Religionen in der Umwelt des Alten Testaments I - Manfred Hutter - E-Book

Religionen in der Umwelt des Alten Testaments I E-Book

Manfred Hutter

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Beschreibung

Dieses Studienbuch behandelt die Religionen Babyloniens, Syriens und Irans von der Mitte des 3. Jahrtausends bis in die zweite Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. in einem weitgehend parallelen Aufbau: Die jeweilige Götterwelt wird in ihrer historischen Entwicklung und theologischen Systematisierung analysiert; Kosmologie und Anthropologie sind als Bezugsrahmen religiöser Symbole dargestellt. Breiten Platz nimmt die Beschreibung der Religionsausübung ein, wie sie sich in Kultkalendern und Festen, in der Durchführung von Opfern, Riten oder Gebeten, in der Integration von Mantik und Magie und in der Rolle der Religion im Dienst des Staates zeigt. Damit liegt eine zusammenfassende Darstellung dieser Religionen vor.

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Dieses Studienbuch behandelt die Religionen Babyloniens, Syriens und Irans von der Mitte des 3. Jahrtausends bis in die zweite Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. in einem weitgehend parallelen Aufbau: Die jeweilige Götterwelt wird in ihrer historischen Entwicklung und theologischen Systematisierung analysiert; Kosmologie und Anthropologie sind als Bezugsrahmen religiöser Symbole dargestellt. Breiten Platz nimmt die Beschreibung der Religionsausübung ein, wie sie sich in Kultkalendern und Festen, in der Durchführung von Opfern, Riten oder Gebeten, in der Integration von Mantik und Magie und in der Rolle der Religion im Dienst des Staates zeigt. Damit liegt eine zusammenfassende Darstellung dieser Religionen vor.

Prof. Dr. phil. Dr. theol. Manfred Hutter lehrt Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Bonn.

KohlhammerStudienbücher Theologie

Herausgeben vonGottfried BitterErnst DassmannHelmut MerkleinHerbert VorgrimlerErich Zenger

Band 4,1

Manfred Hutter

Religionen in der Umwelt des Alten Testaments I

Babylonier, Syrer, Perser

Verlag W. KohlhammerStuttgart Berlin Köln

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Alle Rechte vorbehalten © 1196 W. Kohlhammer GmbHStuttgart Berlin Köln Verlagsort: Stuttgart Umschlag: Data Images audiovisuelle Kommunikation GmbH Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart

Print: 978-3-17-012041-9

E-Book-Formate

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978-3-17-031376-7

epub:

978-3-17-031479-5

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978-3-17-031480-1

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

A. Einleitung

1. Die religionsgeschichtliche Umwelt des Alten Testaments

2. Die geographischen und politischen Rahmenbedingungen

2.1. Mesopotamien

2.2. Syrien

2.3. Iran

B. Religion der Babylonier und Assyrer

1. Quellen und Überlieferer

1.1. Keilschrift und Religion

1.2. “Bibel und Babel” oder die Eigenbedeutung babylonischer Religion

2. Götter und Gottesvorstellungen

2.1. Die anthropomorphe Beschreibung und Darstellung der Götterwelt

2.2. Theologische Reflexionen über die Götterwelt

2.2.1. Die göttlichen Kräfte (me) bei den Sumerern und Götter als Machtwesen bei den Babyloniern

2.2.2. Die babylonische Gleichsetzungstheologie

2.3. Die Hauptgötter im Leben der Babylonier und Assyrer

2.3.1. Götter der kosmischen Vierheit

2.3.2. Die astrale Trias

2.3.3. Der Nationalgott Marduk

2.3.4. Einige weitere große Göttinnen und Götter

2.3.5. Der Gott Aššur und das Proprium des assyrischen Pantheons

2.3.6. Der Stellenwert des persönlichen Gottes

2.4. Dämonen, Mischwesen und Schutzgenien

3. Der religiöse Mensch und der ihn umgebende Kosmos

3.1. Kosmogonie und Kosmologie als religiöser Bezugsrahmen

3.1.1. “Schöpfung” im Enuma Eliš

3.1.2. Modelle des Kosmos

3.2. Aspekte der religiösen Anthropologie

3.2.1. Die Aufgaben der Menschen

3.2.2. Ethisierung und Sündenbewußtsein der babylonischen Religion

3.3. Vorstellungen über Jenseits und Unterwelt

3.3.1. Kosmologische Jenseitsbezüge

3.3.2. Totenpflege und Totenfurcht

3.3.3. Jenseitshoffnungen?

4. Ausdrucksformen des gemeinschaftlichen und individuellen Glaubens

4.1. Kalender und Feste

4.1.1. Heilige Zeiten

4.1.2. Aspekte des religiösen Festes

4.1.3. Das Neujahrsfest im 1. Jahrtausend

4.2. Der Tempel als heiliger Ort

4.2.1. Aussagegehalt unterschiedlicher Bauformen

4.2.2. Ritualistik als Ausdruck der Sakralität des Tempels

4.3. Das Priestertum

4.3.1. Kultpriester

4.3.2. Wahrsager und Beschwörer

4.4. Mensch und Gott in religiöser Wechselwirkung

4.4.1. Hymnen, Gebete und Gebetsbeschwörungen

4.4.2. Opferpraxis und Opfergattungen

4.5. Religion, “Aberglaube” und Wissenschaft

4.5.1. Vorzeichendeutung und Mantik

4.5.2. Magie und Beschwörungen

4.6. Religion im Dienste des Staates

4.6.1. Königtum und Heilige Hochzeit

4.6.2. Neuassyrische Staatsreligiosität und Verunsicherung

5. Untergang und Weiterwirken der babylonischen Religion

5.1. Zur Kontinuität babylonischer Religion

5.2. Die religiöse und kulturelle Strahlkraft

5.2.1. Israel

5.2.2. Griechenland

5.2.3. Indien

C. Religionen der Syrer

1. Quellen und Überlieferer

1.1. Keilschriften und Sprachen

1.2. Pluralismus und Kontinuität in Syrien

2. Götter und Gottesvorstellungen

2.1. Götterlisten und Opferlisten als Spiegelung der offiziellen Stadtpanthea

2.2. Substratgottheiten und westhurritische Gottheiten

2.3. Die semitischen Gottheiten

2.3.1. El als Gottesbezeichnung und Eigenname

2.3.2. Dagan, Bacal und der Wettergott von Aleppo

2.3.3. Die großen syrischen Göttinnen

2.3.4. Mond, Sonne und Venus im Pantheon

2.3.5. Einige weitere syrische Gottheiten

2.4. Schadenbringende göttliche Wesen und vergöttlichte Kultgegenstände

3. Der religiöse Mensch und der ihn umgebende Kosmos

3.1. Hinweise auf Kosmologien und Schöpfungsvorstellungen

3.1.1. Sanchunjaton und Mochos

3.1.2. Kosmologische Modelle

3.2. Der Mensch im Wechselspiel zwischen Leben und Tod

3.3. Vorstellungen vom Jenseits und die vergöttlichten Ahnen

3.3.1. Kosmologische Jenseitsbezüge

3.3.2. Totenopfer und Ahnenverehrung

3.3.3. Jenseitshoffnungen?

4. Ausdrucksformen des gemeinschaftlichen und individuellen Glaubens

4.1. Kalender und Feste

4.1.1. Lokale und überregionale Feste

4.2. Priester und Kultspezialisten

4.2.1. Opferpriester und Beschwörer

4.2.2. Wahrsagepriester und Propheten

4.3. Mensch und Gott in religiöser Wechselwirkung

4.3.1. Hymnen und Gebete

4.3.2. Kulthandlungen und Opfergattungen

4.4. Mantik und Magie

4.4.1. Vorzeichendeutung und Prophetie

4.4.2. Magie und Beschwörungen

4.5. Religion im Dienste des Staates

5. Ausstrahlung und Fortleben

5.1. Syrische Religion des 2. Jahrtausends und ihr Weiterwirken bei Aramäern und Phönikiern

5.2. Syrische Religion und die Bibel

D. Religion im Iran

1. Quellen und Überlieferer

1.1. Die zoroastrische Literatur

1.1.1. Die erhalten gebliebenen alt- und jungavestischen Texte

1.1.2. Die Schriftwerdung des Avesta

1.1.3. Die mittelpersischen religiösen Texte der Zoroastrier

1.2. Zarathustra: Leben und Legende eines Religionsstifters

1.2.1. Historisch-biographische Daten

1.2.2. Probleme der Lokalisierung und Datierung des Religionsstifters

2. Götter und Gottesvorstellungen

2.1. Polytheistischer oder monotheistischer Dualismus

2.2. Ahuras und Yazatas

2.2.1. Ahura Mazda

2.2.2. Mithra und Varuna

2.2.3. Die Am∂ša Sp∂ntas

2.2.4. Die Yazatas

2.3. Angra Mainyu und die Daevas

2.4. Zurvan und der Zurvanismus

3. Der religiöse Mensch und der ihn umgebende Kosmos

3.1. Die Kosmologie und die drei Zeiten

3.1.1. Die “offizielle” Kosmologie des Zoroastrismus

3.1.2. Kosmologische Elemente im Avesta

3.2. Zum zoroastrischen Menschenbild

3.2.1. Aspekte der religiösen Anthropologie

3.2.2. Ethische Anforderungen an den Menschen

3.3. Individuelle Jenseitsvorstellung

4. Ausdrucksformen des gemeinschaftlichen und individuellen Glaubens

4.1. Kalender und Feste

4.2. Priesterklassen in den iranischen Religionen

4.2.1. Avestische Priesterterminologie

4.2.2. Die Magi

4.3. Gott und Mensch in religiöser Wechselwirkung

4.3.1. Das Yasna-Ritual

4.3.2. Die Verehrung des Feuers und die Feuerheiligtümer

4.3.3. Die Beseitigung und Vermeidung von Unreinheit

4.4. Religion unter den Achämeniden

5. Ausstrahlung und Fortleben

5.1. Der Weg über die Grenzen Irans hinaus

5.2. Die Situation des Zoroastrismus der Gegenwart

E. Anhang

Anhang 1: Zeittafel

Anhang 2: Karten

Anhang 3: Namen- und Sachregister

Vorwort

Seit mehr als einem Jahrzehnt habe ich am Institut für Religionswissenschaft der Universität Graz regelmäßig Lehrveranstaltungen zu Religionen des Alten Orients gehalten, so daß die meisten Inhalte, die in diesem Studienbuch angesprochen werden, in irgendeiner Form im akademischen Unterricht zur Sprache gekommen sind. Die hier vorgelegte Form ist dabei völlig neu konzipiert, um dadurch zugleich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Religionen der hier behandelten drei Bereiche deutlicher werden zu lassen. Da es sich um ein Studienbuch handelt, ist eine Bemerkung zu den Literaturangaben sowie zu den Anmerkungen notwendig: Es wurde bewußt darauf verzichtet, alle einschlägige Literatur anzuführen, sondern als Grundregel wird in erster Linie die Literatur der beiden letzten Jahrzehnte genannt, so daß der Leser vielleicht das Fehlen des einen oder anderen (älteren) klassischen Werkes zu den betreffenden Religionen und Kulturen bemängeln könnte; solche Werke sind deswegen nicht angeführt, um darin vermittelte z.T. veraltete Ansichten nicht – unbewußt oder irrtümlicherweise – zu prolongieren. Bei vertiefter Beschäftigung mit der Materie wird jeder früher oder später auf diese Werke stoßen, wobei dann besser gewährleistet sein dürfte, das nach wie vor Gültige von Überholtem zu trennen. Hinsichtlich der Anmerkungen war es notwendig, daß ich mich auf weniges beschränkt habe. Manche Aussagen im Text, bei denen man eine Anmerkung erwarten würde, finden sich in der zu Beginn des betreffenden Abschnittes genannten Literatur, auch wenn ein Einzelnachweis nicht gegeben ist. Insofern sind die jedem Kapitel vorangestellten Literaturangaben als primärer “Nachweis” der wissenschaftlichen Diskussion der Thematik zu betrachten, während sich die wenigen Anmerkungen lediglich auf Einzelaspekte beziehen.

Durch die Wahl einer kleineren Schrift für einzelne Textpassagen wird nicht nur eine optische Gliederung versucht, sondern auch eine inhaltliche Gewichtung angestrebt. Die auf diese Weise geschriebenen Details zu Quellenangaben, Hinweise zur Forschungsproblematik oder Textzitate können dabei in einem ersten Studiendurchgang, der zunächst einen Überblick verschaffen soll, im Hintergrund bleiben.

Für das Buch hat meine Frau Sylvia Hutter-Braunsar nicht nur – wie schon oft – mehrfach frühere Versionen sowie Korrekturen gelesen, sondern als Althistorikerin, deren Arbeitsschwerpunkt auf der kleinasiatischen Geschichte in altorientalischer Zeit liegt, auch den kurzen historischen Abriß beigesteuert (A. 2.), der nicht nur ein chronologisches Gerüst bieten soll, sondern auch insofern wichtig ist, als Religionen des Alten Orients nie ohne historische Beziehung sind. Für all ihre Mithilfe danke ich meiner Frau ganz herzlich.

A. Einleitung

1. Die religionsgeschichtliche Umwelt des Alten Testaments

Die Religionsgeschichte Israels, wie sie sich aus dem Alten Testament, aus v.a. hebräischen epigraphischen Zeugnissen und aus archäologischen Kleinfunden skizzieren läßt, ist ein Bereich der vielfältigen altorientalischen Religionsgeschichte. Die vorliegende Darstellung legt ihr Augenmerk auf drei Bereiche der altorientalischen Religionsgeschichte, indem die Religionen der Babylonier und Assyrer, die religiöse Vielfalt in Syrien und die von Zarathustra gestiftete iranische Religion zur Sprache kommen. Daß die hier behandelten Religionen in Beziehung zum AT stehen, deutet die Einordnung des Buches in die Studienbuchreihe an, so daß zunächst einige Bemerkungen zum gegenseitigen Verhältnis dieser Forschungsbereiche notwendig sind. Die fortschreitende Spezialisierung innerhalb der alttestamentlichen Wissenschaft, die gewisse Präferenzen der einzelnen Forscher für stärker theologische Fragestellungen, orientalistischreligionsgeschichtliche Fragen oder historisch-archäologische Schwerpunkte erfordert,1 erschwert es dem Alttestamentler, auch noch in allen – ihrerseits spezialisierten – “Nachbardisziplinen” auf dem Laufenden zu bleiben. Genauso ist der Religionshistoriker, der seinen Forschungsschwerpunkt auf Bereiche des Vorderen Orients legt, kaum in der Lage, für alle Religionsformen im Gebiet des “fruchtbaren Halbmondes”, im Iran sowie im kleinasiatischen und ägäischen Raum dieselbe Kompetenz zu entwickeln und dazu auch mit der alttestamentlichen Forschung voll Schritt halten zu können. Diese Voraussetzungen sind für das vorliegende Studienbuch zu beachten, was folgende Konsequenzen hat: Es ginge über das Anliegen eines Studienbuches hinaus, wenn erwartet würde, daß die hier dargestellten Religionen in der Umwelt des AT in vergleichender (oder illustrierender) Weise mit der Religion des alten Israel in Beziehung gesetzt würden. Arbeiten, die “das Alte Testament im Lichte des Alten Orients”2 behandeln und die forschungsgeschichtlich dem Panbabylonismus angehören, sind nicht nur wegen der falschen Ausgangssituation des Panbabylonismus überholt, sondern auch aufgrund eines geänderten religionswissenschaftlichen Selbstverständnisses.

Daß die sogenannte “Religionsgeschichtliche Schule”3 für die Entwicklung der Bibelwissenschaften ein bleibendes Verdienst hat, ist unbestritten, da deren Vertreter am Ende des vorigen und zu Beginn unseres Jahrhunderts die neuen Funde und Erkenntnisse zu den Kulturen und Religionen des Vorderen Orients für die Bibelwissenschaften genützt haben. Trotz deren Verdienste für die Bibelwissenschaften hat der Erfolg der “Religionsgeschichtlichen Schule” die Entwicklung der eigenständigen religionswissenschaftlichen Erforschung der Religionen des Vorderen Orients jedoch insofern gehemmt, als diese häufig nur hinsichtlich ihrer “Hilfsfunktion” zum AT untersucht worden sind, so daß v.a. jene Aspekte, die von Interesse für das AT sind, in den Vordergrund gerückt worden sind. Es kommt nicht von ungefähr, daß die episch-mythologischen Überlieferungen des Vorderen Orients dabei eine oft zu große Wertschätzung als “religiöse” Literatur erfahren haben, m.A.n. deswegen, weil diese Überlieferungen Analogien zu erzählenden Abschnitten des AT zeigen. Genauso orientiert sich das Interesse an altorientalischen Göttern und Dämonen häufig daran, ob ein Reflex von ihnen noch im AT (bzw. NT) greifbar wird.4 Grundlegende Vergleiche zwischen Bereichen des Vorderen Orients und des AT, die wichtige Kriterien eines religionsgeschichtlichen Vergleiches – Berücksichtigung eines vergleichbaren Kontextes, Vergleich einer Struktur und nicht bloß von Einzelheiten, Frage nach möglichen historischen Vermittlungen der gemeinsamen Inhalte – erfüllen, sind dabei wesentlich seltener. Die methodisch saubere Durchführung solcher Vergleiche konnte in der vorliegenden Darstellung – weder zum AT noch innerhalb der behandelten Religionen – nicht unternommen werden, da dadurch vom Ziel des Buches, eine systematische Einführung in einzelne Religionen des Vorderen Orients zu geben, immer wieder abgewichen hätte werden müssen. Aus diesem Grund war es aber zugleich notwendig, Hinweise auf vergleichbare Erscheinungen in der Religionsgeschichte Israels äußerst selten anzuführen. Denn Gemeinsamkeiten zwischen Israels Religion und den Religionen des Vorderen Orients können z.T. auf gemeinsames semitisches Erbe zurückgehen, teilweise sind sie durch die Ausstrahlung einzelner Religionen auf die Religion Israels entstanden. Auf welche Weise die behandelten Religionen auf die Religionsgeschichte Israels Einfluß genommen haben könnten, ist in einigen Abschnitten komprimiert dargestellt, so daß darauf aufbauend vergleichende Studien zwischen Erscheinungen der Religion des AT und einzelnen Religionen des Vorderen Orients möglich sein sollten.

Die hier behandelten Religionen in der Umwelt des AT sind nur eine Auswahl, für die mehrere Gründe ausschlaggebend sind: Der zeitliche Rahmen umspannt ca. den Zeitraum von der Mitte des 3.Jts. v.Chr. bis zur Hellenisierung des Vorderen Orients in der Folge der Machtentfaltung Alexanders des Großen über die Gebiete Syriens, Babyloniens und Irans. Die Mitte des 3.Jts. ist deswegen als Ausgangspunkt gewählt, weil ab diesem Zeitpunkt für Mesopotamien und Syrien erstmals in reicher fließendem Ausmaß schriftliche Quellen für eine Religionsgeschichte vorhanden sind, die ihrerseits z.T. bereits auf älteren Traditionen beruhen, so daß gelegentlich ein Blick in frühere Epochen geworfen wird. Erst etwas mehr als ein Jahrtausend später wird uns die (ost)iranische Religionsgeschichte in ihren Anfängen greifbar. Das Ende der Darstellung mit der Machtergreifung Alexanders wählt ein politisches Ereignis als Kriterium. Dies ist insofern gerechtfertigt, als die hier behandelten Religionen jeweils eng mit den politischen Machthabern gekoppelt waren, so daß der politische Übergang in den hellenistischen Herrschaftsbereich einen wichtigen Einschnitt markiert. Daß damit die Religionen jedoch nicht geschwunden sind, ist klar, worauf in entsprechenden Abschnitten hinsichtlich des Weiterwirkens eingegangen wird. Wenn bei der iranischen Religion mehrfach ein Ausblick bis in die Sasanidenzeit (224–652) notwendig ist, so hängt das mit der Überlieferungsgeschichte des Zoroastrismus zusammen, da manche Quellen der Sasanidenzeit älteres sonst verloren gegangenes Überlieferungsgut bewahrt haben, so daß darauf nicht verzichtet werden kann. Daß die Darstellung der Religionswelt Syriens im 12.Jh. endet, ist vom Konzept dieser Studienbuchreihe bestimmt, da ein eigener Band die Religionen Syriens im 1.Jt. (u.a. Aramäer, Phönikier) behandeln soll. Im Konzept der Studienbuchreihe ist auch ein Band zur ägyptischen Religion vorgesehen.5 Daß Kleinasien außerhalb des Gesichtsfeldes der vorliegenden Darstellung bleibt, ist zu bedauern, entspricht aber (noch) einem derzeitigen Trend der deutschsprachigen Bibelwissenschaft, auf das hethitische Kleinasien des 2.Jts. nur gelegentlich Bezug zu nehmen, obwohl in den letzten beiden Jahrzehnten der Forschung immer deutlicher geworden ist, daß die Hethiter wirtschaftlich und politisch in der 2. Hälfte des 2.Jts. in Nordsyrien ein große Rolle gespielt haben.6 Wenn in der vorliegenden Darstellung mehrfach auf den westhurritischen Anteil an der Religionswelt Syriens Bezug genommen wird, kann dieses Manko wenigstens in kleinen Teilen wettgemacht werden, da die Hurriter ihrerseits in mittel- und neuhethitischer Zeit die religiösen Traditionen Kleinasiens beeinflußt haben.

Die gemeinsame Behandlung der Religionen Mesopotamiens, Syriens und Irans beruht z.T. auf Zufall, ist aber insofern sinnvoll, als die Religionen dieses Raumes gewisse Gemeinsamkeiten und Verflechtungen aufweisen, ohne daß man dabei die jeweiligen Unterschiede übersehen darf. Charakteristisch für sie ist, daß sie als Religionen der Oberschicht und des Staates gelten können. Besonders deutlich wird dies in Mesopotamien, wo zahlreiche Rituale ohne die Anwesenheit des Königs nicht durchführbar sind, religiöse Praktiken auf das Wohlergehen des Staates ausgerichtet waren oder den Interessen der Oberschicht dienten. Wenn die Religion der Babylonier und Assyrer und gelegentlich – wo es die Traditionslinien für ein besseres Verständnis erfordern oder nahelegen – auch die Religion der Sumerer in dieser Darstellung an erster Stelle stehen, so darf daraus nicht der falsche Schluß gezogen werden, daß diese Religionen – für die Frage einer (direkten) Beeinflussung des AT – am wichtigsten wären. Elementen nordsyrischkleinasiatischer, die ihrerseits mesopotamisches Glaubensgut aufgenommen und transformiert haben, sowie Aspekten iranischer Religiosität kommt m.A.n. für die Frage der Einwirkung auf das AT gegenüber Mesopotamien die Priorität zu. Daß dennoch Mesopotamien an den Anfang gestellt ist, liegt in der chronologischen Vorrangstellung der sumerischen Quellen einerseits, andererseits auch in der durch die Vermittlung der Keilschrift an fast alle Kulturen des Alten Vorderen Orients kulturellen Leistung Mesopotamiens. Insofern bleibt die Bedeutung Mesopotamiens und seiner Religionen ungeschmälert. – Die semitischen Religionen Syriens stehen in einer gewissen Nähe zu Mesopotamien, was nicht nur durch die politische Situation bedingt ist, sondern z.T. auch auf dem gemeinsamen semitischen Erbe beruht. Insofern kann in der Darstellung der Religionswelt Syriens manchmal der Hinweis auf solche gemeinsemitische Komponenten unterbleiben, wenn dies schon bei der Darstellung der babylonischen bzw. assyrischen Religion geschehen ist. Es ist aber ausdrücklich zu betonen, daß es nicht gerechtfertigt ist, aufgrund der im Vergleich mit Syrien reicher fließenden Quellen aus Mesopotamien Erscheinungen der Religionsgeschichte Babyloniens oder Assyriens als “altorientalische Religion” zu verallgemeinern und entsprechende Lücken in unseren Kenntnissen der syrischen Religionswelt dadurch voreilig zu schließen, wie dies – in methodisch fragwürdiger Weise – gelegentlich geschieht. Auch für Syrien gilt, daß die Quellen fast ausschließlich am Herrscher bzw. Stadtstaat orientiert sind. Im Unterschied zu Mesopotamien ist Syrien nämlich politisch durch eine Vielzahl kleiner – voneinander relativ unabhängiger – Territorialstaaten geprägt, was auch in der Kultüberlieferung entsprechende Spuren hinterlassen hat. Die “lokale” Religionsgeschichte Syriens darf bei allen Gemeinsamkeiten nicht außer Acht bleiben. Genauso ist der ethnischen und religiösen Besonderheit der Hurriter Rechnung zu tragen. Obwohl uns fast nur die Religionen für die Oberschichten greifbar werden, gibt es Indizien dafür, daß sich die “Volksreligion” nicht allzu sehr davon unterschieden hat. Wesentlich für die Charakterisierung dieser Religionen ist ferner, daß sie keine expandierende Missionstätigkeit kannten; dies ist insofern erwähnenswert, als trotz der engen Verbindung der Religionen mit dem Staat bei der politischen Expansion des neuassyrischen bzw. neubabylonischen Reiches die Verehrung der assyrischen bzw. babylonischen Götter und die Übernahme des Kultes den unterworfenen Völkern nicht aufgezwungen wurde. Babylonische, assyrische oder ugaritische Religion beispielsweise waren in der Regel jeweils nur Religion für Babylonier, Assyrer oder Ugariter. Insofern lassen sich diese Religionen mit “Stammesreligionen” vergleichen, deren Relevanz und Verbindlichkeit sich nur auf die Angehörigen der betreffenden Ethnie beziehen.

Anders stellt sich die Situation im Zoroastrismus dar, der eine gestiftete Religion ist. Daß der Religionsstifter Zarathustra sich um das Wohlwollen politisch Mächtiger, die zu seiner Zeit lediglich Stammesfürsten waren, bemüht, zeigt bereits für den Beginn des Zoroastrismus die Verbindung mit dem “Staat”. Vollends kommt die Bedeutung einer solchen Verbindung unter den Achämeniden zur Geltung, wenn der Zoroastrismus Staatsreligion wird, was sich positiv auf die Ausstrahlung dieser Religion auf das westliche Vorderasien – und besonders auf die Religion Israels – ausgewirkt hat. Trotz dieser zeitweiligen Stellung als Staatsreligion nimmt der Zoroastrismus insofern eine Sonderstellung ein, als er als gestiftete Religion – im Unterschied zu den Religionen der Babylonier, Assyrer und verschiedener Syrer – nicht auf das Gebiet einer politischen Einflußsphäre beschränkt war, sondern missionarisches Interesse zeigte, was die Verbreitung dieser Religion aus dem Ostiran in den Westiran bewirkte, noch bevor diese Bereiche unter einer politischen Herrschaft vereinigt waren. Der missionarische Erfolg der Religion bringt dabei mit sich, daß wir über nichtzoroastrische Religionen im Iran praktisch nur über den Weg der Rekonstruktion aus der zoroastrischen Überlieferung im Vergleich mit der vedischen Religion Aussagen machen können. Für die Erarbeitung nichtzoroastrischer iranischer Religionssysteme ist dies aber nicht ausreichend, so daß iranische Religionsgeschichte sich für den hier behandelten Zeitraum praktisch auf den Zoroastrismus beschränken muß.7 Die Missionstätigkeit des Zoroastrismus hat ihre Ursachen in einem der Verkündigung Zarathustras innewohnenden Universalismus, der diese iranische Religion von Stammesreligionen ursprünglich unterschieden hat. Im Laufe der Geschichte ist dieser Universalismus jedoch völlig zurückgetreten, so daß der Zoroastrismus immer mehr zu einer iranischen Nationalreligion – und in dieser Hinsicht den anderen hier behan delten Religionen ähnlich – geworden ist. Die Sasanidenzeit markiert den Wendepunkt in diesem Selbstverständnis der Religion.

Trotz der hier angesprochenen Unterschiede der einzelnen Religionen wird in der Darbietung des Materials für Mesopotamien, Syrien und Iran ein weitgehend paralleler Aufbau gewählt. Daß dabei hinsichtlich der Quellen und Überlieferer der Abschnitt über Iran deutlich umfangreicher ist, hängt mit der Person des Religionsstifters und mit dem autoritativen Schrifttum des Avesta zusammen, so daß es notwendig ist, die Entwicklung dieses Schrifttums zu analysieren. Dies ist umso bedeutender, weil – und hierin liegt ein großer Unterschied zur keilschriftlichen Überlieferung Mesopotamiens und Syriens – die schriftliche Form des Avesta erstmals im 4.Jh. n.Chr. fixiert wurde, d.h. rund eineinhalb Jahrtausende nach dem Auftreten des Religionsstifters und rund drei Jahrtausende nach den ältesten religionsgeschichtlich relevanten schriftlichen Quellen aus Mesopotamien bzw. Syrien.

Die Bedeutung der schriftlichen Quellen und deren philologischer Erschließung kann dabei für die Religionsgeschichte des Vorderen Orients kaum überschätzt werden. Aus diesem Grund legt die vorliegende Darstellung in allen Bereichen das Hauptaugenmerk auf die Auswertung der einschlägigen Texte in den relevanten Sprachen, wobei nicht darauf verzichtet werden kann, zentrale Termini in der jeweiligen Originalsprache anzuführen. Auch wenn dies auf den ersten Blick den Benutzer eines Studienbuches zu Religionen in der Umwelt des AT abschrecken mag, so ist doch ausdrücklich zu betonen, daß religionsgeschichtliches Arbeiten im Bereich des Vorderen Orients nach wie vor zugleich philologisches Arbeiten ist. Es ist daher für eine Arbeit am AT, die zugleich nach religionsgeschichtlichen Beziehungen des AT zu einer anderen Religion fragt, unabdingbar, daß auch die sprachliche Basis für solche Vergleiche gegeben ist. Wie anhand der hier behandelten Religionen sichtbar wird, haben dabei dem AT ferner stehende Sprachen wie Hurritisch, Hethitisch, Hieroglyphenluwisch oder Avestisch dieselbe Bedeutung wie etwa Akkadisch, Ugaritisch oder Aramäisch. Daß damit ein erwünschter Idealzustand beschrieben wird, der nicht immer erreichbar sein wird, ist klar. Das berücksichtigt die vorliegende Darstellung als Studienbuch insofern, als zwar dort, wo auf einen Originalterminus Wert gelegt wird, dieser mit allen diakritischen Zeichen exakt wiedergegeben ist, im laufenden Text (etwa bei Götternamen oder auch bereits einigermaßen eingebürgerten Fachtermini) auf die Kennzeichnung von Vokallängen, emphatischen Konsonanten o.ä. verzichtet wird.8

Wie gesagt ist der Vergleich einzelner religiöser Traditionen nicht das Ziel dieses Studienbuches, aber es will dazu Grundlagen bieten. Der soweit als möglich parallele Aufbau der einzelnen Kapitel über Gottesvorstellungen, Welt- und Menschenbild sowie über den Kult schafft eine Brücke von der rein religionsgeschichtlichen Beschreibung zur vergleichenden Betrachtungsweise. Insofern kann das Buch in zweifacher Weise gelesen werden: Entweder im Längsschnitt, wodurch eine systematische religionsgeschichtliche Einführung gegeben wird, oder im Querschnitt einander entsprechender Kapitel, die die Entwicklung entsprechender religiöser Erscheinungen in Mesopotamien, Syrien oder Iran zeigen. Dem kann der am AT orientierte Leserkreis Analoges aus dem AT hinzufügen oder Unterschiede zwischen dem AT und den hier behandelten Religionen konstatieren, ohne daß dadurch die jeweilige Eigenständigkeit der Religionen in der Umwelt des AT in den Hintergrund tritt.

2. Die geographischen und politischen Rahmenbedingungen

(Sylvia Hutter-Braunsar)

Literatur: Cassin, E. / Bottéro, J. / Vercoutter, J. (Hg.): 1965–1967. Die Altorientalischen Reiche. 3 Bde., Frankfurt; Crawford, H.: 1991. Sumer and the Sumerians, Cambridge; Frye, R.N.: 1984. The History of Ancient Iran, München, 1–135; Gershevitch, I. (ed.): 1985. The Cambridge History of Iran. Vol. 2: The Median and Achaemenian Periods, Cambridge; Klengel, H. (Hg.): 1989. Kulturgeschichte des alten Vorderasiens, Berlin; Klengel, H.: 1992. Syria. 3000 to 300 B.C.: A Handbook of Political History, Berlin; Mayer, W.: 1995. Politik und Kriegskunst der Assyrer, Münster; Nissen, H.J.: 1983. Grundzüge einer Geschichte der Frühzeit des Vorderen Orients, Darmstadt; Saggs, H.W.F.: 1962. The Greatness that was Babylon, London; Salvini, M.: 1995. Geschichte und Kultur der Urartäer, Darmstadt; Sasson, J.M. et al. (eds.): 1995. Civilizations of the Ancient Near East, 3 vols., New York; Soden, W. von: 1985. Einführung in die Altorientalistik, Darmstadt, 11–58; Wartke, R.B.: 1993. Urartu, das Reich am Ararat, Mainz; Wiesehöfer, J.: 1994. Das antike Persien von 550 v.Chr. bis 650 n.Chr., Zürich, 19–148; Wilhelm, G.: 1982. Grundzüge der Geschichte und Kultur der Hurriter, Darmstadt, 9–68.

Mesopotamien, Syrien und Iran sind weder geographisch noch kulturell ein einheitlicher und abgeschlossener Bereich. Sie sind Teile jenes Gebietes, das man als Vorderasien bzw. Vorderen Orient bezeichnet. Die hier zu besprechenden Gegenden grenzen im Westen als Syrisches Bergland an das Mittelmeer an, gehen im Osten in die syrisch-arabische Wüste über, daran schließt sich die mesopotamische Tiefebene an, die im Norden von den Gebirgsketten Kleinasiens und im Osten von den aus dem Iran kommenden Bergketten des Elburs und des Zagros begrenzt werden. Östlich des Zagros schließt sich das von Westen nach Osten abfallende iranische Hochland an, dessen steppen- bzw. wüstenhafter Charakter nach Osten immer mehr zunimmt. In Nordosten geht dieses schließlich in die zentralasiatische Steppe über. – Für die Entwicklung der Landwirtschaft ist von Bedeutung, daß große Teile der genannten Gebiete zum sog. Fruchtbaren Halbmond gehören, der sich von Syrien und dem Ostjordanland über Nordmesopotamien und weiter entlang der Bergketten des Osttigrislandes bis zum Persisch-Arabischen Golf erstreckt. Es sind damit jene Gegenden gemeint, deren Niederschlagsmenge für den Regenfeldbau ausreicht. Im Gegensatz dazu war im unteren Mesopotamien und in Husistan Landwirtschaft in größerem Ausmaß nur bei künstlicher Bewässerung möglich, ebenso wie in den ostiranischen Gebieten und entlang des Oxus (Amu Darya) und Jaxartes (Syr Darya) in der zentralasiatischen Steppe.

Diese klimatischen und geographischen Voraussetzungen9 führen dabei in unterschiedlichem Ausmaß zu Nomadismus bzw. zur Entwicklung von Stadtkulturen, wobei die Notwendigkeit einer zentralen Verwaltung und eines redistributiven Wirtschaftssystems zur Entwicklung der sumerisch-babylonischen Hochkultur führte. Auch die politische Entwicklung Elams ist von dieser Notwendigkeit beeinflußt, während die in Syrien ausreichenden Niederschlagsmengen eine überregionale Koordination nicht erforderten, so daß ein überregionaler politischer Zusammenschluß einzelner städtischer Zentren in der Frühzeit nicht stattfand.

2.1. Mesopotamien

Am Ende des 4. Jts. v.Chr., zur Zeit der Schriftentwicklung, treffen wir in Mesopotamien bereits Sumerer und Akkader an. Die Sumerer nannten ihr Land kiengi “Kulturland”. Man nimmt an, daß die Sumerer im letzten Drittel des 4.Jts. v.Chr. aus dem Südosten nach Südmesopotamien eingewandert sind, obwohl ihre Herkunft und sprachlich-ethnische Zuordnung noch Rätsel aufgibt. Ihre Sprache war agglutinierend, wobei sich schon in den frühesten sumerischen Texten akkadische Lehnwörter finden. Daraus ergibt sich, daß im letzten Drittel des 4. Jts. die frühen Semiten – wahrscheinlich aus der syrischen Wüste – in Mesopotamien eingewandert sein dürften. Denn die Bewohner der Kupfersteinzeit waren – wie aus gewissen sprachlichen Erscheinungen erschlossen werden kann – weder Sumerer noch Semiten.

Eine erste Periode der mesopotamischen Geschichte, aus der hauptsächlich sumerische Quellen auf uns gekommen sind, wird allgemein in zwei Phasen eingeteilt: Bis ca. 2800 spricht man von der “Ersten Hochkultur”. Durch die zunehmende Austrocknung des südmesopotamischen Schwemmlandes kommt es zu einer Verlagerung des Bevölkerungsschwerpunktes in den Süden. Das bedeutendste Zentrum war Uruk, dessen sagenhaften König Gilgameš wird der Bau der Stadtmauer von Uruk zugeschrieben. Der Schwerpunkt der zentralistischen Verwaltung lag in der Sicherung der Bewässerung des Kulturlandes, die mit der fortschreitenden Austrocknung an Bedeutung gewann. Hand in Hand mit der Knüpfung enger Handelskontakte geht ein bedeutender Kulturexport von Südmesopotamien nach Nordmesopotamien, Syrien und in die Berge des Taurus sowie des Zagros bis weit in iranisches Gebiet. Die darauffolgende Epoche (Frühdynastische Zeit, bis ca. 2350 v.Chr.) ist durch die Rivalitäten von Stadtstaaten unterschiedlicher Größenordnung (z.B. Uruk, Umma, Lagaš, Kiš) gekennzeichnet. Es ging dabei um die Überwachung des weitverzweigten künstlichen Kanalnetzes, das nach der Austrocknung der kleinen Wasserläufe die Landwirtschaft sicherte. Der daraus resultierende Partikularismus förderte in religiöser Hinsicht die Vorstellung vom Stadtgott als eigentlichem Herrscher. Versuche, politische Zusammenschlüsse herbeizuführen, waren nicht von Dauer. Durch bereits teilweise akkadisch abgefaßte Urkunden sind wir relativ gut über den Konflikt zwischen den Stadtstaaten Umma und Lagaš um den gemeinsamen Grenzkanal informiert. Als Lugalzaggesi von Umma Sargon von Akkad (ca. 2330–2274) unterlag, gründete dieser das erste nachweisbare Großreich der Geschichte.

Tendenzen zur Bildung größerer politischer Einheiten gab es zu dieser Zeit bereits in Elam bzw. Syrien (Ebla und Mari). Als Quellen besitzen wir Königsinschriften, die meist in akkadischer Sprache abgefaßt sind. Sargon gelang es erstmals, ganz Mesopotamien unter seiner Herrschaft zu vereinen. Dieses Weltreich war für die Herrscher bis Alexander ein angestrebtes, aber selten erreichtes Herrschaftsideal.

Akkad, die Hauptstadt dieses Reiches, ist bislang nicht gefunden worden. Das Reich war streng zentralistisch geordnet, in den eroberten Gebieten standen an der Spitze der Verwaltung akkadische Beamte. Sargons Nachfolger Rimuš und Maništušu hatten bereits zahlreiche Aufstände zu bekämpfen. Sargons Enkel Naramsin (ca. 2250–2213) gilt in der legendarischen Überlieferung zwar als Unglücksherrscher, doch gelangen ihm Siege gegen Ebla und Elam sowie gegen mehrere Aufstände in Mesopotamien. Durch die ständige Kriegsführung wurden die Staatsfinanzen stark belastet, dazu kamen Plünderungszüge der Gutäer aus dem Zagrosgebirge, so daß unter Naramsins Nachfolger Šarkališarri (ca. 2212–2188) das Reich auseinanderbrach. Große Teile Mesopotamiens wurden rund 100 Jahre lang von den Gutäern beherrscht, bis es Utuhengal von Uruk gelang, die Gutäer zu vertreiben. Doch er wird von Urnammu (2064–2046), dem Begründer der 3. Dynastie von Ur, gestürzt. Diese Epoche ist von einer Renaissance des Sumerertums gekennzeichnet. Šulgi (2046–1998) beherrscht ganz Mesopotamien von Elam bis Nordsyrien. Unter dem letzten Herrscher dieser Periode, Ibbisin (1980–1955), wird die Zentralgewalt immer schwächer, Mißernten und der Kampf gegen die von Westen vorstoßenden Amurriter setzen dem Reich sehr zu, bis es von Elam zerstört wird.

Die Herrschaft Elams dauerte nur einige Jahre, bis Išbi-Erra von Isin (ca. 1969–1937) die Elamier aus Ur vertrieb. Die nun folgende Periode war durch den Kampf der Stadtstaaten Isin und Larsa um die Vormachtstellung in Südmesopotamien gekennzeichnet, wobei wiederum die Bewässerungssysteme im Mittelpunkt des Interesses standen. Aber es ging den Herrschern auch um die Anerkennung ihrer jeweiligen Herrschaftsansprüche durch die Priesterschaft von Nippur, womit damals ein Herrscher seinen Herrschaftsanspruch über das ganze Land legalisieren konnte. Durch die Rivalitäten im Süden wurde die Entwicklung von selbständigen Stadtstaaten im Norden (z.B. Ešnunna, Mari, Halab, Karkemiš und besonders Babylon) begünstigt. Für Assur sind im 19. Jh. die ersten Königsinschriften in assyrischer Sprache bezeugt, informationsreicher als diese sind aber die assyrischen Handelsurkunden und Briefe aus den assyrischen Handelskolonien in Kappadokien. Rimsin von Larsa (1761–1700) gelingt es, Uruk, Nippur und schließlich auch Isin zu unterwerfen. Außer Larsa bestand in Südmesopotamien somit nur mehr Babylon als bedeutendes Königreich, beide existierten für wenige Jahrzehnte friedlich nebeneinander. In Nordmesopotamien eroberte der Amurriterfürst Šamši-Adad (1750–1717) von Terqa aus Mari und nach und nach das gesamte Gebiet zwischen dem Zagros-Gebirge und Mari. Doch sein Reich zerfiel bald nach seinem Tod. Erst danach gelang es Hammurabi von Babylon (1729–1686), aus dem damals nicht weiter bedeutenden Stadtstaat durch geschickten Wechsel seiner Bündnispartner ganz Babylonien und teilweise Assyrien zu erobern und ein Reich vom Taurus bis zum Persisch-Arabischen Golf zu errichten.

Aus der altbabylonischen Zeit besitzen wir verschiedene Quellen: Königsinschriften, Rechts- und Verwaltungsurkunden und Briefe aus privaten und öffentlichen Archiven. Hervorzuheben ist besonders das Palastarchiv von Mari, das sowohl Verwaltungstexte als auch außenpolitische Informationen enthält. Der Kodex Hammurabi ist eine Sammlung von Gesetzen nach dem Talionsprinzip. Neben der Entwicklung einer eigenständigen babylonischen Literatur und Wissenschaft wird die ältere sumerische Literatur weiter tradiert.

Die Macht des altbabylonischen Reiches begann aber bereits unter Hammurabis Sohn Samsuiluna (1686–1648) zu schwinden. Südbabylonien wurde unter der “Meerlanddynastie” selbständig. Der Raubzug des Hethiterkönigs Muršili I., der 1531 Babylon plünderte, machte dieser über 10 Generationen bestehenden Dynastie und dem altbabylonischen Reich ein Ende. Nach dem “Hethitersturm” kommt in Babylon die Dynastie der Kassiten an die Macht. Dieses Volk, das aus dem Bergland östlich von Mesopotamien stammen dürfte, ist sprachlich eigenständig, doch sind uns nur Personennamen und Wörterlisten der kassitischen Sprache bekannt. In Babylonien haben die Kassiten jedoch bald völlig die babylonische Kultur und Sprache übernommen.

Aus dieser Zeit besitzen wir wenige Quellen aus Babylon, erst von den späteren Kassitenkönigen existieren meist spätsumerische Königsinschriften. Nach 1300 setzen die kudurrus, Landschenkungsurkundenauf Grenzsteinen, als wichtige Inschriftenquelle ein. Das 14. und 13. Jh. ist für die babylonische Religionsgeschichte insofern bedeutsam, als in dieser Zeit ein Teil der Traditionen “kodifiziert” worden ist, so daß W. von Soden in diesem Zusammenhang von “Kanonbildung” spricht.10

Außenpolitisch stehen die babylonischen Herrscher Burnaburiaš II. und Kurigalzu II. im 14. Jh. gleichberechtigt neben den Königen von Ägypten, Mittani, des Hethiterreiches und Assyriens. Der darauf folgende politische und wirtschaftliche Abstieg Babyloniens mündet schließlich 1175 in die Eroberung Babylons durch die Elamier unter Šilhak-Inšušinak. – Für Assyrien beginnt mit Assuruballit I. (1354–1318) die Zeit der assyrischen Expansion. Nach der Erlangung der Selbständigkeit um ca. 1350 werden erste Gebiete im Osten erobert, unter Adadnarari I. (1296–1264) gelangen die Reste des Mittanireiches unter assyrische Herrschaft. Salmanassar I. (1264–1234) und Tukulti-Ninurta I. (1234–1197) setzen die Expansion fort und organisieren die eroberten Gebiete als Provinzen. Unter dem letztgenannten Herrscher hielten die Assyrer zeitweilig auch Nordbabylonien besetzt und zerstörten Babylon, doch folgte auf seine Ermordung ein politischer Niedergang. Erst unter Tiglatpilesar I. (1116–1077) wurde das assyrische Reich wieder bedeutend. – Die zweite Hälfte des 2.Jts. v.Chr. war gekennzeichnet durch ein “Gleichgewicht der Kräfte” im Vorderen Orient. Ab etwa 1200 ist der “Seevölkersturm” (Wanderbewegungen im östlichen Mittelmeerraum) teilweise mitverantwortlich für den Untergang des politischen Systems. So brach das Hethiterreich zusammen, Ägypten, Assyrien und Babylonien reduzierten sich auf das jeweilige Kernland, und auch die syrischen Hafenstädte wurden in Mitleidenschaft gezogen. Zu Beginn des 1.Jts. sorgten Aramäerstämme für instabile Verhältnisse. Aus Babylon besitzen wir für diese Zeit kaum Quellen. Assyrien konnte die Aramäer vom eigenen Kernland jedoch fernhalten und sollte für die kommenden Jahrhunderte die führende Macht Vorderasiens werden. Die Eroberungen Tiglatpilesars I. konnten von seinen schwachen Nachfolgern zwar nicht gehalten werden, doch mit Adadnarari II. (912–891) begann das neuassyrische Großreich. Dieser Herrscher gelangte auf seinen Eroberungszügen nach Norden bis in die Nairi-Länder (in Südostanatolien) und an den Urmia-See, im Süden bis Babylonien und kämpfte gegen die Aramäerstaaten im Westen. Die eroberten Gebiete wurden als Provinzen mit assyrischen Statthaltern der zentralistischen Staatsverwaltung angegliedert. Die assyrischen Könige sahen sich als Verwalter des Nationalgottes Aššur, welchem sie Rechenschaft schuldeten, die sie in Form von langen Kriegsberichten ablegten. Unter Assurnasirpal II. (884–858) erlebte das neuassyrische Reich seinen ersten Höhepunkt, indem er militärisch bis zum Mittelmeer vordrang; er verlegte seine Residenz nach Kalah. Unter Salmanassar III. (858–824) wandte sich Assyrien zum ersten Mal dem syrischen Raum zu. Salmanassar kämpfte gegen Damaskus und eroberte Bit Adini. Im Norden Assyriens, im armenischen Hochland, schlossen sich lokale Fürstentümer zum Schutz vor den Assyrern zusammen. Die Bevölkerung dieser Fürstentümer ist ethnisch und sprachlich mit den Hurritern aus dem 2.Jt. verbunden. Im 9.Jh. bildete sich daraus der Staat Urartu, der in der Folge zu einem der Hauptgegner Assyriens werden sollte und sich oft mit syrischen Staaten verband. Nach einer Periode schwächerer Herrscher führte der Usurpator Tiglatpilesar III. (745–727) Assyrien auf einen neuen Höhepunkt der Macht. Er besiegte Urartu und eroberte Damaskus. Dadurch, daß er die Provinzen verkleinerte, entmachtete er die Statthalter und stärkte die Zentralgewalt. Als Antwort auf mehrere Staatsstreiche in Babylonien marschierte Tiglatpilesar in Babylon ein und hob den Sonderstatus, den die “kulturelle Mutter” Assyriens innehatte, auf und beherrschte es selbst zusammen mit Assyrien in Personalunion. Seine Nachfolger hatten überall Revolten und Aufstände niederzuschlagen, eroberten aber dabei nach und nach den gesamten Vorderen Orient.

Für diese Zeit steht uns eine größere Anzahl von Quellen zur Verfügung als für jeden anderen Abschnitt der mesopotamischen Geschichte: Königsinschriften, Briefe, Verwaltungsurkunden, Verträge, Orakelanfragen und religiöse Texte. Durch die militärische Expansion in den syrisch-palästinischen Raum haben wir für diese Zeit auch Nachrichten aus dem Alten Testament zur Verfügung; dazu kommen (spätere) griechische Quellen. Erwähnenswert ist auch der propagandahafte Quellenwert der Reliefs in den Palästen der verschiedenen Residenzen der assyrischen Herrscher.

Sargon II. (722–705) schlug Urartu, zog auf seinen Feldzügen nach Kilikien und nach Syrien bis an die ägyptische Grenze und kämpfte auch gegen Elam. Sanherib (705–681) führte ebenfalls eine militärische Expansion in den syrisch-palästinischen Raum durch (vgl. auch 2 Kön 18–20) und zerstörte Babylon. Er verlegte die Hauptstadt nach Ninive. Das rief den Unmut der Priesterschaft von Kalah hervor, auf deren Betreiben Sanherib von seinen Söhnen ermordet wurde. Asarhaddon (681–669) baute Babylon wieder auf und stellte dadurch im Süden wieder Ruhe her. 674 eroberte er Ägypten, wodurch die Assyrer knapp ein Jahrzehnt den gesamten Vorderen Orient vom 1. Nilkatarakt bis zum Mittelmeer und vom Iranischen Hochland bis zum Persisch-Arabischen Golf beherrschten. Diese ungeheure Ausdehnung des Reiches brachte es mit sich, daß Asarhaddons Nachfolger Assurbanipal (669–627) Defensivkriege in alle Richtungen führen mußte. Sein Bruder Šamaššumukin, den bereits Asarhaddon zum Vizekönig über Babylon eingesetzt hatte, verbündete sich mit Elam und revoltierte gegen den König. Der Aufstand dauerte mehrere Jahre. Durch die Bindung der militärischen Gewalt im Süden entglitt Ägypten im Jahr 655 der assyrischen Herrschaft; 646 zerstört Assurbanipal Susa, die Hauptstadt Elams. Die letzten Jahre seiner Regierungszeit verbringt er in Harran, was dem chaldäischen Gouverneur Nabupolassar (626–605) ermöglichte, sich mit dem Meder Kyaxares (625–588) zu verbünden. Gemeinsam eroberten sie Assur, Kalah, Ninive (612) und Harran (609) und teilten Assyrien und Babylonien zwischen sich auf.

Dies leitet das Neubabylonische Reich (626–539) ein. Die herrschende Schicht war aramäischer Herkunft (“Chaldäer”), wobei Aramäer bereits zwischen dem 11. und dem 9. Jh. mehrere Fürstentümer in Babylonien gebildet hatten. Nabupolassars Sohn Nebukadnezar II. (605–562) konnte 605 bei Karkemiš die Ägypter vernichtend schlagen, so daß das chaldäische Babylonien das assyrische Erbe ungehindert antreten konnte. Nebukadnezar eroberte 597 und 587 Jerusalem, zerstörte dort den Tempel und deportierte die Elite der Bevölkerung nach Babylonien. Seine Hauptstadt baute er prächtig aus, erneuerte die Haupttempel und befestigte Babylon durch eine doppelte Stadtmauer. Nach seinem Tod begann der Niedergang des neubabylonischen Reiches; durch Rivalitäten zwischen den Priesterschaften der verschiedenen Tempel (Marduk in Babylon, Šamaš in Larsa und Sippar, Sin in Ur und Harran) entstanden innenpolitische Spannungen, die letztlich das Ende des Reiches bewirkten. Als Neriglissar, der die Marduk-Priesterschaft bevorzugt hatte, starb, und der Kronprinz ermordet worden war, kam der Usurpator Nabonid (556–539) aus Harran mit Hilfe der dortigen Priesterschaft des Sin und des Šamaš an die Macht. Während seines zehnjährigen Aufenthaltes in der nordarabischen Oasenstadt Tema, in der er wahrscheinlich ein Bündnis mit anderen Aramäerfürsten und Arabern gegen die aufstrebenden Perser auf die Beine stellen wollte, konnte in Babylon das Neujahrsfest nicht abgehalten werden. Aufgrund der dadurch hervorgerufenen negativen Propaganda der Marduk-Priesterschaft konnte Kyros II. 539 fast kampflos in Babylon einziehen. Durch den Machtwechsel wurden aber die wirtschaftliche Blüte und die Selbstverwaltung Babyloniens vorerst kaum beeinträchtigt.

2.2. Syrien

Zu Beginn der historischen Periode Syriens um die Mitte des 3.Jts. ist auch hier der semitische Bevölkerungsanteil vorherrschend geworden, wenn auch durch in schriftlichen Quellen erhaltene Ortsnamen ältere nichtsemitische Reste nachweisbar sind.

Durch seine Lage als Vermittler zwischen Anatolien, Mesopotamien, Iran und Elam, Palästina und Ägypten und auf Grund seiner Rohstoffressourcen (vor allem Bauholz) rückte die syrische Landbrücke schon früh in den Blick der an ihrer Peripherie entstandenen Machtblöcke. Zu Beginn der syrischen Geschichte war dies einerseits Ägypten, das auf dem Seeweg Handelsbeziehungen mit Byblos unterhielt, andererseits aber Sumer, das sich auch militärisch in Syrien engagierte. Einen Hinweis darauf kann man dem sumerischen Mythos “Gilgameš und Huwawa” (TUAT III, 540–549) entnehmen, worin Gilgameš gegen Huwawa, den “Herrn des Zedernwaldes” kämpft. Der Mythos könnte als historischen Kern einen Beutezug gegen den Libanon mit seinen Zedern beinhalten, denn Mesopotamien bezog aus Syrien vor allem Bauholz, daneben aber auch Metalle, Steine, Wein, Öle und anderes. Lugalzaggesi (Mitte des 24.Jhs., Ende der frühdynastischen Epoche) rühmt sich der Herrschaft bis zum Mittelmeer. Wenn das auch wohl nicht der Realität entsprach, so zeigt es doch einen sumerischen Herrschaftsanspruch über Syrien an. Der kulturelle Einfluß Sumers zeigt sich darin, daß sumerisches Schrifttum in Ebla gefunden wurde, auch die Keilschrift wurde für das semitische Eblaitische verwendet.

Zwischen 2400 und 2300 ist die Zeit der ersten Blüte von Ebla,11 wobei Ebla und Mari in dieser Zeit gleichwertige Zentren in Syrien sind; auch Karkemiš konnte eine gewisse Bedeutung für sich beanspruchen. Daß Mari zeitweilig bis Mesopotamien seinen Einfluß ausströmen ließ und nicht nur unter sumerischem Kultureinfluß stand, sieht man daran, daß nach der sumerischen Königsliste Herrscher aus Mari in Sumer regiert haben sollen. Im 3. Jahr Sargons von Akkad wird der syrische Raum in dieses erste bekannte Großreich der Geschichte eingegliedert und in die Provinzen Armanum (Halab/Aleppo), Mari und Ebla geteilt. Nach einem Aufstand zerstörte Naramsin, der Enkel Sargons, Ebla. Nach dem Untergang des Reiches von Akkad schlossen syrische Fürsten wechselhafte Bündnisse miteinander. Die Oberschicht rekrutierte sich teils aus angestammten einheimischen Dynastien, teils aus Amurritern, einer neuen semitischen Bevölkerungsschicht. Unser Wissen über politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse verdanken wir dem Palastarchiv von Mari. Es kam zu verschiedenen kurzlebigen amurritischen Reichsbildungen. Hier sind Jahdun-Lim und Zimri-Lim von Mari und besonders Šamši-Adad I., der Assur und große Teile Mesopotamiens und Syriens eroberte und somit den gesamten Fernhandel unter seine Kontrolle brachte, zu nennen. Die Expansionsbestrebungen Hammurabis von Babylon endeten in Syrien, das unter der Führung der Städte Halab und Qatna die Unabhängigkeit bewahren konnte.

Die in Nordmesopotamien seit der Akkad-Zeit bekannten Hurriter werden in Nordsyrien seit dem 18.Jh. immer häufiger greifbar. In Verbindung mit einer zu dieser Zeit bereits assimilierten indoarischen Bevölkerungskomponente gründeten sie im mittleren und östlichen Syrien das Mittani-Reich (Hanigalbat). Im 16.Jh. beginnen die Hethiter bei ihren Expansionsbestrebungen nach Nordsyrien vorzustoßen. Hattušili I. zerstörte Alalah, sein Nachfolger Muršili I. eroberte Aleppo mit seinem Hinterland. Durch die nachfolgende Schwächeperiode des Hethiterreiches gelang es den Mittani, ihre Macht weit über Nordsyrien auszudehnen. Damit kommt es zu einem Interessenskonflikt mit dem nach der Vertreibung der Hyksos neu erstarkten Ägypten, das seinen Herrschaftsbereich ebenfalls auf die syrischpalästinische Landbrücke ausdehnen wollte.

Einen wichtigen Quellenkomplex für das 14. Jh. stellt für uns die sog. Amarna-Korrespondenz dar. Pharao Amenophis IV. Echnaton (1353–1336) hatte seine Residenz Achet-Aton (Tell el-Amarna) neu gegründet; diese wurde aber bald nach seinem Tod wieder verlassen. Diesem Umstand verdanken wir die Erhaltung des königlichen Archives mit der internationalen Korrespondenz Echnatons mit Hatti, Mittani, Babylonien, syrischen Fürstentümern und Alašiya (Zypern). Die Herrscher dieser Zeit betrachteten sich untereinander als gleichrangig; die Korrespondenz mit Fürsten der syrischen Kleinstaaten läßt die wechselnden Machtverhältnisse in diesem Raum erkennen, wobei manche syrische Stadtstaaten von ihrem nominellen Herrscher, dem ägyptischen Pharao, keine Hilfe gegen militärische Bedrohungen durch den gemeinsamen Gegner erhalten.

Nach der Zerschlagung des Mittani-Staates kommt es zum Konflikt zwischen dem Hethiterreich und Ägypten, der auf syrischem Boden militärisch ausgetragen wurde und 1275 in der Schlacht bei Qadeš am Orontes gipfelte, bis zwei Jahrzehnte danach in einem Staatsvertrag zwischen Ägypten und Hatti die bestehenden Grenzen gegenseitig anerkannt wurden. Die hethitische Herrschaft war stark genug, um die Ordnung in den syrischen Vasallenstaaten hinreichend zu garantieren, was sehr zu deren wirtschaftlichem Aufschwung beitrug. Vor allem über die Situation Ugarits sind wir durch die dort freigelegten Archive aus dem 14. und 13.Jh. sehr gut unterrichtet, die die Blüte des Staatstadtes illustrieren. Ugarit war in dieser Zeit ein internationales Wirtschaftszentrum und eine Hafenstadt, die offen für vielfältige Einflüsse war, so daß diese Stadt zugleich in engem Kontakt mit der ägäischen Welt stand. Genauso geben für das 13.Jh. Funde aus Emar in Mittelsyrien Einblick in das Alltagsleben, in juridische Verhältnisse und politische Beziehungen dieses Gebietes zur hethitisch dominierten Stadt Karkemiš. Der politische Einfluß des Hethiterreiches auf Syrien zwischen 1400 und 1180 wirkte sich dabei am Ende dieser Periode insofern negativ aus, als das zusammenbrechende Hethiterreich nicht imstande war, den syrischen Stadtstaaten im sogenannten Seevölkersturm zu Hilfe zu kommen. Dadurch änderte sich die politische Situation in Vorderasien grundlegend. Durch die Schwächeperiode all jener Reiche, die sich über lange Zeit im 2.Jt. machtpolitisch die Waage gehalten hatten, wurde eine eigenständige Entwicklung politischer Zentren an der “Peripherie” ermöglicht.

In Obermesopotamien und Syrien konnten sich die Aramäer nach dem Ende der hethitischen Herrschaft und der Reduzierung Assyriens auf sein Kernland weiter ausbreiten. Zusammen mit der ansässigen luwischen Bevölkerung bildeten sich zahlreiche Stadtstaaten mit aramäischen oder sogenannten syro-hethitischen Dynastien, wie z.B. Aram-Damaskus, Bit Adini, Bit Agusi, Bit Bahiani, Zoba, Hamat, Karkemiš und Sam’al. Die meist vorherrschende Rivalität wurde nur manchmal durch Bündnisse untereinander und zeitweise mit den Urartäern gegen die Assyrer unterbrochen. Die Assyrer waren an Syrien vor allem wegen der Sicherung ihrer Handelswege zum Mittelmeer und nach Kleinasien interessiert. 853 besiegte Salmanassar III. eine Koalition syrischer Fürstentümer unter der Leitung von Damaskus. Adadnarari III. gelang es, Damaskus tributpflichtig zu machen. Tiglatpilesar III. eroberte der Reihe nach Arpad, Sam’al, Hamat und Damaskus. Die zahlreichen Aufstände nahmen aber erst ein Ende, als Assyrien auch Ägypten unterwarf, mit dem die syrischen Fürstentümer immer wieder konspiriert hatten. – An der Mittelmeerküste erlebten die phönikischen Handelsstädte Tyros, Sidon, Byblos und Arwad einen wirtschaftlichen Aufschwung. Sie lösten die mykenischen Seehändler ab. Sie bildeten keine feste politische Einheit, sondern einen lockeren Staatenbund. Die Rivalitäten der Städte untereinander erleichterten es auch hier den Assyrern, ihre Expansion erfolgreich voranzutreiben. Nach dem Fall Assyriens herrschte Nebukadnezar II. von Babylon über Syrien, danach fiel es dem Achämenidenreich zu und teilte mit ihm das Schicksal der Eroberung durch Alexander den Großen.

2.3. Iran

Die frühe westiranische Geschichte ist mit den Elamiern verbunden, die wahrscheinlich schon im 4.Jt. in Südwestiran seßhaft waren. Ihre kulturelle Bedeutung zeigt sich daran, daß sie schon im frühen 3.Jt. eine für ihre Sprache, die mit keiner anderen bekannten Sprache sicher zu verbinden ist, eigens entwickelte Schrift (Protoelamisch) verwendeten; in der Mitte des 3.Jts. übernahmen sie jedoch die akkadische Keilschrift für die elamische Sprache. Ab dieser Zeit stehen sie in enger politischer und kultureller Wechselwirkung mit Mesopotamien, was bis zum Beginn des Achämenidenreiches andauert. Damit wird Elam zugleich ein wichtiger Vermittler für babylonische Vorstellungen nach Persien, wo noch im aufstrebenden Achämenidenreich der elamische Anteil greifbar wird.12

Nach 1100 tritt ein neues Bevölkerungselement in der westiranischen Geschichte auf; denn ab diesem Zeitpunkt wanderten bis dahin seßhafte iranische Stämme von Zentralasien her in das Iranische Hochland ein. Im Nordwesten siedelten sich medische Stämme an, die sich durch die Bedrohung von seiten Urartus und Assyriens im 8.Jh. unter Deiokes zusammenschlossen. Der Meder Kyaxares verbündete sich mit den Chaldäern, mit denen er das neuassyrische Reich zerschlug. Persische Stämme wanderten weiter nach Süden und siedelten sich im elamischen Gebiet an. Ihre Einigung im 8.Jh. wurde dem legendarischen Dynastiegründer Haẖamaniš (griech.: Achaimenes) zugeschrieben. Der Achämenide Kyros II. (559–530) besiegte um 550 den Mederkönig Astyages und wurde so auch zum Herrscher über die Meder, denen die Perser bis dahin lehenspflichtig gewesen waren. 549 eroberte Kyros die Mederhauptstadt Ekbatana, die eine der Residenzstädte des Perserreiches wurde. Die Perser beließen Nabonid vorerst unbehelligt in Harran und wandten sich stattdessen dem Lyderreich des sagenhaften Königs Kroisos in Kleinasien zu, das sie 547 eroberten. Als um 540 Kyros de facto die Selbständigkeit Elams ausgelöscht hatte, konnte er – nachdem der Statthalter des Osttigrislandes zu den Persern übergelaufen war – das babylonische Heer unter der Führung Belšarusurs, des Statthalters und Sohnes von Nabonid, besiegen und in Babylon einmarschieren, das als Residenz prächtig ausgebaut wurde. Die auf uns gekommenen Quellen aus dieser Zeit zeigen, daß Kyros II. die Erwartungen, die die babylonische Priesterschaft in ihn gesetzt hatte, erfüllte.

Die Herrschaft der Perser war wie die der Assyrer nicht auf Gewalt, sondern auf eine pragmatische Toleranz gegründet. Das läßt sich beispielsweise in der Wahl der Verwaltungssprache zeigen: Dafür wurde das Aramäische, das bereits im 7.Jh. fast überall im Vorderen Orient gesprochen oder zumindest verstanden wurde, und nicht etwa das Altpersische, verwendet. In Kleinasien war daneben auch Griechisch Amtssprache. Diese Toleranz bestimmte aber auch die Religionspolitik gegenüber den im Achämenidenreich lebenden Völkern. Trotzdem war das Perserreich straff von der jeweiligen Hauptstadt (Pasargadai, Persepolis, Susa und Ekbatana) aus zentralistisch regiert. Es war in eine zunehmende Zahl von Satrapien gegliedert.

Nachdem Kambyses (530–522) im Jahr 525 Ägypten erobert hatte, beherrschten die Perser das bis dahin größte Reich in der Alten Welt: vom 1. Nilkatarakt bis Westkleinasien und vom Libanon bis zum Indus. Den sog. Gaumataaufstand beendete Dareios I. (522–486), der aus einer Nebenlinie der Achämeniden stammte. Er schlug auch Aufstände in Medien, Elam und Babylonien nieder. Die Satrapien ordnete er neu an und verpflichtete sie zu regelmäßigen Abgaben. Idealisierend beschreibt er in seiner großen Behistun-Inschrift die Größe des Achämenidenreiches (TUAT I, 423):

“Dies sind die Länder, die mir zugekommen sind – nach dem Willen Ahura Mazdas war ich ihr König: Persien, Elam, Assyrien, Arabien, Ägypten, die Meerbewohner, Sardes, Jonien, Medien, Armenien, Kappadokien, Parthien, Drangiana, Areia, Choresmien, Baktrien, Sogdien, Gandhara, Skythien, Sattagydien, Arachosien, Maka, insgesamt 23 Länder.”

Die Expansion des Achämenidenreiches reicht im Südosten bis Seistan (Drangiana) und Arachosien und ins heutige Pakistan. Im Nordosten erstrecken sich Parthien und Choresmien ins Gebiet der heutigen Staaten Turkmenistan und Uzbekistan, Teile von Baktrien reichen sogar bis ins heutige Tadjikistan bzw. Afghanistan. Die Ausbreitung des Achämenidenreiches nach Osten bringt dabei dieses Weltreich – neben den Verbindungen mit Medien – in ein weiteres Gebiet, in dem sich der Zoroastrismus bereits seit einigen Jahrhunderten entfaltet hatte. Die Expansion nach Westen unter Dareios führt dazu, daß in seine Regierungszeit die ersten Auseinandersetzungen mit den Griechen fallen, der Jonische Aufstand und die Schlacht bei Marathon. Xerxes I. (484–464) wurde schließlich von den Griechen bei Salamis geschlagen. Erhebungen in Babylon 484 und 482 beantwortete er mit einer Zerstörung der Stadt, wovon wohl auch das Mardukheiligtum nicht unversehrt blieb; er ließ viele Priester hinrichten, und Babylon wurde zu einer einfachen Satrapiehauptstadt dagradiert. Nach der Ermordung Xerxes’ brachen Nachfolgekämpfe aus, in denen Artaxerxes I. auf den Thron gelangt. Er kann mit Griechenland zwar Frieden schließen, Aufstände in Baktrien und Ägypten signalisieren jedoch den Anfang vom Ende des Reiches. Dareios II. verlor 404 Ägypten, unter seinem Nachfolger Artaxerxes II. erlangte das Reich einen Tiefpunkt seiner Macht. Über die Kämpfe gegen seinen Bruder Kyros berichtet Xenophon in seiner Anabasis. Religionsgeschichtlich sind die Regierungsjahre von Artaxerxes II. jedoch insofern erwähnenswert, als es in dieser Zeit zu einigen Neuerungen innerhalb des Zoroastrismus kommt. Artaxerxes III. Ochos (359/8–338) konnte noch einmal Ägypten ans Perserreich angliedern und Satrapienaufstände beenden, doch unter Dareios III. (338–331) bereitete Alexander der Große dem Perserreich das Ende.

B. Religion der Babylonier und Assyrer

Texte und Übersetzungen: Dalley, S.: 1990. Myths from Mesopotamia. Creation, the Flood, Gilgamesh, and Others, Oxford; Falkenstein, A. / Soden, W. von: 1953. Sumerische und Akkadische Hymnen und Gebete, Zürich; Foster, B.R.: 1993. Before the Muses. An Anthology of Akkadian Literature. Vol. 1: Archaic, Classical, Mature; vol. 2: Mature, Late, Bethesda, Maryland; Jacobsen, Th.: 1987. The Harps that Once ... Sumerian Poetry in Translation, New Haven / London; Kaiser, O. (Hg.): 1982–1985. Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Bd. 1: Rechts- und Wirtschaftsurkunden / Historisch-chronologische Texte, Gütersloh; Kaiser, O. (Hg.): 1986–1991. Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Bd. 2: Religiöse Texte, Gütersloh; Kaiser, O. (Hg.): 1990–1995. Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Bd. 3: Weisheitstexte, Mythen und Epen, Gütersloh; Labat, R.: 1970. Les grands textes de la pensée babylonienne, in: Ders. / A. Caquot / M. Sznycer / M. Vieyra: Les religions du Proche-Orient asiatique, Paris, 13–350; Pritchard, J.B. (ed.): 1969. Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament. 3rd Edition with Supplement, Princeton; Reiner, E.: 1985. Your Thwarts in Pieces, your Mooring Rope Cut. Poetry from Babylonia and Assyria, Michigan; Schmökel, H.: 1975. Mesopotamische Texte, in: W. Beyerlin (Hg.): Religionsgeschichtliches Textbuch zum Alten Testament, Göttingen, 95–168.

Einzelstudien: Black, J. / Green, A.: 1992. Gods, Demons and Symbols of Ancient Mesopotamia. An Illustrated Dictionary, London; Bottéro, J.: 1985. Mythes et rites de Babylone, Genève; Bottéro, J.: 1987. Mésopotamie. L’écriture, la raison et les dieux, Paris; Bottéro, J. / Kramer, S.N.: 1989. Lorsque les dieux faisaient l’homme. Mythologie mesopotamienne, Paris; Dijk, J. van: 1971. Sumerische Religion, in: HRG 1, 431–496; Ebeling, E. / Meissner, B. u.a. (Hg.): 1928–1995. Reallexikon der Assyriologie. Bd. 1–8, Berlin; Edzard, D.O.: 1965. Die Mythologie der Sumerer und Akkader, in: H.W. Haussig (Hg.): Götter und Mythen im Vorderen Orient, Stuttgart (= WdM 1), 17–139; Haas, V.: 1986. Magie und Mythen in Babylonien. Von Dämonen, Hexen und Beschwörungspriestern, Gifkendorf; Hirsch, H.: 1972. Untersuchungen zur altassyrischen Religion, 2. Aufl., Osnabrück (= AfO B 13/14); Jacobsen, Th.: 1976. The Treasures of Darkness. A History of Mesopotamian Religion, New Haven / London; Klengel, H. (Hg.): 1989. Kulturgeschichte des alten Vorderasien, Berlin; Leick, G.: 1991. A Dictionary of Ancient Near Eastern Mythology, London; McCall, H.: 1993. Mesopotamische Mythen, Stuttgart; Moortgart, A.: 1982. Die Kunst des alten Mesopotamiens, Köln; Nougayrol, J.: 1973. Einführende Bemerkungen zur babylonischen Religion, in: U. Mann (Hg.): Theologie und Religionswissenschaft, Darmstadt, 28–46; Oberhuber, K.: 1991. Linguistisch-philologische Prolegomena zur altorientalischen Religionsgeschichte, Innsbruck (= IBS V 53); Oppenheim, A.L.: 1964. Ancient Mesopotamia. Portrait of a Dead Civilization, Chicago; Reiner, E.: 1978. Die akkadische Literatur, in: W. Röllig (Hg.): Altorientalische Literaturen, Wiesbaden, 151–210; Ringgren, H.: 1979. Die Religionen des Alten Orients, Göttingen, 64–184; Römer, W.H.Ph.: 1969. The Religion of Ancient Mesopotamia, in: C.J. Bleeker / G. Widengren (eds.): Historia Religionum. Vol. 1: Religions of the Past, Leiden, 115–194; Römer, W.H.Ph.: 1994. Die Sumerologie. Versuch einer Einführung in den Forschungstand nebst einer Bibliographie in Auswahl, Neukirchen-Vluyn (= AOAT 238); Soden, W. von: 1985. Einführung in die Altorientalistik, Darmstadt; Soden, W. von: 1985. Bibel und Alter Orient. Altorientalische Beiträge zum Alten Testament, hrsg. von H.-P. Müller, Berlin; Soden, W. von: 1989. Aus Sprache, Geschichte und Religion Babyloniens. Gesammelte Aufsätze, hrsg. v. L. Cagni und H.-P. Müller, Neapel.

1. Quellen und Überlieferer

1.1. Keilschrift und Religion

Literatur: Edzard, D.O.: 1976–1980. Keilschrift, in: R1A 5, 544–568; Soden, W. von: 1960. Zweisprachigkeit in der geistigen Kultur Babyloniens, Wien (= SÖAW phil.-hist. Kl. 235/1); Soden, W. von: 1985. Einführung in die Altorientalistik, Darmstadt, 30–39; Walker, C.B.F.: 1987. Cuneiform, London.

Die politische und kulturelle Geschichte Mesopotamiens wurde von mehreren Völkerschaften geprägt, deren eigenständige religiöse Vorstellungen sich im Laufe der Zeit nicht nur gegenseitig befruchteten, sondern auch zu manchen Synthesen führten. Eine wesentliche Komponente in diesem Prozeß stellt die Keilschrift dar, ursprünglich eine aus administrativen Notwendigkeiten hervorgegangene Erfindung, deren allgemeine Nützlichkeit von den Sumerern frühzeitig erkannt wurde, so daß Verschriftlichung religiöser oder wissenschaftlicher Themen schon vor der Mitte des 3.Jts. faßbar wird.

Das Medium “Schrift”, dessen sich die Sumerer im Süden bedienten, wurde alsbald von den nördlicher siedelnden semitischen Akkadern aufgegriffen, wobei mit der Übertragung der Schrift auf ein völlig vom Sumerischen abweichendes Sprachsystem nicht nur eine große denkerische Leistung erbracht wurde, sondern zugleich ein wesentlicher Schritt gesetzt war, mit der Form auch Inhalte religiöser Art über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg zu transportieren. Der erstmalige semitische Prozeß der Schriftübernahme und Adaptierung durch die Akkader zu einem noch nicht näher bekannten Zeitpunkt des 3.Jts. ist dabei nicht nur innermesopotamisch mehrfach fortgesetzt und verbessert worden, sondern hat u.a. auch Eblaiter (ab 2400), Elamier (23.Jh.), Hurriter (Ende 3.Jt.), Hethiter (17.Jh.) und Urartäer (um 900) betroffen. Aber auch die Erfindung der Keilschriften von Ugarit und der Achämeniden ist von der babylonischen Keilschrift inspiriert.

Daraus ergeben sich einige religionsgeschichtliche Konsequenzen: Die gemeinsame Schriftlichkeit und dennoch bewahrte Zweisprachigkeit erfordert eine dauernde Auseinandersetzung zwischen Sumerern und Akkadern; sie ermöglicht aber auch die Amalgamierung von religiösen Ideen und Konzepten unterschiedlicher Art, was in erster Linie für das Weiterleben von Themen der sumerischen Religion im babylonischen Bereich hervorzuheben ist. Selbst als die sumerische Sprache und Religion als lebendige Systeme längst obsolet geworden sind, werden zweisprachige religiöse Texte weiter überliefert. Im 2.Jt. läßt sich als gewisses Analogon die – durch politische Machtverhältnisse mitbedingte – weitgehende Verschmelzung babylonischer und assyrischer Religiosität feststellen, wobei Assyrien der nehmende Part war.

Der Religionshistoriker wird dabei bemüht sein, die offenkundig liegenden unterschiedlichen Traditionslinien auseinanderzuhalten und zumindest die unterschiedliche Gewichtung derselben zu betonen. Als erwähnenswerter Punkt des assyrischen Nordens sind darüber hinaus nicht nur Berührungen mit der osthurritischen Religionswelt zu nennen, sondern zugleich die Vermittlung mesopotamischer Traditionen in diesen Bereich.

Aufgrund des Mediums Keilschrift sind die Träger der Schriftlichkeit der Religion über weite Strecken gelehrte Kreise – religiöse Funktionäre und Beamte, Priester und Schriftgelehrte –, deren schriftliche Hinterlassenschaft uns Einblick in die offizielle Religion gibt, die weitgehend auf das Wohl des Staates ausgerichtet ist.

Damit ist verbunden, daß manche Quellen Produkte der Schreiberausbildung sind, d.h. Übungstexte, wobei es nicht immer sicher zu entscheiden ist, ob deren Inhalte zur Zeit der Entstehung noch religiöse Relevanz besitzen oder als traditioneller Text, der dem Schreiber-Curriculum dient, zu werten sind. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Schreibkenntnis Ergebnis einer Ausbildung ist, die traditionsgeschichtlich unterschiedliches (religiöses) Wissen kumulativ vermittelt.

Ein Großteil der so überlieferten religiösen Texte läßt sich dabei nicht mehr auf einen individuellen Verfasser zurückführen, so daß wir nur gelegentlich deren Namen kennen. Erwähnenswert ist beispielsweise Sin-leqe-unnini, der der babylonischen Tradition als “Autor” der 11 (12) Tafeln umfassenden Version des Gilgamešepos gilt. Da seine Gilgamešdichtung aber z.T. deutlich auf altbabylonische Vorlagen zurückgreift, ist es präziser, ihn lediglich als Redaktor zu bezeichnen. Auch Kabti-ilani-Marduk, dem in einer einzigen Nacht die Dichtung “Išum und Erra” geoffenbart worden ist (TUAT III, 801), ist als individueller Autor eines religionsgeschichtlich wichtigen Textes zu nennen.