Rechtsrock - Timo Büchner - E-Book

Rechtsrock E-Book

Timo Büchner

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Beschreibung

Rechtsrock spielt in der Neonazi-Szene eine zentrale Rolle: Die Musik erzeugt Gemeinschaft und Identität, propagiert Hass und Rechtsterror, finanziert gewaltbereite Kameradschaften und Netzwerke. Extrem rechte Konzerte und Liederabende dienen als Plattform zur Vernetzung der Szene; sie reichen von Musikveranstaltungen, die im kleinen Kreis im Rahmen offizieller Parteiversammlungen stattfinden, bis hin zu politischen Großkundgebungen, an denen teils mehrere Tausend Neonazis teilnehmen. Rechtsrock ist ohne Zweifel auch ein Business: Bands, Produzent*innen, Händler*innen und Veranstalter*innen machen beachtliche Profite. Es gibt in Deutschland derzeit etwa 25 Rechtsrock-Labels und 80 Versandfirmen, die – neben Musik – einfach hergestellte bis hochwertig produzierte Markenklamotten mit germanisch-nordischer Symbolik im Angebot haben. Kompakt, prägnant und aktuell ist das Buch eine hilfreiche Einführung in das Thema, die die wichtigsten Begriffe und Entwicklungen anhand ausgewählter Beispiele erklärt.

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Seitenzahl: 81

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Timo Büchner

Rechtsrock

Business, Ideologie & militante Netzwerke

rechter rand

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Timo Büchner: Rechtsrock

unrast transparent – rechter rand, Band 19

1. Auflage, Mai 2021

eBook UNRAST Verlag, Dezember 2023

ISBN 978-3-95405- 171-7

© UNRAST Verlag, Münster

www.unrast-verlag.de | [email protected]

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Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung

sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner

Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter

Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: UNRAST Verlag, Münster

Satz: UNRAST Verlag, Münster

Inhalt

Einleitung

1 | DEFINITION: INHALTE & MUSIKSTILE

2 | GESCHICHTE: URSPRUNG & ENTWICKLUNGEN

3 | IDENTITÄTSKONSTRUKTION: PROPAGANDA & REKRUTIERUNG

Rekrutierungsinstrument

Identitätskonstruktion

Damals wie heute: kämpfen, singen, wandern

4 | VERANSTALTUNGEN: FESTIVALS, KONZERTE & LIEDERABENDE

Liederabende

Konzerte

Festivals

Internationale der Nationalist*innen

05 | GEWALT: MILITANTE BANDS & NETZWERKE

Kriminelle Vereinigung Landser

Blood & Honour, Combat 18 und Hammerskins

Bruderschaften im B&H/C18-Netzwerk

Schweiz-Thüringen-Achse

Militante Netzwerke & ihr Training für den Tag X

6 | BUSINESS: LABELS & VERTRIEBE

Rechtsrock im digitalen Raum

Rechtsrock-Events, eine elementare Geldquelle

Rechtsrock in Zeiten der Covid-19-Pandemie

07 | ANTIFASCHISTISCHE PERSPEKTIVEN

Recherchearbeit

Bündnispolitik

Aufklärung & Protest

Mehr als Konzerte

8| LITERATURTIPPS

Bücher

Magazin

Recherche

Tagesaktuelles

Anmerkungen

Einleitung

Der Rechtsrock ist zweifelsohne ein komplexes, vielschichtiges Phänomen. Die extrem rechte Musikszene in all ihren Erscheinungsformen und gleichzeitig in aller Kürze darzustellen, ist deshalb ein schwieriges Unterfangen. Dennoch ist abseits der umfangreichen Forschungsliteratur, die sich mit der Rechtsrock-Szene befasst, eine kurze, präzise Einführung in die Thematik erforderlich. Der vorliegende Band Rechtsrock. Business, Ideologie & militante Netzwerke erklärt die wichtigsten Begriffe, benennt die zentralen Akteur*innen, Bands und Netzwerke und zeichnet sowohl die Trends als auch die langfristigen Entwicklungen in der Geschichte des Rechtsrock nach. Der Rechtsrock ist ein relevanter Faktor in der extremen Rechten: Er erzeugt Gemeinschaft und Identität, propagiert Hass und Rechtsterror, finanziert gewaltbereite Kameradschaften und Netzwerke – und die Festivals, Konzerte und Liederabende bieten eine Plattform zur Vernetzung der Szene. Der Band soll interessierten Leser*innen, die sich erstmalig mit der Musik der extremen Rechten kritisch beschäftigen wollen, eine knappe Einführung bieten. Ich hoffe sehr, dass der Band hilft, die aus meiner Sicht zentrale Bedeutung des Rechtsrock innerhalb der extremen Rechten begreifbar zu machen. Das ist mir ein wichtiges Anliegen. Interessierten, die sich bereits mit der Musik beschäftigt haben, bietet der Band zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Lektüren und Recherchen. Deshalb werden im letzten Kapitel ausgewählte Bücher kurz vorgestellt, Magazine und Weblinks genannt. Sie sind aus meiner Sicht besonders empfehlenswert und bieten eine Ausgangsbasis, um sich näher und tiefer mit der Thematik zu beschäftigen.

Im Folgenden möchte ich die wesentlichen Fragen anreißen, die im Laufe dieses Einführungsbandes beantwortet werden. Zunächst stellt sich die Frage der Definition und Genese des Rechtsrock-Begriffs: Was macht eine Musik zum Rechtsrock? Was zeichnet Rechtsrock aus, wann und wo ist der Begriff entstanden? In der Definition sind nicht nur die Inhalte der Liedtexte, sondern auch der Kontext der Bands und Musiker*innen zu berücksichtigen. Es ist wichtig, die Probleme zu thematisieren, die dem Begriff innewohnen, und zu erklären, weshalb die Einordnung zum Rechtsrock in einigen Fällen eine Gratwanderung ist. Rechtsrock ist keineswegs auf Rockmusik begrenzt. Darüber hinaus umfasst er eine Reihe unterschiedlicher Musikstile. Der Band gibt einen kurzen Überblick, welche Stile in der extrem rechten Musikszene vertreten sind und welchen Stellenwert sie auf dem deutschsprachigen Rechtsrock-Markt haben.

In der extremen Rechten hat Musik eine lange Tradition. Das zeigt ein Blick auf die Rolle des nationalsozialistischen Liedguts in der Kampfzeit (1918-1933) und während der NS-Herrschaft (1933-1945). Wann und in welchem Rahmen wurde gesungen? Welche Ziele wurden durch das gemeinsame Singen verfolgt? Die Ideologie, die in der Musik des Nationalsozialismus verbreitet wurde, lebt im Rechtsrock bis heute fort. Seine Anfänge liegen in Großbritannien. In den frühen 1980er-Jahren kombinierte die Band Skrewdriver erstmals moderne Rockmusik mit nationalistischen und rassistischen Liedtexten. Kurz darauf gründeten sich auch in Deutschland die ersten Rechtsrock-Bands im Umfeld der aufkommenden Skinhead-Szene. In den 1990er-Jahren entstand im gerade erst vereinigten Deutschland ein regelrechter Boom extrem rechter Musik: Warum explodierte die Zahl der Bands und Tonträger-Produktionen und wie reagierten die Zivilgesellschaft und der Staat darauf?

Aber welchen Zweck soll der Rechtsrock aus der extrem rechten Perspektive erfüllen? Die Liedtexte stiften Identität und sollen Jugendliche und junge Erwachsene für die Szene rekrutieren. Das wird am Beispiel des Projekt Schulhof-CD, das zu Beginn der 2000er-Jahre von einigen Freien Kameradschaften gestartet wurde, erläutert. Am Beispiel der extrem rechten Jungen Revolution zeigt der vorliegende Band, wie junge Neonazis versuchen, die Tradition des nationalsozialistischen Liedes fortzusetzen. Ein Liederbuch, das die Gruppierung veröffentlichte, legt die Traditionslinien offen: Die Jungnazis preisen die Ideale des Nationalsozialismus, indem sie das Singen alter Lieder in die Aktivitäten ihrer Organisation einbinden. Nicht zuletzt das Propagandamaterial der Jungen Revolution illustriert das völkische Blut-und-Boden-Denken.

Die extrem rechten Musikveranstaltungen sind das Herzstück des Rechtsrock. Was unterscheidet Festivals, Konzerte und Liederabende, was eint sie? Daraus leitet sich die Frage ab: Warum steigt die Anzahl der Liederabende in den vergangenen Jahren kontinuierlich? Es sind drei Modi der Planung und Durchführung der Veranstaltungen zu unterscheiden: Sie werden (1) konspirativ geplant und durchgeführt, (2) angemeldet und öffentlich beworben oder (3) als politische Kundgebung angemeldet und öffentlich beworben. Der Blick ist zudem unbedingt über die deutschen Landesgrenzen hinaus zu weiten. Schließlich sind die Musikveranstaltungen der extremen Rechten ein transnationales Phänomen. Das verdeutlicht die Ukraine, die sich aktuell zum Hotspot der osteuropäischen Rechtsrock-Szene entwickelt.

Immer wieder treten Bands und Netzwerke der Rechtsrock-Szene durch Gewalt in Erscheinung. Aber welche Rolle spielen militante Bands und Netzwerke im Rechtsrock? Die Gewaltpropaganda wird am Beispiel der Rechtsrock-Band Landser illustriert, die Anfang der 2000er-Jahre zur kriminellen Vereinigung erklärt wurde. Die Band ist Wegbereiter für brutale und mörderische Gewaltexzesse gewesen. Sie bediente mit ihrer Musik u.a. internationale, hochgradig gewalttätige Netzwerke, die seit Jahrzehnten in der extrem rechten Musikszene verwurzelt sind: Blood & Honour, Combat 18 und die Hammerskin Nation. Alle drei sind in Deutschland aktiv, teils im Untergrund, weil Teile ihrer Netzwerke verboten wurden.

Ein weiterer Punkt, der untersucht wird, umfasst die Verbindungen des Rechtsrock zu einer aktiver werdenden Kampfsport-Szene, die aktuell in extrem rechten Netzwerken zunehmend an Bedeutung gewinnt. Neonazis trainieren in Kampfsportgruppen und -vereinen für den Tag X, den Tag des gewaltsamen Systemumsturzes. Am Beispiel der Turonen/Garde 20, einer Bruderschaft, die sich in den militanten Netzwerken bewegt, wird der Stellenwert des Rechtsrock skizziert. Das Beispiel ist besonders anschaulich, weil die internationale Dimension der Netzwerke deutlich wird.

Nicht zuletzt ist Rechtsrock ein Business: Die Akteur*innen handeln aus Überzeugung, aber das schließt nicht aus, dass sie aus Eigeninteresse und/oder im Interesse der Szene nach Profiten streben. Alleine in Deutschland existieren ca. 25 Labels und ca. 80 Versandhandlungen der extrem rechten Musikszene. Das Kapitel benennt die einflussreichsten Produktions- und Vertriebsstrukturen und erörtert die zentralen Hürden, die vor einer Expansion des Rechtsrock-Marktes schützen: Jugendschutz, Strafrecht und Deplatforming im digitalen Raum. Neben den extrem rechten Vertriebsstrukturen stehen natürlich die extrem rechten Musikveranstaltungen im geschäftlichen Fokus: Festivals, Konzerte und Liederabende sind eine elementare Geldquelle, um die eigenen Strukturen zu erhalten und erweitern. Während der Covid-19-Pandemie mussten die meisten Veranstaltungen ausfallen. Ein Großteil der üblichen Einnahmen blieb aus. Wie sich das extrem rechte Business aus dieser Krise weiterentwickeln wird, bleibt aufmerksam zu beobachten.

Wer sich mit der Rechtsrock-Szene beschäftigt, stellt sich unweigerlich die Frage: Was tun? Warum ist antifaschistisches Engagement so wichtig, welche Ziele sollte die Arbeit verfolgen? Ein kurzer Leitfaden soll eine Reihe praktischer Tipps geben, wie beispielsweise einem angekündigten Rechtsrock-Konzert vor der eigenen Haustüre politisch und praktisch begegnet werden kann: Die Recherchearbeit ist die Grundlage antifaschistischer Praxis. Ohne belastbare, fundiert recherchierte Informationen ist keine Arbeit möglich. Eine erfolgreiche und konstruktive Bündnispolitik ist schwierig, die Liste der Aufgaben und Herausforderungen ist lang. Dennoch lohnen sich Bündnisse, um mediales Interesse zu erzeugen und öffentlichen Druck aufzubauen. Welche Schritte sind die ersten, welche die wichtigsten? Was sollte dringend beachtet werden? Im Anschluss folgen einige Tipps zur Aufklärung und zum Protest.

Natürlich ist die Ankündigung eines Rechtsrock-Konzerts nur eine Form, in der extrem rechte Musik in Erscheinung tritt. Aber einzelne Praxistipps können durchaus auf andere Erscheinungsformen des Rechtsrock übertragen werden. Schließlich ist der erste und entscheidende Schritt stets derselbe: Man muss aufstehen und widersprechen. Ob im Jugendclub, in der Schule oder im Vorfeld eines Konzerts.

Timo Büchner, Frühjahr 2021

1 | DEFINITION: INHALTE & MUSIKSTILE

Der Begriff Rechtsrock wurde zu Beginn der 2000er-Jahre von Christian Dornbusch und Jan Raabe, den beiden Herausgebern des Grundlagenwerks RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien (2002), geprägt. Sie stellten fest, Musik werde im Wesentlichen durch die extrem rechten Inhalte zum Rechtsrock. Die Botschaften – die in den Liedtexten, in den Beiheften der Tonträger, über die Sozialen Netzwerke der Musiker*innen[1] und auf der Bühne von Rechtsrock-Konzerten vermittelt werden – sind antisemitisch und rassistisch, homophob und sexistisch, nationalistisch und NS-verherrlichend, ethnozentristisch und sozialdarwinistisch. Das sind die Elemente eines extrem rechten Weltbildes. Jedoch sind nicht nur die Botschaften, sondern auch der Kontext, in denen sich Bands und deren Musiker*innen bewegen, für die Einordnung zum Rechtsrock relevant. Die Herausgeber des Sammelbandes Rechtsrock. Aufstieg und Wandel neonazistischer Jugendkultur am Beispiel Brandenburgs (2019) machen auf die notwendige Bezugnahme zur extrem rechten Bewegung aufmerksam. Sie schreiben, Rechtsrock sei »jede Form von popkulturell verorteter Musik, die sich selbst in den Dienst der politischen Bewegung der extremen Rechten stellt oder zumindest erkennbar positiven Bezug darauf nimmt« (Botsch/Raabe/Schulze 2019: 9).