Red Flags, Green Flags - Ali Fenwick - E-Book

Red Flags, Green Flags E-Book

Ali Fenwick

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gibt es Beziehungen, aus denen Sie sich einfach nicht lösen können? Wünschten Sie, Sie könnten toxische Freundschaften schon von Weitem erkennen? Oder haben Sie das Gefühl, dass es Ihnen schwerfällt, manchen Menschen Grenzen zu setzen? Der international renommierte Psychologe Dr. Ali Fenwick vermittelt in ›Red Flags, Green Flags‹ das Handwerkszeug, um toxische, aber auch gesunde Verhaltensweisen in allen Lebensbereichen schnell zu erkennen – sei es bei vampiristischen Partnern, aufdringlichen Eltern oder Chefs, die die Lorbeeren für Ihre Arbeit ernten. Seine einprägsamen und klaren Beschreibungen menschlichen Verhaltens und wie man es deutet, haben Fenwick zu einem Instagram-Star mit 1,6 Millionen Follower (TikTok 1 Million) gemacht. In seinem Buch hilft er, irritierende oder überfordernde Situationen neu zu interpretieren und souverän damit umzugehen und zeigt 24 Wege zu einem sorgenfreieren und vor allem selbstbestimmteren Leben auf. Dieses Buch verbessert die emotionale Intelligenz und lehrt, die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen besser von denen anderer zu unterscheiden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 398

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Eine Red Flag ist ein Warnzeichen für toxisches Verhalten wie Lügen, Eifersucht oder ständige Vorwürfe. Eine Green Flag dagegen zeigt positive Verhaltensweisen an – etwa ehrliches Interesse oder ernst gemeinte Hilfsangebote. In diesem Buch zeigt Ali Fenwick, wie man toxische Situationen schnell erkennt und anspricht, wie man positive Handlungsweisen fördert und wann es besser ist, sich aus einer Beziehung zu lösen.

Anhand der 24 häufigsten Alltagsdramen verbessert dieses Buch unsere emotionale Intelligenz und hilft, unsere Bedürfnisse besser zu verstehen. So lernen wir, dass es bei familiären Konflikten nützt, seinem inneren Kind einen Brief zu schreiben, oder dass es in Ordnung ist, sich in eine fiktive Figur zu verlieben. Außerdem erfahren wir, wie man Büropolitik für die eigene Karriere nutzt und warum der Ikea-Effekt auch bei Liebesbeziehungen ein Garant für Erfolg ist.

Eine lehrreiche und unterhaltsame Lektüre, die für jede Lebenssituation hilfreiche Tipps bereithält.

© Dr.Ali Fenwick

Ali Fenwick lehrt als Professor für Organisationsverhalten an einer renommierten Hochschule für Wirtschaftswissenschaften. Er ist außerdem CEO des Dr.Fenwick Lab for Human Behavior&Technology, einem Forschungs-, Trainings- und Beratungsunternehmen.

Monika Köpfer war viele Jahre als Lektorin tätig und übersetzt heute aus dem Englischen, Italienischen und Französischen. Zu den von ihr übersetzten Autoren zählen u.a. Galit Atlas, Mohsin Hamid, J.

Dr.Ali Fenwick

RED FLAGSGREEN FLAGS

Toxisches Verhalten erkennen und Grenzen setzen

Aus dem Englischenvon Monika Köpfer

Die englische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »Red Flags, Green Flags. Modern Psychology for everyday drama« bei Michael Joseph, Penguin Random House

© Dr.Ali Fenwick, 2024

E-Book 2025

© 2025 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Die Nutzung dieses Werks für Text- und Data-Mining im Sinne von §44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Übersetzung: Monika Köpfer

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Satz: Fagott, Ffm

E-Book Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-8321-7558-1088-9

www.dumont-buchverlag.de

Für meine geliebten Eltern, die mich zu dem Mann gemacht haben, der ich heute bin, und mich lehrten, immer zurückzugeben.

Für alle engen Freunde und Freundinnen, mit denen ich die schönsten Momente meines Lebens erlebt habe.

VORWORT

Dieses Buch zu schreiben hat mir viel Freude bereitet. Seit einigen Jahren untersuche ich, wie sich moderne Beziehungen verändern und sich technologische und gesellschaftliche Entwicklungen auf unser Denken, Verhalten und die Art und Weise auswirken, wie wir mit anderen Beziehungen eingehen. Unsere Welt dreht sich rasant, und wir Menschen müssen uns sehr schnell anpassen. Tagtäglich entstehen rund um den Globus neue Trends, werden gesellschaftliche Normen irrelevant oder gelten gar als merkwürdig. Kein Wunder, dass sich viele Menschen verwirrt fragen, wie sie sich anderen gegenüber verhalten sollen, und zunehmend zögerlich reagieren. Gleichzeitig wird von uns Spontaneität erwartet. In dieser schnelllebigen Welt gilt die Fähigkeit, rasche Entscheidungen zu treffen, als Stärke.

Doch hastig getroffene Entscheidungen können sich später als falsch herausstellen. Es ist in der Tat eine Kunst, spontan gute Antworten parat zu haben, aber auch zu wissen, wann es angebracht ist, sich noch ein wenig Zeit zu lassen und die Dinge kritisch zu überdenken. Schnell markiert man jemanden, an dem einem etwas missfällt, mit einer »Red Flag« – einem Warnhinweis. »Tschüss, du Zicke, dann eben eine andere!«, denken viele heute. Sie machen sich aus dem Staub, wenn es anstrengend wird, und verlernen es so, auch mal innezuhalten, sich schwierigen Situationen zu stellen und ein Problem anzugehen. Zu lernen, zwischen Red und Green Flags – negativen oder positiven Verhaltensmerkmalen – zu unterscheiden, ist eine wichtige Kompetenz. Man muss sie trainieren, vor allem wenn es gilt, in einer Beziehung schnell eine Entscheidung zu treffen. Zu erkennen, welches Verhalten gesund und welches ungesund ist, kann dir jede Menge Beziehungsdramen ersparen. Und noch wichtiger ist es, zu merken, wenn man selbst eine Red Flag ist. Gewiss keine leichte Aufgabe und eine, die ein hohes Maß an Introspektion erfordert.

»Red Flags« und »Green Flags« sind in unserer modernen Gesellschaft zu populären Begriffen geworden, nicht zuletzt dank Fernsehshows, Jugendkultur und sozialer Netzwerke. Diese »Flaggen« – Metaphern für Warnhinweis bzw. positives Signal – helfen uns, bessere Entscheidungen zu treffen, unsere Erfahrungen mit anderen zu reflektieren und unseren Blick öfter nach innen zu richten. Doch Red und Green Flags sind auch etwas sehr Subjektives. Ein Verhalten, das für manche ein Warnhinweis ist, kann für andere »grünes Licht« bedeuten, obwohl es in Wahrheit feuerrot ist! Ob wir etwas als Red oder Green Flag wahrnehmen, hängt von der eigenen Erziehung, den Werten, der Kultur, Lebenserfahrung und den Medien ab, die unsere Überzeugungen und Wahrnehmungen beeinflusst haben. Leider ist das Betriebssystem unseres Gehirns nicht fehlerfrei (vor allem die Wahrnehmung ist recht fehleranfällig), daher können vorschnelle Urteile uns in die Irre führen. Red Flags, Green Flags vereint wissenschaftliche Erkenntnisse, persönliche Geschichten und die neuesten Verhaltenstrends, die unsere Beziehungen zu Familie, Freunden oder Kolleginnen beeinflussen, und wird dir hoffentlich helfen, deine Urteilskraft zu verbessern.

SCHNELLE ENTSCHEIDUNG VERSUS REFLEKTIERTER DENKPROZESS

Ein weiteres Ziel dieses Buchs ist es, dich in die Lage zu versetzen, eingehender über dein Denken und deine Beobachtungen zu reflektieren. Ferner dir das nötige psychologische Rüstzeug an die Hand zu geben, um menschliches Verhalten und Alltagssituationen besser einschätzen zu können. Ich möchte, dass du RED nicht einfach als »rotes Licht« betrachtest und GREEN nicht einfach nur als »grünes Licht«. Ich möchte dich befähigen, bessere Entscheidungen zu treffen, wenn es um Red Flags geht. Und statt nur schnell zu entscheiden, solltest du auch in der Lage sein, im richtigen Moment langsamer zu denken und besser zu entscheiden. RED ist für mich ein Akronym, das für Reflect (reflektieren), Engage (sich engagieren) und Decide (entscheiden) steht. Bei manchen Gelegenheiten lassen sich diese Phasen von RED schnell durchspielen. Einige Verhaltensweisen können Warnhinweise sein, die bedeuten: »Lauf, so schnell du kannst!« Doch meistens bedeutet RED einfach nur: »Halt, warte kurz!«, genau wie ein Stoppschild im Straßenverkehr. Stopp, Blick nach rechts, Blick nach links, und wenn die Straße frei ist, kann man weiterfahren. Red Flags gibt es in allen möglichen Schattierungen von Rot, also lass dir Zeit, sie gründlich zu studieren. Im Folgenden findest du ein paar Beispiele dafür, wie du besser mit Red Flags umgehen kannst:

Reflektieren (R)

•»Warte kurz! Das scheint mir nicht richtig zu sein. Ich denke noch ein wenig darüber nach und möchte herausfinden, warum mich dieses Verhalten so getriggert hat.«

•»Ist das wirklich ein Regelbruch, oder könnte es sein, dass ich überreagiere?«

•»Bin ich so gelangweilt, weil ich in vorherigen Beziehungen immer nur Chaos erlebt habe?«

Engage/sich befassen (E)

•»Okay, das ist mir aufgefallen. Aber ich möchte der Sache noch ein wenig auf den Grund gehen!«

•»Das ist für mich ein mögliches Ausschlusskriterium. Ich werde einen Kumpel/eine Freundin fragen, ob er oder sie es genauso sieht wie ich.«

•»Vielleicht mache ich aus einer Mücke einen Elefanten. Wenn ich ehrlich bin, könnte auch ich das Problem sein. Ich werde mit jemandem darüber reden, um eine objektive Meinung zu bekommen.«

Decide/einen Entschluss fassen (D)

•»Ich habe gründlich darüber nachgedacht und glaube nicht, dass ich die Beziehung fortführen möchte. Wir haben völlig unterschiedliche Werte.«

•Dieses Verhalten ist inakzeptabel, aber ich möchte trotzdem herausfinden, ob wir das Problem in den Griff bekommen.«

•»Ich habe darüber nachgedacht, warum mich dieser Vorfall so getriggert hat, und es ist offenbar eher ein ›Ich‹-Problem, an dem ich arbeiten möchte.«

Je besser man mit Red Flags umzugehen lernt, umso leichter wird man problematisches Verhalten erkennen. Man korrigiert so seine Fähigkeit, effektiv auf schwierige Situationen einzugehen. Wenn wir alle kompetenter mit Red Flags umzugehen wüssten, würden wir nicht nur unsere Beziehungen verbessern, sondern diese Welt auch zu einem besseren Ort machen.

Green Flags zu identifizieren erfüllt ebenfalls einen bestimmten Zweck. Wir assoziieren mit der Farbe Grün »Okay, geh weiter« oder Zustimmung. Das menschliche Gehirn konzentriert sich weniger auf Dinge, die sich sicher anfühlen. Warum auch? Das kostet Zeit und Energie. Doch es gibt einen guten Grund, sein Augenmerk auch auf ein positiv wahrgenommenes Verhalten zu richten. Der betreffenden Person zu sagen, wie sehr wir GRÜNES Verhalten schätzen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie dieses Verhalten auch weiterhin an den Tag legt. Wenn du also, metaphorisch gesprochen, »grün siehst«, denke an das Akronym GREEN – Genuine (genuin, echt), Respect, Emphathize (Mitgefühl), Elevate (erhöhen), Nurture (nähren).

Genuin/echt (G)

»Grünes« Verhalten ist genuin – echt. Es kommt von innen. Beispiele für genuines Verhalten sind Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Authentizität.

Respekt (R)

Grünes Verhalten ist auch respektvoll. Es respektiert die Zeit anderer, deren Privatsphäre und den Freiraum, den sie beanspruchen, sowie deren Lebenssicht. Zeige auch du Respekt vor grünem Verhalten.

Empathie (E)

Grünes Verhalten zeichnet sich auch immer durch Empathie aus. Mitgefühl umfasst eine Vielzahl von Verhaltensformen innerhalb menschlicher Beziehungen. Ein guter Zuhörer zu sein, zwischen den Zeilen lesen zu können, zu verstehen, wie sich jemand in bestimmten Situationen fühlt, und sein Verhalten gegenüber anderen Personen in verschiedenen Situationen anpassen zu können, all das sind Kernkompetenzen, um eine Beziehung lebendig und gesund zu erhalten. Achte darauf, grünes Verhalten tatsächlich nachzuempfinden. Ergründe, woher es kommt und warum Menschen es an den Tag legen.

Elevate/erhöhen (E)

Grünes Verhalten wirkt sich positiv auf das Gemüt aus. Wenn jemand einen gut behandelt und unterstützt oder angemessen in schwierigen Situationen reagiert, ist das äußerst bestärkend. Und es motiviert einen, sich mit positivem Verhalten zu revanchieren. Jede Beziehung folgt einer einfachen Gleichung: 1+1 > 2, was heißt, dass eins plus eins immer mehr als zwei ergibt. Grünes Verhalten schafft Synergien und positive Emotionen auf beiden Seiten.

Nurture/nähren, fördern (N)

Grünes Verhalten sollte man fördern. Damit ein Verhalten nachhaltig ist, muss man es hegen. Eine Pflanze braucht Wasser, Sonne und Nährstoffe, um zu wachsen und zu gedeihen. Das Gleiche gilt für menschliche Beziehungen. Nähre grünes Verhalten, indem du es anerkennst, bestärkst und respektierst. Allerdings ist das nicht immer leicht. Deshalb müssen wir uns alle gegenseitig zu grünem Verhalten ermuntern.

STANDARD-EINSTELLUNG VERSUS REFLEKTIERENDE EINSTELLUNG

Die meisten unserer Entscheidungsprozesse und Verhaltensweisen laufen auf Autopilot. Das heißt, wir sind uns häufig nicht bewusst, warum wir bestimmte Entscheidungen treffen und wie die Vergangenheit unser jetziges Verhalten prägt. Dieses automatische Denken (oder die Standard-Einstellung, wie ich sie nenne) hilft uns, basierend auf vergangenen Erfahrungen, Werten und Überzeugungen schnelle Entscheidungen zu treffen. Aber wer sagt, dass diese automatischen Reaktionen die besten sind? Sie könnten auch völlig falsch sein. Deshalb sollten wir auf der Hut sein, wenn wir bei jemandem eine rote Flagge auszumachen meinen. Wenn wir bei RED an ein Stoppschild denken, hilft uns das, metaphorisch gesehen, auf die Bremse zu treten und uns einen Schritt von unserer Standard-Einstellung weg und hin zu einer reflektierenden Denkweise zu bewegen. Sehen wir uns dazu folgende Red Flags an:

Die Standard-Einstellung sagt: »RED FLAG! Man sagt mir, ich hätte Wahnvorstellungen. Ich sollte das akzeptieren.« Halte kurz inne und frage dich: »Aber warum wird meine Realität infrage gestellt? Ich habe die Textnachrichten auf dem Handy meines Partners gesehen. Werde ich gegaslighted?«

Die Standard-Einstellung sagt: »RED FLAG! Meine Beziehung wird allmählich langweilig! Mach Schluss!« Halte kurz inne und frage dich: »Ist meine Beziehung wirklich so langweilig, oder machen der Frieden und die Stabilität mir mein inneres Chaos mehr bewusst?«

Wenn du sorgfältig erwogen hast, ob die Red Flag ein »Du«- oder aber ein »Ich«-Problem ist, gehe das Problem an.

Reflektierende Einstellung: »Nachdem ich darum bat, die Nachrichten zu sehen, ist er/sie handgreiflich geworden. Meine Sicherheit ist in Gefahr. Was tun?« Setze dich mit dem Problem auseinander: »Ich sollte nicht zulassen, dass meine Realität verleugnet wird, und ich dulde keine Gewalt. Meine Mutter hat mich gelehrt, wer einmal zuschlägt, wird es höchstwahrscheinlich wieder tun.«

Reflektierende Einstellung: »Warte. Ich bin in einem chaotischen Umfeld aufgewachsen. Mir fehlt offenbar das Drama!« Setze dich mit dem Problem auseinander: »Nun, da mir klar geworden ist, dass die Langeweile ein ›Ich‹-Problem ist, sollte ich die Beziehung wohl nicht beenden. Andernfalls wird es ein wiederkehrendes Muster in meinem Leben bleiben. Vielleicht ist es besser, alte Verhaltensmuster aufzulösen und das Problem anzugehen.«

Hinweis: In manchen Fällen lässt sich ein Problem schnell angehen, aber manchmal dauert es länger. Vielleicht brauchst du mehr Zeit zum Nachdenken, oder du willst mit deinem Partner oder deiner Partnerin ausgiebiger darüber reden, um Klarheit zu bekommen.

Nachdem du über das Problem nachgedacht hast und an dessen Lösung gearbeitet hast, ist es an der Zeit, mit Bedacht deine nächsten Schritte zu erwägen.

Reflektierende Einstellung: »Ich werde niemals körperlichen Missbrauch dulden!« (Mehr zu dieser RED Flag s. hier.) Du beschließt: »Ich bin raus! Lauf weg!«

Reflektierende Einstellung: »Das ist ganz offensichtlich ein ›Ich‹-Problem, und ich möchte es angehen.« (Mehr zu dieser Red Flag s. hier.) Du beschließt: »Schatz, ich habe in letzter Zeit darüber nachgedacht, warum ich so gelangweilt in unserer Beziehung bin, und mir ist klar geworden, dass mir die Ruhe, Sicherheit und Vorhersehbarkeit, die du mir vermittelst, meine Sucht nach Gefühlsdramen und Chaos bewusst machen. Ich erzähle dir das nur, weil ich dieses Muster überwinden und zufrieden sein möchte mit dem, was ich habe. Unterstütze mich bitte dabei.«

WIE DU DIESES BUCH AM BESTEN BENUTZT

Ich habe das Buch so konzipiert, dass du es nicht sukzessive lesen musst; springe einfach zu dem Kapitel, das dich auf Anhieb am meisten interessiert. Am Ende jedes Kapitels findest du eine kurze Zusammenfassung mit der Überschrift: »Worin besteht das Drama?« Wenn du das Thema vertiefen und mehr über die Psychologie erfahren willst, die dem jeweiligen Drama zugrunde liegt, und darüber, wie du deine Einstellung und Kommunikation verbessern kannst, solltest du das ganze Kapitel lesen. Zum Schluss des Buchs habe ich ein paar Übungen vorbereitet, damit du lernst, das Gelesene für dich anzuwenden. Diese Übungen sind eine großartige Möglichkeit, neue Denk- und Verhaltensweisen auszuprobieren, und sie helfen dir, deine Fähigkeit zur Selbstreflexion zu verbessern und gesündere, nachhaltigere Beziehungen in einer modernen Welt zu pflegen. Ich bin mir sicher, dass dir die folgenden 24Red Flags ein tieferes Verständnis für menschliches Verhalten vermitteln, dich künftig zu besseren Entscheidungen verleiten – sei es in Bezug auf Freunde oder Familie, in der Liebe oder der Arbeit – und dadurch letztlich zu mehr Glück und weniger Drama in deinem Leben führen werden (es sei denn, du genießt hin und wieder ein bisschen Drama).

Viel Spaß bei der Lektüre!

Dr.Ali Fenwick

PS: Am Ende des Buchs habe ich noch eine Überraschung für dich vorbereitet! Ein lustiges »Red Flags, Green Flags«-Spiel, das du mit jemandem ausprobieren kannst, den du gerade erst kennengelernt hast, oder spielen kannst, um eine tiefere Verbindung zu deinem Lebensgefährten oder deiner Lebensgefährtin herzustellen und dich dabei vielleicht (noch tiefer) in diesen Menschen zu verlieben.

RED FLAGS

IN FAMILIEN UND FREUNDSCHAFTEN

Familie und Freunde sind die Eckpfeiler unseres Lebens. Die eigene Familie, egal ob klein oder groß, spielt eine bedeutende Rolle für unsere persönliche Entwicklung. Sie beeinflusst unsere Werte und Weltanschauung und lehrt uns Überlebensstrategien. Es ist allgemein bekannt, dass unsere Herkunft und Erziehung einen großen Einfluss auf unser Wohlergehen, unsere Denkweise und unser Verhalten als Heranwachsende haben können. Nicht in einem gesunden familiären Umfeld groß zu werden kann sich negativ auf die Selbstsicht und das Selbstwertgefühl auswirken und auch darauf, wie wir später Beziehungen eingehen. Genauso wichtig sind Freundschaften, auch sie beeinflussen unser Selbstbild unter Umständen negativ. Sobald wir den Schoß unserer Familie verlassen, sind es vor allem unsere Freundschaften, die uns dabei helfen, unsere Identität zu entfalten, und uns ein Gefühl der Sicherheit geben. Aber was genau zeichnet einen guten Freund oder eine gute Freundin aus? Manche Menschen betrachten heute sogar virtuelle Kontakte – Personen, denen sie im richtigen Leben noch nie begegnet sind – als »Freunde«. Dadurch verschwimmt die Grenze zwischen echten Freunden und bloßen Bekannten, was wiederum Einfluss darauf hat, wie Menschen Freundschaft in der modernen Welt bewerten und wie sie miteinander umgehen.

Familie und Freunde sind eine Quelle der Verbundenheit und der Unterstützung, und wir brauchen diese engen Bindungen, um zu verstehen, wer wir sind und wohin wir gehören. Aber manchmal beeinträchtigen Familie und Freunde unser physisches und psychisches Wohlbefinden auch. Starke Familienbande und Freundschaften können sich mit der Zeit verändern, können toxisch und destruktiv werden. Gefühle wie Eifersucht, Neid, Wut, Unglücklichsein und Unsicherheit vergiften die positiven Verbindungen, die wir einmal zu unseren liebsten Menschen hatten. Deshalb ist es so wichtig, Red und Green Flags in Freundschaften und familiären Beziehungen zu erkennen. Zu sehen, wie sich Freundschaften mit der Zeit zum Schlechteren entwickeln, ist entscheidend, da wir dann nach Wegen suchen können, die jeweilige Freundschaft zu retten oder, falls nötig, loszulassen. Genauso kann uns die Erkenntnis, wie sich familiäre Bindungen auf unsere Entwicklung und unsere späteren Beziehungen auswirken, helfen, die Ursachen von Problemen in der Gegenwart festzumachen. Die folgenden sechs Kapitel über Red und Green Flags in Familien und Freundschaften werden dir einen wertvollen Einblick in die Komplexität geben, die gesunden und andauernden Beziehungen zugrunde liegt. Alle menschlichen Beziehungen sind herausfordernd, und je länger eine Beziehung dauert, umso mehr müssen wir lernen, mit dem täglichen Drama umzugehen.

RED FLAG 1

»Misch dich nicht in mein Leben ein« Wenn dir deine Eltern ständig in dein Leben reinreden

»Ich weiß nichts anderes, als dass jeder Mensch mehr Sorge tragen sollte, wie seine Kinder besser werden könnten als er selbst und seine Standesgenossen.«Platon

Es ist ein Segen, liebende und fürsorgliche Eltern zu haben. Menschen, die ihr Leben der Erziehung ihrer Kinder widmen und dafür sorgen, dass es ihnen an nichts fehlt, um später einmal Erfolg zu haben: Lebenstüchtigkeit, psychische Resilienz, Eigenständigkeit, Selbstbestimmtheit. Die Qualität dieser Fürsorge spiegelt sich weitgehend darin, wer wir heute sind. Die Bindung zwischen uns und unseren Eltern reicht tiefer als jede Freundschaft. Häufig heißt es »Blut ist dicker als Wasser«, und das trifft selbst auf jene zu, die nicht gerade eine gute Beziehung zu ihren Eltern haben. Die Eltern-Kind-Bindung ist heilig, und die von unseren Eltern gebrachten Opfer werden nicht selten zu unserer Schuldenlast.

Wenn Kinder erwachsen werden, kommt die Zeit, da sie auf eigenen Beinen stehen müssen. Manchen Eltern fällt es indes schwer, ihre Kinder loszulassen. Einerseits haben sie das Gefühl, dass sie damit auch ihre Identität oder Autorität als Eltern verlieren, andererseits fürchten sie, dass den Kindern etwas zustößt. Es ist normal, dass Eltern Angst oder Traurigkeit verspüren, wenn sie realisieren, dass ihre Kinder erwachsen werden und ihr eigenes Leben haben wollen. Doch die Unfähigkeit von Eltern, loszulassen, kann die Entwicklung eines jungen Menschen beeinträchtigen oder, bei allzu aufdringlichen Eltern, sogar dazu führen, dass die erwachsenen Kinder den Kontakt abbrechen. Es kann auch passieren, dass junge Menschen es aus dem Gefühl der Dankbarkeit heraus nicht schaffen, sich von den klammernden Eltern zu lösen. Besonders schwierig ist es, wenn Eltern mit den Gefühlen ihrer Kinder spielen, um die Kontrolle zu behalten, und es diesen von Natur aus schwerfällt, anderen Grenzen zu setzen.

Bis zu welchem Grad ist das Engagement der Eltern noch gesund? Ab wann ist es ungesund und beeinträchtigt unsere Persönlichkeitsentwicklung oder unsere Beziehungen zu anderen Menschen? Das zu verstehen ist wichtig. Nein zu sagen kann jedoch, abhängig von der Kultur, aus der man kommt, schwierig sein. Ist man in der Lage, Red und Green Flags in der Beziehung zu den Eltern oder Menschen, die einen aufgezogen haben, zu erkennen, erleichtert das einem, eine gesündere Beziehung zu ihnen aufzubauen und sich den nötigen Freiraum zu schaffen, um sich zu einem eigenständigen Individuum zu entwickeln.

DIE PSYCHOLOGIE DER NEUGIER

Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen zu neugierig sind oder sich zu sehr in unser Privatleben einmischen. Einige Eltern haben ein aufrichtiges Interesse an allem, was ihre erwachsenen Kinder tun, freuen sich über deren Erfolge, wollen wissen, mit wem sie ihre Zeit verbringen und ob es ihnen gut geht. Diese Mütter und Väter wollen regelmäßig Kontakt. Umgekehrt tauschen sich viele junge Menschen gern täglich mit ihren Eltern aus, und wenn es nur ein kurzes Telefonat oder eine Textnachricht ist: »Wie geht es dir? Hab einen wundervollen Tag. Ich liebe dich, Mama!« Doch bisweilen können tägliche Anrufe oder das ständige Wissen-Wollen, was man gerade macht oder mit wem man zusammen ist, unangenehm sein oder als aufdringlich empfunden werden.

In manchen Fällen ist es dem kulturellen Hintergrund und einem engen Familienverbund geschuldet, dass sich Eltern stark in das Leben ihrer erwachsenen Kinder einmischen, vor allem wenn sie gesellschaftlichen Zwängen und kulturellen Normen unterworfen sind, die ihnen diktieren, wen sie heiraten und wie sie ihre Beziehung zu den Eltern fortführen sollen (oder wie sich gute Eltern verhalten sollen). Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen, deren Eltern sich zu sehr in ihr Leben einmischen, als Heranwachsende häufiger unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden. Sie tun sich schwer damit, anderen Grenzen zu setzen und die Herausforderungen des Lebens zu meistern. Außerdem entwickeln sie öfter Angstzustände und Depressionen und haben mit Beziehungsproblemen zu kämpfen.

DIE NARZISSTISCHE FÜRSORGEPERSON

Einen narzisstischen Elternteil zu haben kann eine echte Herausforderung sein, auch wenn man bereits erwachsen ist. Der narzisstische Elternteil betrachtet, weil er von sich selbst besessen ist, das Kind als Erweiterung seiner selbst. Auch sind solche Eltern oft überkritisch gegenüber ihrem Nachwuchs. Abgesehen von ihren überzogenen Erwartungen in puncto schulischer Leistungen schreiben kontrollbesessene Elternteile ihren Kindern gern vor, wie sie sich wann wie zu verhalten oder zu kleiden haben. Manche setzen auch Geld als Druckmittel ein, um ihre Kinder noch als Erwachsene an sich zu binden.

Kinder narzisstischer Elternteile werden häufig extrem selbstkritisch, perfektionistisch und haben nie das Gefühl, gut genug zu sein. Selbst nachdem ein erwachsenes Kind von zu Hause ausgezogen ist, fährt der narzisstische Elternteil fort, Kontrolle über dessen Leben auszuüben. Das Kind spürt ständig die unsichtbare Hand über dem Kopf, die sein Verhalten kontrolliert oder es daran hindert, eine eigenständige Persönlichkeit zu werden.1 Dies gilt insbesondere für junge Erwachsene, deren Selbstwertgefühl mittels elterlicher Manipulationstaktiken negativ beeinflusst wurde, die ständig herabgesetzt wurden oder glauben, die elterliche Liebe sei an Bedingungen geknüpft. Je mehr es solchen Eltern gelingt, den erwachsenen Töchtern oder Söhnen das Gefühl zu geben, sie seien unwerte Kinder, umso besser können sie sie kontrollieren. Häufig erlebe ich, dass Klienten, die überkritische oder narzisstische Elternteile hatten, gelegentlich (und unbewusst) die gleichen Verhaltensmuster gegenüber ihren Lebenspartnern oder ihren eigenen Kindern an den Tag legen.

WUSSTEST DU SCHON?

Wenn Eltern ihre Kinder emotional erpressen

Es ist nicht einfach, in persönlichen Beziehungen Grenzen zu setzen, vor allem gegenüber den eigenen Eltern. Einige Menschen sind besser darin als andere. Der jeweilige Charakter, die Erziehung und psychische Verfassung können es einem schwer machen, Nein zu sagen. Wenn man lange Zeit die eigenen Bedürfnisse zugunsten der Bedürfnisse anderer zurückstellt, fordert das jedoch irgendwann einen Tribut – wenn nicht psychisch, so doch physisch. Zu begreifen, warum es einem so schwerfällt, zu den eigenen Eltern Nein zu sagen, ist ein wichtiger erster Schritt, um es zu lernen und auch in anderen Lebensbereichen wieder die Kontrolle zurückzuerlangen.

Einer der Hauptgründe ist emotionale Kontrolle: Manche Eltern setzen ihre Kinder emotional unter Druck, indem sie zu ihnen sagen: »Du verdankst mir alles!«, oder: »Ich habe dir mein Leben geopfert, also tu jetzt, was ich dir sage«, oder: »Ohne mich wärst du nichts.« Wenn solche Worte (wiederholt) geäußert werden, ist das eine Red Flag. Gehe nicht darauf ein. Ergründe lieber, warum diese Worte dich in einem Teufelskreislauf gefangen halten.2 Versuche, dir andere Überzeugungen und entsprechende Antworten auf solche Aussagen zurechtzulegen. Dann wirst du mit der Zeit wieder die Kontrolle zurückgewinnen und weniger anfällig für derartige emotionale Manipulationsversuche sein.

SICH UM DIE EIGENEN BEDÜRFNISSE KÜMMERN

Wenn sich Eltern zu sehr in unser Leben einmischen, ist es wichtig, ganz allmählich mehr Abstand zu ihnen zu schaffen. Wenn die Bindung zu den Eltern stärker ist als die zum Partner oder zur Partnerin, kann dies der Liebesbeziehung schaden. Dann haben diese womöglich das Gefühl, um Aufmerksamkeit buhlen zu müssen, und beschließen, wenn es ihnen zu viel wird, die Beziehung zu beenden. Manche Eltern verfolgen mitunter genau diese Absicht, aus Angst, das Kind zu verlieren oder von dessen Partner abgelehnt zu werden. Selbst wenn man schon Ende vierzig, verheiratet ist und selbst Nachwuchs hat, reden manche Eltern dem Kind noch ins Leben rein. Für diese Art der Obsession gibt es keine Altersgrenze.

Räumliche Distanz aufzubauen ist ebenfalls eine Möglichkeit, mit aufdringlichen Eltern umzugehen, vor allem wenn die eigene Partnerwahl nicht mit den elterlichen oder kulturellen Erwartungen übereinstimmt. Viele homosexuelle und transsexuelle Menschen und solche, die sich als nicht binär definieren, sind in einem Umfeld aufgewachsen, in dem es nicht akzeptiert wird oder sogar illegal ist, seine Sexualität offen auszudrücken. Sie ziehen es häufig vor, an einen Ort weit entfernt von ihrem Elternhaus zu ziehen, in eine Umgebung, in der sie sich sicher und zugehörig fühlen und die eigene Identität erforschen können.

Wenn du das Gefühl hast, dass deine Eltern dir zu sehr in dein Leben hineinreden, und du ihnen gern Grenzen setzen möchtest, findest du im Folgenden einige Vorschläge, was du zu ihnen sagen kannst, um mehr Distanz zu schaffen:

•»Ich verstehe, dass ihr wissen wollt, was in meinem Leben passiert, aber ich würde es schätzen, wenn ihr mir etwas mehr Freiraum für meine persönliche Entwicklung geben würdet.«

•»Ich weiß, dass ihr mich liebt und dass ihr euch wegen meines Partners Sorgen macht, aber lasst mich bitte allein meine Entscheidungen treffen, auch wenn ich möglicherweise Fehler mache.«

•»Ihr könnt mir ja sagen, dass ihr nicht einverstanden mit meiner Partnerwahl seid, aber es ist übergriffig, eure Unzufriedenheit direkt ihm gegenüber zu äußern.«

•»Ich weiß, Mama, du hast das Gefühl, nun, da ich eine Freundin habe, weniger Aufmerksamkeit zu bekommen, aber bitte misch dich nicht in meine Beziehung ein, nur weil du dich unsicher fühlst.«

•»Ich bringe euch hin und wieder gern auf den neuesten Stand, was mein Leben angeht, aber hört auf, mich über mein Liebesleben auszuhorchen oder zu fragen, wann ich endlich heirate. Bitte respektiert das.«

Wenn man sich allmählich von den Eltern distanziert, ist es ganz normal, dass man auf Widerstand stößt. Manche Eltern werden richtig wütend und sagen schreckliche Dinge, um einem ein schlechtes Gewissen zu machen. Aber es ist äußerst wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu wahren und zu lernen, Grenzen zu setzen, da dies einem hilft, sich zu einem gefestigten Individuum zu entwickeln und gesündere Beziehungen aufzubauen.3 Mit der Zeit werden die Eltern bis zu einem gewissen Grad lernen, die Individualität des erwachsenen Kindes zu schätzen und loszulassen.

In Indien ist es üblich, dass Paare nach der Eheschließung in das Elternhaus des Bräutigams ziehen. Laut Shaadi.com (dem bekanntesten indischen Dating-Portal) ist diese Tradition im Schwinden begriffen, da immer mehr nach der Hochzeit einen eigenen Hausstand gründen wollen.4 Die Einmischung der Schwiegermutter in das Leben des frisch verheirateten Paars wird von den Frauen als Hauptgrund angegeben, sich gegen das Zusammenleben mit den Schwiegereltern zu entscheiden. Nicht selten fühlen sich Schwiegermütter durch die Anwesenheit einer neuen Frau im Haushalt bedroht und wollen die Regeln des Zusammenlebens bestimmen.

WENN ELTERN NICHT AUFHÖREN, SICH IN DEIN LEBEN EINZUMISCHEN – WORIN BESTEHT DAS DRAMA?

Es ist ein Segen, liebevolle und hilfsbereite Eltern zu haben. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Zum Problem wird es allerdings, wenn sich Eltern oder die Menschen, die einen großgezogen haben, zu sehr in das Leben ihrer erwachsenen Kinder einmischen, zumal wenn diese nicht mehr zu Hause wohnen.

Um eine Red Flag handelt es sich, wenn:

•Dein Vater oder deine Mutter (oder die Person, die dich aufgezogen hat) hört nicht auf, zu fragen, wann du endlich heiratest.

•Ein Elternteil möchte dir, selbst nachdem du von zu Hause ausgezogen bist, vorschreiben, wie du zu leben hast, zum Beispiel indem es dich zu einem bestimmten Studium zwingt oder dir in deinen Kleidungsstil hineinredet.

•Deine Eltern erpressen dich, um die Kontrolle über dich zu behalten.

•Deine Eltern versuchen, mittels Geld Macht über dich auszuüben.

•Du bist dir nicht im Klaren über deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen und tust dich schwer damit, diese gegenüber deinen Eltern zu äußern. Dies ermöglicht anderen, sich in dein Leben einzumischen.

Um eine Green Flag handelt es sich, wenn:

•Deine Mutter oder dein Vater (oder die Person, die dich aufgezogen hat) respektiert deine Grenzen.

•Deine Mutter oder dein Vater mischt sich nicht länger in dein Leben ein, nachdem du darum gebeten hast, damit aufzuhören.

•Deine Familie respektiert die Entscheidungen, die du in Bezug auf deine Selbstständigkeit, Liebe und andere Lebensbereiche getroffen hast (auch wenn sie nicht immer damit einverstanden ist).

•Es gelingt dir, eine Balance herzustellen zwischen der Bindung zu deiner Herkunftsfamilie und einem eigenständigen Leben als Erwachsener.

DIE SITUATION BEIBEHALTEN ODER BEENDEN? WAS DU BEI DIESER ENTSCHEIDUNG BEACHTEN SOLLTEST

Eine gesunde Beziehung mit den Menschen zu haben, die einen großgezogen haben, ist aus vielerlei Gründen hilfreich. Das ist jedoch nicht immer möglich. Einige Eltern sind sehr fordernd, wenn nicht gar manipulativ, und versuchen, einem durch emotionale Erpressung ihren Willen aufzuzwingen. Dann muss man entscheiden, ob man in der Lage ist, eine Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und einer gesunden, ausgewogenen Beziehung zur Herkunftsfamilie herzustellen.

Die Beziehung fortführen

•Dir ist klar geworden, dass deine Eltern sich nicht mit bösen Absichten in dein Leben einmischen. Sie brauchen einfach noch ein wenig Zeit, um sich daran zu gewöhnen, dass du nunmehr erwachsen und eigenständig bist.

•Deine Eltern sind deiner Bitte, mit der Einmischung aufzuhören, nachgekommen.

•Deine Eltern akzeptieren dich so, wie du bist (selbst wenn sie nicht immer mit deinen Entscheidungen einverstanden sind).

•Du kannst zunehmend besser mit deinen Eltern kommunizieren. Dadurch gelingt es dir, eine wesentlich gesündere Beziehung zu ihnen aufzubauen und mehr Autonomie zu erlangen.

Zeit, mehr Distanz aufzubauen

•Deine Eltern mischen sich zu sehr in dein Leben ein.

•Die ständige Einmischung deiner Eltern tut dir körperlich, emotional und/oder psychisch nicht gut.

•Wenn deine Eltern dich durch Manipulation oder mithilfe von Geld kontrollieren wollen.

•Du kannst zu Hause bei deinen Eltern nicht authentisch sein.

RED FLAG 2

»Warum warst du nie für mich da?« Der nicht verfügbare und unverlässliche Elternteil

»Das ist ein weiser Vater, der sein Kind kennt.«William Shakespeare,Der Kaufmann von Venedig, II. Akt, 2. Szene

Die Art, wie wir in unserem späten Leben Beziehungen aufbauen, wird stark von unserem Elternhaus beeinflusst, vor allem von unserer frühen Kindheit. Jemand, der in einem sicheren, warmen Umfeld aufwuchs und dessen emotionale und körperliche Bedürfnisse größtenteils befriedigt wurden, hat in der Regel eine vertrauensvolle Bindung zu seinen Fürsorgepersonen aufgebaut. Umgekehrt kann ein Mangel an Aufmerksamkeit oder Sicherheit in der Kindheit negative Auswirkungen haben: auf das Selbstbild, auf die Fähigkeit, Grenzen zu setzen, auf die Bereitschaft, sich gut um sich selbst zu kümmern, und auf die Partnerwahl. Vor allem wenn die Eltern physisch oder emotional nicht in der Lage sind, die Bedürfnisse des Kindes zu stillen, kann es leicht passieren, dass es sich später selbst die Schuld gibt für die Unzulänglichkeiten der Eltern.

Als Kind kann man sich nicht vorstellen, dass die eigenen Eltern unfähig sind, einem zu geben, was man braucht. Also beginnt man zu glauben: »Es muss an mir liegen. Ich bin es nicht wert, geliebt und umsorgt zu werden.« Kinder wissen nicht, dass es manchen Erwachsenen in verschiedenen Lebensbereichen an den nötigen Fähigkeiten mangelt, unter anderem an jenen, gute Eltern zu sein. Wenn man als Kind lernen muss, mit einem unzuverlässigen Elternteil klarzukommen, kann das zu verschiedenen Formen unsicherer Bindung führen sowie zu der Angst, verlassen zu werden. Auch mangelndes Selbstwertgefühl gehört zu den möglichen Folgen. Das alles sind schlechte Voraussetzungen für den Aufbau sicherer Beziehungen.

Wer sein Leben verbessern will, beginnt daher am besten damit, das eigene Elternhaus näher anzuschauen. Oft sind wir uns nicht bewusst, wie frühere Erfahrungen unser gegenwärtiges Denken und Verhalten beeinflussen. Sich unbewusste Prozesse zu vergegenwärtigen trägt entscheidend zur Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit bei, Situationen zu erkennen, die in uns Red-Flag-Verhaltensweisen triggern. Unsere Selbstwahrnehmung zu verbessern und zu lernen, wie wir aus dem Schatten unzuverlässiger Eltern heraustreten, hilft, uns von negativen elterlichen Einflüssen und vielleicht sogar bis zu einem gewissen Grad von einem intergenerationellen Trauma zu lösen. Als Erwachsene können wir unsere Eltern nicht mehr ändern, aber wir können lernen, unser inneres Kind zu heilen und dessen erwachsenes Selbst besser zu umsorgen. Wir sollten nie vergessen, dass wir alle ein Produkt unserer Vergangenheit sind, aber nicht deren Gefangene sein müssen, wie Rick Warren, ein bekannter Ratgeberautor, geschrieben hat. Auch wenn die Vergangenheit beeinflusst hat, wer wir heute sind und wie wir denken, so können wir dennoch selbst entscheiden, wer wir sein möchten.

DIE PSYCHOLOGIE DER NICHT VERFÜGBAREN ELTERN

Unglücklicherweise sind nicht alle Eltern großartige Fürsorgepersonen. Selbst wenn Eltern gute Absichten haben, können sie bei der Erfüllung ihrer Pflichten scheitern. Schauen wir den Tatsachen ins Auge. Eltern können sich nicht immer von ihrer besten Seite zeigen und machen Fehler, aber wenn die Vernachlässigung ihrer Fürsorgepflichten an der Tagesordnung ist, dann stimmt etwas nicht. Es gibt zahlreiche Gründe, warum manche Eltern nicht in der Lage sind, ihren Kindern die nötige Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken. Das können persönliche Probleme sein,5 fehlende finanzielle Mittel, mangelnde elterliche Kompetenz, mangelnde emotionale Intelligenz, die Umgebung, in der man aufgewachsen ist,6 psychische Probleme der Eltern, vorsätzliche Vernachlässigung, Drogen- oder Alkoholmissbrauch und anderes mehr.

Was das Thema emotionale Vernachlässigung betrifft, möchte ich gern eine wichtige Erkenntnis mit dir teilen: Es geht hier nicht um etwas, das einem in der Kindheit widerfährt, sondern vielmehr um etwas, das einem nicht zuteilwird: Anerkennung, Aufmerksamkeit, Liebe und Wertschätzung.

Zu verstehen, wo die elterliche Unzuverlässigkeit und/oder Nicht-Verfügbarkeit herrühren, hilft, dieses Verhalten im zugehörigen Kontext zu betrachten, rechtfertigt jedoch mitnichten das Verhalten der Eltern oder dessen Auswirkungen auf das vernachlässigte Kind. Auch wenn es nicht immer einfach ist, es zu entschlüsseln, ist es wichtig, zu erkennen, warum die Eltern nicht die nötige Fürsorge aufbringen konnten, weil man sich nur dann mit der nötigen Objektivität von der eigenen Vergangenheit distanzieren kann, wenn man das möchte.

Manche Kinder fühlen sich hin und wieder vernachlässigt, obwohl sie liebevolle Eltern haben. Das kommt häufig dann vor, wenn diese kein verlässliches Verhalten an den Tag legen. Zum Beispiel halten sie ihre Versprechen nicht ein; sie sind in den wichtigen Momenten des Lebens ihres Kindes nicht da; oder aber sie sind bei manchen Gelegenheiten warmherzig, bei anderen wiederum kalt und distanziert. Kinder von unzuverlässigen Eltern fühlen sich häufig nicht ausreichend geliebt, haben nicht viel Vertrauen in andere,7 ziehen sich sozial zurück8 und sind anfällig dafür, an unzuverlässige Menschen zu geraten9. Unzuverlässigkeit in persönlichen Beziehungen kann sogar zur Sucht werden, wobei man ständig darauf wartet, dass der Partner oder die Partnerin einem endlich wieder Liebe oder Zuneigung entgegenbringt. Die psychischen Folgen von emotionaler Vernachlässigung können schwerwiegend sein und stellen eine Form von Trauma dar.10

WUSSTEST DU SCHON?

Einen Brief an das innere Kind schreiben

Ich werde immer wieder gefragt, wie man mit seinem inneren Kind arbeiten kann. Es gibt verschiedene Wege, Zugang zu ihm zu finden. In meinen TikTok-Videos und Reels spreche ich oft darüber, wie sich unser inneres Kind auf unser gegenwärtiges Verhalten auswirkt. Häufig antworten Leute mir online sinngemäß: »Mein verdammtes inneres Kind ruiniert mir mein Leben. Wie kann ich es töten?« Worauf ich antworte: »Gar nicht!« Zuallererst ist es wichtig, anzuerkennen, dass jeder ein inneres Kind hat. In Kontakt zu ihm zu treten stärkt das eigene Wohlbefinden und stellt eine bessere Verbindung zum inneren Selbst her. Um zu verstehen, warum bestimmte Situationen einen triggern und warum man auf diese oder jene Weise reagiert, muss man sich das Unbewusste bewusst machen. Das innere Kind ist das jüngere Selbst, das den Schmerz über die Vernachlässigung in der Vergangenheit in die Gegenwart überträgt. Es hilft uns, zu verstehen, warum wir als Erwachsene manchmal sehr reif reagieren, bei anderen Gelegenheiten jedoch genau wie das verletzte Kind in uns. Es ist wichtig, zu lernen, mit dem inneren Kind umzugehen, denn unser Schmerz kann auch eine Quelle für Antrieb und Erfolg im Leben sein. Wann erlauben wir dem inneren Kind, herauszukommen, und wann halten wir es in Schach? Und können wir als Erwachsene das nötige Mitgefühl und den Mut aufbringen, dem inneren Kind zu geben, was es von den Eltern nicht bekommen hat, aber so dringend haben möchte? Können wir unser inneres Kind liebkosen und ihm sagen: »Alles wird gut. Du bist jetzt sicher. Ich habe deinen Schmerz erkannt. Ich vergebe dir dafür, dass du so wütend warst. Und, als das ältere Ich, werde ich dir geben, was du brauchst«? Einen Brief an das innere Kind zu schreiben ist eine großartige Möglichkeit, ihm alles detailliert zu erklären, und kann sehr heilsam sein. Auch wenn du den Text behaglich zu Hause verfasst, ist es doch ratsam, mit jemandem zu arbeiten, der dich bei diesem Prozess anleitet.

DAS VERNACHLÄSSIGTE KIND

Chronische Vernachlässigung ist schwer zu verarbeiten, und jeder geht anders damit um. Wenn man traumatische Erlebnisse hatte, muss das später im Leben nicht automatisch eine negative Lebenseinstellung oder schlechtes Verhalten nach sich ziehen. Menschen sind verschieden und reagieren auf leidvolle Erfahrungen unterschiedlich,11, 12 zum Beispiel bei der Verarbeitung von Gefühlen.13 Manche entwickeln eine Angst vor starken Emotionen, entweder vor positiven, wie etwa großer Nähe in Liebesbeziehungen, oder negativen, wie etwa der Angst, verlassen zu werden. In beiden Szenarien kann die Reaktion darin bestehen, den Partner oder die Partnerin zurückzuweisen, sobald er oder sie einem zu nahe kommt oder man die erste Red Flag zu erkennen meint. Emotionen wegzuschieben fühlt sich vertraut und sicher an. Wer sich dagegen mit den eigenen Emotionen auseinandersetzt, kann sich entblößt fühlen, fürchten, vor der anderen Person als schwach dazustehen oder die Selbstkontrolle zu verlieren. Im Grunde haben beide Reaktionen mit einem Mangel an Vertrauen und der Angst, verletzt zu werden, zu tun.14

Emotionale Vernachlässigung und mangelnde elterliche Fürsorge können aber auch zum Drang führen, immer gefallen zu wollen. Die Bedürfnisse anderer über die eigenen zu stellen passiert meist dann, wenn Menschen glauben, ihr Gegenüber glücklich zu machen führe automatisch dazu, auch glücklich zu werden. Dahinter stehen häufig ein mangelndes Selbstwertgefühl15 und die anerzogene Überzeugung, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist. Das vernachlässigte Kind in einem tut alles, um die andere Person glücklich zu machen, weil es akzeptiert werden möchte.

Das innere vernachlässigte Kind kann dem erwachsenen Menschen bestimmte Verhaltensweisen vorschreiben (selbst wenn es keinen Grund zur Angst gibt). Sich seines inneren Kindes bewusst zu werden ist ein wichtiger Schritt beim Versuch, seine Trauma-Reaktionen zu steuern. Wenn dir klar wird, dass dein inneres Kind dir Verhaltensweisen diktiert, beginnt die Selbstheilung. Dafür gilt es, das innere Kind zu akzeptieren und zu lernen, es zu beruhigen und seiner erwachsenen Version die entgangene elterliche Fürsorge zukommen zu lassen. Die Arbeit am inneren Kind ist eine großartige Möglichkeit, das Standard-Drehbuch im Kopf zu ändern und die eigenen Bedürfnisse und Emotionen anzuerkennen.

Die britische Sängerin Adele hat in einem Zeitungsbericht offen davon erzählt, wie sich die Abwesenheit ihres Vaters auf ihre späteren Beziehungen ausgewirkt hat. Um sich selbst vor Verletzung zu schützen, hat sie immer wieder ihren Partner verletzt, quasi um ihm zuvorzukommen.16 Unbewusst wiederholen wir die Dysfunktionalität in unseren Beziehungen, die wir früher an unseren Eltern beobachtet haben.

DER NICHT VERFÜGBARE UND UNZUVERLÄSSIGE ELTERNTEIL – WORIN BESTEHT DAS DRAMA?

Unsere ersten Jahre sind die wichtigsten, weil sie das Fundament für unser späteres Erwachsenenleben bilden. In einem liebevollen Umfeld groß geworden zu sein wirkt sich positiv auf unsere physische und psychische Entwicklung aus. Bei emotional nicht verfügbaren oder unzuverlässigen Eltern aufzuwachsen kann dagegen unser Selbstwertgefühl sowie spätere Freundschaften und Liebesbeziehungen negativ beeinflussen. Daher ist es wichtig, sich bewusst zu machen, wie die Kindheit unsere Denkweise und Einstellung im späteren Leben geprägt hat. Du hast die Macht, dich zu verändern und dich anders zu verhalten.

Um eine Red Flag handelt es sich, wenn:

•Dein Vater oder deine Mutter (oder die Person, die dich großgezogen hat) erscheint nicht zu den wichtigsten Momenten in deinem Leben.

•Dein Vater oder deine Mutter haben dir in der Kindheit kein sicheres Umfeld geboten, weswegen du dich in deinem Erwachsenenleben in chaotischen Beziehungen wohlfühlst.

•Du glaubst, dass du schuld bist, wenn deine Eltern dir als Kind nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt haben. Erinnere dich immer daran, dass das nicht an dir lag. Nicht alle Eltern sind in der Lage, ihren Kindern die Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken, die diese benötigen.

•Es gelingt dir nicht, durch Introspektion hinderliche Überzeugungen und emotionale Auslöser zu erkennen, die aus deiner Kindheit herrühren.

Um eine Green Flag handelt es sich, wenn:

•Dein Vater oder deine Mutter ist bereit, mit dir über die Vergangenheit zu reden, wann immer du das Gefühl hast, dass es der geeignete Moment ist, um Dinge anzusprechen, die dich verletzen.

•Du hast erkannt, dass Eltern Fehler machen, und begreifst, dass du nicht in deiner Vergangenheit gefangen bleiben musst. Du bist in der Lage, zu vergeben und dich zu verändern.

•Du erkennst: Es geht bei Vernachlässigung nicht um etwas, das dir als Kind widerfahren ist. Es geht vielmehr um etwas, das dir nicht zuteilwurde, und zwar Aufmerksamkeit und Liebe.

•Du akzeptierst dein inneres Kind und versuchst, es zu hegen und ihm die entgangene elterliche Fürsorge zuteilwerden zu lassen, um so deinen inneren Konflikt zwischen der Vergangenheit und Gegenwart aufzulösen. Du findest Möglichkeiten, um die in der Vergangenheit wurzelnde psychische Programmierung aufzuheben und deine Denkweise und dein Verhalten in bestimmten Momenten anzupassen.

DIE SITUATION BEIBEHALTEN ODER BEENDEN? WAS DU BEI DIESER ENTSCHEIDUNG BEACHTEN SOLLTEST

Überlege dir: Soll deine Vergangenheit deine Zukunft bestimmen oder nicht? Wenn du nicht aus einem fürsorglichen Zuhause kommst, muss das nicht automatisch dein späteres Leben prägen. Glücklicherweise sind wir alle unterschiedlich.

Doch leider ist die Wahrscheinlichkeit, dass elterliches Verhalten das spätere Erwachsenenleben beeinträchtigt, groß. Wenn du merkst, dass dir Entscheidungen aufgrund deiner problematischen Kindheit nicht guttun und es dir schwerfällt, dauerhafte, gesunde Beziehungen aufzubauen, solltest du dich mit deiner gewohnten Denkhaltung auseinandersetzen. Welche Situationen triggern dich und warum? Warum weichst du immer als Erster zurück, sobald du eine Red Flag zu erkennen meinst? Warum schaffst du Chaos, obwohl in deiner Beziehung Frieden herrscht? Durch diese Fragen kannst du verstehen, ob und wie deine Kindheit dein gegenwärtiges Leben beeinflusst.

Du willst mehr darüber erfahren, wie die Vergangenheit deine Gegenwart beeinflusst

•Dir ist klar, dass die Art, wie deine Eltern dich großgezogen haben, dich auf verschiedene Weise behindert.

•Dir wird klar, dass die erlittene Vernachlässigung in deiner Kindheit deine Fähigkeit beeinträchtigt, als Erwachsener gesunde Beziehungen aufzubauen.

•Du willst herausfinden, wie du eine nachhaltige Beziehung zu deinem inneren Kind herstellen kannst.

Du bist nicht bereit, zu erkunden, wie sich deine Vergangenheit auf deine Gegenwart auswirkt

•Es gelingt dir, gesunde Beziehungen mit Freunden, Kollegen und/oder Partnern einzugehen. Du bist zufrieden mit deinem gegenwärtigen Leben.

•Unabhängig davon, wie du groß geworden bist, du bist in der Lage, gesunde Lebensentscheidungen zu treffen.

•Es gelingt dir, vergangenes Leid und Kindheitstraumata in eine Quelle positiver Motivation umzuwandeln, die zur wichtigsten Antriebskraft für deine Erfolge geworden ist.

•Du hast im Moment nicht die nötige Selbstsicherheit, um deine Vergangenheit anzugehen. Du wirst es tun, sobald du dich in der Lage dazu fühlst.17

RED FLAG 3

Das Sandwichkind-Syndrom Der Einfluss der Geburtsreihenfolge auf geschwisterliche Rivalität

»Brüder und Schwestern sind einander so nah wie Hände und Füße.«Vietnamesisches Sprichwort

Die Beziehungen zwischen Geschwistern zählen zu den beständigsten überhaupt. Doch Brüder oder Schwestern zu haben kann zugleich Fluch und Segen sein. Die Richtung hängt stark davon ab, wie sich das Verhältnis zu den älteren oder jüngeren Geschwistern entwickelt hat. Eine positive Beziehung mit dem Bruder oder der Schwester (oder mehreren Geschwistern) begünstigt die eigene Entwicklung als Kind auf vielfältige Weise. Sie vermittelt uns entscheidende Fertigkeiten, um spätere Verbindungen zu meistern, etwa soziale Kompetenz, Einfühlungsvermögen, Verhandlungsgeschick und die Bereitschaft, zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Einige Studien zeigen sogar, dass positive Geschwisterbeziehungen zu einer besseren Gesundheit im späteren Leben beitragen.18, 19

Ältere Geschwister können auch als Vorbilder und Beschützer fungieren, vor allem wenn sie eine größere Verantwortung in der Familie übernehmen. Doch Geschwister zu haben bedeutet nicht automatisch, dass sie ein Lichtblick in unserem Leben sein werden. Zahlreiche Menschen haben ein schlechtes Verhältnis zu ihren Geschwistern, was ihre eigene Entwicklung und psychische Gesundheit negativ beeinflusst. Dabei wirken sich viele Faktoren auf die Beziehung zu den Geschwistern aus, von der Familiendynamik über die Umwelt, in der man aufgewachsen ist, bis zur eigenen Persönlichkeit. Ein weniger bekannter Faktor, der die Geschwisterbeziehungen beeinflusst, ist die Geburtsreihenfolge.

Aber kann sich die Reihenfolge, in der man geboren wurde, tatsächlich darauf auswirken, wie man behandelt wird, wie man auf das Leben blickt und zu welcher Person man wird? Sind Männer, die eine ältere Schwester haben, automatisch eine Green Flag? Und könnte man, wenn man zwischen zwei Geschwistern geboren wurde, von dem sogenannten Sandwich-Syndrom betroffen sein? Die Geburtsreihenfolge und die Art und Weise, wie die Eltern einen dadurch behandeln, lohnt einer näheren Betrachtung. Denn dieser Blickwinkel hilft, bestehende Beziehungen mit den Geschwistern zu bewerten und zu ergründen, welchen Einfluss sie darauf haben, wer wir heute sind. Im Gegensatz zu Freundschaften kann man sich nicht einfach von einem toxischen Bruder oder einer toxischen Schwester trennen. Das Erkennen von Red und Green Flags in Geschwisterbeziehungen kann einem jedoch helfen, sich aus einer negativen Dynamik und von Verhaltensmustern zu lösen und stärkere Bindungen mit den Menschen zu knüpfen, mit denen man blutsverwandt ist.

DER EINFLUSS DER GEBURTSREIHENFOLGE: POPULÄRPSYCHOLOGIE, ODER IST ETWAS DRAN?

Der österreichische Psychologe Alfred Adler war einer der Ersten, der die Auswirkung der Geburtsreihenfolge auf die Persönlichkeitsentwicklung von Geschwistern untersuchte und ihr eine wichtige Bedeutung zumaß. Spätere Untersuchungen neigen eher dazu, diesen Einfluss in Zweifel zu ziehen.20 Verschiedene Studien zu den möglichen Konsequenzen der Geburtsreihenfolge haben interessante Erkenntnisse zutage gebracht, doch sind die Ergebnisse nicht eindeutig genug, um zuverlässige Schlüsse daraus ziehen zu können (was zum Teil an der Schwierigkeit liegt, die Dynamik solch komplexer Beziehungen zu erforschen). Wenn man den Aspekt ausklammert, wie sich die Geburtsreihenfolge auf unsere Persönlichkeit und unser Verhalten auswirkt, und zwar im Zusammenspiel mit Geschlecht, Kultur, Wohlstand und Familiengröße, beraubt man sich aber womöglich eines tieferen Verständnisses für den Einfluss familiärer Bindungen auf das spätere Leben eines Familienmitglieds. Wir wollen uns daher im Folgenden näher damit befassen.

NATUR VERSUS ERZIEHUNG – AUS VERHALTENSPSYCHOLOGISCHER SICHT

Psychodynamisch betrachtet wissen wir: Die Aufmerksamkeit, die man in der Kindheit erfährt, hat Einfluss auf die Qualität des Denkens, die Persönlichkeit und den Bindungsstil im späteren Leben.21 Es liegt nahe, anzunehmen, dass die Tatsache, ob man als erstes, mittleres oder als jüngstes Kind geboren wurde, wiederum Einfluss darauf hat, wie viel Aufmerksamkeit man bekommt und welche Rolle man als Bruder oder Schwester in der Familie spielt. Auch die Kultur ist ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf die Auswirkung der Geburtsreihenfolge. In manchen Kulturen werden erstgeborene Kinder bevorzugt, bekommen mehr Autorität und Respekt von jüngeren Geschwistern oder haben in ihrem späteren Leben mehr Besitzansprüche. In der Kultur der Aborigines gibt es sogar Namen, die auf die Geburtsreihenfolge hinweisen. In anderen Kulturen werden Erstgeborene mitunter dazu angehalten, innerhalb der Familie Verantwortung zu übernehmen, sodass sie eher zu Ängsten und Depression neigen als ihre jüngeren Geschwister.22 Die Persönlichkeit eines Menschen hat auch eine genetische Komponente, wird aber hauptsächlich von der Erziehung und dem Umfeld, in dem man aufwächst, geprägt. Häufig wird dieser Zusammenhang mit der Formel »Natur versus Erziehung« umschrieben. Aus verhaltenspsychologischer Sicht bedeutet die eigene Geburtsreihenfolge, dass man sich mit der Zeit bestimmte Verhaltensstrategien aneignen muss, um mit den Geschwistern um Aufmerksamkeit, Ressourcen, Einzigartigkeit und die Position innerhalb der Familie konkurrieren zu können. Die Geburtsreihenfolge kann also beeinflussen, ob man mehr oder weniger dieser Ressourcen abbekommt.

MERKMALE DER GEBURTSREIHENFOLGE

Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale werden, ob anekdotisch oder forschungsbasiert, häufig mit der jeweiligen Position in der Geburtsreihenfolge in Verbindung gebracht. Im Folgenden beschreibe ich die Eigenschaften, die den einzelnen Positionen zugeschrieben werden und wie diese durch die Familiendynamik geprägt werden.

Erstgeborene