Religion ist, wenn man trotzdem stirbt - Jürgen Becker - E-Book

Religion ist, wenn man trotzdem stirbt E-Book

Jürgen Becker

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Beschreibung

Ist der Moslem eher katholisch oder evangelisch?Religion und Humor gehören untrennbar zusammen, huldigen sie doch demselben Gedanken: die Dinge anders zu sehen als ursprünglich gedacht. Die Torte gehört auf den Kaffeetisch, doch zur frohen Botschaft wird sie erst im Gesicht des Patenonkels. Genau dort definiert sie den Unterschied zwischen Mensch und Tier – der Mensch ist ein Wesen, das lachen kann. »Der Glaube ist ein Ärgernis für die Vernunft«, bemerkte schon der Apostel Paulus. So hat die Kirche seit 2000 Jahren dasselbe Problem: Sie muss etwas verkaufen, was noch nie jemand gesehen hat. Da kommen Sie mit Vernunft nicht weit, da brauchen Sie Phantasie! Eine Jungfrau wird Mutter, ein Toter steht auf, eine Torte fliegt. Womöglich fliegt auch dieses Buch bei manch gottesfürchtigem Leser gegen die Schrankwand.Doch Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt. Religion ist, wenn man trotzdem stirbt. In der modernen multireligiösen Gesellschaft ist Religion ohne Humor vor allem eines: gefährlich! Dieses Buch ist ein bestechendes Plädoyer für einen schillernden Polytheismus. Es zeigt dem Leser auf moussierende Art, wie er alle guten Götter auf seine Seite bringt: Religion als Kuchenblech der Phantasie.  

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Seitenzahl: 155

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Jürgen Becker

Religion ist, wenn man trotzdem stirbt

Ein Handbuch für Humor im Himmel

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Jürgen Becker

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Haben Sie Feuer?

Feuerwehr versus Pfarrei

Sympathy for the devil

Ewig währt am längsten

Die katholische Hölle

Schillers Schädel

Kieferzwischenknochen

Mythen in Tüten

Lachen ist eine Fehlinformation ans Gehirn

Paradies und Parasit

Das Auge isst man mit

Siegeszug der Erbkranken

Vom Energiefresser zum Sparer

Was ist Religion?

Opferkult

Angsthase Mensch

Die Geschichte der Erde

Warum haben Frauen Handtaschen?

Gibt es im Himmel Mücken?

Internationale Religionsanbieter

Die Kanaanäer

Jungfrauengeburt

Muschelsex

Die Griechen

Glaube ärgert Vernunft

Chlodwig

Wald versus Wüste

Zoff in Zülpich

Mohammeds Erben

Christen bei Kerner – Religion als Kochshow

Mythophilos

Die Rückkehr der Vielfalt

Lob der Gewaltenteilung

Noch eine tote Hand hielt krampfhaft den Geldbeutel fest

Gott rechnet, denn alles auf Erden ist Mathematik

Wo ist der Religions-TÜV?

Hast du zum Küssen Gelegenheit, Mensch dann geh ran mit Verwegenheit

Was ist Gott?

Fundamentalismus und Humorlosigkeit

Ab jetzt nur noch lustig

Vom Lachen in der Kirche

Schluss mit lustig

Im Großen und Ganzen Grau

Eusi Erbstösser

Eusi Erbstössers Heimkehr

Rechtenachweis Bilder

Rechtenachweis Zitat

Hinweise zum Buch

Inhaltsverzeichnis

Haben Sie Feuer?

So geht es mit Tabak und mit Rum:

Erst bist du froh, dann fällst du um.

Wilhelm Busch

Das Rauchverbot in Kneipen ist vernünftig. Allerdings ist Rauchen der letzte Zugang des Menschen zum offenen Feuer. Daher ist es in Deutschland schwerer durchzusetzen als in Spanien, Frankreich oder Italien. In den wärmeren Mittelmeerländern hat man Feuer von jeher im Freien gemacht. So war es für die Menschen dort ein Leichtes, zum Rauchen mit Feuer und Zigarette vor die Tür zu gehen. Wir Deutsche im kälteren Germanien haben Feuer immer in unseren kalten Höhlen gemacht, als Heizung, als Opferritus und vor allem als Schutz vor wilden Tieren. Wir sind es von jeher gewöhnt, im Rauch zu sitzen, weil wir uns dort sicher fühlten. Deswegen qualmen wir unsere Eckkneipen so gerne voll, weil wir Angst haben, es käme ein großer böser Bär hinein und könnte uns fressen. Deshalb ringt man seit Jahren um Kompromisse. Wenn es eine Speisegaststätte mit vollwertigen Mahlzeiten ist, wird auf das Rauchen verzichtet. Dann ist der Bär ja schon erlegt. Wenn es sich aber nur um eine Einraumkneipe unter 75 m2 mit allenfalls kleinen Häppchen handelt, ist das Rauchen vorerst weiter erlaubt. Ebenso bei einer Familienfeier. Dann sitzt ja die Sippe wieder in der Höhle.

(Rechtenachweis Nr. 1)

So ist auch Religion ohne Feuer und Rauch kaum denkbar.

Wenn hier auch der Weihrauch dem Gesundheitsschutz der minderjährigen Messdiener und der Gemeinde zum Opfer fiele, fänden das viele vernünftig. Aber es müsste mit derselben Argumentation geklärt werden: Ist der Leib Christi eine vollwertige Mahlzeit oder nur ein Snack? Ist das Hochamt eine Familienfeier, da wir alle Kinder Gottes sind?

Aber diese Diskussion bleibt uns erspart, denn Religion ist nicht vernünftig. Die Kirche ist eine Firma, die seit 2000 Jahren dasselbe Problem hat: Sie muss etwas verkaufen, was noch nie jemand gesehen hat. Da kommen Sie mit Vernunft nicht weit, da brauchen Sie vor allem eines: Fantasie!

Inhaltsverzeichnis

Feuerwehr versus Pfarrei

Seit vielen Jahren mache ich Familienurlaub im Ostseeheilbad Zingst. Auf den ersten Blick hat dieser malerische Ferienort zwischen Ostsee und Boddengewässern nichts, was junge Familien und wohlhabende Rentner beunruhigen könnte. Doch wer länger bleibt, findet hier vom gemütlichen Weinladen mit Ofenheizung bis zum kühlen Tennisplatzbetreiber, der einen gerne mal vom Hof prügelt, jenes Spannungsfeld von warmherziger Gastlichkeit und Action, das im Robinson Club erst künstlich erzeugt werden muss. Wer außer entspanntem Strandurlaub auch Rummel liebt, braucht hier keinen Animateur. Er findet einen Fischbrötchenverkäufer, der den ursprünglich wohl idyllischen Hafen mit Plastikplanen, Werbewirrwarr und unterirdischen Alleinunterhaltern zu einer Geisterbahn des schlechten Geschmacks macht. Selbst liberale Rheinländer wundern sich über so viel Toleranz: »Darf der dat? Dat der dat darf!« Dazu passt ein Ausflugsdampfer, der uns mit gefaketen Schornsteinen, allerlei amerikanischem Tinnef und einem völlig funktionslosen Schaufelrad am Heck weismachen will, Zingst läge am Mississippi. Der Titel, den ich meiner Heimatstadt zudachte, hätte auch hier seine Berechtigung: »Biotop für Bekloppte«. Also genau das Richtige für mich.

Das Wort »Heilbad« hat aber nichts damit zu tun, dass einst Hitler und Mussolini den Ort besuchten. Der östliche Ortsteil war im Dritten Reich eine große Wehrmachtskaserne, später nutzte die NVA die Anlage, heute der ADAC. Im typischen Stil der Nationalsozialisten steht noch heute die Kommandantur der Kaserne. Sie beherbergt heute das Ordnungsamt. Wer mit ihm zu tun hat, spürt weiterhin den scharfen Ton der Truppen. Kein Wunder, hier wurden unbrauchbar gewordene Militaristen eingelagert. Von der Speerspitze des Warschauer Pakts zum Strafzettelchenverteiler in der Parkbucht, diesen herben Bedeutungsverlust scheinen nicht alle ohne Arroganz kompensieren zu können. Die Bewohner titulieren die Hilfssheriffs mit Spitznamen wie »Walross« und »Giftzahn«, und jeder weiß, wer gemeint ist. Meist aber werden Tonfall und Rituale des Militärs nicht vermisst und die Nutzung der Kaserne als Campingplatz begrüßt. Denn Camping ist, wenn man die eigene Verwahrlosung als Erholung empfindet. Und erholen kann man sich in Mecklenburg-Vorpommern. Dort oben habe ich immer das Gefühl, ich bin im Ausland, aber ich kann die Sprache.

Eine über 40 Jahre völlig anders verlaufene Nachkriegsgeschichte macht diesen herrlichen Landstrich auch kulturell und rituell interessant. Statt »Geschlossene Gesellschaft« liest der Gastronomiefreund hier öfters »Geschlossen wegen Jugendweihe«. 80 Prozent der Einwohner sind nicht religiös. Katholiken finden Sie nur in homöopathischen Dosen, meist ehemalige Sudetendeutsche. In der Gemeinde Zingst sind das der Bürgermeister und sein Bruder. Dann gibt es noch eine Handvoll Evangelen, und der Rest glaubt mehr oder weniger an den Seewetterbericht und die Segnungen der Kurtaxe. Dennoch veranstaltet Zingst ein großes Osterfeuer. Bei uns im Rheinland kennt man große Feuer an St. Martin oder in ländlichen Gebieten, wenn jemand mithilfe der Feuerversicherung Haus und Hof heiß saniert. Aber Osterfeuer? Was hat Auferstehung mit Verbrennen zu tun?

Das will ich sehen, karren doch den ganzen Samstag die Zingster ihre Gartenabfälle auf den großen Festplatz. Um 18 Uhr bin ich vor Ort. Der Würstchengrill neben der Bierbude raucht schon, gut 300 Menschen starren bei zwei Grad Celsius erwartungsfroh auf den Scheiterhaufen, aber trotz Einbruchs der Dunkelheit ist der Riesen-Reisigberg noch jungfräulich. Lautsprecher sind aufgebaut, ein Notstromaggregat brummt. Vielleicht sagt der Bürgermeister was, der Gemeindepfarrer oder der nette Kurdirektor, vielleicht sogar die Chefmasseuse vom Kurmittelzentrum und der Brandmeister der Löschgruppe Fischland-Darß-Zingst. Jetzt kommt tatsächlich ein Feuerwehrmann in vollem Ornat. Aber er sagt nichts. Er zündet einfach den Haufen an – fertig. Im Wagen der Kur und Tourismus GmbH sehe ich jedoch jemanden eine CD auspacken. Händel? Bach? Matthäus-Passion? Nein, es ist Cheri Cheri Lady von Modern Talking. Hätte ich auch drauf kommen können, dass Ostern ohne Bohlen kein Ostern ist. Dieter, der alte Häschenfreund. Oder wie Stern-Autor Wolfgang Röhl es sagt: »Der Bonobo unter den Tonsetzern.«

Das Feuer nimmt schnell die Arbeit auf, eine Riesen-Rauchwolke steigt gen Himmel, die Musikauswahl entspricht der eines Autoskooters. Die Kirmes-Hits der 70er, 80er, 90er und das Beste von heute. Aber keine Rede, kein Wellness-Varieté und kein Kulturprogramm. Ein Bier aus dem »Plaste-Becher«, ein Rostbratwürstchen mit Senf aus der Region und Funkenflug. Das ist das abendländische Endergebnis mit Rostocker Pils. Geht auch.

Aber selbst routinierte Atheisten müssen nun zugeben: Da hätte die Kirche, vor allem die katholische, rituell weit mehr draus gemacht. Zwar hat auch die freiwillige Feuerwehr ihre Dreifaltigkeit plakatiert, »Bergen, Löschen, Kellerleerpumpen«, aber vom Ritualdesign versteht sie nichts. Was stellt die katholische Kirche bei uns im Rheinland da nicht alles auf die Beine, wenn sie ein Feuer macht – und das bereits bei einem Fest, das in der Rangordnung des Kirchenjahres eher einen der unteren Plätze belegt. Was ist schon die dilettantische Altkleiderspende eines Mittelgewichtsheiligen vom Zossen herunter, genannt »hillije Zinte Määtes« (heiliger St. Martin) gegen die Auferstehung von Jesus Christ Superstar at Easter? Doch selbst der kleine heilige Määtes wie du und ich bekommt einen Spielmannszug mit reichlich Bläsern, Schulklassen, die singen: »Ich geh mit meiner Laterne, rabimmel rabammel rabumm« (Lied 312), einen Umzug durch das Viertel mit rot-weißen Ministranten und Diakonen, und allen voran der prunkvoll bekleidete St. Martin hoch zu Ross. Dann erzählt der Pfarrer die Geschichte, dass der Zinte Määtes auf dem Pferd seinen schönen Mantel mit dem Schwert halbierte, um den armen Bettler zu wärmen. Die Kinder gucken ungläubig, aber auch hier triumphiert die Fantasie wieder über die Vernunft. Während das Feuer brennt, kann man sinnieren: Was soll der Bettler mit einem kaputten halben Mantel? Warum halbiert der heilige Martin nicht das Pferd? Mit großen Portionen rheinischen Sauerbratens wäre dem Obdachlosen weit besser geholfen.

Und bei all diesen Gedanken um den Martinsmythos läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Mehr als am Würstchenstand neben dem Ostsee-Osterfeuer. Ich esse ja sehr gerne Pferdefleisch. Und wenn Sie gerne reiten – kein Problem. Eins nach dem andern.

Was braucht der Mensch? Räume, Regeln und Rituale. Um öffentliche Räume kümmern sich die Stadtverwaltung und der Bebauungsplan, um Regeln der Gesetzgeber. Aber Rituale, darauf könnten wir uns vielleicht einigen, kann nach wie vor die Religion am besten.

Helfen, aber richtig: St. Martin, Randi Becker (12)

Inhaltsverzeichnis

Sympathy for the devil

Ich besuche regelmäßig einen Ritualdesigner. Mein Freund Franz Meurer ist katholischer Pfarrer. »Franz«, frage ich, »glaubst du an den Teufel?« »Ja, natürlich!«, ruft er laut aus der Küche, während er Eier abschreckt. »Dann habe ich doch mehr Auswahl. Der Teufel ist ein gefallener Engel, der dem lieben Gott gesagt hat: Leck mich am Arsch, ich mache eine eigene Firma auf!«

Wie im Leben, denke ich. Das kennen viele Meister von ihren Gesellen: Die Besten gehen. »Aber, Franz, das mit dem ewigen Leben ist eigentlich keine gute Erfindung von euch. Die ersten 100000 Jahre sind vielleicht noch ganz nett, aber irgendwann will der Mensch doch einfach mal ins Bett. So hängen wir ewig im Himmel und denken irgendwann: Verdammter Mist, das geht und geht nicht vorbei.« Jetzt bringt Franz die Eier zum Frühstück und sagt lapidar: »Ja, ewig heißt doch nicht, dass das nie vorbei ist.«

Katholiken verblüffen mich immer wieder. Auch die Juden. Woody Allen ist sich sicher: »Natürlich gibt es das Paradies. Die Frage ist nur: Wie weit ist es weg vom Zentrum, und wie lange hat es auf?« Aber auch er stimmt mir zu:

»Die Ewigkeit zieht sich, vor allem gegen Ende hin.«

Inhaltsverzeichnis

Ewig währt am längsten

Nicht bei allen Weltreligionen gehört das ewige Leben zur Serienausstattung; bei den Buddhisten muss man nicht mal etwas glauben. Es handelt sich mehr um eine Haltung, die vom Komposthaufen der Natur abgeleitet ist. Der vermodernde Ast wird zum Humus für die Osterglocke. Eine Wiedergeburtskette, die letztlich im großen Nichts endet. Nirwana. Kein personifizierbares Weiterleben, sondern Baustein für das nächste Geschöpf – lass dich überraschen. Doch für uns Europäer ist die Ewigkeit zentraler Gimmick des Glaubens, es gehört zur spirituellen Klimaautomatik, sich eine ganz persönliche Zugabe herauszubeten. Der Mensch gehört nicht zum Naturkreislauf, sondern bekommt eine Sonderbehandlung. Das ist objektiv unplausibel, subjektiv aber eine reizvolle Idee. Wenn der Körper ausgemustert wird, macht die Seele einfach weiter. Sie sagt auf dem Umtrunk, der sich Leben nennt: »Körper, wenn du müde bist, geh du schon mal heim. Ich bleibe noch ein bisschen.«

Nun war der Übergang vom Tier zum Mensch aber fließend, ebenso der von der Pflanze zum Tier. Also müssten auch Schmeißfliegen und Stiefmütterchen in den Himmel kommen. Tatsächlich beschäftigen sich Theologen mit solchen Fragen, da die Menschen wissen wollen: Kann ich meinen Hund mitnehmen? Diese Ungewissheit hat Folgen. Der Tod ist heute der größte anzunehmende Ernstfall, der auf jeden Fall verhindert werden muss. Das war nicht immer so. Bei den Etruskern wurde der Tod noch als überdimensionale Vagina dargestellt. Frauen werden von knackigen jungen Männern hindurchgezogen, Männer von bildhübschen Mädchen. Die Beobachtung, dass Männern beim Sterben bisweilen das Glied versteift, führte wohl zu dieser Vorstellung – das Ableben als erotischer Akt. Todessehnsucht und Todesangst hielten sich in etwa die Waage. Heute demonstriert schon die Automobilindustrie mit der Anzahl der Airbags, dass dies nur noch selten der Fall ist. Allein die Formulare der Sterbeversicherung töten jede orgiastische Lust am Sterben, ganz zu schweigen von den unerotischen Kachelräumen der Intensivstation.

Immerhin gelingt es der modernen Medizin immer öfter, diesen Ernstfall weiter hinauszuzögern. Eine Meldung in den Nachrichten verkündete neulich, in Düsseldorf starb ein Mann im Alter von 111! Stellen Sie sich das einmal vor: Sie feiern mit allen Freunden und Verwandten und einem Riesenbrimborium Ihren 80. Geburtstag, laden noch mal alle ein – und dann haben Sie noch 31 Jahre vor sich! (Die Kölner werden denken: Und das in Düsseldorf!)

Aber auch daran sehen wir, wie die Religion mit Macht zurückkommt. Der katholische Klerus wurde bereits zum Vorbild für die gesamte deutsche Gesellschaft: viele alte Leute und relativ wenig Kinder. Wobei der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, neulich wieder verblüffte. »Das Zölibat ist theologisch nicht notwendig!« Hört, hört!

Daraufhin begann die Diskussion unter katholischen Priestern: »Werden wir es noch erleben, dass das Zölibat abgeschafft wird?« »Wir nicht«, antwortete ein Kollege, »aber unsere Kinder!«

Die demografische Entwicklung räumt angenehm auf mit Illusionen: Die Jungen pflegen die Alten. Unfug. Die Alten werden die Alten pflegen müssen. Aber auch das hat etwas für sich. Vielleicht ändert das wieder unser Verhältnis zum Tod.

Inhaltsverzeichnis

Die katholische Hölle

In einem kleinen Dorf im Bergischen Land wohnt mein Patenonkel Herbert. Der ist Anfang 80 und trifft sich regelmäßig mit zwei Kumpanen. Der eine ist auch 80, der andere ist 100. Die drei trinken Kölsch zusammen, spielen Skat. Gut, dass die sich haben. Da sagte neulich der 100-Jährige ganz wehmütig zu seiner Frau: »Käthe, wat mach ich nur, wenn die zwei mal nit mehr sinn?« Dass er selbst als Erster die Runde verlassen könnte, bereitet ihm keinerlei Sorge. Warum auch? Jetzt stellen Sie sich doch mal vor, Sie wachen eines Tages morgens auf – und sind tot.

Wer die Hölle und das Fegefeuer für eine Erfindung aus finsteren Zeiten hält, die den Menschen mit Angst gefügig machen sollte, muss nüchtern feststellen: Was soll am Tod schlimm sein? Die alte Überlieferung trifft es: Die Hölle ist ein paradiesischer Ort mit allen Annehmlichkeiten, nur ein Nebenzimmer hat die Höllenqualen mit Feuersbrunst im Angebot. Dem verdutzten Neuankömmling erklärt der Teufel: »Das ist für die Katholiken, die wollen das so.«

Der Tod ist zuvorderst ein Problem der Hinterbliebenen. Schnell versammelt sich die Trauergemeinde rund um das Bett des Verstorbenen. Aber bereits nach fünf Minuten Trauerarbeit sagt der Erste: »Welchen Bestatter sollen wir denn nehmen?«

In Köln fällt dann oft der Name Kuckelkorn. Herr Kuckelkorn war früher in meiner Schule und erheiterte seine Klasse mit dem Slogan: »Du entgehst nur Gottes Zorn in einem Sarg von Kuckelkorn.« Auch wenn viele Leser nun ungläubig den Kopf schütteln: Dieser Herr Kuckelkorn ist heute zeitgleich Bestatter und der Zugleiter des berühmten Kölner Rosenmontagszuges. Die Rheinländer wundert das wenig, schließlich kennt er sich aus mit geschmückten Wagen.

Sobald der Bestatter die Prospekte aufschlägt, weicht die Trauer sofort Termin- und Ausstattungfragen. Welches Holz? Wie viel Kissen innen? Welcher Friedhof? Gibt es da noch einen guten Platz? Um wie viel Uhr ist die Beerdigung? Können da alle?

Aber nicht der blöde polnische Pfarrer, den keine Sau versteht! Wo gehen wir hinterher hin? Welcher Wirt? Welcher Aufschnitt? Wie viel Kaffee? Wie viel Bier?

Nun stellen Sie sich vor, es sagt plötzlich Ihr bester Kollege und Freund in die ratlose Runde: »Beerdigung, da habe ich nichts dagegen, aber ich bitte um Verständnis, den Kopf kriege ich!« Das kommt in den besten Familien vor.

Inhaltsverzeichnis

Schillers Schädel

Denn hinderlich, wie überall,

Ist hier der eigne Todesfall.

Wilhelm Busch

Friedrich Schillers Tod kostete ihn nicht nur das Leben, sondern auch noch den Kopf! Schillers Schädel landete auf dem Schreibtisch seines besten Freundes. Johann Wolfgang von Goethe. Allen Ernstes. Als Briefbeschwerer auf der Steuererklärung – da hatte der Spaß dran. Als Handschmeichler.

Man muss sich das vorstellen: Der Goethe war ja Minister. Und dann den Kopf vom Kollegen auf dem Schreibtisch. Das wäre ungefähr so, als würde sich der Peter Struck den Schädel von Roland Koch auf den Schreibtisch stellen. Sicher – das würde ihm gefallen. Aber schön ist anders.

Dennoch ist der unbefangene Umgang mit Totenschädeln nicht immer gleich schändlich, ebenso wenig die humorvolle Betrachtung. Der Dalai Lama meinte in Hamburg vor vielen Tausend Zuschauern: »Dem Tod kann man nicht entrinnen. Warum also soll man sich darüber Sorgen machen?«

Auch im katholischen Rheinland wird der Tod zwar hin –, aber nicht unbedingt ernst genommen. Überliefert ist der Spruch eines Kölners: »Ich darf noch nit stirve, ich muss noch aach Aaschlöcher am Drieße haale.« Was übersetzt so viel heißt wie:

»Ich darf noch nicht sterben, ich habe noch acht Mäuler zu stopfen.« Aber der Kölner sieht es vom Ergebnis her, und es kommt ja auch auf dasselbe raus.

Womit hier nicht der Eindruck entstehen soll, die Rheinländer hätten keinen Respekt vor den Toten. Das Gegenteil belegt folgende Geschichte, in der zwei Rheinländer Golf spielen: Ganz weit hinten am anderen Ende des Golfplatzes zieht ein Beerdigungszug vorbei. Da nimmt einer der beiden Golfer die Kappe ab und verneigt sich tief. »Oh«, meint der Kollege, »du bist aber heute pietätvoll!«

»Ja, hör mal, wir waren ja immerhin 50 Jahre verheiratet!«

Sollten Sie einwenden, die Haltung des Witwers sei frauenfeindich, kann ich eine zweite Geschichte zum Ausgleich erzählen. Drei Frauen spielen Golf und suchen einen verschlagenen Ball. Hinter einem Gebüsch sehen sie plötzlich einen nackten Mann, der sich zum Schutz vor der Sonne eine Zeitung über das Gesicht gelegt hat. Die Damen erstarren. »Mein Mann ist es nicht«, flüstert die eine. »Nein«, bestätigt die andere, »dein Mann ist es nicht.« – »Es ist überhaupt niemand vom Club«, behauptet die Dritte.

Inhaltsverzeichnis

Kieferzwischenknochen

Als frauenerfahrenen Liebhaber wollen wir Goethe hier nicht beleuchten, auch nicht als dichtenden Denker. Sehen wir ihn hier schlicht als Naturwissenschaftler, denn Goethe hat Schillers Schädel nicht nur dekorativ verwendet.

Das zeigt seine bemerkenswerte Abhandlung über den Kieferzwischenknochen. »Jener Knochen, von welchem ich rede, sich zwischen die beiden Hauptknochen der oberen Kinnlade hineinschiebt.« Es ist ein Stück Knochen unter der Nase, an dem in der Regel vier Schneidezähne hängen. Dieser Zwischenkieferknochen ist beim Tier separat, zwei deutlich sichtbare Nähte trennen ihn vom Schädel. Beim Menschen hingegen fehlen diese Nähte, da die Stelle unter der Nase eins mit dem Rest des Kieferknochens ist.