Ren Dhark – Weg ins Weltall 50: Wächterschicksal - Jan Gardemann - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 50: Wächterschicksal E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Das im Zentrum der Galaxis aufgetauchte geheimnisvolle Mikrouniversum entpuppt sich als Bedrohung für die Schöpfung, so wie wir sie kennen. Ren Dhark bricht auf zu einer verzweifelten Rettungsmission – und erlebt ein schreckliches Wächterschicksal... Achim Mehnert, Jan Gardemann und Uwe Helmut Grave verfaßten einen verblüffenden SF-Roman nach dem Exposé von Hajo F. Breuer.

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Seitenzahl: 355

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 50

Wächterschicksal

 

von

 

Jan Gardemann

(Kapitel 1 bis 4)

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 5 bis 8)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 9 bis 14)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

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Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.

Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, daß er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgabe es ist, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten.

Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Getreuen gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb.

Nach seiner Rückkehr in die Milchstraße kann Ren Dhark dem Angebot des Industriellen Terence Wallis nicht länger ausweichen und läßt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen sollen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muß sich Ren Dhark einer neuen Herausforderung stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, daß der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich überwunden glaubt, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich etwas etabliert, das die gesamte Schöpfung in Gefahr bringen könnte…

1.

»Odin steh mir bei!«

Gellend hallte Svantes Funkruf im Bewußtsein der Wächter wider. Die körpereigene Funkeinrichtung der künstlichen Geschöpfe aus einer Tofiritlegierung hatte die Botschaft des ehemaligen Erdmeisters der Gäa-Jünger direkt in ihren Geist transferiert.

Wie erstarrt standen die drei gesichtslosen Gestalten aus Metall in der Zentrale ihres Ringraumers, den sie auf den Namen ARKANDIA getauft hatten. In diesem Moment wirkten die gut zwei Meter großen Metallwesen wie seelenlose Roboter. Daß in den polymetallischen Wächterkörpern jeweils der organische Bestandteil eines Menschen steckte, der die Maschine beseelte, hätte ein unbeteiligter Beobachter kaum vermutet.

Ren Dhark allerdings, der die Szene aus seiner Spezialliege heraus gebannt verfolgte, wußte es besser.

Diese hochtechnisierten Worgunkonstrukte fühlten wie Menschen. Und sie reagierten emotional auch wie solche.

»Svante. Bitte melde dich!« Es war der rötliche Roboter, der diesen flehenden Funkimpuls sendete. In diesem Wächterkörper war das Bewußtsein von Doris Doorn enthalten. Sie hatte Arc, ihren Mann, verlassen, als sie sich entschieden hatte, für die nächsten 98 Jahre als Wächterin zu dienen. Seitdem hatte sie zu Wächter Svante eine ganz besondere Beziehung aufgebaut. Eine, die ihrem Ehemann kaum gefallen dürfte. »Svante, was ist denn los. Warum hören wir nichts mehr von dir?«

Eine Antwort blieb aus.

Die Starre der Wächter dauerte an. Weder der silbrige Simon noch der anthrazitfarbene Arlo rührten sich. Ihre Optiken waren auf die Bildkugel in der Zentrale gerichtet. Darin war die Nahaufnahme eines Teilbereichs der Hülle einer schwarzschillernden Kugel zu sehen. Die eingeblendeten Meßergebnisse besagten, daß die geheimnisvolle Schwarzkugel einen Durchmesser von etwa einhundert Kilometern aufwies. Sie war undurchsichtig, aber nicht massiv und wurde von fremdartigen Energieströmen umflossen. Das Gebilde war nur wenige Meter von der ARKANDIA entfernt und schwebte im interstellaren Leerraum nahe des Zentrums der Milchstraße. Der Abstand der Sonnen betrug hier nur wenige Lichttage, und das zentrale Schwarze Loch war nur lächerliche 32 Lichtjahre entfernt.

All dies interessierte die Wächter momentan jedoch nur wenig. Daß es sich bei der Kugel um ein von den Greys entdecktes Miniuniversum handelte, war für sie jetzt genausowenig von Bedeutung wie das Wissen um die bewohnten Galaxien, die von dem schildkrötenartigen Schiff der Noid – wie die Greys sich selbst nannten – zerstört worden waren, als es in die Kugel hineingeflogen war, um ihr Inneres zu untersuchen.

Wie hypnotisiert starrten die drei Wächter die schwarzen Metallfüße an, die aus dem dargestellten Hüllenabschnitt des Miniuniversums hinausragten. Für ein normales menschliches Auge wären diese nachtschwarzen Körperteile, die sich kaum von dem schwarzschillernden Hintergrund abhoben, schwer auszumachen gewesen. Doch die Wächter mit ihren optimierten Optiken sahen sie so deutlich vor sich, als ragten dort die Füße eines Schwarzen aus einer Schneewehe heraus.

Diese Füße gehörten zu Svantes Wächterkörper. Mit ausgestreckten Armen war er kopfüber in die Kugel eingetaucht. Wie es die Greys zuvor mit ihrem Raumschiff getan hatten, hatte er in das Miniuniversum eindringen wollen, um die Erkenntnisse zu erweitern, die die Grauhäutigen über dieses kosmische Objekt gesammelt hatten. Erkenntnisse, die die Wächter von den Noid heimlich abgeschöpft hatten, bevor diese mit ihrem Schiff Hals über Kopf aus dem Zentrum der Galaxis geflohen waren – gejagt von ihrem schlechten Gewissen und ihren Schuldgefühlen, denn sie waren für den Tod von unzähligen intelligenten Geschöpfen verantwortlich, die die von ihnen zerstörten Minigalaxien bewohnt hatten.

»Mach dir keine Sorgen. Du hast mich ja bald wieder«, hatte Svante zu Doris gesagt, kurz bevor er den Ringraumer verlassen hatte, um seine Exkursion zu beginnen.

Und nun starrte sie auf seine aus der schwarzschillernden Außenhülle des Miniuniversums ragenden Füße und fragte sich ängstlich, was geschehen war und warum Svante keinen Mucks mehr von sich gab.

»Da – er bewegt sich!« funkte Simon.

Doch er hatte sich getäuscht. Auf grausame Weise getäuscht. Denn es war nicht Svante, der seine Füße bewegte. In Wahrheit wurden sie von einer anderen Kraft bewegt als dem Willen des Wächters. Eine Kraft, die die Füße von der Hülle wegdriften ließ. Jedoch nur die Füße. Sie lösten sich von der Hülle und trieben langsam ab. Dort, wo sie die Energiehülle des Miniuniversums zuvor berührt hatten, waren sie sauber abgetrennt. Der Rest des Wächterkörpers blieb hinter der schillernden Schwärze verborgen. Was mit ihm geschehen war, blieb der Phantasie der Wächter überlassen.

Und die erwies sich in Doris’ Fall als ein grausames Raubtier. Gequält ächzte sie auf. Als würde ihr mächtiger Wächterkörper plötzlich von einem Schwächeanfall ergriffen, taumelte sie einen Schritt zurück.

»Was geht da vor sich?« keuchte sie.

»Das kosmische Gebilde scheint sich irgendwie verändert zu haben«, mutmaßte Arlo. »Die Greys hatten die energetische Grenze des Miniuniversums mit ihrem Schiff noch ohne Zwischenfälle passieren können. Das scheint nun offenbar nicht mehr möglich.«

»Hinter der Universumshülle hat es eine starke, hyperenergetische Entladung gegeben, kurz nachdem Svante den Energieschleier durchstieß.« Erst jetzt, da sich die Schockstarre seines Geistes gelegt hatte, waren Simon diese Meßergebnisse aufgefallen. Und sie besagten nichts Gutes. »Einen Hyperraumimpuls wie diesen habe ich noch nie zuvor angemessen. Die Wellensignatur ist absolut exotisch. Ich weiß nicht, womit wir es zu tun haben.«

»Wir müssen Svante helfen. Sofort!«

»Zuerst einmal werden wir versuchen herauszufinden, was vorgefallen ist.« Simon begab sich hinter das Kommandantenpult und machte eine Eingabe.

»Was hast du vor?« verlangte Arlo zu wissen. »Wir müssen äußerste Vorsicht walten lassen. Was mit Svante geschehen ist, sollte uns eine Warnung sein!«

»Ich werde Svantes Füße mit einem Traktorstrahl einfangen und an Bord holen«, erklärte Simon. »Vielleicht geben sie uns Aufschluß darüber, was ihm widerfahren ist – und ob es für ihn noch Hoffnung gibt.«

»Natürlich gibt es für ihn noch Hoffnung. Was redest du denn da?« Aufgebracht ballte Doris die Fäuste. Ein Zittern durchlief ihren erstaunlich formbaren Metallkörper…

*

Das Bild des erbebenden roten Wächterkörpers von Doris Doorn war der letzte Eindruck, der Ren Dhark aus der Vergangenheit in sein Bewußtsein überspielt wurde. Der Informationsfluß riß ab, und er war wieder in der Gegenwart.

Die Halbschale, die sich über den Kopf des weißblonden Terraners mit den markanten Gesichtszügen gesenkt und seine braunen Augen verdeckt hatte, hob sich und gab ihn wieder frei.

Benommen blinzelnd sah sich der schlank gebaute Mann in der Zentrale der ARKANDIA um. Abwartend standen die drei Wächter vor ihm. Doris, die die rötliche Ursprungsfarbe ihres Wächterkörpers beibehalten hatte, Simon, der von der Gruppe am längsten in einem Wächterkörper steckte und ihn silbrig eingefärbt hatte, und Arlo mit seinem anthrazitfarbenen Metallkörper.

Wächter Svante, der schwarz als Körperfarbe gewählt hatte, fehlte.

Und jetzt wußte Dhark auch, warum.

Auf dem Sessel, den die Wächter in der Zentrale aufgebaut hatten, hatte Dhark eine halb liegende, halb sitzende Position eingenommen.

Jetzt fuhren auch die Ausleger in ihre Schlitze zurück, aus denen sie vorhin hervorgekommen waren, um ihn wie einen Gemeingefährlichen auf dem seltsamen Sitzmöbel zu fixieren.

Vorhin. Dhark wußte, daß er nicht allzulange hier gesessen haben konnte. Doch sein Zeitgefühl suggerierte ihm etwas ganz anderes. Es kam ihm vor, als hätte er die Erlebnisse, die der Sessel ihm soeben vorgeführt hatte, als unbeteiligter Zeuge tatsächlich leibhaftig und in Echtzeit miterlebt. Das Geschehen hatte insgesamt eine Zeitspanne von mehreren Monaten umfaßt, sich am Ende aber auf einen Zeitraum von wenigen Tagen zusammengeballt.

Der ehemalige Commander der Planeten hatte die Wächter während ihres Fluges von der Erde zur INSTANZ von ARKAN12 begleitet. Zu jener geheimnisumwitterten Großstation der Worgun, die sich in einem eigenen Universum befand und für Normalsterbliche unerreichbar war, wenn es die INSTANZ nicht anders wollte. Während er an der Seite der Wächter durch die Hallen und Korridore von ARKAN-12 geschritten war, hatte er die Wunder der Station bestaunen können, ohne allerdings ihren Sinn wirklich zu begreifen. Obwohl er glaubte, leibhaftig anwesend zu sein, hatte er weder in das Geschehen eingreifen noch mit den Wächtern kommunizieren können. Schließlich stand er der INSTANZ, der zentralen Kontrolleinheit, die das reibungslose Funktionieren sämtlicher Systeme in der Gigantstation regelte, in einem schlicht wirkenden Raum gegenüber. Dort wurden die Wächter über eine von ihr nicht genauer zu benennenden Gefahr, die angeblich jede Vorstellungskraft überstieg, unterrichtet.

Die INSTANZ befahl dem Wächterquartett, sich dieser Bedrängnis entgegenzustellen. Die Existenz der Milchstraße, wenn nicht sogar des gesamten bekannten Universums, stünde auf dem Spiel, wurden sie gewarnt.

Ein greller Blitz, der die in dem Raum Anwesenden für Sekunden blendete, transferierte die Wächter und ihren Beobachter zurück in den Ringraumer. Plötzlich fanden sie sich nahe des Zentrums der Milchstraße wieder – in einer Zukunft, die zeitlich nur wenige Tage von der jetzigen Gegenwart entfernt war. Was während der Monate geschehen war, die sich zwischen der Zusammenkunft mit der INSTANZ und dem plötzlichen Transfer ins Zentrum der Milchstraße erstreckten, blieb unklar. Den Wächtern blieb auch keine Zeit, dieses Rätsel zu erörtern, denn sie trafen auf ein schildkrötenartiges Schiff der Greys. Die schwächlich erscheinenden, 1,50 Meter großen Humanoiden mit der aschgrauen Haut berichteten von einem wenige Lichtjahre entfernten Gebilde, das nicht in dieses Universum gehörte. Sie warnten die Wächter eindringlich davor, sich diesem Ding zu nähern oder es gar zu untersuchen.

Für die Wächter bestand kein Zweifel: Bei diesem Gebilde mußte es sich um die Gefahr handeln, von der die INSTANZ berichtet hatte. Simon, der den Eindruck hatte, die Noid würden ihm etwas verheimlichen, zog sich unbemerkt eine Kopie des Logbuchs ihres Schiffes. Auf diese Weise erfuhren die Wächter von dem Miniuniversum und von dem von den Greys verschuldeten Tod von unzählbaren Geschöpfen, die ihr Leben verloren hatten, als der in das kosmische Gebilde eingeflogene Raumer der Noid einige Mikrogalaxien versehentlich zerstört hatte.

Was mit Svante geschehen war, als er sich über die Warnung der grauhäutigen Intelligenzwesen hinwegsetzte und kopfüber in das Miniuniversum eintauchte, hatten Dhark die Bilder verraten, mit denen der Sessel seine Sinne zuletzt überflutet hatte.

»Bist du wohlauf?« fragte Doris und beugte sich zu Dhark hinab. Ihr konturloses Gesicht wirkte kalt und emotionslos. Doch in ihrer Stimme, die Dhark so sehr vertraut war, schwang eine Ahnung von Trauer mit.

Dhark nickte noch leicht benommen. Dann sah er den roten Wächter unverwandt an. »Ist Svante etwa tot?«

Doris zuckte unbehaglich mit ihren Metallschultern.

»Davon müssen wir wohl leider ausgehen«, sagte Simon an ihrer Stelle. Er ging zu einer Konsole hinüber und hantierte dahinter herum. Als er kurz darauf zurückkehrte, hielt er ein Paar schwarze Füße in den Händen. Die beiden Gebilde muteten wie eine moderne Skulptur an, erschaffen von einem naturalistisch veranlagten Künstler. Die Füße bestanden vollständig aus schwarzem Metall. Die Zehen waren, wie unter Anspannung stehend, leicht gespreizt.

»Wir haben keine eindeutigen Beweise für seinen Tod«, sagte Doris in diesem Moment.

Da begriff Dhark, daß es die Füße von Svantes Wächterkörper waren, die Simon da in den Händen hielt.

»Das ist alles, was von Svante übriggeblieben ist«, erklärte Simon. Er streckte ihrem Gast die Metallfüße hin, damit er sie genauer betrachten konnte. Dort, wo sie abgetrennt worden waren, war das Metall glatt und ebenmäßig.

»Die Wunde weist keinerlei Strukturen oder Spuren auf, die einen Hinweis darauf geben könnten, was mit Svante geschehen ist«, erklärte Doris.

»Die Füße enthalten jedoch eine deutliche Botschaft an uns«, ergänzte Arlo. »Svante muß bewußt gewesen sein, daß seine Füße noch aus dem Miniuniversum herausragen – und daß sie die einzige Möglichkeit waren, uns noch eine Warnung zukommen zu lassen, nachdem sein letzter Funkruf verhallt war.«

»Es handelt sich bei dieser Botschaft um einen in dem formbaren Metall abgespeicherten energetischen Impuls«, erläuterte Doris. »Der könnte in Svantes gesamtem Wächterkörper enthalten gewesen sein. Daß dieser Impuls ausgerechnet in seinen Füßen vorhanden ist, hat also nicht unbedingt etwas zu besagen.«

Arlo legte Doris eine Hand auf die Schulter. »Wie auch immer«, sagte er begütigend. »Svantes Botschaft war eindringlich genug, um uns davon abzuhalten, ihm zu folgen oder gar mit anderen Mitteln zu versuchen, sein Schicksal aufzuklären.«

»Ich werde dir die Nachricht vorspielen«, verkündete Simon. Der silberne Wächter stellte sich stocksteif hin und streckte den Nacken. Dann gab er mit der Stimme Svantes von sich: »Bleibt weg vom Miniuniversum. Wer mir folgt, ist des Todes!«

Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen in der Zentrale.

»Was habt ihr unternommen, nachdem ihr diese Warnung erhalten habt?« erkundigte sich Dhark, während er sich nun langsam aus dem Sessel erhob.

»Wir – haben uns beraten«, sagte Arlo.

Doris stieß ein kurzes freudloses Lachen aus. »Ihr habt mich überstimmt und beschlossen, die Finger vom Miniuniversum zu lassen. Wie Feiglinge habt ihr euch davongemacht, anstatt unserem Kameraden zu helfen.«

»Wäre Svante für dich nicht mehr als nur ein Kamerad gewesen, hättest du unserer Vorgehensweise uneingeschränkt zugestimmt«, gab Simon unterkühlt zurück.

»Und dann war da noch dieser rätselhafte, von uns als gefährlich eingestufte Hyperraumimpuls, der plötzlich entstand, nachdem Svante in die Hülle des Miniuniversums eingetaucht war«, warf Arlo ein.

Gekränkt verschränkte Doris die Arme vor der Brust und drehte sich von den Männern weg. Eine Geste, mit der sie, als ihr Bewußtsein noch in ihrem biologischen Frauenkörper gewohnt hatte, ihre aufsteigenden Tränen verborgen hätte, wie Dhark wußte. Doch die Wächterkörper konnten weder weinen noch war auf ihren konturlosen Gesichtern eine Emotion abzulesen. Offenbar war Doris aber innerlich so aufgewühlt, daß sie trotz ihres Wissens über die Eigenarten ihres Wächterkörpers nicht von ihrer Angewohnheit hatte ablassen können und sich schmollend abgewandt hatte.

Dhark befremdete der Rückzug der Wächter jedoch ebenfalls. »Hatte die INSTANZ euch nicht befohlen, die Gefahr, die der Milchstraße droht, zu erforschen? Es besteht kein Zweifel, daß damit das Miniuniversum gemeint war.«

Simon stellte Svantes Füße auf die Ablage einer Konsole, wo sie nun wirklich den Anschein einer eigenwilligen Skulptur erweckten. »Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß uns diese Aufgabe überfordert.«

»Das mußte sogar Doris zugeben«, fügte Arlo hinzu und warf ihr einen Blick zu, der jedoch nur ihren Rücken traf.

»Bedenke, daß ich, als ich noch ein Mensch gewesen war, nur ein gewöhnlicher Diener war«, sagte Simon. »Ich diente Noreen Welean, der terranischen Hochkommissarin für Agrarfragen. Nachdem mein Bewußtsein in den Wächterkörper versetzt wurde, begrub sie meine DNS-Probe in ihrem Garten. Inzwischen ist diese Probe zu Erde und somit unbrauchbar geworden. Mein Bewußtsein kann nicht wieder in einen Klon meines menschlichen Körpers zurückversetzt werden. Außerdem hat sich gezeigt, daß die real existierende Noreen Welean offenbar nichts mit der Frau gemein hat, an die ich mich erinnere. Mein Wissen scheint sich umzuformen oder zu verblassen. Ich bin denkbar schlecht für die Aufgabe geeignet, die die INSTANZ uns aufgetragen hat.«

»Ich habe den Eindruck, du redest um den heißen Brei herum«, bemerkte Dhark.

Simon ignorierte den Einwurf. »Arlo ist Waffenexperte und versteht vielleicht noch am ehesten, was es mit diesem fremden, winzigen Universum auf sich haben könnte.«

»Glaubt mir, ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie es im Zentrum der Milchstraße hat entstehen können«, warf der Anthrazitfarbene ein. »Die INSTANZ deutete an, die Kraval hätten dieses Gebilde durch ihre Manipulationen am Hyperraum hervorgerufen. Für mich ergibt das aber ebensoviel Sinn, als hätte die INSTANZ behauptet, eine auf der Erde umgefallene Leiter hätte eine Verkettung unvorstellbarer Ereignisse ausgelöst, die dieses Miniuniversum schließlich erschaffen hätten.«

»Und Doris, die unzweifelhaft eine hervorragende Krankenschwester ist, nützt ihr Wissen in diesem Fall auch nicht viel«, vervollständigte Simon seine Aufzählung.

»Ihr habt inzwischen aber doch einiges erlebt und euren Erfahrungshorizont erheblich erweitert«, gab Dhark zu bedenken. »Außerdem verfügt ihr über einen wandlungsfähigen Wächterkörper, könnt die Gestalt jedes x-beliebigen Intelligenzwesens annehmen, Waffenarme ausbilden und dergleichen mehr.«

Doris wirbelte herum. »Begreifst du denn nicht, Ren? Wir brauchen Hilfe. Deine Hilfe! Svante, der hellste und erfahrenste unter uns, hatte die Führungsposition in unserer Gruppe inne. Doch nun ist er fort, und wir fühlen uns machtlos.«

»Du fühlst dich vielleicht machtlos, seit Svante nicht mehr unter uns weilt«, erwiderte Simon. »Arlo und ich aber sind nur ratlos.«

Der Kommandant der POINT OF atmete tief durch. Er fühlte Ungemach zwischen den Wächtern aufziehen und beschloß diese Farce zu beenden.

»Niemand erwartet von euch, dieses schwerwiegenden Problems allein Herr zu werden. Wenn die Existenz der Milchstraße oder sogar des gesamten bekannten Universums auf dem Spiel steht, bricht man sich keinen Zacken aus der Krone, wenn man sich Hilfe sucht. Diese Angelegenheit geht alle in der Milchstraße lebenden Sternenvölker etwas an. Und nicht nur die, wenn die von der INSTANZ angestellte Extrapolation zutrifft, woran ich nicht zweifle.«

»Wir glauben, daß du der richtige für diese Aufgabe bist, Ren«, bekräftigte Doris noch einmal. »Seit du mit der POINT OF durchs All fliegst, bist du hauptsächlich damit beschäftigt, unvorstellbare Probleme zu lösen. Wer, wenn nicht du, könnte die Kräfte bündeln, die erforderlich sind, diese neue Herausforderung zu stemmen?«

»Und bitte verstehe uns nicht falsch«, sagte Arlo. »Wir wollen uns der Aufgabe, die uns von der INSTANZ aufgebürdet wurde, nicht entledigen. Selbstverständlich werden wir dich mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. Doch wir bitten dich, die Führung dieses Unternehmens zu übernehmen.«

Dhark überlegte einen Augenblick und nickte dann bedächtig. »Einverstanden. Ich hätte sowieso versucht, euch aufzuspüren und zur Mitarbeit zu überreden, sobald ich von den rätselhaften Vorkommnissen im Zentrum der Milchstraße erfahren hätte. Doch dann hätte es bereits zu spät sein können.« Er straffte seine Körperhaltung. »Mir scheint, die Angelegenheit erlaubt keinen Aufschub.

Ich werde jetzt zu der Versammlung zurückkehren, die ihr mit eurem unerwarteten Auftauchen zerstreut habt, und die Angelegenheit besprechen. Wie es der Zufall will, weilen nämlich gerade mehrere Regierungschefs und Vertreter etlicher Sternenvölker in Alamo Gordo, um einen Friedensvertrag mit den Kraval abzuschließen. Denen darf diese beunruhigende Nachricht nicht vorenthalten werden.«

Doris trat vor den Terraner hin. »Ich – möchte, daß du Arc einen Gruß von mir entrichtest«, sagte sie etwas umständlich.

»Warum tust du es nicht selbst? Arc würde sich sicherlich freuen, wenn er dich mal wieder treffen könnte.«

Doris sah zu Boden. »Ich glaube, ich bin noch nicht soweit, diesen Schritt zu tun. Und vielleicht ist es Arc auch nicht.«

»Das wirst du erst herausfinden, wenn du es versuchst.«

Doris schüttelte den Kopf. »Eine Mission hat uns hierhergeführt. Es würde unschön aussehen, wenn ich dies zum Anlaß nähme, ein Treffen mit Arc zu arrangieren. Wenn ich ihm gegenübertrete, so will ich es nur dann tun, wenn wir es beide ausdrücklich wünschen. Dieses Treffen müßte das Hauptanliegen unserer Begegnung sein und nicht bloß eine Nebensächlichkeit, die sich aufgrund einer Situation zufällig ergeben hat.«

»Vielleicht verkomplizierst du diese Angelegenheit auch nur unnötig«, meinte Dhark etwas unüberlegt.

»Was weißt du schon!« Doris traf Anstalten, sich wieder wegzudrehen, besann sich diesmal aber und verharrte. »Viel wichtiger als ein Treffen mit meinem Mann ist mir, daß wir endlich herausfinden, was Svante zugestoßen ist!« platzte es aus ihr heraus. »Wir müssen so schnell wie möglich ins Zentrum der Milchstraße zurückkehren. Vielleicht können wir Svante noch retten!«

»Du solltest dich besser mit dem Gedanken vertraut machen, daß er nicht mehr am Leben ist«, warf Simon ein. »Svante ist hinter der Außenhülle des Miniuniversums irgend etwas Schlimmes zugestoßen. Denk an den rätselhaften Hyperraumimpuls, den wir angemessen haben. Wäre Svante noch in der Lage dazu gewesen, wäre er aus dem Gebilde wieder hervorgekommen.«

»Wir können doch gar nicht wissen, was ihm widerfahren ist!« begehrte Doris auf. »Anstatt nachzusehen, was vorgefallen ist, habt ihr es ja vorgezogen, den Schwanz einzuziehen und Verstärkung herbeizurufen. Ich werde erst an Svantes Tod glauben, wenn die Fakten keine andere Schlußfolgerung zulassen. Doch solche Fakten liegen wegen eurer Feigheit nicht vor!«

Doris wirbelte herum, stampfte wütend auf den Ausgang zu und war kurz darauf aus der Zentrale verschwunden.

»Du darfst Doris diesen kleinen Ausraster nicht übelnehmen«, sagte Simon an Dhark gerichtet. »Svante und sie haben mehr füreinander empfunden, als es zwischen Wächtern sonst üblich ist.«

Der weißblonde Terraner winkte ab. »Das ist eine Angelegenheit, die nur Doris und Svante etwas angeht. Ich werde den Sibirier bei nächster Gelegenheit von ihr grüßen, wie sie es gewünscht hat. Damit hat sich diese Sache für mich jedoch erledigt. Denn es gibt momentan nun wirklich Dringlicheres zu erledigen.«

Dem konnten die beiden Wächter nur zustimmen.

»Einer von euch wird mich zu den Delegierten begleiten«, verlangte Dhark. »Vielleicht brauche ich Unterstützung, um die Regierungschefs von der Dringlichkeit der Gefahr zu überzeugen, die sich da im Zentrum der Milchstraße zusammenbraut. Bisher sind die Anhaltspunkte, die auf eine Bedrohung hindeuten, ziemlich vage und wenig aussagekräftig.«

»Ich werde mitkommen«, erklärte sich Simon bereit. Und an Arlo gerichtet sagte er: »Du wirst inzwischen versuchen, in diesem Schiff die Wogen zu glätten. Doris muß voll einsatzfähig sein, wenn wir zum Miniuniversum aufbrechen. Wir können auf ihre Befindlichkeiten keine Rücksicht nehmen. Sie muß endlich begreifen, daß wir keine andere Wahl hatten, als dem Milchstraßenzentrum den Rücken zu kehren und Hilfe zu holen.«

Der Anthrazitfarbene stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann nickte er schicksalsergeben und machte sich daran, Doris in den weiten Korridoren und Zimmerfluchten der ARKANDIA aufzuspüren.

*

Als Ren Dhark aus der ARKANDIA hervorgekommen war und zusammen mit Wächter Simon mit weitausholenden Schritten über das Landefeld von Cent Field marschierte, verließ das kilometergroße Walzenschiff der Kraval, das auf Parocks Geheiß hin mit eingeschaltetem Kompaktfeldschirm 5.0 über dem Ringraumer der Wächter verharrt war, seine Position. Nun, da Dhark nicht mehr in dem Wächterraumer weilte, bestand keine Veranlassung mehr, das Schiff daran zu hindern, vom Raumhafen abzuheben. Auch die POINT OF, die man mit eingeschaltetem Intervall im Boden unter dem Wächterschiff postiert hatte, verließ ihre Position und kehrte an den ihr zugewiesenen Platz im Pulk der auf dem Raumhafen abgestellten Schiffe zurück.

Auf dem Landefeld waren unter anderem ein Pyramidenschiff der Utaren, ein Ellipsoidraumer der Nogk und ein Keltenkreuzraumer der Nomaden abgestellt worden. Auch die anderen Völker der Allianz gegen die Kraval hatten je ein Schiff mit einem Volksvertreter an Bord entsandt, damit dieser der Friedenskonferenz beiwohnen konnte.

Zu ihnen zählten die Eisläufer genauso wie die Rateken und die Murip.

Während sich Dhark und Simon der POINT OF näherten, fuhr die Rampe des unitallblauen Ringschiffes hinab. Ein vier Meter großes Geschöpf, das sich auf vier massigen Beinen fortbewegte, kam geduckt aus der Schleuse hervor und trat ins Sonnenlicht. Die vier kräftigen Tentakelarme bewegten sich, als wolle das Wesen den Näherkommenden zuwinken. Der muskelstrotzende, massige Körper war komplett mit Hornschuppen bedeckt und äußerst biegsam, da er keine Knochen besaß. Statt dessen wurde der Körper durch die schlauchartigen Muskelstränge aufrecht gehalten.

Plötzlich nahm der Koloß eine lauernde Haltung an und schnellte sich im nächsten Moment von der Rampe ab. Der Sprung katapultierte den Kraval, auf dessen Heimatwelt eine Gravitationsstärke von 4 g herrschte, hoch in die Luft. Er schnellte auf Dhark und Wächter Simon zu und landete unmittelbar vor ihnen auf seinen Füßen.

»Ich muß unverzüglich zurück zum Regierungsgebäude, Parock«, erklärte Dhark seinem hünenhaften Freund der seit kurzem als offizielles Besatzungsmitglied der POINT OF geführt wurde. »Neuer Ärger bahnt sich an. Die Delegierten der Alliierten müssen unbedingt davon erfahren.«

Parock marschierte neben Dhark einher, der die Richtung geändert hatte und nun auf die Abfertigungsgebäude des Raumhafens zuhielt. Stumm und ohne erkennbare Regung schritt Simon hinter ihnen her.

»Was ist denn los?« wollte Parock wissen. Der Kraval legte seinen klobigen Kopf schief, während er zuerst den Menschen an seiner Seite und dann den silbernen Wächter prüfend musterte. Sein Gesicht wurde von markanten Wülsten und Wölbungen geprägt, die Lippen wirkten aufgeworfen. Sein Schädel war mit dicken Hornplatten bedeckt.

»Die Existenz der Milchstraße, wenn nicht sogar des gesamten uns bekannten Universums steht auf dem Spiel«, erklärte Dhark. Der beängstigend aussehende Koloß an seiner Seite warf einen breiten Schatten auf ihn und seinen Begleiter.

Der Hüne aus dem Val-System schürzte die Lippen. »Das ist nicht dein Ernst?«

Dhark warf Parock einen Blick zu. »Wie es aussieht, wurde diese drohende Katastrophe durch die Manipulationen hervorgerufen, die die Kraval an den Strahlungswellen des Hyperraums vorgenommen haben.«

Parock blieb überrumpelt stehen, schloß dann aber wieder zu Dhark auf. »Wird das etwas an den Friedensvereinbarungen ändern?«

»Ich denke nicht«, erwiderte Dhark. »Diese Nachricht wird jedoch gewiß nicht dazu beitragen, die Beliebtheit der Kraval zu steigern.«

»Meine Artgenossen ziehen es sowieso vor, isoliert zu leben. Es wird ihnen nichts ausmachen.«

In diesem Moment stieß Hen Falluta zu ihnen. Der Stellvertretende Kommandant der POINT OF hatte im Eilschritt zu der Gruppe aufgeschlossen. Unaufgeregt wie er war, hatte er Parock den Vortritt gelassen, der darauf gedrängt hatte, die Schleuse zuerst zu verlassen, um so schnell wie möglich zu seinem Menschenfreund zu gelangen und von ihm zu erfahren, was die Wächter von ihm gewollt hatten.

Falluta wollte es nun auch wissen. Nachdem Dhark ihn kurz in Kenntnis gesetzt hatte, verfinsterte sich die Miene des Hope-Kolonisten ein wenig. »Klingt, als würde uns keine Verschnaufpause gegönnt.«

»So laufen die Dinge nun mal«, erwiderte Dhark. »Wir sind es im Grunde ja auch nicht anders gewohnt.«

Wenig später erreichten sie den bereitstehenden Spezialgleiter, der groß genug war, um auch einen Kraval zu befördern. Das Gefährt parkte in der Nähe des Zugangs der unterirdischen Magnetschwebebahn.

»Ich werde in die POINT OF zurückkehren«, verkündete Parock. »Stanley Oliver hat für mich einen überzähligen Hangar räumen lassen. Er gedenkt dort eine Kabine für mich herzurichten. Ich will zu ihm, um ihm zu schildern, wie ich mir meine Behausung in etwa vorstelle.«

Dhark, der von diesem Vorhaben wußte, nickte zustimmend. »Sie werden ebenfalls in die POINT OF zurückkehren, Mister Falluta«, befahl er anschließend. »Bereiten Sie alles für einen baldigen Start vor.«

Falluta tippte sich mit den Fingern an die Stirn. Dann wandte er sich ab und marschierte an Parocks Seite auf den unitallblauen Ringraumer zu, der auf seinen 45 Teleskopbeinpaaren ruhte wie auf einem Säulenhain.

Dhark und Simon stiegen in den Spezialgleiter und machten sich auf den Weg zum Regierungsgebäude und der dort stattfindenden Friedenskonferenz. Das zusätzliche Gewicht des überschweren Wächterkörpers zu transportieren belastete die Antigravaggregate des Gefährts nur wenig.

*

Nachdem Dhark Bruder Lambert ins Bild gesetzt hatte, beraumte der Kurator Terras kurzfristig ein Sondertreffen sämtlicher zur Zeit anwesenden Entscheidungsträger an. Eine Viertelstunde später traf man sich in einem abgelegenen Konferenzsaal, abseits des in dem Festsaal herrschenden Trubels, den die zeremonielle Unterzeichnung des Friedensvertrags nach sich gezogen hatte.

Daniel Appeldoorn, der kahlköpfige Präsident von Babylon, in dessen derbem, rotwangigem Gesicht die blauen Augen deutlich hervorstachen, war ebenso zugegen wie der elegant gekleidete Besitzer von 97,5 Prozent des Planeten Eden, Terence Wallis, sowie andere Vertreter der Koalition gegen die Kraval. Und natürlich fehlte auch Pumuck, der Präsident der Kraval, nicht, für den ein Spezialsitzmöbel herbeigeschafft worden war.

»Ich danke Ihnen, daß Sie sich von der Festivität kurzfristig losmachen konnten«, hob Bruder Lambert an. Die etwas zu spitze Nase im Gesicht des evangelikalen Christen bewegte sich wie eine Kompaßnadel, während er den Kopf drehte, um jeden der Anwesenden kurz ins Auge zu fassen. Als er sich sicher war, daß er die Aufmerksamkeit der Koalition im Kampf gegen die Kraval ebenso auf sich gebündelt hatte wie die des Hünen aus dem Val-System, fuhr er fort: »Das unerwartete Auftauchen der Wächter hier auf der Erde hat leider einen zutiefst unerfreulichen Grund. Einen Grund, der uns alle etwas angeht. Was genau es damit auf sich hat, wird Ihnen Ren Dhark jetzt erklären.«

Bruder Lambert deutete eine Verbeugung an und setzte sich. Es war dem charismatischen Mann mit seinem ruhigen Wesen und seiner unaufgeregten Sprechweise spielend gelungen, das Interesse der Anwesenden zu wecken und auf den ehemaligen Commander der Planeten zu lenken.

Dhark erhob sich, nickte in die Runde und begann zu berichten, was er im Ringraumer der Wächter erlebt und erfahren hatte. Der Vortrag dauerte fast eine halbe Stunde. Dennoch hörten ihm die Regierungschefs aufmerksam zu. Je mehr sie erfuhren, desto konzentrierter lauschten sie seinen Worten, die Ungeheuerliches offenbarten.

»Die Wächter haben mich gebeten, sie dabei zu unterstützen, das Miniuniversum zu untersuchen und einen Weg zu finden, die Katastrophe, die uns allen offenbar droht, abzuwenden«, schloß Dhark.

»Genaugenommen möchten wir, daß Dhark die Führung dieses Unternehmens übernimmt«, fügte Wächter Simon an, der bisher kein einziges Wort von sich gegeben hatte. »Meines Erachtens besitzen er und die Mannschaft der POINT OF mit Abstand die meiste Erfahrung im Entschlüsseln von kosmischen Rätseln. Mit ihrer Hilfe werden wir die Mission, die die INSTANZ uns auftrug, sicherlich erfolgreich abschließen.«

Ein verhaltenes Murmeln und Flüstern setzte ein.

»In diesem Miniuniversum existieren also tatsächlich unfaßbar kleine, aber dennoch bewohnte Galaxien?« Es war Wallis, der diese rhetorische Frage stellte. Er hatte das lange dunkelblonde Haar hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und trug zu seiner königsblauen Weste eine cremefarbene Krawatte. »Man sollte versuchen, einen friedlichen Austausch zwischen ihnen und uns zu bewerkstelligen.«

»Diese Galaxien sind so winzig, daß man sie auch mit modernen Ortungsanlagen kaum wahrnehmen kann«, erläuterte Simon. »Dieser Umstand hat leider zur Zerstörung einiger Galaxien geführt, als die Greys mit ihrem Schiff tiefer in das Gebilde eindrangen.«

»Von meiner Warte aus gesehen spricht nichts dagegen, daß sich Ren Dhark mit der POINT OF dieser Sache annimmt«, erklärte Appeldoorn. »Ich stimme den Wächtern zu. Einen geeigneteren Kandidaten für diese Aufgabe würde mir beim besten Willen nicht einfallen. Die Babylon-Regierung unterstützt dieses Vorhaben vorbehaltlos.«

Offenbar gab es in dem Konferenzsaal niemanden, der diese Angelegenheit grundlegend anders sah. Nacheinander signalisierten die Anwesenden ihr Einverständnis. Nachdem die Vertreter der Nogk, der Nomaden, der Utaren und der Eisläufer das Unternehmen ebenfalls gebilligt hatten, machte sich Pumuck bemerkbar. Mit seinen rötlich leuchtenden Hornplatten auf dem Schädel hob er sich optisch deutlich von seinen Artgenossen ab, als wäre diese genetische Besonderheit ein Symbol für seine herausragende politische Stellung.

»Ich bestehe darauf, daß ein Schiff mit meinen Leuten die Menschen auf ihrer Mission begleitet«, sagte er bestimmend. »Wenn wir Mitschuld am Entstehen dieser Gefahr tragen, müssen wir auch dazu beitragen, sie wieder aus der Welt zu schaffen. Die Kraval haben genug Unheil angerichtet. Jetzt ist es an der Zeit, unsere Schuld abzutragen.«

Dhark verzog keine Miene. Eines dieser kilometergroßen Walzenschiffe voller Kraval an Bord im Schlepp zu haben war das letzte, was er jetzt brauchte. So wie er die Sache einschätzte, waren bei dieser Mission Fingerspitzengefühl und wissenschaftliche Präzision gefragt. Natürlich waren die Kraval nicht dumm. Im Gegenteil, sie waren äußerst intelligent und hatten fortschrittliche Technik entwickelt.

Doch der Groll, den sie gegen ihre vermeintlichen Feinde gehegt hatten, würde nicht von heute auf morgen aus ihren Köpfen verschwinden und freundschaftlichen Gefühlen Platz machen, wie es bei Parock der Fall war. Die Raumschlachten hatten auf beiden Seiten große Verluste und somit tiefe Wunden hinterlassen, die sich nicht so ohne weiteres tilgen ließen.

Hinzu kam, daß Pumuck von seinen Leuten erwartete, daß sie Wiedergutmachung leisteten.

Dies könnte die Kraval zu gutgemeinten Überreaktionen und brachialen Aktionen verleiten.

Zu ihrer Kriegsschuld war nun auch noch das Wissen hinzugekommen, an dem Heraufziehen einer neuerlichen Katastrophe mitschuldig zu sein.

Ungünstigere Voraussetzungen für eine Teilnahme der Kraval an dieser Mission konnte Dhark sich gar nicht vorstellen.

Doch er wäre nicht Ren Dhark gewesen, wenn er nicht schon einen Ausweg aus dieser diplomatisch verzwickten Lage parat hätte.

»Dein Vorschlag ehrt dich, Pumuck. Doch ich meine, auf die Kraval warten zur Zeit dringlichere Aufgaben als die Erforschung eines rätselhaften kosmischen Phänomens. Dein Volk muß langsam in die friedliche Gemeinschaft der Sternenvölker der Milchstraße hineinwachsen. Darauf solltet ihr euch konzentrieren. Indem ihr Teil unserer prosperierenden Gemeinschaft werdet, leistet ihr die größtmögliche Wiedergutmachung, die ein Sternenvolk leisten kann.«

Pumuck rutschte ungeduldig auf seinem robusten Sitzmöbel herum. Es war ihm anzusehen, daß er an dieser Zurückweisung zu knabbern hatte.

Dhark lächelte begütigend. »Außerdem sind die Kraval durch Parocks Anwesenheit während dieser Mission ausreichend vertreten. Wüßte ich nicht, mit ihm einen verläßlichen Freund und Kameraden an meiner Seite zu haben, würde ich mit einem ziemlich mulmigen Gefühl zu dieser Mission aufbrechen. So aber kann ich gewiß sein, daß uns mit Parock ein Kraval begleitet, der all das Positive in sich vereint, zu dem sein Volk fähig ist, wenn es erst die Vergangenheit hinter sich gelassen und Teil unserer Sternenvölkergemeinschaft geworden ist.«

Die Worte des weißblonden Terraners hatten Pumuck nicht unberührt gelassen. Der finstere Ausdruck war aus seinem wulstigen Gesicht gewichen. Statt dessen wirkte er nun auffallend zufrieden und besänftigt.

»Dann soll es so sein«, sagte er und lehnte sich behaglich zurück. »Möge eure Mission von Erfolg gekrönt sein. Und laßt es mich wissen, solltet ihr die Hilfe eines unserer Kampfschiffe wider Erwarten doch noch benötigen.«

»Das versteht sich von selbst.« Dhark nickte dem Herrscher der Kraval freundlich zu.

Schweigen setzte ein, woraufhin Bruder Lambert sich erhob und die Sondersitzung mit einigen Dankesworten abschloß.

Während sich die Gesellschaft auflöste, wandte sich Appeldoorn Dhark mit einem anerkennenden Lächeln zu. »Sie sollten in Erwägung ziehen, in die Politik zurückzukehren, mein Bester.«

Dhark hob abwehrend die Hand. »Dieses Betätigungsfeld habe ich bereits hinter mir gelassen, wie Sie wissen. Mein rhetorisches Geschick leistet mir aber trotzdem weiterhin gute Dienste.«

Der Präsident der babylonischen Menschheit nickte gewichtig. Dann streckte er dem ehemaligen Commander der Planeten die Hand hin. »Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen. Es liegt in unser aller Interesse, daß Sie das Rätsel um dieses Miniuniversum bald aufklären.«

Dhark ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie. »Ich werde mein Bestes geben – wie immer.«

»Wann gedenken Sie denn aufzubrechen?«

»Jetzt gleich. Etwas an dem Vorgehen der INSTANZ sagt mir, daß Eile geboten ist. Ich denke, in einer Stunde werden die POINT OF und die ARKANDIA startklar sein.«

Dhark stand auf, um sich auch von den anderen Staatschefs zu verabschieden. Wächter Simon folgte ihm auf dem Fuße. Die verbissene Schweigsamkeit des silbernen Wächters verriet, daß er nicht recht bei der Sache war. In Gedanken weilte er bereits wieder im Zentrum der Milchstraße – und bei seinem verlorengegangenen Kameraden.

2.

Der Flug ins Zentrum der Milchstraße war eine reine Routineangelegenheit. Nicht alltäglich hingegen war der Anblick, der sich den in der Zentrale der POINT OF Anwesenden in der schwebenden Bildkugel präsentierte, nachdem sie ihr Ziel erreicht hatten.

Die Panoramaansicht zeigte in der Mitte das zentrale überschwere Schwarze Loch, umgeben von zahlreichen leuchtenden Sonnen, zwischen denen nur wenige Lichttage Abstand lagen.

Mit einem Raumschiff in diese Zone einzudringen war nicht ganz ungefährlich, wie Dhark aus leidiger Erfahrung wußte. Doch die Besatzungen der POINT OF und der ARKANDIA waren gewappnet, und alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen waren getroffen worden.

»Wir befinden uns jetzt in der Nähe der Koordinaten, an denen die Greys das Miniuniversum gesichtet haben«, erklärte Tino Grappa. Der Chef der Ortungsabteilung hatte die entsprechenden Daten von der ARKANDIA in seine Arbeitsstation überspielt bekommen. Routiniert glitten seine Finger über die Steuerflächen seines Kontrollpultes, während er die erarbeiteten Signale zur Bildkugel hinüberleitete.

Die Ansicht in der Bildkugel änderte sich daraufhin rapide. Dank der Unterstützung durch den Reizstrahl lieferte das Außenobjektiv trotz eingeschalteten Intervallfeldern hochauflösende Bilder. In einer virtuellen, rasanten Kamerafahrt fokussierte das Objektiv einen kleinen Bereich nahe des Schwarzen Loches. Eine rasch anwachsende schwarzschillernde Kugel schälte sich dort aus dem Dunkel des Alls. Als das Objekt einen Großteil der Bildkugel ausfüllte, fror die Darstellung ein.

»Das also ist unser neues Ärgernis«, kommentierte Chris Shanton lapidar. Daß der Konstrukteur des Roboterhundes Jimmy mit seiner Halbglatze, dem charakteristischen Kinnbart und den finster wirkenden buschigen Augenbrauen in letzter Zeit etwas weniger schwergewichtig aussah, war vielen seiner Kameraden bereits aufgefallen. Überhaupt machte der Wissenschaftler insgesamt einen gesünderen Eindruck. Die Folgen seiner längst überwundenen Alkoholsucht waren ihm kaum noch anzumerken.

Nur einige wenige Auserwählte kannten den Grund für Shantons erfreuliche Vitalisierung, der in Wallis’ Unsterblichkeitsprogramm zu suchen war.

Arc Doorn, der vor dem Instrumentenpult stand und beiläufig zur Bildkugel hinübersah, gab einen unwilligen Laut von sich. »Mein erster optischer Eindruck: saugefährlich«, kommentierte er launisch. »Das Schillern dieser Kugel signalisiert doch bereits, daß sie in ihrem Innern Unerfreuliches ausbrütet.«

Dhark bedachte den Worgunmutanten in Menschengestalt mit einem flüchtigen Blick. Seit er Arc von Doris gegrüßt hatte, kam der ihm noch verschlossener und mürrischer vor als sonst. Fahrig fuhr sich Doorn mit den Fingern durch das lange rote Haar und zuckte gereizt mit den Schultern, als er Dharks Blick auffing.

Hen Falluta, der die Steuerung der POINT OF übernommen hatte, schwenkte auf einen Kurs ein, der direkt auf das kosmische Phänomen zielte. Wächterin Doris, die vor dem Kommandantenpult der ARKANDIA saß, glich den Kurs des Wächterschiffes dem des 180 Meter durchmessenden, unitallblauen Ringraumers an. Zwischen den beiden Schiffen war eine Hyperfunkverbindung geschaltet.

»Ich habe die Meßdaten der Wächter mit den aktuellen Ergebnissen unserer Hyperspürer abgeglichen«, machte sich Grappa wieder bemerkbar. »Das Gebilde hat einen ungefähren Durchmesser von 100 Kilometern. Die exakten Werte besagen allerdings, daß die Kugel während der Abwesenheit der Wächter um drei Millimeter angewachsen ist.«

»Das Miniuniversum dehnt sich also aus.« Dhark rieb sich nachdenklich den Nacken. »Die Frage ist, wie sich diese Ausdehnung weiterentwickelt und in welchem Tempo sie voranschreitet.«

»Darüber können noch keine verbindlichen Aussagen getroffen werden«, sagte Artus, ein humanoider Großserienroboter aus Stahl, der durch die Vernetzung von 24 Cyborg-Programmgehirnen mit der eigenen Suprasensorik eine echte Künstliche Intelligenz und darüberhinaus – vermutlich aufgrund eines minimalen Bauteilfehlers in einem der Programmgehirne – ein kreatives Bewußtsein entwickelt hatte. Seine Einzigartigkeit war ihm von außen nicht anzusehen, wenn man von dem grünen Stirnband mit dem goldenen »A« darauf einmal absah, das er ständig trug. Ansonsten sah er mit seinen im Vergleich zum Torso dünnen röhrenförmigen Armen und Beinen wie jeder gewöhnliche Großserienroboter aus. Er hatte sich per Funk mit dem Bordgehirn verbunden. »Der Checkmaster ist dabei, die Daten zu sammeln und auszuwerten. Noch erscheint ihm die Ausdehnung des Miniuniversums aber nicht bedrohlich.«

Inzwischen hatten sich die beiden Schiffe der Kugel bis auf wenige Kilometer genähert. Dhark befahl, den Flug zu stoppen.

»Was wirst du jetzt tun, Ren?« fragte Amy Stewart, der erste weibliche Cyborg, den die Menschen erschaffen hatten. Die Altlagenstimme der kräftigen und dennoch schlank gebauten Blondine wurde nicht nur von dem Kommandanten als angenehm empfunden. Doch nur bei ihm löste diese Stimme dieses wohlige, tiefsitzende Kribbeln aus, das aus gemeinsam durchlebten Intimitäten hervorging.

»Bei allem, was wir jetzt unternehmen werden, muß vor allem die Sicherheit an vorderster Stelle stehen«, sagte Dhark. »Die Erlebnisse der Noid und der Wächter haben deutlich gezeigt, daß diese Mission unvorhersehbare Gefahren birgt.«

»Trotzdem dürfen wir nicht zu lange zögern!« Es war Doris’ Stimme, die von der Hyperfunkanlage übertragen aus den versteckten Lautsprechern schallte.

Der in ihren Worten mitschwingende drängende Unterton war nicht zu überhören.

Arc Doorn grunzte verstimmt, enthielt sich aber eines Kommentars. Wie Dhark so war auch ihm klar, daß Doris nur deshalb drängelte, weil sie endlich Gewißheit haben wollte, was mit Svante geschehen war – und ob er noch lebte.

»Zuerst einmal sollten wir Drohnen ausschleusen und in das Miniuniversum schicken«, schlug Shanton vor. »Aufgrund der Daten der Greys wissen wir, daß hinter der Hülle in einem Bereich von knapp 30 Kilometern erst einmal nur Leere vorherrscht. Die Sonden können dort also keinen Schaden anrichten, während sie ihre Messungen durchführen.«

»Und sollte diesen Apparaten ähnliches zustoßen wie Wächter Svante, würde ihr Verlust uns nicht so hart treffen, als wenn wir Personen in das Miniuniversum schicken«, merkte Doorn an.

Dhark registrierte, daß der Worgunmutant, von dem die meisten glaubten, er wäre ein gebürtiger Sibirier, plötzlich eine unübliche Mitteilsamkeit an den Tag legte. »Besatzungsmitglieder durch die Hülle zu schicken kommt sowieso nicht in Frage«, sagte er und fragte sich, ob sich zwischen Arc und Doris gerade ein unterschwelliger Ehekrach anbahnte. Entschlossen, seinen Verdacht zu ignorieren, wandte er sich seinem Ersten Offizier und Tino Grappa zu. »Es sollen drei Drohnen ausgeschleust und auf Kurs auf das Miniuniversum gebracht werden.«

Falluta nickte, während die Finger des Ortungsoffiziers bereits über die Bedienfelder seiner Konsole huschten, um den Befehl auszuführen.

Kurz darauf konnten die in der Zentrale Anwesenden in der Bildkugel verfolgen, was sich draußen im All zutrug. Auch in der ARKANDIA beobachtete man das Manöver gebannt.

Die Drohnen hatten die Schiffshülle verlassen und flogen durch das doppelte Intervallfeld der POINT OF hindurch auf die Universumskugel zu. Wieder einmal stellte Falluta sein Fingerspitzengefühl unter Beweis. In einer Dreiecksformation lenkte er die Drohnen auf gleicher Höhe auf das Miniuniversum zu. Kurz blickte der ehemalige Hope-Kolonist zum Ortungsoffizier hinüber. Und nachdem dieser ihm mit einem knappen Kopfnicken zu verstehen gegeben hatte, daß alle Systeme bereit waren, beschleunigte er den Flug der Drohnen und ließ sie auf das fremde Energiefeld zu jagen.

»Svante ist langsam und bedächtig durch die Hülle hindurchgeglitten«, erklärte Falluta sein Vorgehen. »Mal sehen, was geschieht, wenn die Durchstoßgeschwindigkeit höher ist.«