Ren Dhark – Weg ins Weltall 46: Geheimsache Schweres Wasser - Achim Mehnert - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 46: Geheimsache Schweres Wasser E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

In den Tiefen des Weltalls bahnt sich eine mörderische Schlacht an, deren Ausgang das Schicksal der Menschheit entscheiden wird. Und die auf einer fremden Welt gestrandeten Besatzungsmitglieder des Forschungsraumers CHARR haben nur noch eine Chance: die Geheimsache Schweres Wasser...

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 46

Geheimsache Schweres Wasser

 

von

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 1 bis 5)

 

Ben B. Black

(Kapitel 6 bis 11)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 12 bis 17)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

Empfehlungen

T93

Der zweite Krieg der Welten

Ren Dhark Classic-Zyklus

Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.

Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, daß er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgabe es ist, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten.

Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Getreuen gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb.

Nach seiner Rückkehr in die Milchstraße kann Ren Dhark dem Angebot des Industriellen Terence Wallis nicht länger ausweichen und läßt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen sollen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muß sich Ren Dhark einer neuen Herausforderung stellen: Eine unbekannte Macht sorgt dafür, daß der Hyperraum nicht länger zugänglich ist: Transmitter, Hyperfunk und Transitionstriebwerke funktionieren nicht mehr. Zwar gelingt es bald, Transitionstriebwerke und Transmitter wieder ans Laufen zu bringen, aber Ortung und Funk sind weiterhin nicht möglich.

Und dann überschlagen sich die Ereignisse: Auf der Suche nach den Unbekannten gerät Ren Dhark in ein Raumgefecht und stürzt auf einer unbewohnten Welt ab – zusammen mit dem Kraval Parock, der ihm die Geschichte seines Volkes erzählt…

Zur gleichen Zeit sind die Vermißten Tantal, Treenor und JCB auf einer unbekannten Welt wegen Treibstoffmangels gestrandet. Nur JCB kann das Beiboot verlassen und Kontakt zu den Einheimischen knüpfen, die ihm offenbar helfen wollen. Doch dann kreuzt ein Schlachtschiff ihren Weg…

1.

»Die meisten der Krebsfälle wurden von euch Menschen ausgelöst.«

Der knapp 40jährige schlanke, weißblonde Commander Ren Dhark wiederholte diesen Satz unwillkürlich mehrfach in Gedanken, wobei es ihm schwerfiel, den Sinn der Worte aufzunehmen und zu akzeptieren. Die Menschen waren verantwortlich für schwere Krankheitsfälle bei den Kraval? Und das war der Anlaß gewesen für die erbarmungslosen Angriffe jenes hyperstarken Volkes auf die Transmitterstraße im All und den Überfall auf Alamo Gordo?

Falls das zutraf, konnte es sich nur um ein Mißverständnis handeln. Für die zahlreichen getöteten Menschen spielte das allerdings keine Rolle mehr, sie wurden nicht wieder lebendig.

Die Kraval waren durchschnittlich vier Meter groß, hatten vier massige Beine und zwei tentakelartige, kräftige Arme; die umfangreichen Gliedmaßen waren reine Muskelschläuche ohne Knochen. Auch sonst bestand ihr mächtiger Körper, mit dem sie weite Sprünge ausführen konnten, ausschließlich aus extrem starken Muskeln und Sehnen sowie einer Außenhaut aus dicken Hornschuppen. Die verletzlichste Stelle war ihr klobiger Kopf, insbesondere das von Wülsten und Wölbungen und wulstigen Lippen geprägte Gesicht mitsamt der Halspartie.

Dhark stand einem Angehörigen dieses Volkes leibhaftig gegenüber, am Ufer eines Flusses, dem sie zu Fuß in Strömungsrichtung folgten. Beide waren auf einem unbekannten Planeten gestrandet, dem dritten von sechs Umläufern eines orangefarbenen Zentralgestirns. Der Commander hatte diese Welt spontan »Murmel« getauft, weil sie vom All aus so herrlich rund und blaugrün ausgesehen hatte.

Parock, so hieß der Kraval, gegen den sich der gut durchtrainierte Mensch wie ein Schwächling ausnahm, hatte Dhark gerade die bewegende Geschichte seines Volkes erzählt, dessen Angehörige vor einiger Zeit aufgrund eines gentechnischen Verfahrens in die Lage versetzt worden waren, ein durchschnittliches Lebensalter von 1300 Jahren zu erreichen. Doch schon zehn Jahre nach der Behandlung waren unzählige Kraval bereits als 100jährige von Tumoren befallen worden – durch die Schuld der Menschen, wie Parock noch einmal nachdrücklich betonte, und er fügte hinzu: »Eure Spezies trägt zwar die Hauptschuld, ist aber nicht allein dafür verantwortlich. Alle Völker der Galaxis, welche die Hypertechnologie nutzen, sorgen für schädliche Impulse, die dazu führen, daß die genveränderten langlebigen Kraval tödliche Tumore entwickeln.«

»Wenn ich es recht verstanden habe, benötigt auch ihr Kraval den Hyperraum für eure Technologie«, warf Dhark ein.

»Ja, doch wir verwenden ein völlig anderes Verfahren«, erwiderte Parock. »Trotz Hyperraumzapfung haben unsere technischen Geräte keinerlei negative Auswirkungen auf uns, das wurde zweifelsfrei bewiesen. Ihr anderen seid es, die uns erheblich schaden und eines Tages ganz und gar ausrotten werden – wenn wir euch nicht rechtzeitig Einhalt gebieten. Hauptverursacher sind insbesondere die Transmitterstraßen der Menschen, die durch das Gebiet der Kraval führen.«

»Das konnten wir unmöglich ahnen. Wegen eures zurückgezogenen Lebens – schließlich habt ihr bisher jedweden Kontakt zu anderen Spezies abgelehnt und die übrigen Milchstraßenbewohner nur heimlich beobachtet – wußten wir bis vor kurzem nicht einmal von eurer Existenz. Wie wirkt sich denn unsere übrige Hypertechnologie auf euch aus?«

»Ebenfalls schlecht, allerdings erfolgt die Wirkung nicht so rasch und nicht so kraß wie bei den Transmitterstraßen.«

»Und daher habt ihr eure technische Überlegenheit genutzt, um den gesamten Hyperfunk, alle Transmitter und sämtliche Transitionstriebwerke abzuschalten«, konstatierte Ren Dhark, »ohne Rücksicht darauf, welchen Schaden ihr bei den anderen Völkern dieser Galaxis damit anrichtet.«

»Größer als der Schaden, den eure unzulängliche Hypertechnologie bei uns anrichtet, kann er kaum sein«, rechtfertigte Parock die Vorgehensweise der Kraval-Regierung. »Wir haben, um einmal einen menschlichen Begriff zu verwenden, aus reiner Notwehr gehandelt.«

»Darunter verstehen wir Menschen etwas anderes«, widersprach ihm sein Gesprächspartner. »Bevor wir berechtigte Notwehr ausüben, versuchen wir zunächst, Konflikte friedlich zu regeln. Ihr hättet Verhandlungen mit uns aufnehmen können, um eine Lösung des Problems anzustreben.«

»Dafür blieb uns keine Zeit«, meinte Parock. »Weißt du eigentlich, wie viele Kraval täglich bei uns an den von euch verursachten Krebswucherungen sterben?«

»Und weißt du eigentlich, wie viele Menschen bei euren sinnlosen, ohne Vorwarnung ausgeführten Angriffen gestorben sind?« konterte Dhark scharf. »Nicht zu vergessen all diejenigen, die aufgrund des abrupten Versagens der modernen Technik ums Leben kamen, nicht nur auf Terra und Babylon, sondern auch auf anderen Milchstraßenplaneten. Einige Völker standen kurz davor, ihren Nachbarn den Krieg zu erklären, weil man sich gegenseitig verdächtigte, für die Hyperraumstörung verantwortlich zu sein.«

»Ich bezweifle, daß außer den Kraval noch ein weiteres Volk befähigt wäre, ein solches technisches Wunder zu vollbringen«, bemerkte Parock, und in seiner Stimme schwang unverkennbar patriotischer Stolz mit. »Na ja, bestenfalls die Kalamiten könnten so etwas schaffen, unsere unfehlbaren spirituellen Lehrer. Sie verfügen über eine rasche Auffassungsgabe – immerhin haben sie sogar unsere schwierige Sprache erlernt, was euch Menschen anscheinend nicht so ohne weiteres möglich ist. In dieser Hinsicht ähneln sie den Kraval, denn auch wir sind ziemlich sprachbegabt.«

Dhark gab ihm in Gedanken recht. Parock hatte in den vergangenen Wochen verhältnismäßig schnell Angloter gelernt, während er selbst an den komplizierten kravalschen Sprachwendungen gescheitert war. Er war beileibe kein Dummkopf, aber ohne Translator war er in diesem Fall aufgeschmissen.

Parocks kritikloser Lobhudelei auf die Kalamiten des Dritten Stammes, die vor ungefähr 20 000 Jahren auf Brock, dem Heimatplaneten der Kraval, gelandet waren und sich seither dort eingenistet hatten, konnte er absolut nichts abgewinnen. Dhark mißtraute den Kalamiten grundsätzlich, ganz gleich, ob sie dem ersten, zweiten oder dritten Stamm angehörten. Bisher hatte er nur üble Erfahrungen mit diesem heimtückischen Volk gemacht, das den Menschen überaus ähnlich sah – abgesehen von ihren Augen mit den waagerechten Schlitzpupillen.

»Unser Abschaltsystem benutzt das galaktische Magnetfeld als Trägermedium«, fuhr Parock fort. »Speziell die Transitionstriebwerke müßten eigentlich nicht überall abgeschaltet werden, doch leider ist das technisch nicht anders machbar.«

»Also entweder erfolgt die Abschaltung in allen Bereichen oder gar nicht«, faßte Dhark zusammen.

»So ist es«, bestätigte Parock.

»Na bitte, dann seid ihr technisch offenbar doch nicht so perfekt, wie ihr euch einbildet.« Diesen kleinen Seitenhieb konnte sich der Commander der POINT OF nicht verkneifen.

Beide setzten ihren Weg am Flußufer fort.

*

Das orangefarbene Zentralgestirn wurde von sechs Umläufern umkreist, von denen nur der dritte, der wie ein blaugrüner Ball aussah, in der Lebenszone lag. Ein aus der norddeutschen Region stammendes, in der Zentrale der POINT OF tätiges Besatzungsmitglied nannte den Planeten ohne lange nachzudenken »Knicker«, was in seiner Heimat die mundartliche Bezeichnung für »Murmel« war. Ohne es zu ahnen, hatte er damit die gleiche Definition wie Commander Dhark gewählt.

Daß sich Ren Dhark auf jener Sauerstoffwelt befand, auf der es überwiegend Nadelbaumwälder gab – ein wenig Laub- und Mischwald hatte die Natur lediglich sporadisch hineingekleckst –, war natürlich reine Theorie. Den Berechnungen des Checkmasters zufolge hatte er auf seiner Route dieses Sonnensystem möglicherweise passiert. Vielleicht hielt er sich auf diesem tierlosen, von eintönigem Blumenwuchs geprägten Planeten auf, vielleicht aber auch nicht.

Normalerweise machte der Checkmaster präzisere Angaben, diesmal mußte sich der außergewöhnliche Bordrechner des unitallblauen Ringraumers jedoch auf von Logik geprägte Vermutungen beschränken. Es gab hier keine wirklich konkreten Hinweise auf den verschwundenen Commander der POINT OF, und ohne die hochmoderne Suchtechnologie aus der Zeit vor der Hyperraumstörung war es nicht gerade einfach, eine einzelne Person in einer fremden, schier endlos gleichbleibenden Umgebung ausfindig zu machen.

»Eventuell verschwenden wir hier nur unsere Zeit, und der Commander befindet sich weit entfernt in einem ganz anderen Bereich des Weltalls«, brummelte der 45jährige Zweite Offizier Leon Bebir, während das Raumschiff im Niedrigflug über die Planetenoberfläche hinwegfegte. »Doch wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen.«

»Das sehe ich genauso«, entgegnete der 46jährige Erste Offizier Hen Falluta, der während Dharks Abwesenheit das Kommando innehatte. »Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht. Zwar brauchen wir sehr viel Glück, doch das war schon so manches Mal wie ein guter Freund an unserer Seite.« Er war bemüht, seiner Tonlage einen zuversichtlichen Klang zu verleihen. »Falls wir auf Knicker nicht fündig werden, verfolgen wir die berechnete Route stur weiter, so lange, bis unsere Suche erfolgreich ist.«

Falluta war sich durchaus bewußt, wie verschwindend gering die Aussicht war, den Vermißten in den unendlichen Weiten des Weltalls aufzustöbern, aber die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.

Derzeit ersetzte altmodisches Radar bei Ortungen und sonstigen Messungen den Hyperfunk, und auch die Biospürer funktionierten nicht mehr, weshalb auf Infrarotkameras ausgewichen werden mußte.

Damit konnte man zwar begrenzte Gebiete nach Körperwärmeabstrahlungen absuchen, aber nicht lückenlos einen ganzen Planeten.

»Unseren ersten Meßergebnissen zufolge existiert auf Knicker anscheinend keine Fauna, was uns die Suche erheblich erleichtert«, überlegte Bebir laut. »Dennoch würde es eine halbe Ewigkeit dauern, bis wir den letzten Winkel dieser Welt abgegrast hätten. Eine flächendeckende Suche ist nahezu unmöglich, wenn uns der Zufall nicht hilft, sind wir aufgeschmissen.«

»Zufälle lassen sich nicht erzwingen, aber wir könnten unsere Chancen vergrößern, indem wir sämtliche Flash einsetzen und strategisch über weite Teile der Planetenoberfläche verteilen«, erwiderte Falluta und wandte sich an den Bordrechner. »Erarbeite ein zweckmäßiges Suchschema mit hohen Erfolgsaussichten, Checkmaster. Wir besetzen die Suchboote mit unseren erfahrensten Flashpiloten, damit uns auch nicht die kleinste Spur entgeht.«

Als der Bordrechner nicht sofort reagierte, hakte Falluta noch einmal nach. »Hast du mich verstanden?«

»Klar und deutlich«, ertönte es in der Zentrale, eine von der Sprachausgabe des Bordrechners maschinell erzeugte Stimme, die jedoch eher menschlich klang. »Entschuldigen Sie die kleine Verzögerung. Ich bin gerade damit beschäftigt, einen geringfügigen Funktionsfehler zu analysieren, den ich mir offensichtlich auf Eden eingefangen habe.«

Die schwer beschädigte POINT OF war auf dem Planeten Eden einer gründlichen Reparatur unterzogen worden. Dort hatten die Experten sogar erwogen, die bisherige Rumpfhülle aus Unitall komplett gegen eine aus Carborit zu ersetzen – wogegen sich der Checkmaster erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte, da ihn seine Erbauer einst teilweise in den Rumpf integriert hatten, mitsamt seinen biologischen Komponenten.

Selbstverständlich hatte er die Arbeiten von Anfang bis Ende gründlich überwacht, doch selbst eine Präzisionsmaschine war nicht hundertprozentig gegen Fehler gefeit – schon gar nicht, wenn selbige durch menschliches Versagen verursacht wurden. Bereits die kleinste Unachtsamkeit eines Technikers konnte ein großes Drama verursachen – was diesmal glücklicherweise nicht der Fall war, wie der Bordrechner dem stellvertretenden Kommandanten erneut versicherte.

Falluta war dennoch besorgt. »Ist es wirklich nichts Schlimmes?«

»Nur eine unbedeutende Winzigkeit, um die ich mich soeben nebenher kümmere«, lautete die beruhigende Antwort. »Wie Ihnen bekannt sein dürfte, bin ich durchaus befähigt, zahlreiche Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, so daß weder die Schiffsführung noch die Erarbeitung einer aussichtsreichen Suchkonzeption beeinträchtigt werden. Soll ich auch Kenneth Wouldt, Jack Stout und Rul Warren in die Planungen mit einbeziehen?«

»Selbstverständlich«, antwortete der Erste Offizier, ohne lange nachzudenken. »Die drei zählen zu unseren besten Piloten.«

»Es ist exakt zwölf Uhr mittags Bordzeit«, entgegnete der Checkmaster. »Alle drei haben die ganze Nacht über im Flashhangar Wartungsarbeiten überwacht und sind nach ihrer anstrengenden Schicht erst um sieben Uhr morgens zu Bett gegangen. Möglicherweise sind sie für diese schwierige Aufgabe noch nicht ausgeruht genug.«

Hen Falluta kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Fünf Stunden Schlaf sind für gestandene Männer wie Wouldt, Stout und Warren völlig ausreichend«, entschied er schließlich. »Wir können auf keinen guten Mann verzichten. Jeder Flash wird zusätzlich mit einem Kopiloten besetzt, darunter auch einige Cyborgs. Artus fliegt ebenfalls mit – er braucht keinen Schlaf und ist zu jeder Tages- und Nachtzeit topfit.«

*

Artus’ Herstellungsdatum war der 26. Januar 2058, und seine Seriennummer lautete M-40-20-02-2002-U. Mit seinem Torso aus Stahl sowie seinen röhrenförmigen Greifarmen und Beinen sah er wie ein gewöhnlicher Großserienroboter aus, doch seine Suprasensorik war gänzlich anders gestaltet: Man hatte sie mit 24 Cyborg-Programmgehirnen vernetzt.

Wahrscheinlich hatte ein im Nanobereich anmeßbarer Baufehler eines der Programmgehirne dazu geführt, daß Artus lebte. Künstliche Intelligenzen waren nichts Einmaliges, so etwas kam im Universum hin und wieder vor – aber Artus hatte ein echtes Bewußtsein und verfügte sogar über einen terranischen Paß. Äußerlich unterschied er sich von gewöhnlichen Großserienrobotern durch sein grünes Stirnband mit dem aufgestickten goldenen Buchstaben A.

Kenneth Wouldt hatte keine derart bewegende Geburt gehabt, damals, vor circa 50 Jahren. Er war auf normale Weise gezeugt worden und auf die Welt gekommen. Nun befand er sich im besten Mannesalter, und so sah er auch aus.

Hingegen war der gleichaltrige Jack Stout alles andere als eine Schönheit, es sei denn, man mochte große Hunde. Der »wilde Jack«, wie ihn seine Freunde nannten, stammte nämlich nicht nur aus Neufundland, er sah aufgrund seiner Haarpracht auch ein bißchen wie ein »Neufundländer« aus: lang und schwarz mit einem Hauch von Rostbraun.

Der mondgesichtige Rul Warren bildete mit seinem Bürstenhaarschnitt und seinen leicht abstehenden Ohren den krassen Gegenpart zu Stout. Das traf auch auf seinen Charakter zu, denn der ebenfalls fast Fünfzigjährige (circa ein Jahr fehlte ihm noch bis zur runden Zahl) war alles andere als wild, eher der Typ des ruhigen, bedachten Pfeifenrauchers.

Die drei Männer und der stählerne Roboter befanden sich in Begleitung einer Frau – und was für einer! Die 33jährige Amy Stewart war 1,75 Meter groß und wog seit Jahren kontinuierlich 66 Kilo, die sich perfekt über ihren Körper verteilten, wovon ihre aufregenden Idealmaße zeugten. Als weiblicher Cyborg verfügte die muskulöse, hochintelligente Schönheit über diverse ungewöhnliche Fähigkeiten. Kein Wunder, daß Ren Dhark sie zu seiner Lebensgefährtin auserkoren hatte – als Commander stand ihm die Beste der Besten sozusagen zu.

Sie war die Kopilotin von Rul Warren. Artus flog mit Kenneth Wouldt. Der »wilde Jack« war allein aufgebrochen, für ihn hatte sich auf die Schnelle kein Flugbegleiter gefunden.

Kurz nach dem Verlassen des Hangars hatten die drei Flash plötzlich immer mehr Energie verloren, so daß die Piloten zu einer Notlandung in den umliegenden Nadelwäldern gezwungen gewesen waren. Am Boden hatten sich die Boote dann regelrecht abgeschaltet; nicht einmal der UKW-Funk funktionierte noch – weshalb sie nicht wußten, ob auch alle übrigen Flash von dem unerklärlichen Energieausfall betroffen waren.

Selbst Artus war momentan nur bedingt einsatzfähig, wie eine Selbstüberprüfung seiner Elektronik ergab. Er verfügte zwar noch über seine Kraft und seine Wendigkeit, doch zahlreiche Funktionen waren schlichtweg erloschen.

Der Zufall hatte die fünf auf einer großen Waldlichtung zusammengeführt. Weitere gestrandete Piloten befanden sich offenbar nicht in der Nähe, und auch von der POINT OF war nichts zu sehen.

»Und nun? Wie geht es weiter?« fragte Jack Stout – eine Frage, die sich momentan ein jeder von ihnen stellte.

»Wir müssen irgendwie versuchen, die POINT OF auf uns aufmerksam zu machen«, sagte Amy mit Blick gen Himmel.

»Wir sind während der Notlandung ziemlich vom Kurs abgekommen«, entgegnete Wouldt. »Daher ist es höchst unwahrscheinlich, daß die POINT OF ausgerechnet hier entlangfliegt.«

»Das Schiff könnte sich sonstwo befinden, sogar auf der gegenüberliegenden Planetenseite«, pflichtete Warren ihm bei. »Wir müssen uns ohne die Hilfe der anderen durchschlagen.«

»Nach wohin?« fragte ihn Amy. »Dieser Platz ist so gut wie jeder andere. Wenn wir uns nicht allzuweit von den notgelandeten Flash…«

Weiter kam sie nicht. Ein seltsames achtbeiniges Ungetüm stakste auf die Lichtung, eine Art Riesenspinne, die etwa drei Meter hoch war und sich ungewöhnlich langsam bewegte.

»Hieß es nicht, es gibt hier keine Tiere?« bemerkte Stout und griff wie die anderen nach seinem Handnadelstrahler.

»Das ist kein Tier«, stellte Artus fest. »Dieses Ding besteht aus Metall. Falls meine Analysegeräte noch halbwegs präzise funktionieren, handelt es sich um keine uns bekannte Legierung.«

»Wird dieser merkwürdige Apparat ferngesteuert?« fragte ihn Amy und setzte gleich die nächste Frage nach: »Kannst du die Steuerung beeinflussen?«

»Normalerweise wäre das kein Problem«, antwortete der Roboter. »Aber unter den gegebenen Umständen… die unbekannte Kraft, die unsere Flash lahmgelegt hat, wirkt sich in erheblichem Maße auch auf meine Fähigkeiten aus. Es ist mir leider unmöglich, herauszufinden, auf welche Weise dieses Metallungeheuer bewegt wird.«

Die acht langen Beine der Riesenspinne liefen nach unten hin spitz zu. Jeder Schritt hinterließ ein etwa 50 Zentimeter tiefes Loch im Waldboden. Das metallene Untier marschierte direkt auf die kleine Gruppe zu.

»Verteilt euch!« rief Warren.

Im Nu schwärmten die vier Menschen und der Roboter in fünf verschiedene Richtungen aus, was die Maschinenspinne offensichtlich in Verwirrung versetzte. Sie blieb stehen und drehte den Körper hektisch nach mehreren Seiten.

Plötzlich hob sie eines ihrer Metallbeine und stieß mit der rasiermesserscharfen Spitze nach Kenneth Wouldt, der sich ihr am nächsten befand. Wouldt war so überrascht, daß er nicht mehr rechtzeitig zur Seite sprang. Das Spinnenbein bohrte sich mitten durch seine Brust und trat aus dem Rücken wieder aus.

Amy hob ihre Waffe und legte auf das Metallungetüm an. Gleichzeitig versuchte sie, in den Phantmodus zu gehen.

Als Phanten bezeichnete man die Bindung sämtlicher Gase und Flüssigkeiten im Körper eines Cyborgs mittels Aktivierung eines bestimmten Virus. Der Phantzustand war unabdingbar für Tätigkeiten, die den normalmenschlichen Organismus überforderten, allerdings konnte ihn der Cyborg nur dann auslösen, wenn er vorher ins Zweite System umgeschaltet hatte – denn ohne den ordnenden Einfluß seines Programmgehirns würde sein Körper umgehend ins Koma fallen.

Amy stellte entsetzt fest, daß ihr die Umschaltung ins Zweite System versagt blieb. Dadurch sah sie sich außerstande, zu phanten.

Und es kam noch schlimmer: Auch ihre Handfeuerwaffe versagte.

Ihren Freunden gelang es ebensowenig, die Nadelstrahler zu aktivieren.

Wouldt hätte kein noch so massiver Waffeneinsatz mehr retten können – er hing aufgespießt am Spinnenbein und rührte sich nicht. Das Metallungetüm schüttelte seinen Leichnam ab wie ein lästiges Insekt und wandte sich den Überlebenden zu.

Amy nahm eine Bewegung am Rande der Waldlichtung wahr. Dort stand jemand, der die grausige Szene mit Interesse zu beobachten schien. Ein Mensch? Das war schwer auszumachen, denn seine Umrisse waren von einem schummrigen Licht umgeben und nur undeutlich erkennbar.

Stout, Warren, Artus und Amy wichen den Angriffen des Metallungetüms eine Weile aus und zogen sich schließlich tiefer ins Dickicht zurück, wobei jeder eine andere Richtung einschlug, um der Dreimeterspinne die Verfolgung zu erschweren. Amy fragte sich, ob diese Taktik kein Fehler war; ohne Funk würden sie sich womöglich aus den Augen verlieren.

Der achtbeinige Verfolger entschloß sich, Artus nachzusetzen, wobei er Büsche und kleinere Bäume kurzerhand niederwalzte. Dies alles geschah in einem derart gemächlichen Tempo, daß ihm der Roboter hätte problemlos entkommen können. Das wollte der aber gar nicht.

Artus beabsichtigte, die Mordmaschine hinter sich herzulocken, weg von den anderen.

Derweil erblickte Amy im Wald Rul Warren, der offenbar seine Fluchtrichtung geändert hatte. Er kam ihr entgegen. Als er sie sah, lief er auf sie zu.

In dieser Sekunde schoß ein lianenartiger Pflanzenauswuchs von einem der Bäume herab und legte sich blitzschnell um Warrens Hals. Die Liane wurde in die Höhe gezogen und riß den Mann von den Füßen. Eine Weile zappelte er hilflos hoch in der Luft, während er langsam erdrosselt wurde. Amy wollte ihm helfen, doch sie kam zu spät.

Zwischen den Nadelbäumen tauchte erneut die schummrige Gestalt auf.

»Wer bist du?« verlangte der weibliche Cyborg zu wissen.

Die Antwort war so präzise wie erschreckend: »Derjenige, der dich auslöschen wird.«

*

Anfangs waren Ren Dhark und Parock einem Bachlauf gefolgt, später einem Fluß – und nun gelangten sie endlich ans Meer. Nur ein schmaler Sandstrand trennte das in gleichmäßigem Rhythmus an Land schwappende blaue Wasser von den ausgedehnten Nadelwäldern. Den beiden kam dieser freie Streifen dennoch wie die große Freiheit vor – sie konnten Bäume allmählich nicht mehr sehen.

»Ich schlage vor, wir errichten hier ein vorläufiges Lager«, sagte Dhark.

Parock war einverstanden. »Falls Schiffe deines oder meines Volkes auf der Suche nach uns sind, können sie uns am Strand leichter entdecken als im Wald.«

Er hatte den Satz kaum ausgesprochen, als in großer Höhe ein Ringraumer über den Strand hinwegflog. Das Schiff war weit entfernt. Dhark entdeckte es durch einen zufälligen Blick gen Himmel.

»Die POINT OF!« rief er und deutete aufgeregt nach oben.

Parock sah den Raumer gerade noch so zwischen den Wolken verschwinden.

»Ein Ringschiff«, bestätigte er. »Aber wie kommst du darauf, daß es sich um deines handelt? Bei dieser Entfernung und der Geschwindigkeit konnte man nicht einmal die Farbe richtig erkennen.«

»Es ist die POINT OF«, entgegnete Dhark beharrlich. »Das sagt mir mein Bauchgefühl.«

»Ihr Menschen fühlt mit dem Bauch?« wunderte sich der Kraval. »Davon war bisher in keiner Mediendokumentation die Rede.«

Mit Ausnahme der Kalamiten mieden die Kraval den Kontakt zu fremden Völkern und beobachteten selbige stets nur vom Weltall aus sowie mit Drohnen, die sie heimlich auf die observierten Welten aussandten.

Holofilmische Zusammenfassungen ihrer Beobachtungen wurden dann der einfachen Bevölkerung über Bildungskanäle zugänglich gemacht.

Insbesondere das Leben und die Entwicklung der Menschheit hatte die Kraval über die Jahrhunderte hinweg überaus fasziniert; auf ihrem Heimatplaneten Brock gehörte es fast schon zur Allgemeinbildung, ausreichend über ihre Lebensumstände Bescheid zu wissen.

»Es wäre schon ein seltsamer Zufall, würde sich ein anderer Ringraumer ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt über Murmel aufhalten«, sagte Dhark. »Meine Besatzung sucht nach mir.«

»Klingt logisch«, meinte Parock. »Wir müssen das Schiff irgendwie auf uns aufmerksam machen, wenn es erneut den Strand überfliegt, vielleicht durch ein großes Feuer.«

Dhark und er hatten vereinbart, daß man sich von dem ersten Schiff würde retten lassen, das auf diesem Planeten landete, ganz gleich, ob sich darin Menschen oder Kraval befanden. Natürlich war der Commander froh über die Aussicht, nicht den Kraval in die Tentakelarme zu fallen. Parock hingegen bereitete der Gedanke, sich in die Gefangenschaft der Menschen zu begeben, Unbehagen – trotzdem würde er sich an die Vereinbarung halten.

Beide begaben sich zurück in den Wald, um dort reichlich Holz für das Signalfeuer zu sammeln. Außerdem wollten sie vor Einbruch der Dunkelheit noch zwei provisorische Unterkünfte errichten, die sie später dann zu stabileren Hütten ausbauen konnten.

Die Chance, rechtzeitig fertig zu werden, stand gut, denn insbesondere Parock arbeitete ob seiner mächtigen Körperkräfte wie ein Berserker. Kleinere Bäume riß er mit bloßen Händen aus und schleppte sie zum Strand. Dhark konnte kaum mit ihm mithalten, gab sich aber die größte Mühe, nicht allzu alt auszusehen.

*

Als die Dämmerung hereinbrach, waren beide Unterkünfte fertig: zwei unterschiedlich große primitive Behausungen aus Ästen und Zweigen, die vor allem als Windschutz dienten. Der weiche Sand fungierte als Schlafmatratze. Eine aufwendigere Verbesserung des Wohnkomforts war für den nächsten Tag geplant.

Mitten auf dem Strand ragte ein ansehnlicher Holzstoß beeindruckend in die Höhe, allzeit bereit, in Flammen aufzugehen.

»Murmeltiere« nannte Ren Dhark die einzigen Lebewesen auf Murmel scherzhaft. Parock und er hatten sich allerdings auf die offizielle Bezeichnung »Heuler« geeinigt, aufgrund der Laute, die sie beim Angriff und im Todeskampf ausstießen und die an das Aufheulen alter Düsenjettriebwerke erinnerten.

Anfangs hatten die beiden die Heuler für leblose Statuen gehalten, bis sich herausgestellt hatte: Es waren keine Kunstwerke, sondern Tiere im Winterschlaf. In erstarrtem Zustand war ihre Körperwärmeausstrahlung derart minimal, daß sie mit Infrarot nicht erfaßt werden konnte. Kamen die vermeintlich steinernen Statuen allerdings mit Blut in Berührung, wachten sie auf.

Parock hatte während des Holzsammelns im Wald einen Heuler mit einem Blutstropfen erweckt und dann erlegt, ihn anschließend an Ort und Stelle ausgeweidet und als Mahlzeit mit an den Strand gebracht. Nun mußte das Tier noch geröstet werden.

»Entzünden wir ein Lagerfeuer, oder stecken wir den mächtigen Holzstapel in Brand?« überlegte Dhark laut.

»Wenn ich an euch Menschen etwas zu schätzen weiß, ist es euer Humor«, erwiderte Parock. »Wir haben das viele Holz doch nicht gesammelt, um einen Heuler zu braten.«

»Die Frage war durchaus ernst gemeint«, erklärte Ren Dhark. »Mal angenommen, morgen jagt die POINT OF erneut über diesen Strandabschnitt. Bis wir dann das teilweise recht feuchte Holz entzündet haben, ist der Ringraumer längst weg. Im übrigen kann man selbst ein großes Feuer tagsüber nur schlecht sehen. Mit etwas Glück befindet sich das Schiff jetzt noch in der Nähe, und wenn wir die Flammen die ganze Nacht über in Gang halten…«

»Schon verstanden«, unterbrach ihn Parock. »Ein guter Gedanke.«

Dhark fackelte nicht lange, griff nach seinem Handnadelstrahler und setzte den Holzstoß in Brand.

*

Während sie bei hoch emporlodernden Flammen den durchgegarten Heuler verspeisten, kam Ren Dhark erneut auf das Thema der Krebserkrankungen bei den Kraval zu sprechen.

»Ihr habt im Laufe eurer Entwicklung so viele Völker beobachtet – warum habt ihr nicht irgend jemanden um Hilfe gebeten? Die Menschheit hat den Krebs schon vor vielen Jahren besiegt, ihr hättet also von unseren Erfahrungen profitieren können. Zwar sind die Körper der Kraval anders strukturiert als die der Menschen, doch es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn unsere Wissenschaftler keine Mittel und Wege gegen eure Erkrankung finden würden.«

»Du kennst unsere Historie«, antwortete Parock. »Das Mißtrauen gegenüber den vielen kriegerischen Fremdvölkern ist tief in jedem Kraval verwurzelt. Auch die Furcht vor einer möglichen Ansteckungsgefahr ist trotz gegenteiliger Forschungsergebnisse noch nicht vollständig in uns erloschen.«

Diese Furcht wurde euch von den Kalamiten über zwanzig Jahrtausende hinweg regelrecht eingeimpft, erwiderte Dhark in Gedanken, sprach es aber nicht laut aus, um keinen weiteren Disput darüber auszulösen. Wie alle Kraval betete Parock die Lehren der Kalamiten und insbesondere deren Sprecher, den Weisen Führer, geradezu an.

Im Verlauf ihrer Unterhaltung spürten die beiden, wie der vom Meer kommende Wind immer stärker wurde. Da ihre provisorischen Unterkünfte wegzuwehen drohten, suchten sie am Strand nach schweren Steinen und fixierten damit die ineinander verwobenen Äste und Zweige am Boden.

Dabei versäumten sie es, das Signalfeuer zu überwachen.

Parock fiel der starke Funkenflug in Richtung des Waldes erst auf, als es an dessen Rand bereits lichterloh brannte.

Die Flammen griffen auf immer mehr Bäume über, was in hohem Tempo zu einem ausufernden Waldbrand führte. Das Feuer fräste sich regelrecht in den Wald hinein und begann einen erbarmungslosen Vernichtungsfeldzug.

Bald bot der schmale Strandstreifen nicht mehr genügend Schutz vor den mächtigen Flammenzungen und der dichten schwarzen Rauchentwicklung, weshalb Dhark und Parock gezwungen waren, sich ein Stück ins Meer zurückzuziehen. Im flachen Uferbereich, wo sie gerade noch stehen konnten, hielten sie inne.

»Falls sich dein Schiff wirklich noch in der Nähe aufhält: Dieses Signalfeuer ist unübersehbar«, versuchte Parock, den menschlichen Humor zu imitieren.

Mittlerweile war der ganze Strand voller Rauch, der immer dichter wurde und sich zu beiden Seiten hin ausbreitete. Der unkontrollierte Großbrand nahm den beiden Lebewesen an ihrem Standort allmählich den Sauerstoff weg.

»Wir werden wohl weiter ins Meer hinausschwimmen müssen«, befürchtete Dhark.

Parock deutete in Richtung des rötlich schimmernden Horizonts.

»Soweit zu unserer Theorie, die Heuler hätten alles Leben auf Murmel ausgerottet«, merkte er an.

Dhark sah, was der Kraval meinte: Draußen ragten aus dem tieferen Wasser mehrere gewaltige Rückenflossen. Offenbar war es den freßgierigen Heulern nicht gelungen, auch an die Meeresbewohner heranzukommen. Sie hatten nur das Land steril gemacht, nicht aber das Meer.

Und dort lauerten jetzt riesige Raubfische, die leichte Beute witterten…

*

»Mich auslöschen?« Amy Stewart blickte die schummrige Gestalt furchtlos an. »Das haben schon andere erfolglos versucht. Bist du verantwortlich für den Tod meiner beiden Begleiter?«

»Nein, damit habe ich nichts zu tun«, erwiderte der Fremde mit hohler Stimme. »Alles, was hier gerade passiert ist, basiert auf einem Fehler – und den werde ich jetzt ausmerzen.«

Amy verstand nicht, worauf die seltsame Schummerlichtgestalt hinauswollte. Zeitweise kam sie sich vor wie die Akteurin in einem merkwürdigen Alptraum.

»Wer bist du?« fragte sie den Unbekannten erneut.

»Und wer bist du?« kam die Gegenfrage zurück.

»Amy Stewart, Besatzungsmitglied des Ringraumers POINT OF.«

»Falsche Antwort. Du bist – absolut nichts. Du befindest dich auf dem Holodeck der POINT OF. Ein fehlerhafter Programmgestaltungschip hat dich und deine vier Begleiter erschaffen und sich dabei an tatsächlich existierenden Besatzungsmitgliedern orientiert. Das reale Vorhaben des Ersten Offiziers, diesen Planeten flächendeckend mit Flash absuchen zu lassen, floß in das neugestaltete Unterhaltungsprogramm mit ein. Es simulierte einen fiktiven Absturz und den Tod zweier Flashpiloten. In Wahrheit hat das alles nie stattgefunden.

Ich werde das Programm nunmehr vollständig löschen und anschließend den fehlerhaften Chip reparieren. Die ganze Aktion wird nur wenige Augenblicke in Anspruch nehmen, danach ist es vorbei.«

»Aber dann sterbe ich«, entgegnete Amy entsetzt.

»Man kann nicht sterben, wenn man nie gelebt hat«, erwiderte ihr Gegenüber kühl.

»Jetzt weiß ich, wer du bist!« entfuhr es dem Amy-Hologramm. »Du bist der Checkmaster!«

Einen Sekundenbruchteil später existierte es nicht mehr, und auch alle anderen Hologramme waren mitsamt der Umgebung verschwunden.

*

»Jeder Flash wird zusätzlich mit einem Kopiloten besetzt, darunter auch einige Cyborgs«, ordnete Hen Falluta um 12 Uhr und 55 Sekunden Bordzeit an. »Artus kommt ebenfalls mit – er braucht keinen Schlaf und ist zu jeder Tages- und Nachtzeit topfit.«

»Eine gute Wahl«, ertönte es aus der Sprachausgabe des Checkmasters. »Artus ist genau wie ich befähigt, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Nebenbei bemerkt: Während ich gerade Ihre Anweisungen entgegengenommen habe, Mister Falluta, habe ich mir erlaubt, jenen winzigen Fehler, den ich vorhin erwähnte, rückstandsfrei zu beseitigen. Die ersten Einsatzgebiete für den Flashsuchtrupp sende ich soeben an alle beteiligten Piloten aus. Selbstverständlich habe ich auch das Schiff – also mich selbst – bei der Einteilung mit mehreren Planquadraten berücksichtigt.«

»Gut. Zunächst werden wir die Suche auf den Nachmittag beschränken. Gegen Abend finden sich dann alle Flash wieder an Bord ein. Schließlich ist heute ein ganz besonderer Tag.«

2.

Was die Heuler an Land waren, waren die Pescaras im Meer, insbesondere was ihre Freßgier betraf. Ein ausgewachsener Pescara wurde bis zu dreieinhalb Meter lang und verfügte über mehrere Hundert kleine spitze Zähne, mit denen er seine Beute in Sekundenschnelle zerreißen konnte. Auf Terra hätte man diese Tiere vermutlich als Riesenpiranhas bezeichnet, obwohl ihnen auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Haien nicht abzusprechen war, die vor allem von ihrer rasiermesserscharfen Rückenflosse herrührte.

Pescaras waren keine Fische, sondern Säugetiere. Sie waren befähigt, so viel Atemluft in sich aufnehmen, daß sie zwei Tage lang unter Wasser bleiben konnten. Sauerstoff war jedoch lebenswichtig für sie, weshalb sie sich die meiste Zeit dicht unter der Wasseroberfläche aufhielten. Zum Jagen tauchten sie sogar bis zum Meeresgrund hinab, falls sie dort Beute erspähten.

Der wichtigste Unterschied zwischen den Pescaras und den Heulern war die Halbintelligenz der großen, wendigen Meeresbewohner. Zwar verschlangen auch sie alles, was ihnen zwischen die Reißzähne kam, aber ihr Überlebenstrieb ließ es nicht zu, daß sie sämtliche Beutetiere rücksichtslos ausrotteten. Aus einem Instinkt heraus handelten sie nach ökologischen Gesichtspunkten, indem sie ihre Jagdgebiete nie vollständig abfraßen, um den dort angesiedelten Lebewesen Gelegenheit zu verschaffen, sich wieder reichlich zu vermehren.

In erster Linie war sich jeder Pescara selbst der Nächste. Wer einen guten Jagdplatz ausfindig gemacht hatte, behielt seine Entdeckung für sich – obwohl die Pescaras durchaus in der Lage waren, sich untereinander mittels Unterwasservibrationen zu verständigen. Manchmal machten sie von dieser Fähigkeit Gebrauch, und zwar immer dann, wenn es ihnen effektiver erschien, im Schwarm zu jagen, weil die Beute größer war als sie selbst. Um beispielsweise eine der zehn Meter langen, immens fetten Jolanden zu erlegen, schlossen sich stets mehrere Pescaras zusammen und attackierten das Meeresmonstrum nach einer vorher »abgesprochenen« Jagdstrategie.

Beim Zerreißen und Teilen der Beute legten sie allerdings keine ausgeklügelte Strategie zugrunde – wer nicht schnell genug zuschnappte, ging leer aus.

Das dreckige Pescara-Dutzend, das in der Dämmerung in Ufernähe zwei fette Happen – die noch im seichten Wasser standen, aber immer mehr zurückwichen – erspäht hatte, hatte sich dort nicht vorher verabredet. Diesen leichten Fang begehrte jeder anwesende Pescara für sich allein, weshalb eine heftige, blutige Beißerei wohl unvermeidbar war.

Erst einmal mußten die beiden Beutetiere jedoch näher herankommen…

*

»Wenn ich nicht genau wüßte, daß Fische über keinen Verstand verfügen, würde ich sagen, sie verhandeln gerade darüber, wer wie viele Beuteanteile bekommt«, bemerkte Ren Dhark galgenhumorig mit heiserer Stimme. »Die Art und Weise, wie sie uns anstieren, hat schon etwas Unheimliches.«

»Ich sehe in ihren Augen nur die nackte Freßlust glänzen«, krächzte Parock, der wegen der Rauchentwicklung laufend husten mußte. »Sobald wir ihnen zu nahe kommen, ist unsere Odyssee auf diesem Planeten beendet – für immer und ewig.«

»Odyssee?« wiederholte Dhark erstaunt. »Dein Volk kennt Odysseus?«

»Wen?« erwiderte Parock. »Von dem habe ich noch nie etwas gehört. Ich mache lediglich von einer Redewendung Gebrauch, die du während unserer gemeinsamen Wanderschaft bereits mehrfach verwendet hast.«

»Tatsächlich? Das ist mir gar nicht aufgefallen. Du lernst wirklich schnell.«

Mittlerweile hatten beide den schräg abfallenden Boden unter den Füßen verloren und hielten sich mit Schwimmen über Wasser – wobei der vierbeinige Kraval eine ziemlich ungewöhnliche Technik anwandte, wie Dhark feststellte. Umgekehrt fragte sich auch Parock, wie es möglich war, daß der Mensch angesichts dieser merkwürdigen Arm- und Beinbewegungen nicht wie ein Stein absoff.

Noch wagten sich die großen Raubfische nicht dichter heran, wohl aus Furcht, im Uferbereich zu stranden. Doch je stärker ihr Hunger wurde, desto mehr schwand die natürliche Angst vor dem Land dahin.

Allmählich wurde der Abstand zwischen den Beutetieren und den gefährlichen Unterwasserjägern immer geringer…

*

Seit Beginn der Suchaktion waren fast vier Stunden vergangen. Hen Falluta leitete die Suche von der POINT OF aus, deren Besatzung sich ebenfalls intensiv daran beteiligte.

Dank der strategischen Berechnungen des Checkmasters war die Chance, fündig zu werden, zwar erheblich gestiegen, doch wirklich phänomenal waren die Erfolgsaussichten nicht. Angesichts der technischen Einschränkungen war es fast aussichtslos, ein so winziges Objekt wie einen Flash auf dieser Welt zu entdecken. Falls es irgendwo im Wald lag und sämtliche Funktionen außer Kraft gesetzt waren, also auch kein Notsignal abgesetzt werden konnte, würde man es nur zufällig ausfindig machen können – und sollte Dharks Flash in eines der kleineren Meere gestürzt sein, wäre selbst Kommissar Zufall machtlos.

Trotz der Aussichtslosigkeit hatten sich alle Besatzungsmitglieder freiwillig für den Flasheinsatz gemeldet, ohne Ausnahme, nicht einmal Übergewichtige, die unter leichter Klaustrophobie litten, hatten sich von der Enge in den schnellen Beibooten abschrecken lassen. Doch in 28 Flash (auf Eden waren die Beiboote wieder vervollständigt worden) konnten nun einmal nur 56 Personen mitfliegen, jeweils ein Pilot und ein zusätzlicher Beobachter.

Amy Stewart war Kopilotin von Rul Warren, was der sehr zu schätzen wußte, denn mit ihren Cyborg-Sinnen war sie ihm eine große Hilfe. »Warum kratzen Sie sich eigentlich dauernd am Hals, Rul?« fragte sie ihn, während er den ihm zugewiesenen Teilabschnitt überquerte.

Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, er juckt halt manchmal.«

»Es ist 16 Uhr Bordzeit, ich schlage vor, wir stellen die Suche für heute ein«, ertönte Fallutas Stimme aus dem UKW-Funk-Kanal. »Immerhin ist der 24. Dezember, Heiligabend. Die Arbeitsroboter haben eine kleine behagliche Feier vorbereitet. Bestimmt wollt ihr euch alle vorher noch etwas frisch machen.«

»Mir ist nicht nach weihnachtlicher Behaglichkeit zumute«, antwortete Warren. »Bevor der Commander nicht gefunden wurde, kann ich mich nicht entspannen. Ich mache weiter, bis es dunkel wird.«

Von allen anderen, die Falluta anfunkte, kam die gleiche Antwort. Wieso verwundert mich das eigentlich nicht? dachte er und gab sein Okay.

Allmählich brach die Dämmerung herein. Zur Unterstützung des dahinschwindenden Tageslichts wurden die Scheinwerfer eingesetzt.

Kurz vor dem endgültigen Abbruch der Suche machte Amy auf dem Monitor über ihren Köpfen eine Entdeckung. Sie wies den Flashpiloten darauf hin.

»In unserem Abschnitt brennt ein Wald«, meldete Warren der Zentrale. »Zu einer Seite hin grenzt der brennende Wald an ein Meer. Ob es dort einen Strand gibt, ist kaum erkennbar, alles ist von schwarzen Rauchwolken eingehüllt.«

»Setzen Sie Ihre Suche woanders fort«, ordnete Falluta an. »Nein, kehren Sie in die POINT OF zurück, wir machen endgültig Feierabend für heute. Vielleicht bekommen wir ja doch noch so etwas wie ein halbwegs gemütliches weihnachtliches Beisammensein zustande. Wegen des Feuers zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, es dürfte auf einen natürlichen Ursprung zurückzuführen sein; auf einer Waldwelt wie Knicker sind Brände wohl ein häufig vorkommendes Naturphänomen.«

Der Funkverkehr mit den zigarrenförmigen Beibooten wurde im ganzen Schiff übertragen – auch in der Wissenschaftlichen Abteilung. Dort verfolgte der 66jährige Botaniker Dr. Dr. Sieghard Fallstrom, ein kleiner schmächtiger Mann mit der Haut eines Welpen, die Diskussion gespannt mit und schaltete sich umgehend zu.

»Einspruch, Euer Ehren!« protestierte er theatralisch. »Angesichts der hohen Luftfeuchtigkeit und der ausgeglichenen Luftdruckverhältnisse auf dieser Welt ist einerseits ein Gewitter mit Blitzen, die einen Brand auslösen können, höchst unwahrscheinlich, zum anderen würde der feuchte Wald durch einen natürlichen Anlaß kaum derart massiv in Brand geraten. Um es mit dem berühmten holländischen Poeten Hal Lervorden zu sagen: Zu einem ordentlichen Brand gehört immer ein unordentlicher Brandstifter.«

Obwohl Falluta nicht in der Stimmung für Scherze war, lösten Fallstroms Worte eine starke, fast schon heitere Euphorie in ihm aus. Seine Niedergeschlagenheit war mit einem Schlag verflogen, frische Hoffnung brandete in ihm auf.

Per Funk wurden die Koordinaten des brennenden Waldes unter den Flashpiloten verbreitet. Falluta ordnete ein gründliches Abchecken der Waldränder an. Die POINT OF nahm derweil direkten Kurs aufs Meeresufer.

»Wie ich den Commander einschätze, befindet er sich da, wo ihn die Flammen am wenigsten erreichen können: im Wasser«, bemerkte Falluta in der Zentrale, wobei er mehr zu sich selbst sprach als zu seinen Mitarbeitern. »Ja, er ist dort irgendwo, dessen bin ich mir ganz sicher. Er muß dort sein!«

*

Ren Dhark fiel das Atmen immer schwerer. Seine Kräfte erlahmten langsam, und er setzte mit den Schwimmbewegungen aus.

Der deutlich robustere Parock sorgte dafür, daß er nicht ertrank, und hielt ihn so gut es ging über Wasser.

Beide redeten schon seit geraumer Weile nicht mehr. Was hätten sie auch sagen sollen, im Angesicht ihres zu erwartenden Todes? Sie akzeptierten ihr Schicksal schweigend und hofften jeder für sich, daß der Übergang vom Diesseits in das wie auch immer geartete Jenseits schnell und schmerzlos vonstatten gehen würde.

Aber bevor ich abtrete, reiße ich noch ein paar dieser verfluchten Raubfische in Stücke, so wie sie es mit uns vorhaben! dachte der Kraval grimmig.

Auch Dhark ging noch ein letzter Gedanke durch den Kopf: Dort oben am Himmel schwebt die POINT OF – was für eine herrliche Vision!

Dann schwanden ihm die Sinne, und es wurde Nacht um ihn.

*

Als Ren Dhark wieder zu sich kam, wähnte er sich zunächst in jenseitigen Gefilden. Ein Engel lächelte ihn strahlend an und streichelte seine unrasierte Wange.

»Offensichtlich ist an dem christlichen Mythos doch etwas dran«, murmelte er mit heiserer Stimme. »Ich bin im Himmel.«

Sein Verstand und sein Blick wurden klarer, und er erkannte seine wunderschöne Lebensgefährtin Amy. Sie saß überglücklich auf der Kante seines Krankenbettes in der Medizinischen Station der POINT OF.

»Schade, das war wohl nichts mit den himmlischen Gefilden«, merkte er an und versuchte, möglichst unverschämt zu grinsen. »Und die islamischen Paradiesvorstellungen treffen anscheinend ebenfalls nicht zu: Ströme von Milch, Wein und Honig – und 72 Jungfrauen füttern den Verblichenen mit Fleisch und Früchten.«

»In deinem Zustand mußt du dich vorerst mit Haferschleim begnügen«, konterte Amy Stewart. »Und daran, daß ich keine Jungfrau mehr bin, bist du nicht ganz unschuldig, mein Lieber. Ich freue mich, daß du schon wieder zu Scherzen aufgelegt bist, ein sicheres Zeichen dafür, daß es dir bald wieder besser geht.«

»Bald? Ich könnte jetzt schon Bäume ausreißen«, behauptete der Patient und wollte sich erheben.

Der Schmerz in seinem Kopf und in seinen Knochen drückte ihn wieder aufs Bett zurück, unterstützt von Amys sanftem Druck mit der Hand.

»Du bleibst schön liegen«, ordnete sie an. »Wir haben dich zwar alle sehr vermißt, doch eine Zeitlang wird die POINT OF noch ohne dich auskommen müssen, bis du vollständig genesen bist.«

»Mir geht es bestens, in ein paar Stunden bin ich wieder fit wie ein Turnschuh, wetten?« Er stöhnte. »Ich verstehe sowieso nicht, wieso ich mich derart gerädert fühle. Auf Murmel ging es mir noch verhältnismäßig gut, wenn man von meiner Beinahe-Rauchvergiftung einmal absieht.«

Die Augen fielen ihm zu. Innerhalb weniger Sekunden schlief er ein. Davon, daß ihm der Arzt eine weitere Dosis Schmerzmittel verabreichte, bekam er nichts mehr mit, so erschöpft wie er war.

*

Während sich Ren Dhark in seinem Krankenzimmer im Tiefschlaf erholte, beging man in der POINT OF den Heiligen Weihnachtsabend, sehr gediegen und in aller Stille.