erlassen.40 Die UNECE stellt in diesem Dokument als Voraussetzung für die Erteilung einer Typgenehmigung verbindliche Regelungen für Cybersicherheit und Cybersicherheitsmanagmentsysteme auf.41 Hersteller müssen nach dem Prinzip „Security by Design“ bereits beim Fahrzeugdesign angemessene Cybersicherheitsmaßnahmen umsetzen und auch ein System zur Identifizierung und Abschaltung von Hackerangriffen einführen.42 Die darin enthaltenen Anforderungen sind bereits Juli 2022 für die Erteilung von Typengenehmigungen in der Europäischen Union relevant und gelten im Übrigen für alle Fahrzeugzulassungen ab Juli 2024.43 Die europäische Kommission hat in einem Bericht vom 11.2.2021 zu Cybersicherheitsrisiken im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz (KI) in autonomen Fahrzeugen bereits festgestellt, dass in Zukunft die Cybersicherheit ein zentrales Element des Fahrzeugdesigns im weiteren Sinne sein wird.44

3. Produkthaftungsrichtlinie im Digitalzeitalter

18

Die wichtigste europäische Regelung des Haftungsrechts ist die europäische Produkthaftungsrichtlinie (im Folgenden: ProdHaftRL) und wurde im Jahr 1985 verabschiedet.45 Mit der Richtlinie wurden zwei Ziele verfolgt: erstens die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt durch unterschiedliche Haftungsregelungen und damit zugleich die Erleichterung des grenzüberschreitenden Handels sowie zweitens der Schutz der Verbraucher durch eine einheitliche, für sie günstige Haftungsregelung bei durch fehlerhafte Produkte verursachten Schäden.46 Die ProdHaftRL wurde durch das deutsche Produkthaftungsgesetz in deutsches Recht umgesetzt, welches daher – vergleichbar mit 17den entsprechenden Vorschriften und Bestimmungen in anderen europäischen Ländern – ähnliche, wenn auch nicht identische Bestimmungen enthält.47

19

Die Richtlinie bestand mehr als drei Jahrzehnte lang ohne wesentliche Änderungen. Vor dem Hintergrund der Innovationen in Hinblick auf Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Cybersicherheit hat die Europäische Kommission im Jahr 2018 eine Überprüfung der Richtlinie vorgenommen.48 Gegenstand der Untersuchung war die Frage, ob die Produkthaftungsrichtlinie ihre ursprünglichen Ziele noch effektiv und effizient erfüllen kann, ob sie mit den einschlägigen EU-Vorschriften vereinbar ist, ob sie vor dem Hintergrund der Komplexität der technischen Entwicklung weiterhin relevant ist und ob die Richtlinie einen Mehrwert für die Unternehmer und die Verbraucher hat.49 Die EU-Kommission kam dabei zu dem Schluss, dass die Produkthaftungsrichtlinie trotz der zunehmenden Komplexität der Produkte nach wie vor ein geeignetes Instrument für den Verbraucherschutz ist.50 Sie bemängelte jedoch, dass die Wirksamkeit der Produkthaftungsrichtlinie durch die rigiden Begriffe des Herstellers, des Produkts, des Fehlers und des Schadens sowie durch die Beweislast beeinträchtigt werden.51 Zum Beispiel erscheine der Begriff „Produkt“ im Lichte neuer technologischer Entwicklungen nicht mehr so eindeutig, wie er zum Zeitpunkt der Verabschiedung der ProdHaftRL war.52 Der Produktbegriff nach Art. 2 der ProdHaftRL umfasst grundsätzlich bewegliche Sachen, auch wenn diese Teile einer unbeweglichen Sache bilden.53 Software ist als nicht-verkörperter Gegenstand hingegen nach dem ausdrücklichen Wortlaut grundsätzlich nicht umfasst.54 Wenn ein Fahrzeug während des autonomen Betriebs aufgrund eines Softwarefehlers einen Passanten anfährt, stellt sich die Frage, ob das Produkthaftungsrecht auch auf Software Anwendung findet. Das gleiche gilt auch für neue Technologien, die letztlich auch digitale Dienstleistungen darstellen könnten, wie zB vernetzte Navigations-Systeme. Dies erfordert eine weitere Unterscheidung, nämlich zwischen digitalen Produkten und digitalen Dienstleistungen, da Dienstleistungen schon im Prinzip nicht unter die ProdHaftRL fallen.55 Diese Frage ist vor allem für die Hersteller solcher Software relevant, die nicht in ein physisches Produkt integriert ist, sondern dem Verbraucher separat zur Verfügung gestellt wird, zB über eine Cloud.56 Aus dem Bericht der Kommission geht zudem hervor, dass der Hersteller eines Produktes immer weniger Kontrolle über Anpassungen und Veränderungen des Produktes habe. Zudem sind neue Geschäftsmodelle (wie zB die 18Kreislaufwirtschaft, engl. The Circular Economy)57 nur schwer mit der Richtlinie zu vereinbaren.58 Dementsprechend beabsichtigt die Kommission die Begriffe wie Produkt, Produktfehler und Schaden zeitgemäß anzupassen.59

4. Digitale-Inhalte-RL und Warenkauf-RL

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Auf die zunehmende Verbreitung und Weiterentwicklung vernetzter Geräte und digitaler Angebote hat auch die Europäische Union mit dem Erlass zweier Verbraucherschutzrichtlinien reagiert. Am 20.5.2019 wurden die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Digitale-Inhalte-RL)60 und die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs (Warenkauf-RL)61 verabschiedet. Mit der Warenkauf-RL soll die bisherige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie modernisiert werden,62 während die Digital-Inhalte-RL zur Stärkung der Verbraucherrechte in Fällen dient, in denen ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen bereitstellt.63 Beide Richtlinien sollen eine Vollharmonisierung bewirken.64 Die Frist zur Umsetzung beider Richtlinien lief am 1.7.2021 ab und die Regelungen gelten seit dem 1.1.2022. In der Literatur stießen beide Richtlinien auf ein geteiltes Echo. Während die einen kritisieren, dass von dem Großprojekt eines gemeinsamen europäischen Kaufrechts nicht mehr viel übrig geblieben sei,65 stellen die Richtlinien für andere einen der „Meilensteine des Europäischen Vertragsrechts“ dar.66 Da die vielen rechtlichen Neuerungen den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden, werden im Folgenden nur diejenigen Aspekte skizziert, die für das hier zu behandelnde Thema relevant sind.67

19a) Digitale-Inhalte-RL

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Der persönliche Schutzbereich der Digitale-Inhalte-RL beschränkt sich auf B2C-Geschäfte.68 Die Richtlinie soll für Fälle gelten, in denen ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte (engl. digital content)69bereitstellt oder digitale Dienstleistungen (engl. digital services) erbringt, für die der Verbraucher entweder ein Entgelt zahlt oder dem Unternehmer personenbezogene Daten70 bereitstellt.71 Werden personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt, so haben Verbraucher und Unternehmer im Rahmen der Digitale-Inhalte-RL weitgehend dieselben vertraglichen Rechte und Pflichten in Bezug auf die digitalen Inhalte oder Dienstleistungen, wie wenn eine finanzielle Gegenleistung erbracht würde.72 Von vornherein ausgenommen sind Daten, bei denen die Verarbeitung notwendigerweise der Durchführung und Erfüllung von vertraglichen und gesetzlichen Pflichten dient,73 wie beispielsweise die Standortfeststellung zur Berechnung des Verkehrsflusses für ein Stauwarnsystem. Ebenso findet die Digitale-Inhalte-RL keine Anwendung, wenn der Unternehmer die Daten nur verarbeitet, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.74 Der Unternehmer darf die Daten dann aber nicht für andere darüberhinausgehende Zwecke (zum Beispiel kommerzieller Art) nutzen.75 Ungeklärt bleibt weiterhin, wann durch die Weitergabe von personenbezogenen Daten ein Vertragsschluss anzunehmen sei, da nicht jede Einwilligung zum Tracking oder zur Verwendung von Cookies als rechtliche Verpflichtung des Anbieters angenommen werden kann.76

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20Für die Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen gelten sowohl subjektive als auch objektive Anforderungen.77 Hinsichtlich der Haftung des Unternehmers unterscheidet die Digital-Inhalte-RL zwischen der einmaligen und der fortlaufenden Bereitstellung der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen.78 Bei einer einmaligen Bereitstellung haftet der Unternehmer zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der Bereitstellung für jede nach der Bereitstellung offenbar werdende Vertragswidrigkeit, die bereits bei der Bereitstellung vorgelegen hat.79 Dies entspricht der typischen Konstellation im Kaufrecht, wo die Vertragsmäßigkeit einer Ware regelmäßig zu dem Zeitpunkt beurteilt wird, in dem sie die Sphäre des Verkäufers verlässt (Gefahrübergang), womit zugleich die Gewährleistungsfrist beginnt.80 Hingegen haftet der Unternehmer bei einer fortlaufenden Bereitstellung für jede während des gesamten vertraglich vereinbarten Zeitraums offenbar werdende oder eintretende Vertragswidrigkeit.81 Hat der Unternehmer die digitalen Inhalte oder Dienstleistungen nicht vertragsgemäß bereitgestellt, kann der Verbraucher ihn auffordern, sie bereitzustellen.82 Versäumt der Unternehmer, sie unverzüglich oder innerhalb einer ausdrücklich vereinbarten Frist bereitzustellen, kann der Verbraucher – neben einem Preisminderungsrecht – den Vertrag beenden.83 Die Möglichkeit eines Schadensersatzes hat die Richtlinie zwar ausdrücklich ausgeklammert; eine solche kann sich aber aus nationalem Recht ergeben.84

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Die Beweislast dafür, dass die digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen vertragsgemäß sind, trägt der Unternehmer.85 Die Umkehr der Beweislast beruht auf der Überlegung, dass es für den Unternehmer aufgrund seiner Kenntnisse des Produktes einfacher ist, die Vertragsmäßigkeit zu beweisen als für den Verbraucher.86 Dies gilt natürlich umso mehr für digitale Inhalte, da es für den Verbraucher aufgrund deren Komplexität noch schwieriger wäre, die Vertragswidrigkeit des Produkts zum maßgeblichen Zeitpunkt nachzuweisen.87 Bei einer einmaligen Lieferung wird die Umkehr der Beweislast nach der Digitale-Inhalte-RL auf ein Jahr beschränkt.88

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Der Unternehmer muss sicherstellen, dass der Verbraucher über Aktualisierungen, einschließlich Sicherheitsaktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit 21der digitalen Inhalte und Dienstleistungen erforderlich sind, informiert wird und dass ihm diese bereitgestellt werden, wenn der Vertrag eine fortlaufende Bereitstellungen über einen bestimmten Zeitraum vorsieht oder der Verbraucher eine solche aufgrund der Art und des Zwecks der digitalen Inhalte oder unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags vernünftigerweise erwarten kann, selbst wenn der Vertrag nur eine einmalige Bereitstellung oder eine Reihe einzelner Bereitstellungen vorsieht.89 Installiert der Verbraucher Aktualisierungen, die ihm vom Unternehmer bereitgestellt wurden, nicht innerhalb einer angemessenen Frist, so haftet der Unternehmer nicht für etwaige Vertragswidrigkeiten, die allein auf das Fehlen der entsprechenden Aktualisierung zurückzuführen sind.90 Dies gilt aber nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher über die Verfügbarkeit der Aktualisierung und die Folgen des Unterbleibens ihrer Installation informiert hat und die Tatsache, dass der Verbraucher die Aktualisierung nicht oder unsachgemäß installiert hat, nicht auf eine vom Unternehmer bereitgestellte mangelhafte Installationsanleitung zurückzuführen ist.91 Es ist zu begrüßen, dass die Digitale-Inhalte-RL auch die Frage der Software-Updates, zu denen auch die IT-Sicherheitsaktualisierungen gehören, aufgegriffen hat, da hier in der Vergangenheit eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestand.

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Ferner befasst sich die Digitale-Inhalte-RL mit dem Begriff der fehlgeschlagenen Integration. Ihr Art. 9 regelt insoweit, unter welchen Voraussetzungen die fehlgeschlagene Integration des digitalen Inhalts in die digitale Umgebung des Verbrauchers eine Vertragswidrigkeit bzw. einen Mangel darstellt.92 Danach stellt die fehlerhafte Integration eine Vertragswidrigkeit dar, wenn der Unternehmer sie selbst vorgenommen hat, die Inhalte unter seiner Verantwortung integriert wurden oder er eine mangelhafte Anleitung bereitgestellt hat. Der Begriff „Integration“ wird in Art. 2 Nr. 4 Digitale-Inhalte-RL definiert als die Verbindung von digitalen Inhalten mit den Komponenten der digitalen Umgebung des Verbrauchers. Zur digitalen Umgebung gehören dabei Hardware, Software und Netzverbindungen aller Art, soweit sie der Kontrolle des Anwenders unterliegen.93 Eine unsachgemäße Integration in die digitale Umgebung des Anwenders kann mithin auch dann vorliegen, wenn die digitalen Inhalte selbst fehlerfrei sind.94

b) Warenkauf-RL

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Die Warenkauf-RL regelt im Wesentlichen Verbraucherkaufverträge über Waren.95 Der Warenkauf-RL unterfallen auch „Waren mit digitalen Elementen“.96 Nach Art. 2 Nr. 5 lit. b sind das alle körperlichen Gegenstände, die digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthalten oder so mit ihnen verbunden sind, dass 22sie ihre Funktionen nicht ohne die digitalen Elemente erfüllen können. Dazu zählen etwa smarte Geräte (wie zum Beispiel Smartphones, Smart-Watches oder Smart-TVs), die ein Betriebssystem bzw. digitale Inhalte benötigen oder auch Navigationssysteme, für die fortlaufend Verkehrsdaten bereitgestellt werden. Es ist zu erwarten, dass die Unterscheidung zwischen einem digitalen Produkt und einer Ware mit digitalen Elementen in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen wird.97 Der Grund dafür ist die unglücklich gewählte Struktur der beiden Richtlinien, die beide jeweils eine Vollharmonisierung anstreben, aber voneinander unabhängig sind und sich an einigen Stellen unterscheiden, was in der Praxis zu Unsicherheit führen kann.98

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Die Warenkauf-RL sieht eine erweiterte Haftung des Verkäufers für die Bereitstellung der digitalen Inhalte bzw. Dienstleistungen vor. Der Verkäufer haftet für jede Vertragswidrigkeit, nicht nur in Bezug auf die Ware selbst, sondern auch hinsichtlich der Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte und Dienstleistungen.99 Die Haftung des Verkäufers richtet sich auch hier danach, ob im Kaufvertrag eine einmalige oder fortlaufende Bereitstellung der digitalen Inhalte und Dienstleistungen vorgesehen ist. Wird eine Ware verkauft, die für ihre Funktionsfähigkeit mit digitalen Elementen verbunden ist, welche mit dem Kauf einmalig bereitgestellt werden, so haftet der Verkäufer zunächst für die einmalige vertragsmäßige Bereitstellung der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen. Zudem haftet der Verkäufer auch für Vertragswidrigkeiten, die innerhalb von zwei Jahren offenbar werden,100 selbst wenn diese die digitalen Elemente betreffen.101 Bei Vertragswidrigkeiten, die innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Lieferung der Waren offenbar werden, gilt eine Beweislastumkehr dergestalt, dass ihr Bestehen bereits bei Lieferung der Ware vermutet wird.102 Bei einer nach dem Kaufvertrag geschuldeten fortlaufenden Bereitstellung über einen bestimmten Zeitraum hinweg, haftet der Verkäufer für jede Vertragswidrigkeit, die während der Vertragslaufzeit eintritt oder offenbar wird, wobei die kürzeste Frist zwei Jahre beträgt.103 Auch insoweit gilt während des gesamten für die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen vorgesehenen Zeitraums die Beweislastumkehr zulasten des Verkäufers.104

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Damit lässt sich festhalten, dass die Warenkauf-RL nicht mehr strikt zwischen den kaufrechtlichen Verpflichtungen und den Verpflichtungen in Bezug auf die digitalen Inhalte und Dienstleistungen eines Dritten unterscheidet. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf der Funktionsfähigkeit der Waren, die zum einen durch die Eigenschaften der Waren selbst und zum anderen durch die mit den Waren verbundenen digitalen Inhalte und Dienstleistungen erzielt wird.105 Der entscheidende Unterschied zur bisherigen Rechtslage liegt in der Haftung des Verkäufers für die Vertragsmäßigkeit der digitalen Dienste.106