Redeangst überwinden - Uwe Hampel - E-Book

Redeangst überwinden E-Book

Uwe Hampel

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  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Macht Ihnen der Gedanke, vor vielen Menschen zu sprechen, Angst? Dann ist Coach Uwe Hampel der richtige für Sie: Denn die Angst, vor Leuten zu reden, lässt sich auflösen. Und das schneller als viele es für möglich halten. Der Ratgeber setzt dort an, wo die Angst entsteht: Unbewusste Muster müssen erkannt und können dann mit einem mentalen Übungsprogramm, das Uwe Hampel seit vielen Jahren erfolgreich anwendet, in positive „umprogrammiert“ werden: Eine Lernerfahrung, die unter die Haut geht. So ist es möglich, dass Menschen mit Redeangst in Zukunft sogar Freude empfinden, wenn sie eine Rede halten.

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Seitenzahl: 197

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INHALT

Vorwort

Redeangst und wie sie entsteht

Stell dir das mal vor!

So entstand die Redeangst von Dr. Wüstenfeld

Jetzt stell dir das mal vor!

Dr. Wüstenfeld hat Redespaß

Was Sie über Angst wissen sollten

Angst ist gut und schlecht

Kurze Geschichte der Angst

Der Teufelskreis der Angst

Die Angst, vor anderen zu sprechen

Ursachen für die Entstehung von Redeangst

Die Mutter aller Ängste: die Angst vor Ablehnung

Phobische Redeangst: wenn aus Überforderung Angst entsteht

Fokussieren auf Probleme hält Probleme aufrecht

Den Fokus auf die Lösung richten

Psychologische Grundlagen

Das Gehirn lässt sich nicht einfach etwas befehlen

Probleme lösen durch neue Impulse fürs Gehirn

Neue Impulse vorgeben

Unbewusste Prozesse sind schneller als bewusste

Die große Macht der Denkmuster

Einschränkende Denkmuster

Inspiriert von Freud und Jung

Sigmund Freud

Carl Gustav Jung

Moderne Psychologie: Verstand und Emotionen können auch optimal zusammenarbeiten

Charles Darwin und Siegmund Freud

Das emotionale und das kognitive Gehirn

Ohne Emotionen wäre die Menschheit ausgestorben

Fühlen und Denken – beides ist wichtig

Redespaß entsteht durch Synchronisation von Denken und Fühlen

Jetzt sind Sie dran: Redespaß entwickeln

Finden Sie Ihre Ressourcen

Politiker oder Professor? Die eigenen Stärken ausbauen

Der Politiker-Typus hat schon immer gerne geredet

Der Professor hat etwas Wichtiges zu sagen

Sind Sie Professor oder Politiker?

Entdecken Sie Ihre Leidenschaft

Wie Gedanken und Gefühle das Verhalten beeinflussen

Authentizität macht souverän

Authentizität kann man lernen

Identität und Authentizität

Redeangst – das Gegenteil von Authentizität

Wenn etwas im Weg steht

Selbstwertgefühl und Urvertrauen

Urvertrauen als Basis für unser Selbstwertgefühl

Zwei Meta-Zustände: Denken und Fühlen

Urangst nährt den Konflikt zwischen Denken und Fühlen

Kinder möchten wahrgenommen werden

Freudsche Verdrängung

Denken und Fühlen in Einklang bringen

In dieser Form machen sich Widerstände bemerkbar

Selbstbewertungen

Rationalisieren und erklären

Strukturieren

Noch mehr nützliche Strategien für Redespaß

Machen Sie sich gute Gefühle – mehr und mehr

Entspannen Sie sich

Entspannung für Körper und Geist

Progressive Muskel- und Gedankenentspannung

Gedankenentspannung to go

Atemtechniken

Was sonst noch entspannt

Weitere hilfreiche Strategien

Negative Emotionen entkoppeln

Konfrontationstherapie

Gedankenstopptraining

Mehr von dem, was funktioniert

Anhang

Literatur

Glossar

Antwort auf die Frage auf Seite 47, „Ein kleines Experiment“

Kopiervorlagen zu den Übungen auf Seite 78 und 81

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn wir auf die Welt kommen, sind wir mit allem ausgestattet, was wir benötigen, um uns zu einem erwachsenen Menschen zu entwickeln. Ein Säugling wächst heran, erweitert Schritt für Schritt seinen Radius, erobert sich seine Welt und lernt in ihr. Dies geschieht hauptsächlich durch Nachahmung. Der wichtigste Reifungsprozess zeigt sich darin, dass das Gelernte angewendet wird, um eine neue Herausforderung zu bewältigen.

Wir erschaffen unsere eigene Wahrnehmung in den ersten sechs Lebensjahren so rasant wie in keiner der folgenden Lebensphasen. Unsere natürliche Neugierde und Wissbegierde sorgt dafür, dass wir immer mehr lernen, mehr wissen wollen.

Unsere Eltern sind unsere ersten Lebenslehrer. Als Kleinkind schreiben wir ihnen Allwissenheit zu. Ebenso etwas später der Grundschullehrerin, danach oftmals noch Lehrern oder dem ersten Chef oder Ausbilder. Je mehr wir aus unserer Kindheit erwachsen, desto bewusster werden wir uns selbst und unserer Wirkung auf andere und stellen früher oder später fest: Alle anderen sind eigentlich auch nur so schlau wie ich selbst.

Mit diesem Bewusstsein, so sollte man meinen, stünden dem sich selbst bewussten Erwachsenen alle Türen offen, das zu tun, was er gerne tun möchte. Sich dort einzubringen, wo er seinen eigenen Platz im Leben sieht, die Aufgaben zu meistern, denen er sich widmen möchte. Beispielsweise eine wie auch immer geartete Führungsposition einzunehmen oder vor einem Auditorium einen Vortrag zu halten, sei es vor 3 oder 30 oder 300 Zuhörern.

Warum erschaffen wir nun in dieser Phase die Redeangst? Warum hindern wir uns selbst, das zu tun, worin wir unsere Aufgabe sehen? Warum hindern wir uns selbst, unser Wirkungsspektrum zu erweitern? In der Auseinandersetzung mit diesen Fragen gibt es, wie so oft im Leben, zwei Möglichkeiten:

• Die erste ist das Nichtstun. Das Arrangieren mit der Angst. Oftmals ist dieser Selbstschutz erkennbar an unserer Wortwahl: „Das ist halt so bei mir, das kann ich eben nicht.“

• Die zweite Möglichkeit ist die Suche nach einem Werkzeug, das uns dazu ermächtigt, diese Frage nach der Selbstsabotage individuell zu beantworten.

Wenn wir die zweite Möglichkeit wählen, finden wir die Antwort auf unsere Frage nach der Selbstsabotage weder in Ratgebern, die uns bestimmte Verhaltensweisen beschreiben, noch in dem Vorbild, dem wir nachzueifern versuchen. Sondern sie liegt in uns selbst, wir allein können sie finden.

Im vorliegenden Werk berichtet Uwe Hampel von seiner Arbeit als „geistiger Werkzeugmacher“. Wenn Sie bereits den Mut hatten, die Angst nicht nur zu erkennen, sondern auch anzunehmen, dann können Sie jetzt Ihr Werkzeug bauen und eine spannende Reise zu sich selbst erleben. Seien Sie gespannt, wie entspannt Sie bei Reden werden können. Freuen Sie sich darüber, zu erkennen, dass Ihre alten Muster notwendige Wegweiser waren, um neue Wege zu beschreiten.

Ich selbst bin vor einem Jahr diesen Weg gegangen, an dessen Anfang Sie vermutlich derzeit stehen. Ich hatte eine Aufgabe übernommen, von der ich wusste, dass ich in ihrer Ausübung mit meiner Redeangst konfrontiert werde. Ich habe diese Aufgabe als Zeichen für mich gesetzt, mich der Angst zu stellen, ihr auf den Grund zu gehen.

In Uwe Hampel fand ich einen hochkompetenten, sensiblen und versierten Supervisor, der es verstand, sich geschickt und gezielt auf meine Geschichte einzulassen. Der es verstand, mir meine Angst sichtbar und spürbar zu machen und mich nachhaltig lehrte, meine geistigen Werkzeuge zu bauen, zu gebrauchen und meiner Angst zu begegnen. Diese Werkzeuge sind mir heute wertvolle Begleiter und immer wieder auch Initiatoren neuer Kreativität und geistiger Freiheit. Ich habe auf der spannenden Reise zu mir selbst viele meiner Facetten neu kennen und schätzen gelernt.

Ich wünsche Ihnen viel Freude auf Ihrer Reise!

Dr. rer. nat. Melanie Rickert-Föhring

REDEANGST UND WIE SIE ENTSTEHT

Stell dir das mal vor!

In der Brain Technology Holding AG wird ein neues Projekt gestartet. In diesem Projekt geht es um eine neue, revolutionäre Art in der Synapsen-Verbindungstechnologie. Ein großes Team von fünfundvierzig Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten soll unter der Leitung von Dr. Freddy Wüstenfeld das Projekt vorantreiben. Heute findet im großen Veranstaltungsraum der Firmenzentrale in Frankfurt am Main eine erste Präsentation vor dem Vorstand und einigen ausgewählten Investoren statt. Einige Vertreter vom Bankenkonsortium, das die langfristige Finanzierung übernehmen soll, sind ebenfalls anwesend. Und natürlich die fünfundvierzig Experten. Die meisten von ihnen sind extra aus dem Ausland an gereist, denn die Firma hat in fünfundzwanzig Ländern der Welt Niederlassungen und Forschungslabore.

Als Leiter des Projekts ist Dr. Freddy Wüstenfeld für die Durchführung der heutigen Veranstaltung zuständig. Er wird den Anwesenden die neue Technologie vorstellen. Ganz besonders wichtig ist es, die Vertreter der Banken von dieser zukunftsweisenden Speichertechnologie zu begeistern, weil die Finanzierung noch nicht in trockenen Tüchern ist. Dr. Wüstenfeld muss es heute unbedingt schaffen. Der Vorstand bekommt von den Bankern der Firma keine zweite Chance. Außerdem schläft die Konkurrenz nicht. Um sich große Marktanteile zu sichern, muss man der erste am Markt sein. Das wissen alle Anwesenden. Für das Bankenkonsortium ist das ein wichtiger Faktor, der bei der Beurteilung für einen Kredit in dieser Größenordnung eine sehr große Rolle spielt: Es geht um einen Kreditrahmen über 1 Milliarde Euro.

Der Vorstand setzt alles auf eine Karte: Dr. Freddy Wüstenfeld hat heute seinen großen Auftritt. Jeder aus der Chefetage schenkt ihm das allergrößte Vertrauen. Und das mit dem „Vertrauen schenken“ ist eine sehr große Ausnahme. In der Chefetage spricht man nicht so gern über Gefühle. Das klingt zu esoterisch. Schließlich geht es um Zahlen, Daten, Fakten. Man spricht die Sprache der Rationalisierer. (Anmerkung des Autors: Vertrauen ist ein Gefühl, das im limbischen System entsteht. Vorstände sind normalerweise eher im frontalen Kortex unterwegs, also dort, wo das analytische und rationale Denken zu Hause ist. – Sie werden später noch erfahren, was ich mit diesem Hinweis meine. Lassen Sie sich überraschen.)

Inzwischen ist fast jeder Stuhl im Raum besetzt und die Zuhörer warten neugierig und gespannt auf den Vortrag von Dr. Wüstenfeld. Eine junge Frau verlässt noch einmal ihren Stuhl und drückt den quietschenden Fenstergriff eines Fensters herunter, um es zu schließen. Der Straßenlärm der vorbeifahrenden Autos klingt jetzt gedämpft. Die Welt muss für eine Weile draußen warten. Denn ab jetzt dreht sich die Welt um das große Projekt des Konzerns und natürlich um den Projektleiter, den Star des heutigen Tages. In dem großen Raum wird es immer ruhiger. Die Gespräche werden leiser und verstummen schließlich ganz. Jemand hustet in die Stille.

Der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Moritz begrüßt alle Anwesenden und spricht darüber, wie es zu dem Projekt gekommen ist, und was die erfolgreiche Durchführung für das Unternehmen bedeutet. Nach fünfzehn endlosen Minuten hat er seine staubtrockene Ansprache abgeschlossen. Die ersten gähnen bereits. Prof. Dr. Dr. Dr. Moritz gehört zu dem extrem detailorientierten Persönlichkeitstypus. Wenn er Vorträge hält, fallen alle innovativen Gehirne in eine Trance, weil sie die vielen Detailinformationen nicht miteinander verknüpfen können.

Der Vorstandsvorsitzende bittet nun seinen Projektleiter nach vorne. Freddy Wüstenfeld erhebt sich, geht langsam zum Rednerpult und wird nun gleich mit der Präsentation des Projektes beginnen. In diesem Moment genießt er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Menschen in dem großen Raum.

Dr. Freddy Wüstenfeld genießt die Aufmerksamkeit aller Menschen im Raum? Nein! Freddy leidet unter Redeangst. Er hat nur einen einzigen Wunsch: den Raum zu verlassen. Jetzt spürt er wieder diesen bekannten Druck in seiner Brust. Er zwingt sich, wie immer in solchen Situationen, das Richtige zu sagen. Was aber ist überhaupt das Richtige? Und was wäre falsch? Mit welchen Worten fängt man an? Er kann sich nicht mehr auf den Inhalt seiner Präsentation konzentrieren. „Was“, fragt sich Freddy aufgeregt, „wenn ich jetzt keinen Ton mehr herausbekomme?“ Und während er versucht, sich auf seine Sätze zu konzentrieren, kriecht die nächste Frage in sein Bewusstsein: „Was, wenn ich jetzt das Wesentliche vergesse, oder wenn ich die Dinge nicht auf den Punkt bringen kann?“ Mit der nächsten Frage, die sich Freddy Wüstenfeld stellt, gerät er vollständig aus dem Konzept: „Was, wenn ich meine Zuhörer weder überzeugen noch informieren kann? Die Anwesenden können bestimmt sehen, wie meine Hände zittern. Jetzt geht das schon wieder los. Ich werde ganz rot im Gesicht und meine Knie fangen auch langsam an, weich zu werden.“

Und da ist er wieder, der Tunnelblick. Freddys Wahrnehmung wird so stark eingeschränkt, dass sein Gehirn auf die Fragen aus der ersten Reihe nicht mehr reagieren kann: „Herr Dr. Wüstenfeld, geht es Ihnen gut? Was haben Sie? Können wir etwas für Sie tun?“ Seine innere Anspannung beherrscht ihn in einem Ausmaß, wie er es aus der Vergangenheit gewohnt ist. Er nennt diesen Zustand liebevoll „meine Hasenstarre“. Als Jäger kennt er das Naturphänomen bei Beutetieren: den Totstellreflex. Das Beutetier stellt sich tot, damit es vom Raubtier „übersehen wird“. Aas ist schließlich unter der Würde des hungernden Löwen.

Die sorgfältig vorbereitete Präsentation ist verschwunden und Freddy Wüstenfeld fühlt sich, als hätten seine Worte einen Weg durch das soeben geschlossene Fenster gefunden. Hinaus in die Welt, die um so vieles einfacher zu ertragen ist als die Welt in diesem großen Veranstaltungsraum, in dem Freddy nichts mehr zu präsentieren hat. Die Erwartung der Zuhörer ist in seiner Welt zu einer unerträglichen Bewertung über sich selbst geworden. Das Milliarden-Dollar-Baby kommt ins Wanken.

Diese Eigenbewertungen sind für Dr. Freddy Wüstenfeld in den vergangenen Monaten seiner Tätigkeit als Projektleiter ein vertrautes Szenario geworden. Immer wieder malte er sich bereits im Vorfeld ganz bestimmte Horrorszenen bei seinen Präsentationen aus. Freddy kennt bereits jedes Detail seiner Katastrophen-Vorstellungen so genau, dass er ohne Schwierigkeiten ein Drehbuch für sein Versagen schreiben könnte.

Angefangen hat das alles nach einer langen, sehr stressigen Phase. Sechzig-Stunden-Wochen im Büro und auch am Wochenende blieb er oft in seinem Forschungslabor. Er wollte unbedingt den Durchbruch schaffen. Obwohl er ganz genau wusste, dass die Zeit für die erste Stufe des Projektes viel zu kurz bemessen war. Am Anfang bekam er nicht genug Unterstützung und wollte sich nicht eingestehen, dass er sich bereits mitten in einem Erschöpfungszustand befand. Es ging mit dem Projekt nicht so schnell voran, wie er es dem Vorstand versprochen hatte. Und jetzt wollte er nicht zugeben, dass er ohne zusätzliche Manpower das Zeitfenster nicht einhalten konnte. So etwas machen echte Kerle nicht. Sich selbst einen Fehler eingestehen – unmöglich für Dr. Wüstenfeld, der den Perfektionismus erfunden haben könnte. Aber leider ist ihm Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Moritz zuvor gekommen.

Seine Frau hat sich von ihm getrennt. Sie konnte seine ständige schlechte Laune nicht mehr ertragen. Selbst wenn sie mal Gäste hatten, was selten genug vorkam, konnte sich ihr Mann nicht von seinem Computer trennen. Freddy lebte nur noch für sein Projekt und die Firma. Sex hatten die beiden seit zwei Jahren nicht mehr gehabt. Frau Wüstenfeld hatte zwar einen Mann, lebte aber trotzdem allein. Beim letzten Klassentreffen hat sie sich in ihren alten Schulfreund verliebt und eine Affäre mit ihm begonnen. Frau Wüstenfeld beschloss, mit den Kindern einfach auszuziehen. Damit sich Freddy ganz auf seine Aufgabe konzentrieren konnte. Das wäre für ihn die beste Option, dachte sie und bemerkte, dass sie schon wieder in seiner Sprache dachte. Die beste Option: was für eine dämliche Manager-Scheiße.

So entstand die Redeangst von Dr. Wüstenfeld

Bei einer internen Projekt-Präsentation sollten die Teammitglieder den Entwicklungsstand ihrer jeweiligen Bereiche vorstellen. Dr. Wüstenfeld war als letzter eingeplant. Er sollte eine Abschlusspräsentation über seine Forschungserkenntnisse durchführen. Die letzten beiden Wochen hatte er durchgearbeitet und er fühlte sich an dem Tag überhaupt nicht gut. Aber ein echter Mann muss das aushalten, dachte er. Wie immer, wenn es ihm körperlich nicht so gut ging. Was in letzter Zeit häufiger vorkam. Die letzte Nacht hatte er kaum geschlafen und die meiste Zeit wach im Bett gelegen und gegrübelt. Als Dr. Freddy Wüstenfeld mit seiner Präsentation an der Reihe war, bekam er in dem Augenblick, als er aufstand, um nach vorn zum Beamer zu gehen, eine Panikattacke. Sein Herz raste, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und seine Hände fingen an zu zittern. Er konnte seine Umgebung nur noch wie durch einen Tunnel blickend wahrnehmen. Kurz bevor er die Leinwand erreichte, musste er sich bei einem Kollegen abstützen: Black out. Eine Hauptsicherung in seinem Gehirn löste das Notfallprogramm aus. Der Betriebsarzt wurde geholt und für Dr. Wüstenfeld war für heute Feierabend. Eine Woche Zwangsurlaub, von seinem Hausarzt verordnet, mit der Empfehlung, die Ruhephase auf sechs Wochen zu verlängern. Die Diagnose seines Arztes lautete: chronisches Erschöpfungssyndrom.

Nach diesem Erlebnis entwickelte Dr. Wüstenfeld in vergleichbaren Präsentations-Situationen dieselben körperlichen Symptome wie bei seiner Abschlusspräsentation, als bei ihm die „Hauptsicherung“ das Notfallprogramm ausgelöst hatte. Die körperlichen Symptome wurden stärker und Dr. Wüstenfeld fing an, sich vor ihnen zu fürchten. Und dann bekam er Angst davor, dass die Angst kommen könnte. Schließlich ist er ja ein echter Kerl. Und echte Kerle haben doch keine Angst, nicht wahr?

Bei Dr. Freddy Wüstenfeld entstand jetzt eine Redeangst-Symptomatik. Hervorgerufen wurde sie durch das Erlebnis während seiner Abschlusspräsentation. Allerdings war der wesentliche Punkt das Erschöpfungssyndrom, das durch das Unterdrücken eines Bedürfnisses entstanden ist.

Jetzt stell dir das mal vor!

In der Brain Technology Holding AG wird ein neues Projekt gestartet. In diesem Projekt geht es um eine neue revolutionäre Art in der Synapsen-Verbindungstechnologie. Ein großes Team von fünfundvierzig Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten soll unter der Leitung von Dr. Freddy Wüstenfeld das Projekt vorantreiben. Heute findet im großen Veranstaltungsraum der Firmenzentrale in Frankfurt am Main eine erste Präsentation vor dem Vorstand und einigen ausgewählten Investoren statt. Einige Vertreter vom Bankenkonsortium, das die langfristige Finanzierung übernehmen soll, sind ebenfalls anwesend. Und natürlich die fünfundvierzig Experten. Die meisten von ihnen sind extra aus dem Ausland an gereist, denn die Firma hat in fünfundzwanzig Ländern der Welt Niederlassungen und Forschungslabore.

Als Leiter des Projekts ist Dr. Freddy Wüstenfeld für die Durchführung der heutigen Veranstaltung zuständig. Er wird den Anwesenden die neue Technologie vorstellen. Ganz besonders wichtig ist es, die Vertreter der Banken von dieser zukunftsweisenden Speichertechnologie zu begeistern, weil die Finanzierung noch nicht in trockenen Tüchern ist. Dr. Wüstenfeld muss es heute unbedingt schaffen. Der Vorstand bekommt von den Bankern der Firma keine zweite Chance. Außerdem schläft die Konkurrenz nicht. Um sich große Marktanteile zu sichern, muss man der erste am Markt sein. Das wissen alle Anwesenden. Für das Bankenkonsortium ist das ein wichtiger Faktor, der bei der Beurteilung für einen Kredit in dieser Größenordnung eine sehr große Rolle spielt: Es geht um einen Kreditrahmen über 1 Milliarde Euro.

Der Vorstand setzt alles auf eine Karte: Dr. Freddy Wüstenfeld hat heute seinen großen Auftritt. Jeder aus der Chefetage schenkt ihm das allergrößte Vertrauen. Und das mit dem „Vertrauen schenken“ ist ein wichtiger Aspekt in der Firmenphilosophie. In der Chefetage spricht man sehr oft über emotionale Dinge. Schließlich geht es nicht nur um Zahlen, Daten, Fakten. Man spricht die „Sprache“ der emotionalen Intelligenz. Das ist eine Sprache, in der sich Fühlen und Denken in Einklang befinden.

Diese, für viele Menschen noch unbekannte Sprache hatten sie vor einigen Jahren in der Chefetage eingeführt. Das Ziel war damals, die intrinsische Motivation aller Mitarbeiter und Führungskräfte zu fördern. Der Kommunikationscoach Uwe Hampel hatte einen interessanten, zukunftsweisenden Ansatz vorgestellt und bekam den Zuschlag für das Projekt „Intrinsische Motivation“. Seitdem hat sich in dem Unternehmen extrem viel verändert. Der Krankenstand in der Belegschaft ging um 50 Prozent zurück. Es gab keinen einzigen Mitarbeiter mehr, der wegen eines Erschöpfungssyndroms längere Zeit ausfiel. Gleichzeitig stieg der Umsatz in allen Segmenten des Unternehmens. Die Mitarbeiter konnten sich nach der Einführung des Projekts das erste Mal mit dem Unternehmen identifizieren. Das machte sich nicht nur in der Produktion, sondern auch im Vertrieb und in der Entwicklung bemerkbar. Herr Hampel hatte mit seiner Strategie recht behalten: In einem System fördern Identität und Zugehörigkeit die intrinsische Motivation aller Akteure. Und nicht nur der individuelle Zustand einzelner Beteiligter ist von Bedeutung, sondern besonders bedeutsam sind die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen ihnen. Die Beziehungen sind es, die den größten Anteil des Stresses am Arbeitsplatz verursachen.

Aber zurück zur Veranstaltung. Inzwischen ist fast jeder Stuhl im Raum besetzt und die Zuhörer warten neugierig und gespannt auf den Vortrag von Dr. Wüstenfeld. Eine junge Frau verlässt noch einmal ihren Stuhl und drückt den quietschenden Fenstergriff eines Fensters herunter, um es zu schließen. Der Straßenlärm der vorbeifahrenden Autos klingt jetzt gedämpft. Die Welt muss für eine Weile draußen warten. Denn ab jetzt dreht sich die Welt um das große Projekt des Konzerns und natürlich um den Projektleiter. Im großen Veranstaltungsraum wird es immer ruhiger. Die Gespräche werden leiser und verstummen schließlich ganz. Jemand hustet in die Stille.

Der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Moritz begrüßt alle Anwesenden und hält eine emotionale Ansprache darüber, wie es zu dem Projekt gekommen ist, und was die erfolgreiche Durchführung für das Unternehmen bedeutet. Nach fünfzehn Minuten hat er seine Ansprache abgeschlossen und bittet nun seinen Projektleiter, mit der Präsentation zu beginnen. Freddy Wüstenfeld erhebt sich, geht langsam auf die Bühne zum Rednerpult und wird nun gleich das Projekt präsentieren. In diesem Moment genießt er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Menschen in dem Raum.

Dr. Wüstenfeld genießt es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Er liebt das Gefühl, das entsteht, wenn er in sein Fachgebiet eintaucht und Menschen an seinen Gedanken teilhaben lässt. Wenn er seine Ideen präsentiert, spüren die Zuhörer, dass er für sein Thema und seine Vision „brennt“ und nicht „ausbrennt“, wie in der ersten Version dieser kleinen Geschichte. Seine Begeisterung für das, was er tut, überträgt sich auf die Anwesenden. Es gibt ihm ein sehr intensives Gefühl von Zugehörigkeit zu den Menschen, die vergleichbare Ziele verfolgen.

Auch dieses Mal schafft er es, die Investoren und die Vertreter des Bankenkonsortiums auf seine Seite zu holen. Die Finanzierung und die Zukunft des Projektes sind gesichert. Der Vorstand beglückwünscht den Projektleiter.

Aber jetzt geht es erst einmal mit der Ehefrau in einen Kurzurlaub nach Heiligendamm. Man wohnt im Grand Hotel. Selbstverständlich auf Firmenkosten.

Dr. Wüstenfeld hat Redespaß

Freddy Wüstenfeld hatte diese bahnbrechende Idee mit viel Potenzial für das gesamte Unternehmen, aber auch mit positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft. Er wollte unbedingt den Durchbruch schaffen. Freddy wusste ganz genau, dass die Zeit für die erste Stufe des Projektes viel zu kurz bemessen war. Am Anfang bekam er nicht genug Unterstützung und bemerkte, dass er es alleine niemals schaffen würde. Sein Körper gab ihm eindeutige Signale, die er immer sehr ernst nahm. Es ging mit dem Projekt nicht so schnell voran, wie er es dem Vorstand damals versprochen hatte. Sehr oft besprach er die Situation mit seiner Ehefrau. Das tat er immer, weil er wusste, dass er solche Dinge nicht alleine mit sich selbst ausmachen sollte.

Er überzeugte den Vorstand, dass er ohne zusätzliche Manpower das Zeitfenster nicht einhalten konnte und bekam die nötigen Mittel dazu genehmigt.

In dem Firmenprojekt „Intrinsische Motivation“ lernte er, wie er sich selbst motivieren und begeistern kann. Denn Begeisterung kann er nur transportieren, wenn er selbst von dem, was er tut, überzeugt und begeistert ist. Nur wenn er seine Botschaft auf allen Sinneskanälen kongruent kommuniziert, wenn seine Körpersprache und seine Mimik mit dem, was er sagt, übereinstimmen, kann er authentisch begeistern. Wenn er wirklich selbst an das glaubt, was er in seiner Botschaft unverschlüsselt kommuniziert, überträgt sich seine authentische Begeisterung auf andere Menschen. Und mit seinem emotionalen Auftritt ist ihm dies auch gelungen.

Welches Verhalten von Dr. Freddy Wüstenfeld ist nützlich? Das aus der ersten Variante der Geschichte? Oder das Verhalten aus der zweiten Variante? Welches Verhalten von Dr. Freddy Wüstenfeld ist weniger nützlich?

Was Sie über Angst wissen sollten

Angst ist gut und schlecht

In unterschiedlicher Ausprägung hat jeder Mensch in seinem Leben Angst bereits mehrfach erlebt. Nicht nur als Kind. Auch als Erwachsener können wir durchaus in Situationen geraten, die uns Angst machen. Grundsätzlich ist Angst nicht nur etwas Negatives. Sie lässt sich aber nur sehr schwer allgemeingültig definieren. Beschreiben lässt sich das Phänomen Angst wohl am einfachsten als ein unangenehmes Gefühl von Bedrohung.

„Nicht die Dinge an sich beunruhigen den Menschen, sondern seine Sicht der Dinge.“

Epiktet, griechischer Philosoph, 50–138 n. Chr.

Die Angst – und ebenso die Schreckreaktion – erfüllt bei Mensch und Tier eine wichtige Funktion. Bei Neugeborenen zeigt der Moro-Greifreflex eine automatische Anklammerung bei Gefahr und zugleich eine angeborene Angst vor dem Fallen, die sehr sinnvoll ist. Angst wird als eine natürliche Reaktion auf gefährliche Situationen empfunden.

Ohne Angst würden wir riskante Situationen nicht erkennen und ständig in Gefahr schweben. Stellen Sie sich vor, Sie hätten mit Ihrem Auto auf der A2 zwischen Bad Nenndorf und Rehren eine Panne und wären gezwungen, auf dem Seitenstreifen stehen zu bleiben. Sie müssten auf den Abschleppdienst warten, und zwar auf einem Autobahnabschnitt, auf dem deutschlandweit die meisten Unfälle passieren. Dies ist auf der A2 von Osten kommend der erste Abschnitt mit einem Gefälle und man sollte nicht davon ausgehen, dass die vielen Autofahrer mit überhöhter Geschwindigkeit ihre Fahrzeuge wirklich unter Kontrolle haben. Angst wäre hier durchaus angebracht.

Auch müssten wir unter Umständen materielle Verluste hinnehmen, wenn wir mangels Angst unüberlegte oder riskante Dinge tun. Wenn Sie zum Beispiel vor dem Hauptbahnhof einer Großstadt Ihr Auto parken, weil Sie jemanden am Gleis abholen wollen, ist es weniger nützlich, die Fenster offen zu lassen, Brieftasche und Smartphone auf den Beifahrersitz zu legen und sich dann auf den Weg zum Bahngleis zu machen. Auch wenn es sehr warm sein sollte. Ein wenig Angst an dieser Stelle würde Sie vermutlich vor einem Verlust von Brieftasche und Smartphone bewahren.

Ebenso sollte man als unerfahrener Tourist in tropischen Wäldern Angst vor spontanen Ausflügen ohne einen erfahrenen Führer haben. Sie können nicht wirklich wissen, was genau Sie im Dschungel erwartet.