Regenbogenläufer - 15 Geschichten für Groß und Klein - Nicole Rensmann - E-Book
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Regenbogenläufer - 15 Geschichten für Groß und Klein E-Book

Nicole Rensmann

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Beschreibung

In "Regenbogenläufer" erfährst du mehr über die aufregenden Abenteuern des Ampelmännchens WilliRed. Du lernst reisende Sandkörner und hungrige Wollmonsterchen kennen, staunst über die alte Schildkröte Rasputin, die ihren Panzer auszog, und über die Storchendame Ariane, wie sie zu ihrem Findelkind kam. Begleite das Christkind im Wolkenexpress, reise mit mir zum Regenbogenkobold und erfahre, was passierte, als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel, - und vieles mehr! In diesem Sammelband finden sich Geschichten für die gesamte Familie (auch den Bruder, der auf Grusel steht und die Oma, die es gerne sanft mag). Wie ich zu den Ideen komme? Sie liegen auf der Straße, hängen in den Bäumen, fliegen mir zu, fallen auch schon mal aus dem Himmel. Ich muss mich nur bücken, sie aufheben oder fangen und feste an mich drücken. Exklusiv nur in der E-Book-Ausgabe, die Geschichten "Das Schaummonster" und "Der Tiger, der sich krank langweilte".

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Nicole Rensmann

 

 

Regenbogenläufer

 

15 Geschichten für Groß und Klein

 

 

 

 

 

2. Auflage

1. Ausgabe ebook, Mai 2011

2. Ausgabe ebook, September 2013

3. Ausgabe ebook, Februar 2019

Copyright © 1998 - 2011 by Edition Tilde

Nicole Rensmann, Schützenstraße 65, 42853 Remscheid

1. Auflage der Originalausgabe 2009 by Drachenmond Verlag, Leverkusen

Illustrationen: Jan Radermacher, Hamburg

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Vorwort

 

Für dich, du mein Leser …

Schreibe ich an Sie, liebe Eltern – oder an dich, mein Kind?

Das war die Frage, die ich mir stellte, als ich über den Inhalt dieses Vorworts nachdachte.

Nach vielen Zeilen und wiederholt neu beschriebenen Seiten beschloss ich, den alten Schriftstellern nachzueifern und es dir, meinem Leser, zu widmen.

Es ist mir egal, ob du sechs oder zwölf, 35 oder 89 Jahre alt bist. Ich freue mich, dass du hier bist, und hoffe deinen Tag mit diesen 15 Geschichten spannender, schöner, lustiger und amüsanter zu gestalten.

Ehrlichweise möchte ich aber erwähnen, dass es in diesem Vorwort sachlich zugeht und ich nicht böse bin, wenn dir die Entstehungsgeschichte zur Geschichte nicht gefällt und du viel lieber schon mal zum Anfang des Regenbogens vorgehen und mit der ersten Erzählung hier im Band beginnen möchtest. Ich komme gleich nach. Versprochen!

Alle Hiergebliebenen begrüße ich als »Vorwort-Liebhaber«, so wie ich auch einer bin. Willkommen an dieser Stelle.

Ich weiß nicht, wie es dir ging oder geht – je nach Alter –, aber ich war immer der Meinung, dass Geschichten für Kinder auch von Erwachsenen gelesen werden können. Als Kind habe ich Märchen verschlungen und heute lese ich sie nach wie vor.

Und so finden sich in diesem Sammelband Geschichten für die ganze Familie (und damit meine ich auch den Bruder, der auf Grusel steht und die Oma, die es gerne sanft mag).

1998 und 1999 – während ich schwanger war – habe ich als sehr kreative und produktive Zeit erlebt. So habe ich über ein Dutzend Geschichten für Kinder geschrieben. Ein paar dieser älteren Kleinode sind hier zusammen vereint. Viele davon wurden bereits veröffentlicht, andere warteten nur darauf, für diesen Band aus der Schublade gezogen zu werden. »Das Sandkorn auf Reisen« erzählt die Abenteuer eines Sandkorns. Sandkörner können keine Abenteuer erleben? Oh doch! Dieses schon.

Mit Sand muss auch »Die alte Schildkröte Rasputin« kämpfen. Rasputin ist ein Held, weil er weise ist, und er dennoch eine Dummheit begeht, die ihm – trotz, oder gerade wegen seines Alters – das Gefühl von Freiheit schenkt.

1999 entstanden noch weitere Geschichten, in denen Tiere mit Eigenheiten die Hauptrolle spielten.

»Der bunte Flamingo« ist eine Zoogeschichte. Ich hatte gelesen, dass sich das Federkleid der Flamingos durch die Farbstoffe der verspeisten Krabben und Krebse (in der Natur) und der roten Paprika (im Zoo) verfärbte. Ich fragte mich, welche Farbe die Federn wohl annehmen würden, wenn die Flamingos Nahrung mit anderen Farbstoffen zu sich nahmen?

»Bastian, die kleine Fledermaus« und »Ariane, die Storchendame« entstanden, wie unschwer zu erraten ist, auch in den Jahren 1998/99. Auch diese Geschichten zeigen, dass nicht alle Tiere gleich sein müssen, um überleben und glücklich sein zu können.

Diese nicht beabsichtigte Erkenntnis lässt sich natürlich auch auf den Menschen übertragen.

Während alle oben erwähnten Geschichten in unterschiedlichen Medien bereits veröffentlicht wurden, findet »Der frierende Pinguin« in diesem Buch seine Premiere.

Sie entstand 2001 nach dem für Schriftsteller häufig verwendeten Prinzip »Was wäre wenn …« und ist – wie uns die Natur manchmal zeigt – gar nicht so ungewöhnlich.

»Die Wollmonsterchen« trugen im Jahre 1999 den Namen eines bekannten Waschmittels. Um diesen für eine anstehende Veröffentlichung verwenden zu dürfen, fragte ich freundlich bei der Waschmittelfirma nach. Ich durfte nicht, im Gegenteil:

Mir wurde unter Androhung einer Unterlassungsklage juristisch untersagt, diesen Namen zu verwenden. (Deshalb nenne ich ihn natürlich auch jetzt nicht, und ich habe mich damals, in den folgenden Monaten beim Einkaufen immer wieder darüber lustig gemacht, indem ich besagten Namen stets umständlich umschrieben habe. – Ja, das gebe ich zu. So viel Spaß musste sein.) Wie dem auch sei, diese »Dings« mussten schnell neu getauft werden und das geschah mithilfe meiner Leser. Entstanden sind »Die Wollmonsterchen« aus einem Problem heraus, das wohl jeder kennt: Wohin verschwinden die Socken nach dem Waschgang? Außerdem verwendete ich Nostalgie und brachte eine Gimmickform des Heftes »Yps« mit ein, das jedoch nur die Leser Mitte dreißig und aufwärts kennen dürften.

Die erste Geschichte in diesem Band, »Das rote Ampelmännchen« schrieb ich 2003 noch unter dem Titel »WilliRed auf Tour«. Die Idee dazu kam mir, als bei einer Fußgängerampel nicht mehr zwei rote, sondern nur noch ein einzelnes rotes Männchen leuchtete. Wo mochte das zweite rote Ampelmännchen hingegangen sein? Diese Geschichte vereinigt West- und Ost-Deutschland ein zweites Mal miteinander. Auch wenn es immer noch Deutsche gibt, die darin einen Unterschied sehen.

Zu meinen Lieblingsgeschichten zählt »Luzifee«. Publikumsverlage wollten die Geschichte seinerzeit nicht veröffentlichen, mit der Begründung, dass niemand etwas über Teufelsmädchen lesen wolle. Längst gibt es zahlreiche teuflische Wesen auf dem Markt. Und auch meine Luzifee – woran ich nie gezweifelt habe – eroberte auf den Lesungen und in bereits veröffentlichten Anthologien die Herzen aller Leser. Darum musste das neugierige Teufelsmädchen noch einmal mit in diesen Band.

Kommen wir zu den aktuelleren Erzählungen und bewegen wir uns auf das Ende des Jahres zu. Ich hoffe, du kannst mir noch folgen. Zumindest hast du tapfer durchgehalten.

Ich mag es, wenn die Geschichte eine Botschaft enthält, wobei diese oftmals nicht bewusst in die Handlung eingeführt wird. Der mehrfach ausgezeichnete, amerikanische Autor Chris van Allsburg vermittelt in seinen eigens illustrierten Erzählungen kleine Belehrungen mit viel Witz und Charme wie kein Anderer. Doch er hat nicht nur zahlreiche eigene Erzählungen herausgebracht. Sein »The Mysteries of Harris Burdick«, das im Deutschen nicht vorliegt, aber auch nicht vorliegen muss (was sich gleich von selbst erklärt), ist die Zusammenstellung von 14 Bildern, die sein Verleger von einem Mann namens Harris Burdick erhielt. Obwohl der Verleger gerne ein Buch mit diesen mysteriösen Bildern herausgebracht hätte, verschwand Harris Burdick unauffindbar. Und so gibt es nur seine Illustrationen, die sich hervorragend als Vorlage für eigene Geschichten eignen. Für Schreib-Workshops verwende ich die Bilder aus »The Mysteries of Harris Burdick« als Ideen vorlagen.

Als Beispiel schrieb ich eine Geschichte zu dem Bild mit dem Titel »Another Place, Another Time – If there was an answer, he´d find it there.« (»Ein anderer Ort, eine andere Zeit – Wenn es eine Antwort gab, würde er sie dort finden.«) »Halloween-Castle« wird in diesem Band zum ersten Mal veröffentlicht und ist – wie das zu Halloween sein sollte – ein bisschen gruselig.

Und darum wechseln wir nun zu dem Familienfest schlichtweg: Weihnachten.

Du findest hier sechs verschiedene Weihnachtsgeschichten: Neue, alte, sonderliche, besondere oder weihnachtliche Erklärungsversuche. Weihnachten kommt jedes Jahr wieder und Ideen gibt es reichlich.

»Rudolph und der Regenbogenkobold« schrieb ich im März 2005, als Weihnachten vorbei war und wir auf den Frühling hofften. Ich wäre sicherlich nie auf die Idee gekommen, diese Geschichte zu schreiben, wenn mich nicht die damalige Erzieherin meines Sohnes gefragt hätte, ob ich für den Kindergarten eine Geschichte schreiben würde, mit der sie an einem Wettbewerb teilnehmen könnten. Die Kinder malten und bastelten dazu. Das Thema: Weihnachten, Rudolph und die Wichtel. Und so schrieb ich. Gewonnen haben wir nicht, aber das Schreiben hat sehr viel Spaß gemacht. Hoffentlich hast du, lieber Leser, genauso viel Spaß dabei.

Kinder fragen viel. Das muss auch so sein, denn wer nicht fragt, kann auch nichts lernen. Aus dieser »Sesamstraßen«- Weisheit entstand im Oktober 1999 (Ach, da hat sich ja noch eine ältere Geschichte dazwischen gemogelt) »Ben hat mal ´ne Frage« – ein Erklärungsversuch dafür, wer die Geschenke bringen muss. Wenn du das nicht wissen möchtest, dann spring zu »Mara trifft den Weihnachtsmann«, obwohl hier auch nicht alles so ist, wie es traditionell erzählt wird.

Weihnachtsnostalgie kommt bei »Der Wolkenexpress« auf.

Diese Geschichte schrieb ich anlässlich eines Wettbewerbs von Radio RSG im Jahre 2007. Die besten Geschichten sollten, gelesen von den Radiomoderatoren, auf CD gebrannt und für einen guten Zweck verkauft werden. »Der Wolkenexpress« gehörte dazu und liegt nun das erste Mal auch in gedruckter Form vor.

Meine jüngst verfasste Erzählung, die auch für Kinder – aber besonders für Omas – geeignet ist, heißt »Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel«. Nostalgisch, voller Schnee und etwas fürs Herz.

Zumindest hat sie meines berührt.

Jetzt weißt du, wie die Geschichten entstanden sind oder wie der Autor zu seinen Ideen kommt: Sie liegen auf der Straße, hängen in den Bäumen, fliegen mir zu, fallen auch schon mal aus dem Himmel. Ich muss mich nur bücken, sie aufheben oder fangen und feste an mich drücken.

Wow, du hast es wirklich bis hierhin geschafft. Dann stürze dich nun auf den wichtigsten Teil des Buches: Die Geschichten.

Lies sie alleine, mit deinen Eltern, deiner Oma oder deinem Opa, der Freundin oder dem Freund, du kannst sie mit deinen Kindern lesen oder deinen Enkelkindern vorlesen.

Ich wünsche dir viel Vergnügen!

Nicole Rensmann

Remscheid, im Juli 2009

Das rote Ampelmännchen

 

WilliRed hatte die Nase voll. Er wollte nicht länger unbeachtet bleiben. Denn er war das zweite rote Ampelmännchen und darum vollkommen sinnlos. Es reichte schon, wenn Redspotts – so lautete der Name des oberen roten Männchens – aufleuchtete. Dann mussten die Fußgänger stehen bleiben.

Und sobald Greenspotts strahlte, durfte die Straße überquert werden. WilliRed fühlte sich unnütz.

Er konnte auch nichts daran ändern, dass die Menschen viel zu oft vergaßen, sich noch einmal zu vergewissern, ob die Autos auch gestoppt hatten. Denn längst nicht alle Autofahrer kannten die Regeln und fuhren einfach über die Ampel, obwohl sie für Fußgänger grün anzeigte. Schon so viele Male hatten sich die Ampelmännchen die Augen zugehalten, weil ein Kind den quietschenden Reifen nicht mehr auszuweichen wusste. Diese Unfälle wollte WilliRed nicht noch einmal miterleben.

Außerdem sah er keinen Sinn darin, länger als Zweiter in der Reihe auf seinen Einsatz zu warten. Das langweilte ihn.

Er ärgerte sich über den Verkehrslärm und die stickige Luft, die in seinem Ampelkasten, trotz der fehlenden Glasscheibe, herrschte. WilliRed wünschte sich, nicht länger vom Regen durchnässt und von Hagelkörnern getroffen zu werden. Am schlimmsten aber waren seine Rückenschmerzen, die er vom ewigen Aufrechtstehen bekam. Auch die Stretchübungen, die er in der Nacht machte, halfen nicht dagegen. Aber sie brachten zumindest Abwechslung in seinen Alltag, und so ließ er die Arme kreisen, dehnte seine Kabel – natürlich nicht zu stark –, streckte die Schultern, machte Rumpfbeugen oder Liegestütze.

Am liebsten aber lief er auf der Stelle, stundenlang, manchmal bis Morgengrauen. Er endete mit seinen Übungen, sobald die ersten Autos vorbei fuhren.

Nur einmal hatte ihn ein Passant bei seiner Gymnastik ertappt. In einer warmen Sommernacht, kurz vor Sonnenaufgang, wanderte der Mann, die Arme auf dem Rücken verschränkt, über die verlassene Straße. Beiläufig blickte er auf die Ampel und stoppte so abrupt, dass er vergaß, sein linkes Bein abzusetzen, das er soeben angehoben hatte, um einen Schritt zu machen. Mehrfach rieb sich der Mann die Augen, er musste wohl sehr müde sein. WilliRed winkte ihm zu und sprang auf und ab. Niemand würde dem Mann glauben, dachte das Ampelmännchen. Mit offenem Mund starrte der Mann zu WilliRed hinauf und stolperte schließlich leise vor sich hinmurmelnd weiter die Straße entlang.

Zu gern wäre WilliRed ihm gefolgt. Nur um zu sehen, wo die Menschen lebten, wohin sie gingen, wenn sie nicht die Straße überquerten. Viele Tage dachte er darüber nach und sehnte sich nach der Menschenwelt.

An einem regnerischen Herbsttag flog ein großer, schwarzer Rabe an der Ampel vorbei. Er kreiste umher, als hielte er nach Futter Ausschau. Vielleicht hatte er auch vergessen, wo sich sein Nest befand. So viele Bäume säumten die Straßen links und rechts, da konnte selbst ein großer Vogel schon einmal die Orientierung verlieren. Er krähte verärgert und ließ seinen Dreck fallen. Der weiß-schwarze Klumpen platschte genau auf WilliReds Kopf. Angeekelt zwinkerte das Ampelmännchen, doch es durfte sich jetzt nicht bewegen, denn die Fußgängerampel zeigte rot. Und als sei all das noch nicht schlimm genug, heulte der kalte Wind auf, als wolle er WilliRed auslachen. Die Blätter tanzten durch die Luft. Ein gelbes Ahornblatt blieb genau auf dem Vogeldreck haften.

Als die Ampel endlich auf Grün umsprang und die roten Ampelmännchen ihr Licht ausknipsten, versuchte WilliRed den Vogeldreck mit dem Blatt von seinem Kopf zu wischen.

Er fror, und nie zuvor hatte es sich so unglücklich gefühlt wie in diesem Moment. Er weinte. Und immer wenn er weinte, begannen seine Leuchtdioden zu knistern. Dann blinkte er nervös. Ein Wackelkontakt, glaubten die Fußgänger dann stets zu wissen.

In dieser Nacht wartete WilliRed, bis die Straßen verlassen dalagen, kein Auto über die Kreuzung fuhr, kein Fußgänger die Straße überquerte. Redspotts, das obere rote Ampelmännchen, versuchte es von seinem Vorhaben abzuhalten. Doch WilliRed reagierte verärgert, und ohne sich zu verabschieden, öffnete er die Tür der Ampelanlage und knallte sie hinter sich zu. So fest, dass er selbst vor Schreck zusammenzuckte. Für eine Sekunde vergaß er seinen Ärger und seinen Frust. Dann schaute er sich verstohlen um. Als er niemand entdeckte, rutschte er langsam den Ampelpfahl hinab. Die Rufe seiner Kumpels beachtete er nicht.

Unentschlossen blickte WilliRed die Straße entlang. Erst nach links, dann nach rechts und dann noch einmal nach links, so als sei er ein normaler Fußgänger. Von hier unten wirkte alles unübersichtlicher und viel größer. Er knipste sein Lämpchen an, aber weit reichte der Lichtkegel nicht. Darum überquerte WilliRed auch nicht die Straße. Ängstlich versteckte sich das rote Ampelmännchen hinter einem Baum, blickte in jede Richtung, rannte los und suchte Schutz hinter dem nächsten Stamm. Als es mehr Mut gefasst hatte, ging es, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, abwechselnd singend und flötend den Bürgersteig entlang. Manchmal sprang es in die Höhe, winkte anderen Ampelmännchen zu, die ihm entgeistert hinterher starrten und dabei vergaßen, ihre Aufgabe ordnungsgemäß auszuführen. Nur gut, dass kein Verkehr herrschte und alle Menschen vom Erdboden verschluckt zu sein schienen.

WilliRed lächelte, er trippelte im Kreis und steppte über den Asphalt. Wie schön und groß die Welt von hier unten wirkte.

Der Himmel war bedeckt gewesen, doch nun öffnete sich die Wolkendecke und gab den Mond frei. Sein helles Licht beleuchtete den Gehweg. WilliRed stoppte, blickte nach oben und betrachtete die helle runde Scheibe. Noch nie hatte er den Mond gesehen. Die dicht an seine Ampel grenzenden Bäume verhinderten selbst jetzt im Winter, wenn sie ihre Blätter verloren hatten, die Sicht zum Mond. In seiner stummen Faszination bemerkte das Ampelmännchen nicht, dass sich ihm ein Hund näherte. Erst als der schwarze Pudel winselte, nachdem er sich die Nase an dem roten Ampelmännchen verbrannt hatte, erstarrte WilliRed vor Angst. Aus einiger Entfernung erkannte er einen Menschen, der auf den Hund zueilte. Rasch schaltete WilliRed sein Licht aus. Wo sollte es sich verstecken? »Komm zurück! Bella! Komm sofort hierhin!«, rief der Hundebesitzer energisch. Und Bella gehorchte. Der Hund warf WilliRed noch einen misstrauischen Blick zu, knurrte leise, trottete dann jaulend zu seinem Herrchen zurück und holte sich ein paar Streicheleinheiten. Der Pudel lief nun gehorsam neben seinem Herrchen geradewegs auf WilliRed zu. Rasch rannte das Ampelmännchen auf einen Hauseingang zu, um sich dort zu verstecken. Dabei übersah es die Fußmatte, stolperte und stürzte kopfüber durch ein Abtropfgitter. Mit einem erstickten Aufschrei landete WilliRed in einem Müllhaufen. Er wühlte sich durch Kaugummipapier, Zigarettenstummel, Knubbel aus Taschentüchern, verlorene Pommes und ein angebissenes Käsebrot, bis er endlich wieder auf den Beinen stand. Verärgert blickte er nach oben. Obwohl das Gitter nicht weit entfernt war und sich WilliRed reckte und hüpfte, gelang es ihm nicht die Stäbe zu umfassen. Mit blinkenden Augen schaute er sich um und entdeckte eine Zigarettenschachtel, die er zu sich heranzog und auf die er nun vorsichtig kletterte. Die Pappe wackelte ein wenig, doch WilliRed glich die Unebenheit gekonnt aus, indem er ständig in Bewegung blieb. Durch seine nächtlichen Übungen war er gelenkig und sportlich. Noch reichte seine Hand nicht an das Gitter heran. Er hüpfte einmal, verfehlte die Verstrebungen jedoch um Kabelbreite. Doch WilliRed gab nicht auf, er sprang erneut in die Höhe, dann noch mal und endlich umfasste seine rechte Hand eine Stange. Elegant zog er sich hoch, stemmte sich aus dem Gitter wieder an die frische Luft und balancierte über die Streben zurück auf den Bürgersteig.

Das wäre geschafft! Befreit lachte er auf und stolzierte weiter.

Überrascht stellte WilliRed fest, dass der Mond verschwunden war und der Himmel von Dunkelblau zu Hellblau gewechselt hatte. Eine andere helle Scheibe streichelte mit ihren Strahlearmen über seinen Kopf. WilliRed winkte der Sonne zu.

Tagelang wanderte das rote Ampelmännchen umher.

WilliRed war erstaunt von all den vielen Lampen, die in den Städten leuchteten und flimmerten. Manchmal blieb er stehen, nur um den flackernden Lichtern zuzusehen. Dann stand er mit weit aufgerissenen Augen, den Kopf in den Nacken gelegt, da und bestaunte eine Leuchtreklame oder eine Kinoankündigung.

Und immer lächelte er, wenn es an einer Ampelanlage vorbeikam.

Ampelmännchen müssen weder schlafen noch essen, sodass WilliRed nur eine Pause einlegte, wenn seine Füße über den Asphalt kratzten, weil WilliRed die Kraft fehlte, die Beine anzuheben.

---ENDE DER LESEPROBE---