Regelflegel - Anja Pfältzer - E-Book

Regelflegel E-Book

Anja Pfältzer

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Beschreibung

Lustvoll gegen Regeln verstoßen – Rehabilitation einer weit verbreiteten Unart

- Ein humorvoller und entlarvender Blick auf unsere alltäglichen »Ausfälle«

- Ein witziges Geschenk für die beste Freundin

- Für Frauen zwischen 30 und 99 Jahren – und auch für den ein oder anderen Mann

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Seitenzahl: 144

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Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen Mitmenschen, da sie mir kreativ und emsig als Vorlage für dieses Buch dienten.

Dr. Anja Pfältzer, geb. 1964 in Gießen, studierte Psychologie, Wirtschaftspädagogik und Rechtswissenschaft (Magister Artium 1999), anschließend Promotion im Fachbereich Arbeits- und Organisationspsychologie.

Seit 1987 ist Anja Pfältzer bei der Lufthansa tätig, zunächst als Stewardess (1987-1989), danach als Einsatzkoordinatorin und seit 1999 als Referentin im Trainingsbereich. Sie lebt in Frankfurt am Main.

Valeria Barth, geb. 1981, studierte Kunst und Grafik Design sowie Illustration. Als freiberufliche Designerin und Illustratorin arbeitet sie für verschiedene Verlage. Ihre besondere Vorliebe gilt dem Entwickeln von Charakteren und dem Comic.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorWorum es gehtKlar bin ich regeltreu ... zumindest meistensWarum wir oftmals verstoßen, ohne es zu merkenCopyright

Worum es geht

Männer machen es, Frauen sicherlich auch. Und mal ganz ehrlich: Ich selbst mache es sogar ziemlich häufig, manchmal sogar mehrmals täglich. Und Sie sind auch keine Ausnahme, da bin ich mir sicher! Ich bin also nicht die Einzige. Auch, wenn ich mir darüber im Klaren bin, dass Sie nicht offen darüber reden. Also bis auf wenige Einzelfälle.

Mir jedenfalls reicht’s. Ich werde nicht länger schweigen und deswegen sage ich es hier und jetzt, schonungslos und unverblümt: Ich bin ein Regelflegel, und die Welt ist voll davon.

Und? Denken Sie jetzt: Von »Regelflegeln« habe ich noch nie etwas gehört? Na, dann herzlichen Glückwunsch. Sie haben bei sich eine echte Bildungslücke entdeckt. Das ist schockierend, aber nicht irreparabel. Also: Regelflegel erkennt man zumeist auf den ersten Blick, mitunter hat man jedoch auch lediglich einen leisen Verdacht. Sie sind nicht immer einfach auszumachen, denn es gibt sie in ganz unterschiedlicher Ausführung: Als große, kleine, dicke, dünne, blonde, brünette und auch solche ganz ohne Haare. Zudem trifft man sie nahezu überall, so etwa zu Hause, auf dem Balkon oder im Wohnzimmer, im Kaufhaus oder auf der Straße, und gelegentlich auch während des Autofahrens beim Blick in den (Rück-) Spiegel.

Man darf Regelflegel allerdings nicht über einen Kamm scheren. Bei weitem nicht. Manche sind stolz darauf, einer zu sein, andere hingegen eher erschrocken, manche verstoßen gegen Regeln ganz bewusst, andere aus Versehen. Letztendlich flegelt jeder – aber eben jeder anders.

Doch kommen wir zum eigentlichen Punkt: Was sind Sie denn nun für einer? Sind Sie eher ein Möchtegern-Flegel, der das eine sagt und das andere macht, aber das äußerst konsequent? Oder sind Sie gar ein Trickser, der zwar ahnt, dass es Regeln gibt, allerdings sicher weiß, dass diese nur in den seltensten Ausnahmefällen für ihn gelten und der zudem ein gesteigertes Interesse an den Verstößen anderer hat, denn man kann ja immer dazu lernen?

Doch das ist längst nicht alles. Weitere Fragen schreien regelrecht nach Antworten: Warum verstoßen wir überhaupt gegen Regeln? Und noch viel interessanter: Warum verstoßen eher Männer als Frauen dagegen, so etwa die schnittigen, geschniegelten, die die Stufen der Karriereleiter nach oben sprinten? Oder die lässig Alternativen, mit oder ohne Bart, die Selbstgedrehte rauchen. Von denen mit Sandalen, hinten geschlossen, vorne offen, damit man die weißen Socken besser sieht, ganz zu schweigen.

Und überhaupt: Wie sieht es damit bei uns Deutschen aus? Ist das leicht Pedantische typisch oder gibt es gar Abweichungen, die einen eher in Erstaunen versetzen?

Wenn es Sie zudem auch noch interessiert, warum sich Ihre Mitmenschen gnadenloserweise häufig so verhalten, dass Sie sich darüber ärgern müssen oder auch, warum Sie sich selbst oftmals cleverer als andere fühlen, dann werfen Sie einen Blick in dieses Buch – aber bitteschön regeltreu. Die Kapitel sind hierbei nacheinander zu lesen, innerhalb der Kapitel sind Seiten nicht zu überspringen und zum letzen Kapitel ist keinesfalls vorzublättern.

Ach ja, und eines sei noch angemerkt: Hier geht es nicht darum, das Flegeln gegen Regeln an sich als verwerflich, widerborstig oder auch als asozial zu verurteilen, nein, nein, ganz und gar nicht, ich bin ja schließlich auch eine von denen bzw. besser gesagt: Eine von Ihnen. Wichtig ist doch vielmehr, nicht einfach nur so herumzuflegeln, also ohne Sinn und Verstand. Flegeln will vielmehr durchdacht sein, und das hat durchaus komplizierte Momente. Doch überzeugen Sie sich selbst.

Klar bin ich regeltreu ... zumindest meistens

Auf einer Feier steuert eine Bekannte auf mich zu und meint, ihr Freund habe gerade massiv gegen Regeln verstoßen, ich solle mir das einmal erzählen lassen. Er kommt zu mir, blickt nervös um sich und erzählt mir hinter vorgehaltener Hand, er habe gerade die abgelaufene Parkscheibe seines Autos vorgedreht, um die Parkzeit um weitere zwei Stunden zu verlängern. Das sei aber eine absolute Ausnahme.

Ich bin sprachlos. Wo bitteschön ist das Problem? Es ist doch alles im grünen Bereich: Das Auto parkt auf einem offiziellem Parkplatz, und die Parkscheibe ist auch aktualisiert. Völlig falsch! Denn die Parkscheibe darf erst dann neu gestellt werden, wenn das Auto inzwischen bewegt worden ist. Zumindest laut Verordnung. Aber mal im Ernst, was heißt schon »Bewegung«? Und wie will man mir denn beweisen, dass mein Auto keines der vier Räder bewegt hat?

Ganz einfach: Mit Kreidestrichen, und zwar mit solchen auf dem Reifen und dem Boden, bekomme ich zur Antwort. Nun gut, ist ja auch egal, eines wird jedenfalls klar: Jeder wertet regelwidriges Verhalten anders. Der eine hat das Gefühl, er habe massiv gegen Regeln verstoßen, der andere erkennt noch nicht einmal, dass es Regeln gibt.

Ich bin, wie gesagt, ein Regelflegel, obwohl ich mich meist gar nicht so fühle. Ich bin Mitte 40, dunkelblond, mittelschwer und verstoße ziemlich häufig gegen Regeln: Ich drängele mich ganz gerne mal in Warteschlangen vor, parke des Öfteren im Halteverbot und bin auch schon schwarz mit der U-Bahn gefahren. Allerdings verstoße ich nicht ununterbrochen gegen Regeln, eher mal hier und da. Ich überquere also nicht prinzipiell die Straße trotz roter Fußgängerampel und werfe auch nicht immer mein Kaugummipapier auf die Straße. Nein, so einfach ist das nicht. Es gibt bei meiner Entscheidung für oder gegen eine Regel zahlreiche Umstände, die mich beeinflussen.

Telefoniere ich beispielsweise im Auto ohne Freisprechanlage mit meinem Handy, so geschieht dies nicht unbedacht, sondern auf der Basis sekundenschneller Abwägung unzähliger Kriterien. Ich denke blitzschnell; und nicht nur das, ich setze auch Prioritäten. Die Gedanken flitzen geradezu durch meinen Kopf, so etwa: Verdammt, wo ist mein Handy? – Ich höre doch das Klingeln. – Wer ruft an? – Reicht der Akku noch? – Ist Polizei in der Nähe? – Wenn ja, schaut sie rüber? – Und: Was kostet das, wenn ich erwischt werde? – Kriege ich dann schon wieder einen Punkt? – Ah, da ist es ja. – Verdammt zu spät. Jetzt hat es aufgehört zu klingeln.

– Angezeigte Nummer: »Unbekannt«.

Es gibt auch Menschen, die behaupten, es wäre per se gefährlich, mit dem Handy während des Autofahrens zu telefonieren. Sie sagen, man hätte nicht genügend Kapazitäten frei. Also, das ist ja eine ganz pauschale Behauptung. Ich persönlich lehne so etwas ja ab. Pauschale Äußerungen haben meiner Meinung nach immer einen bitteren Beigeschmack. Man muss Dinge doch schließlich differenziert betrachten. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber ich bin überzeugt, dass es einen Unterschied macht, ob ich gerade im Stau langsam Meter für Meter bewältige und dabei telefoniere oder aber in der Innenstadt eine bestimmte Straße suche.

Man darf natürlich nicht immer von sich selbst ausgehen, denn nicht jeder Mensch ist fähig, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Einige Zeitgenossen sind ja schon mit dem Autofahren an sich überfordert.

Und wenn ich mir vorstelle, dass die dann auch noch während des Autofahrens telefonieren ...

Echte Männer bremsen ungern

Übrigens, besonders Männer fallen mir im Straßenverkehr regelmäßig auf, und das nicht etwa, weil ihre Autos frisch gewienert sind, sie gerade mit offenem Verdeck und Pilotenbrille vorbeiröhren oder mit langgestreckten, männlich nach vorne gespreizten Beinen Motorrad fahren.

Nein, ganz und gar nicht, meine Irritation hat ganz andere Gründe, wobei vorneweg anzumerken ist, dass ich unter keinen Umständen beabsichtige, die Kluft zwischen den beiden, doch zum Teil recht unterschiedlichen Geschlechtern weiter zu vergrößern. Auffällig finde ich vielmehr den männlichen Umgang mit den kleinen Fehltritten ihrer Mitmenschen.

Stellen Sie sich einmal bildlich vor, ein Auto, gefahren von einer Frau, schert völlig legitim auf die linke Spur der Autobahn aus, um einen Laster zu überholen. Unglücklicherweise bremst sie dadurch einen Mann aus, der mit hoher Geschwindigkeit von hinten heranrast. Und? Wie reagiert nun der männliche Mitmensch?

Genau, er tritt erst spät auf die Bremse, küsst fast die Stoßstange des störenden Objekts, setzt demonstrativ den linken Blinker, gibt noch zusätzliche Lichtzeichen und fährt dann, nachdem das vordere Auto endlich auf seinen ihm zugewiesenen Platz ausgewichen ist, langsam an diesem vorbei, schaut kopfschüttelnd hinüber, deutlich demonstrierend, welche Fehlleistung gerade gezeigt wurde, gibt Gas und braust davon.

Ich frage mich immer, warum zum Teufel machen die das? Man sagt ja allgemein, sie müssten andere, unter Umständen etwas zu kurz geratene, Dinge kompensieren. Aber mal ehrlich, das kann doch nicht sein. Unter diesem Komplex würden dann ja abertausende männliche Mitbürger leiden. Unvorstellbar!

Nein, ich bin mir sicher, es muss einen anderen Grund geben. Ich frage bei nächster Gelegenheit einen Mann (Anmerkung der Verfasserin: Mein Mann möchte nicht als solcher erwähnt werden, deswegen werde ich im Folgenden stets den eher neutralen Ausdruck »ein Mann« verwenden).

Ich frage also bei nächster Gelegenheit einen Mann. Er kann sich sofort in die von mir geschilderte Situation hineinversetzen und antwortet wie aus der Pistole geschossen, es gebe zwei Gründe: Erstens unterliege der Mann immer wieder dem Irrglauben, dass eine Frau, die unvermutet links ausschert, dies mache, um Gas zu geben. Das sei aber leider nicht so.

Zweitens müsse er dafür sorgen, dass er von der Autofahrerin vor ihm überhaupt wahrgenommen werde. Es sei ja so, dass die meisten langsam Fahrenden ein eingeschränktes Wahrnehmungsfeld hätten, was übrigens mit ihrer Körperhaltung zu tun hätte. Denn sitzt man unnatürlich stark vornübergebeugt, ans Lenkrad geklammert und somit lediglich wenige Zentimeter vom Rückspiegel entfernt, geht das natürlich auf Kosten der Weitsicht.

Das kann der doch nicht ernst meinen. Ich schaue ihn an. Doch, doch, er meint es ernst, das spüre ich deutlich. Weiteres Nachfragen erspare ich mir.

Also, wenn Sie mich fragen, ich glaube eher, das hat etwas mit Macht und Ohnmacht zu tun. Das hat es bei der Fahrerin übrigens auch. Es ist letztendlich das gleiche Phänomen. Ich hatte neulich eine solche Situation. Und ich kann Ihnen sagen, es ist ein wirklich unschönes Gefühl, wenn man von hinten bedrängt wird. Bei mir wächst dann sofort so eine Art Widerstand. Ich spüre ganz deutlich, dass ich einfach nicht verstehen will, was der Drängler hinter mir für ein Problem hat. Also bleibe ich mit meinen 125 km/h erst einmal auf der Überholspur. Und zwar so lange, bis ich das sichere, wohlige Gefühl habe, jetzt hat er genug gelitten.

Auch Frauen machen es, aber eben anders

Ein typisch weiblicher Verstoß ist das Weitererzählen von Geheimnissen. Natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Wenn also eine Freundin der nächsten, die einer weiteren und die wiederum ihrer allerbesten Freundin wichtige Informationen anvertraut, dann geschieht dies sozusagen unter dem Siegel der Verschwiegenheit der Verschwiegenheit. Anhören könnte sich das etwa so: »Wusstest du eigentlich schon, dass die Gaby einen anderen hat? Das muss aber unbedingt unter uns bleiben. Also, bitte, wirklich keinem weiter erzählen. Du bist die Einzige, mit der ich überhaupt darüber rede.« Dies ist übrigens ein Regelverstoß, den Männer eher selten begehen. Das hat aber nichts mit einer stärker ausgeprägten Regeltreue zu tun, sondern eher mit zwei anderen Gründen: Erstens erzählt ihnen keine Frau ein solches Geheimnis, warum auch, Männer würden einfach die völlig falschen Fragen dazu stellen. So wäre die typische Antwort einer Freundin: »Echt, das gibt’s doch nicht. Ich hab’ mir so etwas aber schon gedacht. Gaby sah in letzter Zeit so verdammt gut aus. Ganz anders als sonst.«

Wohingegen viele Männer vermutlich fragen würden: »Welche Gaby?« Oder noch frustrierender: »Kann ich nichts zu sagen, ich kenne sie ja kaum.« Ja, mein Gott, ich auch nicht, trotzdem kann man doch eine Meinung dazu haben. Das muss man sogar, finde ich.

Doch zurück zu den Gründen. Also, Männer erzählen auch deswegen nichts weiter, weil das pure Verschwendung wäre. Sie haben, und das ist ja mittlerweile wissenschaftlich mehrfach untersucht worden, lediglich ein bestimmtes Maß an Worten pro Tag zur Verfügung, welches übrigens äußerst begrenzt und deshalb auch recht zügig aufgebraucht ist. Außerdem benötigen sie die Worte für andere Aussagen, wie etwa »Schatz, wenn du noch einkaufen gehst, denkst du dann an das Eis und die neue AutoMotorSport? «. Schwups, 16 Worte gesprochen, schon ist die Tagesration um mehr als die Hälfte geschrumpft.

Aber jetzt sind wir ja schon wieder bei den Männern, dabei geht es hier doch eigentlich um die Verstöße der Frauen. Welche Flegelei ist denn noch typisch weiblich? Also spontan fällt einem da nicht so viel ein, man muss schon ziemlich lange überlegen. Aber eine Sache gibt es definitiv noch; über die ärgere ich mich selbst auch häufig, insbesondere in Arztpraxen oder beim Friseur. Denn das sind Orte, wo man phasenweise Dinge tun kann, die man zu Hause nicht tut.

So gibt es bestimmte Klatsch- und Tratschzeitschriften, die ich für mein Leben gerne lese, die ich mir aber privat niemals kaufen würde. Also freue ich mich in doppelter Hinsicht auf den Friseurbesuch: Meine Haare sind wieder in Form und ich wissensmäßig auf dem neuesten »Klatsch-Stand«.

Es gibt da allerdings ein Risiko. Hat nämlich eine Frau vor mir die Zeitschrift in den Händen gehabt, so kann es sein, dass sie ähnliche Interessensgebiete wie ich hatte. Und? Ist doch kein Problem, denken Sie wahrscheinlich spontan.

Doch, es ist ein Problem oder besser gesagt, es kann eines sein, und zwar immer dann, wenn die Frau – und jetzt kommen wir zum Regelverstoß – die entsprechende Seite, das Creme-Pröbchen oder das Apfelkuchenrezept, das mich brennend interessieren könnte, schon vor mir herausgerissen hat. Sie war also schneller. Und das, muss ich sagen, ist eine Unart, die ich wirklich nervend finde.

Ob jetzt Männer oder Frauen verstoßen, ist ja eigentlich auch unwichtig, auf jeden Fall kann festgehalten werden, dass es niemanden gibt, der es nicht tut. Der eine heimlich, der andere offen, einige werden erwischt, andere haben Glück, manch einer hat ein schlechtes Gewissen, andere merken es erst gar nicht, und wieder andere spüren sogar so etwas wie Stolz.

Regeln gibt es ziemlich viele ... Flegel auch

Und nun zu Ihnen: Flegeln sie oft, weniger oft oder nur ab und an mal? Um das herauszufinden, beantworten Sie bitte die folgenden Fragen spontan mit »Ja« oder »Nein«:

Haben Sie schon einmal ...

... trotz roter Fußgängerampel eine Straße überquert?JA/NEIN... in der Schule gespickt?JA/NEIN... die Mülltrennung missachtet?JA/NEIN... beim Spielen geschummelt?JA/NEIN... mehr Alkohol als zulässig getrunken und sind trotzdem noch mit dem Auto gefahren?JA/NEIN... in Ihrer Steuererklärung falsche Angaben gemacht?JA/NEIN... die Unwahrheit gesagt?JA/NEIN... eine Toilette benutzt, die nicht für Sie bestimmt war?JA/NEIN

Und, haben Sie auf ein oder zwei Fragen mit »Ja« geantwortet? Dann flegeln Sie in der Tat ziemlich selten. Nun gut, es gibt Randgruppen, das ist ja auch völlig normal in unserer Gesellschaft. Wenn Sie allerdings drei oder mehr Fragen bejaht haben, sollten Sie zumindest wissen, dass Sie nicht alleine da stehen. Außer Ihnen gibt es allein in Deutschland etwa weitere 80 Millionen dieser Spezies (www.destatis.de). Und eines sei gesagt: Sie unterscheiden sich trotzdem deutlich von den anderen Regelflegeln. Sie setzen sich nämlich damit auseinander. Natürlich macht dies jeder auf seine Art. Der eine geht zum Therapeuten, der andere liest dieses Buch. Jedenfalls wird eines deutlich: Regeln bestimmen unser Leben. Entweder ist man damit beschäftigt, sich daran zu halten oder aber, dagegen zu verstoßen, und das möglichst, ohne erwischt zu werden.

Ein gänzlicher Verzicht auf Regeln wäre jedoch undenkbar. Denn es gibt schon die eine oder andere Regel, die für ein reibungsloses Miteinander unentbehrlich ist. Nicht auszudenken, wenn wir so ganz ohne Sinn und Verstand manipulieren, täuschen, lügen und betrügen dürften.

Aber andererseits kann ein Zuviel an Regeln dazu führen, dass so manch’ einer von uns gar nicht mehr nachdenkt und sogar auf die Einhaltung bestimmter Regeln besteht, obwohl diese vielleicht in diesem Moment, an diesem Ort und unter diesen Bedingungen gar keinen Sinn machen.

Gerade neulich hatte ich einen regen Schlagabtausch auf einem Parkplatz einer bekannten Supermarktkette. Zugegeben, ich parkte auf einem »Mutter-Kind-Parkplatz«, obwohl ich das hierfür zwingendermaßen vorgeschriebene Kind nicht dabei hatte. Wie sollte ich auch: Meine Tochter ist schließlich fast erwachsen. Und doch hatte ich einen triftigen Grund, genau auf diesem Platz, der üblicherweise etwas größer ist und sich zudem in der Nähe des Eingangs befindet, zu parken. Ich hatte mir das Fußgelenk verstaucht und sollte meine Wege zu Fuß, laut ärztlicher Verordnung, möglichst kurz halten. Doch war der Mutter, die bereits nach wenigen Minuten unter leichter Schnappatmung litt, nicht beizubringen, dass eindeutig ich diejenige war, der der Parkplatz in diesem Fall zustand. Zumindest meiner Ansicht nach ... zumal ihr Kind, von kleineren Schwankungen abgesehen, bereits nahezu fehlerfrei laufen konnte. Und genau hier hätte ich mir etwas mehr Einfühlungsvermögen und Flexibilität gewünscht.

Ein Zuviel an Regeln kann übrigens auch noch zu etwas ganz anderem führen, nämlich zu inneren Widerständen. Das Problem mit inneren Widerständen liegt auf der Hand: Sie sind unsichtbar, stark und oftmals schwer in den Griff zu bekommen. Urplötzlich richtet sich die Energie dann nicht mehr darauf, darüber nachzudenken, ob die Regel sinnvoll ist, sondern vielmehr darauf, Wege zu finden, wie man die Regel umgehen kann. Natürlich ohne erwischt zu werden, das ist ja klar.

Im Umkehrschluss heißt das also: Gäbe es nicht so viele Regeln, wäre mein Widerwille nicht so groß, diese zu befolgen. Wäre mein Widerwille nicht so groß, könnte ich mich stärker damit beschäftigen, welche Regeln ich befolgen möchte. Und wenn ich wüsste, welche Regeln ich befolgen möchte, könnte ich mir sogar vorstellen, den Müll ordnungsgemäß zu trennen, also nach: Braun-, Weiß- und Grünglas – Biomüll – Papier – Restmüll – Gelber Sack – Dosen – Problemstoffe, wie etwa Farb- und Lackreste – Korken – Alteisen und Elektrogeräte – Sperrmüll ...

Mülltrennung ist ja auch prinzipiell eine gute Sache, aber eben ziemlich kompliziert. Wie ist beispielsweise eine Brille regelkonform zu entsorgen? Werden die Gläser vom Metallgestell getrennt oder wird alles gemeinsam weggeworfen? Wie sieht es mit Filzstiften aus? Oder mit gerahmtem Fensterglas?

Also, wenn man sich in diese Regelwerke einmal eingearbeitet hat, ist es eigentlich ganz einfach. Demnach gehören intakte ausgediente Brillen in die Altkleidersammlung oder zu anderen sozialen Einrichtungen und ansonsten in den Restmüll.

Filzstifte hingegen werden, sollte noch ein Rest von Schreibflüssigkeit in ihnen verborgen sein, als Sondermüll entsorgt. Sind sie jedoch leer und schreiben beim besten Willen nicht mehr, dürfen sie im Restmüll landen.

Ähnlich ergeht es dem gerahmten Fensterglas, denn auch das darf in den Restmüll oder aber auch auf die Deponie. Das hängt wahrscheinlich von der Größe ab. Es sollte jedoch keinesfalls in den Glascontainer. Aber mal ehrlich, wie sollte denn das auch gehen? Ich bekomme doch sowieso kein Fensterglas, also noch nicht einmal ein klitzekleines Toilettenfenster, durch die Einwurföffnung eines Glascontainers?!

Wie soll ich mir denn das alles merken?

Bei uns in Deutschland regeltreu zu sein, ist eine echte Herausforderung. Eigentlich ist es fast unmöglich. Und das ist keine Ausrede. Schauen Sie sich doch nur einmal die Schilderflut im Straßenverkehr an: Zurzeit sind beim Bundesverkehrsamt mehr als 600 unterschiedliche Schilder registriert, diese sind miteinander 1.800-fach kombinierbar; es befinden sich somit insgesamt über 20 Millionen Verkehrsschilder auf deutschen Straßen. Ja, Sie haben richtig gelesen: 20 Millionen. Also mir persönlich kommt das, ehrlich gesagt, ziemlich viel vor. Wenn man überlegt, was das wieder alles kostet: Schilder aufstellen, Schilder putzen, Schilder erneuern, Schilder abbauen, neue Schilder hinstellen, dann wieder putzen ... und zudem müssen ja auch noch die Leute bezahlt werden, die die Schilderflut planen und überwachen, und das bei 20 Millionen Schildern. Von den Herstellungskosten ganz zu schweigen.

Aber nicht nur das! Diese Schilderflut schafft noch weitaus mehr Unkosten, denn es müssen ja auch Psychologen beauftragt werden, die untersuchen, wie wir Menschen mit so vielen Informationen überhaupt umgehen. Oder anders gesagt, ab welchem Zeitpunkt wir völlig durchdrehen. Und diese Experten haben Interessantes herausgefunden, und zwar: Oftmals stellen die vielen Informationen tatsächlich eine Überforderung dar!

Na, wer hätte das gedacht? Man staunt bisweilen über Psychologen. Sie arbeiten still und fleißig im Verborgenen und plötzlich kommt ihnen eine Erkenntnis, und zwar nicht nur irgendeine, nein, sogar eine bahnbrechende.

Und mit den Erkenntnissen geht es noch weiter: Monotone Straßenumgebungen führen zu einer Abnahme der Aufmerksamkeit und somit der Fahrqualität, was wiederum durch zunehmende Geschwindigkeit kompensiert wird. Oder anders ausgedrückt: Je langweiliger der Straßenrand, desto mehr Gas gebe ich. Gebe ich dann also Gas, um der Langeweile zu entkommen?

Da kommt mir gerade ein interessanter Gedanke. Allerdings ist er noch in der Rohfassung. Also bitte nicht weitererzählen. Zumindest noch nicht.

Gerade schließt sich nämlich der Kreis, denn: Stelle ich viele komplizierte Schilder auf, ist der Autofahrer beschäftigt. Er denkt nämlich nach.

Worüber ist natürlich individuell ganz unterschiedlich. Der eine grübelt, wie er so viele Informationen unter einen Hut bekommen soll, der andere hingegen, ob hier wohl Kontrollen zu befürchten sind.

Demnach müsste es logischerweise doch folgendermaßen sein: Gibt es viele Schilder, denkt der Autofahrer nach. Je mehr Schilder er sieht, desto mehr denkt er. Je mehr er denkt, desto langsamer fährt er. Je langsamer er fährt, desto seltener wird er geblitzt.

Aber daran können die Gemeinden doch eigentlich gar kein Interesse haben, oder? Moment, irgendetwas stimmt von der Logik her nicht in meinem Gedankengang. Aber ich habe ja gleich gesagt, es ist nur eine Rohfassung.

Nun zu Ihnen: Wie sieht es mit Ihrer ganz persönlichen »Informationsverarbeitungskapazität« aus?

Experiment: Stellen Sie sich vor, Sie sind fremd in der Gegend und wollen einen Freund in Bischofsheim besuchen. Sie sind schon fast am Ziel, als Sie an dem folgenden Schild mit Tempo 50 km/h vorbeifahren. Bitte schauen Sie sich das Schild 2 bis 3 Sekunden an und blättern dann auf die nächste Seite.

Beantworten Sie nun die folgende Frage (natürlich ohne erneut auf das Bild zu schauen):

Wie viele der acht vorhandenen Informationen haben Sie wahrgenommen?

Antwort:

Die folgenden Informationen sind auf dem Schild zu sehen:

Links abbiegen Richtung A66

Geradeaus Richtung Frankfurt/Main

Straße führt unter Brücke hindurch

Anlieger frei

Verbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t

Baustelle

Stau

Großbaustelle »Ortsdurchfahrt Bischofsheim«

Und, an wie viele Informationen konnten Sie sich erinnern? An zwei oder drei, vielleicht sogar an vier? Im Falle, dass Sie weniger als zwei Informationen wahrgenommen haben, sollten Sie sich allerdings ernsthaft Gedanken machen. Konnten Sie jedoch zwischen zwei und vier, vielleicht sogar fünf Informationen aufzählen, befinden Sie sich im durchaus normalen Bereich. Haben Sie sich gar an sechs oder mehr Informationen erinnert, sind Sie entweder ein Überflieger oder haben gemogelt. Denn der durchschnittliche normale Mensch ist üblicherweise nicht in der Lage, sich mehr als zwei Verkehrsschilder gleichzeitig korrekt zu merken. Bei Fahranfängern sieht es dabei übrigens noch schlechter aus.

Ich selbst kenne dieses Phänomen nur zu gut. Ich fahre öfters mal auf der Autobahn, fühle mich soweit ganz wohl, höre den Verkehrsfunk, freue mich, dass die anderen und nicht ich im Stau stehen, bis plötzlich und völlig unerwartet ein Schild kommt, das die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung anzeigt. Mir wird schlagartig klar: Wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben, hat sie vorher bestanden.

Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich fange an zu transpirieren, bekomme kurzzeitig feuchte Hände, trete auf die Bremse und versuche, mich selbst zu beruhigen. Entweder, denke ich, haben die Zuständigen vergessen, das Aufhebungsschild abzubauen oder aber, ich tröste mich damit, dass ja sowieso nichts passiert ist. Denn wäre ich geblitzt worden, hätte ich schließlich dieses kurze rote Aufleuchten des Blitzgerätes gesehen. Habe ich aber nicht.

Allerdings gibt es heutzutage auch andere Formen der Messungen, und zwar nicht sichtbare Lasermessgeräte. Die finde ich übrigens respektlos. Uns wird überall beigebracht, Kritik soll zeitnah, offen und direkt stattfinden, und dann so etwas!

Heimlich, hinterrücks und verdeckt werden mir meine Fehler offenbart. Ich bekomme gar keine Chance, mein Verhalten in diesem Moment zu überdenken und bei Bedarf zu ändern. Ganz im Gegenteil, ich werde geblitzt, merke es nicht, erhalte erst Wochen, teilweise Monate, später eine Rückmeldung und stehe dann als Schuldiger da, praktisch ohne zeitlichen Bezug zur Tat. Mir wird, kurz gesagt, jede Möglichkeit der Reflexion meines Fehlverhaltens genommen. Und das, obwohl ich jemand bin, der überzeugt davon ist, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen einen Sinn haben können. Ganz bestimmt. Auch wenn dieser manchmal im Verborgenen bleibt. Aber man muss ja schließlich auch nicht alles wissen.

Das sollte dann jedoch für beide Seiten gelten: Die Verkehrsbehörde hat also ihre Geheimnisse und ich meine.

Doch zurück zu den unzähligen Straßenschildern. Einige Gemeinden sind da schon erstaunlich kreativ gewesen: Sie haben die Verkehrsschilder kurzerhand mit Plastiksäcken zugehängt. Flächendeckend galten dann Tempo 30, die »Rechts-vor-Links«-Regel und das »Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme« (§1StvO). Das alles führte dazu, dass die Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeit verringerten, miteinander Kontakt aufnahmen und sich z. B. an Kreuzungen durch Zeichen verständigten.

Aber ob das alles so neu ist? Also, ich verständige mich jetzt auch tagtäglich durch Zeichen, und zwar trotz der vielen Schilder, zum Beispiel auf der Autobahn, wenn wieder so ein nerviger Mittelspurfahrer unterwegs ist.

Oftmals kann man aber auch gar nicht anders

Kennen Sie das, Sie nehmen sich vor, sich heute einmal an Regeln zu halten, und dann haben Sie aufgrund äußerer Umstände keine Chance, ihren Vorsatz zu verwirklichen?

Also auch dann nicht, wenn sie sich richtig anstrengen. Es gibt nämlich tatsächlich Situationen, in denen man von fremden Menschen aufgefordert wird, nicht das zu tun, was eigentlich üblich wäre. Regelwidriges Verhalten wird sozusagen ausdrücklich erlaubt, wenn nicht sogar gefordert.

Meiner Tochter ist dies neulich passiert, und sie hat sofort eifrig daraus gelernt: Sie kam von der Schule nach Hause und erzählte begeistert, sie habe gerade Geld gespart. Sie sei mit dem Bus gefahren und wollte mit einem 50 Euro-Schein bezahlen, woraufhin der Busfahrer fragte, ob sie denn kein Kleingeld habe, da er nicht herausgeben könne. Als sie verneinte, ließ er sie umsonst mitfahren.

Drei Tage später bitte ich meine Tochter, das Geld für den Bäcker vorzulegen, woraufhin sie mir antwortet, dass sie dies nicht könne, da sie nur noch den 50 Euro-Schein habe, den sie aber dringend zum Busfahren brauche.

Doch nicht in jeder Situation wird regelwidriges Verhalten so eindeutig – aus welchen Gründen auch immer – toleriert. Manchmal werden Antworten auf Fragen auch versteckt formuliert, und zwar so versteckt, dass man meinen könnte, eine Aufforderung zum Regelverstoß heraushören zu können. Also, ganz sicher ist man sich nicht, aber es könnte eben doch schon sein.

In Ämtern unterschiedlichster Art ist mir so etwas schon mehrfach widerfahren. Man darf nicht vergessen, da sitzen ja schließlich Experten jeglicher Bereiche, sei es für Umweltfragen, Kindergeld oder Finanzen. Und eines ist festzuhalten: Diese Experten kennen alle Tricks und Gesetzeslücken. Denen macht man nichts vor.

Die Kunst besteht darin, ihnen zuzuhören, und zwar sehr genau zuzuhören. Denn sind sie einem wohlgesonnen, bekommt man bisweilen Hinweise, auf die man selbst niemals kommen würde.

So war ich letzten Sommer beim Umweltamt, da wir in dem Hinterhof unseres Elternhauses einen großen Baum fällen wollten. Auf die Frage, ob wir das dürften, wies man uns freundlich darauf hin, dass es nach dem Bundesnaturschutzgesetz verboten sei, Bäume in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September zu fällen, und zwar aufgrund der Vogelnester, die sich in den Bäumen verstecken könnten.

Nach längerem Gespräch mit der netten Dame vom Amt, fragte ich zaghaft, wie ich denn bei einem 15 Meter hohen Baum feststellen könne, ob Vogelnester zu finden seien, woraufhin diese antwortete, dass es in Fichten ja praktisch keine Nester gebe.

Na gut, dann haben wir also eine Fichte im Hinterhof, und zwar eine ganz ohne Nester, da bin ich mental durchaus anpassungsfähig. Und der hilfsbereite Gartenfachmann, der die Fällung des Baumes durchgeführt hat, war es auch.

Regeltreu zu sein, ist also wirklich hochkompliziert und gerade im Hinblick auf die immense Anzahl von Regeln, so etwa die des Straßenverkehrs, der Steuerpflicht, der Hausordnung, des Sportvereins, des öffentlichen Lebens, der Rechtschreibung, des sozialen Miteinanders, des Schrebergartenvereins, der Hundehaltung, der Meldepflicht, der Nutzung von Parks und Grünanlagen, der Sicherheit an Bord eines Flugzeuges, der Einnahme von Medikamenten, der Mülltrennung etc. etc. etc., besteht in der Tat die Gefahr, dass man die eine oder andere Regel vergisst, verdrängt, missversteht, durcheinanderwirft, falsch erinnert, niemals verinnerlicht hat oder einfach das sichere Empfinden verspürt, die Regel gelte zwar für andere, jedoch ganz sicher nicht für einen selbst.

Warum wir oftmals verstoßen, ohne es zu merken

Stellen Sie sich vor, Sie verstoßen gegen Regeln und keiner merkt’s. Noch nicht einmal Sie selbst. »Na, dann ist doch alles in Ordnung«, werden die Trickreichen denken. Ganz im Gegensatz zu den wahrscheinlich eher erschrockenen Regeltreuen. Doch woran liegt es überhaupt, dass wir manchmal gegen Regeln verstoßen, ohne dies mitzubekommen? Ganz einfach: Oftmals haben wir keinen blassen Schimmer von dem, was wir eigentlich gerade tun. Erschreckend, oder?!

Echt, die Regel gibt’s?

Ein Grund dafür ist übrigens die völlige Unkenntnis von Regeln. Hätten wir wenigstens Kenntnis von unserer Unkenntnis, wäre das Problem deutlich geringer. Dem ist aber nicht so. Ganz im Gegenteil: Wir sind oftmals sogar fest davon überzeugt, alles im Griff zu haben, also nicht nur die Regeln zu kennen, sondern auch alles richtig zu machen. Wir verstoßen demnach im besten Glauben. Was die Sache an sich objektiv gesehen aber nicht besser macht. Denn guter Glaube hin oder her, das Ergebnis bleibt letztlich das Gleiche.

So hatte meine Tochter neulich einen übersichtlichen Geldbetrag von ihrer Großtante geerbt. Man ist in solchen Fällen verpflichtet, eine Erbschaftssteuererklärung auszufüllen, was ich dann als ehrlicher Mitbürger natürlich auch tat. Besser gesagt, ich bemühte mich, es zu tun, und zwar regeltreu und fehlerfrei, was aber, offen gesagt, nicht ganz einfach war. So schrieb ich bei der Frage nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser naiverweise schlicht und einfach »Großtante der Tochter« hin, was jedoch, wie sich später herausstellte, nicht nur ungenau, sondern schlichtweg falsch war.

So teilte mir das Finanzamt mit, dass ich die Erläuterungen zur Anlage Erwerber lesen solle, wonach Verwandtschaftsverhältnisse wie folgt anzugeben sind: »Der Erwerber ist ... des Erblassers, z.B. Sohn, Tochter, Kind des Sohnes/der Tochter (nicht Enkel), Sohn des Bruders (nicht Neffe), Bruder des Vaters (nicht Onkel), Tochter des Bruders der Mutter (nicht Cousine)... « Ich dachte angestrengt nach. Demnach müsste meine Tochter doch die Urenkelin der Schwester meiner Mutter sein. Doch was schreibe ich anstelle von Urenkelin? Vielleicht die Mutter der Tochter der Tochter. Oder bin ich jetzt ganz durcheinander?

Ist letztlich auch egal, denn wer beschäftigt sich schon freiwillig mit solch diffizilen Fragen, wenn man nicht gerade etwas geerbt hat? Und das wiederum kommt schließlich nicht besonders häufig vor. Also war das Beispiel wahrscheinlich schlecht gewählt, zumindest um die eigene Kenntnis von Regeln zu testen.

Kein Problem, nehmen wir einfach andere Beispiele, und zwar solche aus dem ganz normalen, alltäglichen Leben.

Wie gut wissen Sie also Bescheid?

Wird in dem Satz »er wollte seinen Vortrag auf französisch/Französisch halten«, das unterstrichene Wort klein oder groß geschrieben?

Dürfen Sie als Passagier einer deutschen Fluggesellschaft Ihren selbst mitgebrachten Alkohol während des Fluges trinken?

Ist es Zehnjährigen in Deutschland erlaubt, auf dem Gehweg Fahrrad zu fahren?

Und konnten Sie alle Fragen locker beantworten? Gut, dann wussten Sie ja, dass ...

... »Französisch« groß geschrieben wird, da Sprachbezeichnungen in Verbindung mit Präpositionen immer groß geschrieben werden.

... es bei deutschen Fluggesellschaften prinzipiell im Flugzeug streng untersagt ist, selbst mitgebrachten Alkohol zu trinken.

... Zehnjährige auf dem Fahrrad nicht den Bürgersteig benutzen dürfen, sondern auf der Straße fahren müssen.

Ich persönlich habe, ehrlich gesagt, lediglich eine Antwort sicher gewusst, eine defintiv falsch beantwortet und bei einer lediglich geraten.

Aber woher soll man denn auch die zahlreichen Regeln, Verordnungen, Richtlinien und Gesetze kennen, zumal diese alle Nase lang wieder geändert werden? Ganz einfach: Jeder ist selbst dafür verantwortlich. Also, immer schön Zeitung lesen, auch das Kleingedruckte, Fernsehen schauen, Radio hören, im Internet recherchieren oder in Bundesgesetzesblättern, dem Bundesanzeiger sowie den Verkehrsblättern schmökern.

Kurz gesagt: Veröffentlichungen jeglicher Art beachten, frei nach dem Motto lus vigilantibus, also das Recht gehört dem Wachsamen. Oder anders ausgedrückt: Im Zweifelsfalle einfach Pech gehabt.

Und manchmal kriegen wir auch einfach nichts mit

Und jetzt stellen Sie sich einmal vor, Sie gehören zu den wenigen Menschen, die tatsächlich eine überdurchschnittlich gute Regelkenntnis besitzen, die sich zudem auch noch durch eine bodenständige Regeltreue auszeichnen ... und trotzdem verstoßen. Also sozusagen gegen Ihren Willen und Ihre Überzeugung.

Und es kommt noch besser: Sie sind sogar der festen Überzeugung, Sie hätten regeltreu gehandelt! Na, wie kann denn so etwas passieren? Sie sind weder betrunken, noch übermüdet und auch definitiv nicht frisch verliebt.

Nein, Sie haben ein ganz anderes Problem. Sie haben nämlich eine Störung, und zwar eine bei der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen.

Einem mir bekannten Mann, der insbesondere beim Autofahren nicht gerade mit Geduld gesegnet ist, erging es vor Kurzem so: Er hatte morgens einen wichtigen Termin und war relativ spät dran. Als er gerade um die Ecke bog, sah er einen Stau, verursacht von einem Müllauto oder besser gesagt, verursacht von der Dame im Auto direkt hinter der Müllabfuhr.

Diese behinderte – nach seiner Aussage – den gesamten Verkehr, da sie sich zum einen nicht zutraute, an dem Müllauto vorbeizufahren und zudem so weit auf der Straßenmitte fuhr, dass ein Überholen nahezu unmöglich war. Schließlich platzte dem Mann der Kragen. Er setzte also zu einem Überholmanöver an, bei dem er einem entgegenkommenden Fahrradfahrer nahezu jeglichen Lebensraum nahm.

Sein ganzer Ärger entlud sich nun auf die Dame im Auto vor ihm, die seiner Meinung nach nicht nur den Stau verursacht hatte, sondern auch noch schuld an seinem riskanten Überholmanöver war.

Denn wäre sie anders gefahren, wäre er nicht gezwungen gewesen, ein solches Risiko einzugehen. Die Verantwortung lag also eindeutig bei ihr, nicht bei ihm. Fand er zumindest.

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1. Auflage

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eISBN 978-3-641-06337-5

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