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Die Suche nach Selena führt Danog ut Keltris zu den Murip, einem Volk, mit dem die Menschheit bislang nur wenig Kontakt hatte und das eher zurückgezogen lebt. Dabei gerät der Walfe in eine Lage, aus der es kein Entkommen zu geben scheint. Ren Dhark und seine Getreuen erreichen unterdes ein Sonnensystem, das von den Worgun bereits vor zehntausenden von Jahren aufgegeben wurde. Dort erwartet sie das Risiko Hypergeschwindigkeit... Jan Gardemann, Ben B. Black und Uwe Helmut Grave verfaßten einen actiongeladenen SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.
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Seitenzahl: 356
Veröffentlichungsjahr: 2018
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 53
Risiko Hypergeschwindigkeit
von
Jan Gardemann
(Kapitel 1 bis 4)
Uwe Helmut Grave
(Kapitel 5 bis 8)
Ben B. Black
(Kapitel 9 bis 14 und Exposé)
Inhalt
Titelseite
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
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Ren Dhark Extra
Ren Dhark Classic-Zyklus
Nephilim
Impressum
Prolog
Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.
Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.
Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, daß er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.
Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgabe es ist, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten. Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Mitstreitern gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb.
Nach seiner Rückkehr in die Milchstraße kann Ren Dhark dem Angebot des Industriellen Terence Wallis nicht länger ausweichen und läßt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen sollen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muß sich Ren Dhark einer neuen Herausforderung stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, daß der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.
Als man diese Herausforderung endlich überwunden glaubt, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich etwas etabliert, das die gesamte Schöpfung in Gefahr bringen könnte. Dort hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.
Ren Dhark und seine Getreuen befinden sich auf dem Weg zu einem Experimentalraumschiff der Worgun, als sie es mit einer Gruppe Utaren zu tun bekommen, die außerhalb der Legalität gefährliche Experimente durchführt. Der Commander will diesen Umtrieben ein Ende bereiten, doch die Utaren sind keinesfalls so wehrlos, wie es zunächst den Anschein gemacht hat…
1.
»Lek, jetzt hör mir mal genau zu!«
Ren Dharks Miene wirkte extrem angespannt, während er über Funk mit dem Utaren sprach, der in der unterirdischen Forschungsstation hockte und damit drohte, die POINT OF und die ARKANDIA zu zerstören, sollten sich die beiden Ringraumer nicht sofort zurückziehen und auf Nimmerwiedersehen aus dem Sonnensystem verschwinden.
»Eine Notlage hat uns gezwungen, diese Welt anzufliegen. Und wie es aussieht, ist eure Forschungseinrichtung verantwortlich für unsere Misere. Ihr seid schuld, daß wir jetzt hier sind. Also komme endlich zur Vernunft und…«
Dhark brach ab, denn Glenn Morris fuhr mit gestreckter Hand quer über seine Kehle, um dem weißblonden Commander zu bedeuten, daß die Verbindung abgebrochen war.
Der Erste Funker der POINT OF galt als stiller, verantwortungsbewußter Mann. Seine schmale Gestalt und die hellblonden Haare ließen ihn eher unscheinbar aussehen.
»Der Forschungsleiter der Utarenstation will offenbar nicht kommunizieren«, sagte er, obwohl seine Geste eigentlich unmißverständlich gewesen war. »Soll ich erneut versuchen, einen Kontakt herzustellen?«
Dhark stieß ein unwilliges Brummen aus. »Lassen Sie es. Das hat vermutlich ohnehin keinen Sinn. Diesem durchgeknallten Utaren ist mit Vernunft offenkundig nicht beizukommen.«
Fragend sah Dhark zu Tino Grappa hinüber.
Der mailändische Ortungsoffizier starrte grimmig auf die Anzeigen seiner Arbeitsstation. Die Bewegung des Commanders war ihm trotzdem nicht entgangen.
»Die Energiezusammenballung in der Station erhöht sich weiterhin«, erklärte er in sachlichem Tonfall und mit stoischer Ruhe. »Die Werte steigen jedoch nicht mehr ganz so rapide an. Die zusammengekommene Energiemenge reicht allerdings nach wie vor vollkommen aus, um sowohl die POINT OF als auch die ARKANDIA in ihre Atome zu zerblasen, sollte die Energie auf uns abgefeuert werden.«
»Wir sollten es nicht darauf ankommen lassen, herauszufinden, ob dieser blaue Giftzwerg seine Drohung tatsächlich wahrmachen wird«, warf Shanton ein. Der schwergewichtige Ingenieur mit Halbglatze, Kinnbart und buschigen Augenbrauen knetete nervös seine Wurstfinger. »Unsere Schiffe schweben viel zu dicht über der Station. Selbst dem Checkmaster dürfte es schwerfallen, im Ernstfall schnell genug ein Ausweichmanöver einzuleiten. Der Strahl wird uns unweigerlich treffen und zerstören!«
Dhark nickte grimmig. »Es widerstrebt mir zwar, mich diesem schrägen Utaren zu beugen, doch in Anbetracht der Lage bleibt uns wohl keine andere Wahl, als klein beizugeben und zu verduften.«
»Unsere Mission ist außerdem viel wichtiger als diese Lappalie hier«, hallte die Stimme von Wächter Simon durch die Zentrale.
Eine Bildübertragung des silberfarbenen Konstruktes der Mysterious war auf einem großen Monitor zu sehen. Von dem etwa zwei Meter großen, beseelten Roboter wurde nur der Metallschädel mit dem konturlosen Gesicht dargestellt.
Zusammen mit Wächterin Doris und Wächter Arlo stellte er die Besatzung der ARKANDIA.
»Wir müssen klären, was es mit dem Miniuniversum in der Nähe des Zentrums der Milchstraße auf sich hat, wie es die INSTANZ verlangt«, fuhr er fort. »Das Treiben der Utaren auf diesem Planeten ist im Vergleich dazu nahezu unbedeutend.«
»Das sehe ich allerdings anders«, widersprach Arc Doorn. Der Worgunmutant in der Gestalt eines Menschen wirkte besorgt, was sein mürrisches und von roten langen Haaren gerahmtes Gesicht noch finsterer als gewöhnlich erscheinen ließ. »Diese Irren haben den Hyperraum angezapft, um Energie quasi aus dem Nichts heraus zu gewinnen. Wir sind mit unseren Schiffen in dieses Experiment direkt hineingeraten, so daß sämtliche Technik und speziell die Energieerzeuger sowie die Energiespeicher lahmgelegt wurden. Dieses gefährliche Experiment hat Lek und seinen Leuten nicht nur eine Unmenge Energie verschafft, die Utaren kreierten mit ihrer Maschine darüber hinaus eine ungeheuerliche Waffe.«
»Unsere beiden Ringraumer hat es wirklich schwer erwischt«, warf Artus ein. »Das Experiment dieser abtrünnigen Utaren besitzt eine gewaltige Reichweite.«
Der humanoide Großserienroboter aus Stahl mit seinen im Vergleich zum Torso dünnen, röhrenförmigen Armen und Beinen stand neben der Bildkugel, die eine dreidimensionale Abbildung der Oberfläche der Welt zeigte, welche von den Raumfahrern auf den Namen Blitz getauft worden war.
Die weite Steppenlandschaft wurde nach Westen hin von einem Gebirgszug abgegrenzt, dem ein Wald vorgelagert war. Ein breiter Fluß schlängelte sich quer durch die mit Gräsern, Büschen und vereinzelten Bäumen bewachsene Ebene. Nichts deutete darauf hin, daß sich unter diesem Gebiet eine unterirdische Forschungsstation erstreckte.
Dhark atmete tief durch. »Momentan können wir kaum etwas gegen diese Verbrecher ausrichten«, bedauerte er. »Ich muß Simon zustimmen. Unsere Mission wiegt schwerer, als diesen Utaren das Handwerk zu legen. Wir werden dieses System daher verlassen und unsere bisherige Route wieder aufnehmen.«
Es war dem Commander anzusehen, wie wenig ihm diese Entscheidung behagte. Als er sich seinem Ersten Offizier zuwandte, um ihm den Befehl zum Rückzug zu erteilen, und dabei den nachdenklichen Ausdruck in Hen Fallutas Gesicht bemerkte, stutzte er.
»Was gibt es denn, Hen?« erkundigte er sich unleidlich.
Der Hope-Kolonist und Checkmaster-Techniker zögerte nicht, seine Meinung kundzutun: »Ich glaube kaum, daß Lek uns ohne weiteres abziehen läßt, Sir.«
»Das erscheint mir auch eher unwahrscheinlich«, bekräftigte Doorn. »Lek wird sicher davon ausgehen, daß wir die Regierung auf Esmaladan darüber unterrichten werden, was die abtrünnigen Utaren auf dieser Welt treiben. Und das ist bestimmt das Letzte, was Lek und seine Leute wollen.«
Falluta nickte beipflichtend. »Wir müssen mit einem Angriff rechnen für den Fall, daß wir uns jetzt zurückziehen. Die Ringraumer werden ein leichtes Ziel abgeben, während sie aufsteigen und in den Weltraum vorstoßen.«
Dhark rieb sich nachdenklich den Nacken. »Ich gehe auch nicht davon aus, daß die Utaren uns so einfach davonkommen lassen. Unsere Ringraumer müssen so schnell wie möglich hinter dem Horizont abtauchen, damit die Utaren sie mit ihrer Energiewaffe nicht erreichen können.«
»Zu dumm, daß die Transitionstriebwerke nicht mehr arbeiten!« Parock stampfte mit zweien seiner vier mächtigen Füße auf, so daß der Boden der Zentrale erzitterte.
Der vier Meter große Hüne aus dem Val-System bestand fast nur aus Muskeln, der umfangreiche Körper war bar jeglicher Knochen. Sein von Wülsten und Wölbungen zerklüftetes Gesicht wirkte extrem grimmig. Die wulstigen Lippen waren geschürzt, einige der Hornplatten, die obenherum seinen Schädel schützten, fehlten. Nach Beschädigung während der Kämpfe gegen die Utaren waren sie abgestoßen worden und würden nun langsam nachwachsen.
»Wir müssen zusehen, daß wir für die zerstörten Aggregate rasch Ersatz beschaffen.« Der Kraval fuchtelte wild mit seinen kräftigen Tentakelarmen, während er sprach. »Ohne die Fähigkeit zu transitieren sind die Ringraumer leichte Beute.«
»Bevor wir irgendwelche Ersatzteile beschaffen können, müssen wir zuerst einmal heil aus dieser Situation herauskommen.« Grappa sprach mit leicht erhobener Stimme. »Der Energieanstieg unten in der Station verlangsamt sich zusehends«, mahnte er. »Ich fürchte, die Strahlenwaffe ist bald zur Gänze aufgeladen und kann abgefeuert werden!«
»Warten wir nicht länger!« rief Dhark in die Runde. »Die POINT OF und die ARKANDIA sollen mit SLE und höchsten Beschleunigungswerten in entgegengesetzte Richtung dem Horizont entgegenfliegen. Tino, behalten Sie den Energieanstieg in der Station im Auge und warnen Sie uns, wenn der Energielevel nicht mehr ansteigt und die Waffe einsatzbereit ist.«
»Das wird vermutlich in wenigen Augenblicken der Fall sein!« Plötzlich stieß Grappa einen erschreckten Schrei aus. »Es nähern sich uns aus Richtung Weltall zwei Pyramidenraumer der Utaren!«
»Warum erfahren wir erst jetzt davon?« rief Falluta aufgebracht.
»Die Schiffe hielten sich im Ortungsschatten des Mondes auf. Außerdem war meine Aufmerksamkeit auf die Aktivitäten unten in der Utarenstation gerichtet.«
»Die Besatzungen der Pyramiden reagieren nicht auf meine Versuche der Kontaktaufnahme«, informierte Morris.
»Diese Schiffe sind gekommen, um uns zu vernichten«, stellte Doorn trocken fest. »Wir müssen endlich reagieren!«
Dhark wirbelte zu dem Bildschirm herum, der Simons Konterfei zeigte. »Es geht los!« befahl er dem Wächter. »Wir verfahren wie besprochen. Der Checkmaster wird die Steuerung der beiden Raumer im Notfall übernehmen. Seid darauf vorbereitet!«
»Verstanden.« Simon schien erleichtert, daß Dhark die Initiative ergriffen hatte und er keine eigene Entscheidung treffen mußte.
Der Commander warf sich in seinen Sessel und klinkte sich mit seinen Gehirnwellen in die Gedankensteuerung ein.
Keine Sekunde zu früh, denn ein weiterer Warnruf aus Richtung der Ortungsstation verriet, daß die beiden Utarenschiffe bereits auf die Ringraumer feuerten.
*
Dhark ließ die POINT OF in einem flachen Winkel aus der Stratosphäre des Planeten hinaus ins All hinaufschießen.
Die ARKANDIA vollführte ein ähnliches Manöver, bewegte sich jedoch in entgegengesetzte Richtung.
Die beiden angreifenden Pyramidenraumer feuerten ein bläuliches Feld ab, während sie aus Richtung Mond kommend auf die Ringraumer hinabstießen. Die gefährlichen Kampffelder wischten nur knapp an den davonstiebenden Schiffen vorbei und verpufften in der Atmosphäre.
Die Utaren setzen das Blaue Feld ein, warnte der Checkmaster, der nun direkt mit Dharks Denkapparat verbunden war. Diese auf hyperenergetischer Basis arbeitende Waffe erzeugt einen Magnetstrahl, der, wenn er uns trifft, das Intervallum zu achtundfünfzig Prozent belasten wird. Da unsere Systeme noch nicht wieder gänzlich hergestellt sind, ist bei einem Treffer ein weitaus höherer Prozentsatz an Belastung zu erwarten.
Verstanden, dachte Dhark grimmig. Wir sollten also auf jeden Fall einen Treffer vermeiden.
Der Commander ließ die aufsteigende Gerade, der die POINT OF folgte, abrupt abknicken. Der Ringraumer flog nun einen Kurs, der parallel zur Krümmung der Planetenoberfläche lag. Die letzten Ausläufer der Atmosphäre jagten knapp tausend Meter unter dem Schiff hinweg. Der Brennkreis verengte sich, und die POINT OF beschleunigte.
Wir müssen so schnell wie möglich hinter dem Horizont von Blitz abtauchen, um aus der Reichweite der Strahlenwaffe der unterirdischen Station zu kommen!
Dhark warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm vor sich. Eine schematische, taktische Darstellung der Kampfhandlung wurde darauf wiedergegeben. Wie die Grafik verriet, kopierten die Wächter sein Manöver eins zu eins. Die ARKANDIA raste in genau entgegengesetzter Richtung davon. Der Flug des Carborit-Ringschiffes beschrieb dabei eine leicht konvex geformte Linie.
Die beiden Utarenschiffe hatten bereits auf das Manöver reagiert, wie Dhark feststellte. Offenbar ahnten die Kommandanten, was die Menschen planten.
Die Pyramidenraumer flogen voneinander weg und stießen wie Schwalben, die ein fliegendes Insekt anpeilten, das sie sich im Flug schnappen wollten, auf die Ringschiffe herab.
Plötzlich schossen die Utarenschiffe mehrere bläuliche Strahlen in Flugrichtung ab.
Dhark verzögerte abrupt, und die gefährlichen blauen Felder jagten nur wenige Meter vom Intervallum der POINT OF entfernt auf den Planeten zu. Eine neuerliche Salve zwang den Commander abzudrehen und eine enge Kurve zu fliegen.
Die Utaren wollen unsere Flucht hinter den Horizont verzögern, interpretierte der Checkmaster das Vorgehen des Feindes. Wir sollen in der Reichweite der Stationswaffe bleiben.
»Tino?« rief Dhark eindringlich.
»Das Hochfahren der Strahlenwaffe wird in wenigen Sekunden abgeschlossen sein«, warnte der mailändische Ortungsoffizier daraufhin.
Dhark sandte einen Feuerbefehl an die Besatzungen der Waffensteuerungen.
Doch der Energieschirm des Pyramidenschiffs absorbierte die lichtschnellen, pinkfarbenen Nadelstrahlen, die auf ihn einprasselten. Mehr als ein kurzes Aufflackern der Energieblase, die die Pyramide umgab, riefen die Treffer nicht hervor.
Der Schutzschirm der Utaren wird unserem Beschuß länger widerstehen, als die Stationswaffe braucht, um endgültig aufzuladen, warnte der Checkmaster.
Dhark zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen. Die hochtechnisierten Utaren verfügten über besondere Kenntnisse in der Energieschirmtechnik. Der Schutzschirm ihres Gegners würde selbst einem massiven Beschuß aller verfügbaren Waffensysteme der POINT OF für einen längeren Zeitraum widerstehen – lange genug, um die Ringschiffe festzusetzen, damit sie von der Forschungsstation aus beschossen werden konnten.
Checkmaster, übernimm die Steuerung der ARKANDIA, dachte Dhark entschlossen. Bringe die beiden Ringschiffe in eine Position, die so angelegt ist, daß sich die Utarenraumer ebenfalls im Schußfeld des Stationsgeschützes befinden.
»Wir sollten auf Blitz hinabstürzen und in den Planetenmantel eintauchen!« rief Falluta, der das Geschehen auf dem Bildschirm seiner Station verfolgte. »So könnten wir den feindlichen Schiffen und dem vernichtenden Energiestrahl aus der Station entkommen.«
»Man würde uns abschießen, ehe wir die Planetenoberfläche erreicht haben«, kommentierte der Checkmaster den Einwurf des Ersten Offiziers via Sprachausgabe.
»Der Ladevorgang ist abgeschlossen!« brüllte Grappa dazwischen. »Das Stationsgeschütz kann jetzt jeden Moment einen Strahl auf uns abfeuern!«
Die POINT OF und die ARKANDIA haben soeben die von dir gewünschte Position eingenommen, sandte der Checkmaster eine Nachricht direkt in Dharks Gehirnwindungen. Lek und seine Kameraden würden ihre eigenen Leute in den Pyramidenschiffen gefährden, wenn sie jetzt einen Schuß auf uns oder die Wächter abgeben.
Dhark nickte zufrieden. Das Manöver hatte ihnen eine kurze Verschnaufpause verschafft.
Doch die Gefahr einer Zerstörung war noch längst nicht gebannt.
Außerdem war sich der Commander nicht sicher, ob Lek am Ende nicht doch so skrupellos war und das Leben seiner Artgenossen aufs Spiel setzte, nur um die lästigen Menschen aus dem Weg zu räumen, die seine verbrecherischen Machenschaften zufällig aufgedeckt hatten.
Jetzt sind wir am Zug, Checkmaster, dachte Dhark konzentriert. Holen wir zum Gegenschlag aus!
*
»Die Weisheit soll diese verdammten Terraner holen!« Kommandant Lo bebte vor Zorn.
Der knapp einen Meter große Utare sprang von seinem Sessel auf und fuchtelte mit den Armen. Seine blaue Gesichtshaut färbte sich vor Wut dunkel, was aussah, als wäre ein Schatten über sein Antlitz gefallen. Zornig wirbelte er zum Ersten Offizier herum, der das Pyramidenschiff steuerte.
»Warum gelingt es nicht, das Schiff dieser blaßhäutigen Halbriesen zu treffen?« fauchte er.
»Sie halten einfach nicht still«, erwiderte Ro. »Immerhin haben wir sie aber davon abgehalten, hinter den Horizont zu flüchten. Die Wissenschaftler unten in der Station werden sie jeden Augenblick abschießen und dieser Farce ein Ende bereiten.«
Der Kommandant heulte enttäuscht auf, während er auf dem Bildschirm verfolgte, wie eine neuerliche Salve Blaues Feld haarscharf an dem doppelten Intervallfeld des unitallblauen Ringraumers vorbeischrammte. Abermals war es nicht gelungen, die Schutzfelder der Terraner zu treffen und so bedeutend zu schwächen.
Als Lo den Kopf herumriß, um einen Blick auf den benachbarten Monitor zu richten, der das Geschehen in der Nähe des Schwesterschiffes der Terraner zeigte, verrutschte seine Haartolle und verdeckte sein linkes Auge. Unwirsch fegte er sich die Locke aus der Stirn.
Doch als er nun wieder klar sehen konnte und bemerkte, was sich auf dem Bildschirm abspielte, wünschte er sich sogleich, daß sein Blick wieder von seiner Haartolle verschleiert werden würde, denn auch das carboritschwarze Schiff wich den auf hyperenergetischer Basis arbeitenden Magnetstrahlen geschickt aus, die das zweite Pyramidenschiff auf es abfeuerte.
Umgekehrt gelang es dem utarischen Steuermann jedoch nicht, den überlichtschnellen Pinkstrahlen des Carboritschiffes zu entkommen. Doch das war nicht weiter schlimm, denn das Schutzfeld der Pyramidenraumer war robust genug, dem Nadelstrahlbeschuß längere Zeit zu widerstehen.
»Wir müssen die Schutzfelder der Ringschiffe unbedingt schwächen!« brüllte Lo. In seinen blauen Augen blitzte es zornig auf. »Nur so können wir den Schiffen mit dem Weißen Strom den Garaus machen!«
Lo besaß eine Schwäche für diese besondere Raumschiffswaffe, über die nur die Utaren verfügten. Wenn die Milliarden weißlicher Materiekügelchen auf Hochgeschwindigkeit gebracht und dann energetisch abgefeuert wurden, entstand optisch der Eindruck, ein gleißender weißer Strom würde durch die Finsternis des Weltalls jagen. Die Materiekügelchen richteten verheerende Schäden an, wenn sie auf ihr Ziel trafen – und sie vermochten sogar Unitall gefährlich zu werden.
Bevor Lo diese Waffe effektiv einsetzen konnte, mußten die Intervallfelder des feindlichen Ringschiffes jedoch zerstört werden.
»Ich verstehe deine Aufregung nicht«, wagte Ro einzuwenden. »Der Hyperenergiestrahler unten in der Station ist gleich hochgefahren. Der Forschungsleiter wird die Eindringlinge mit seiner Erfindung in wenigen Sekunden zerstören. Es ist nur eine Frage von Augenblicken, bis wir dieses Problem ein für alle Mal los sind.«
Lo machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du hast keinen Sinn für die Grandiosität von Weltraumschlachten, Ro. Mit den überragenden Waffen der Utaren einen Sieg davonzutragen, ist ein erhebendes Gefühl.« Er deutete auf den Geräuschteufel, der auf der Kommandantenkonsole stand. »Mit der passenden musikalischen Untermalung ist der Anblick eines feindlichen Raumschiffes, das vom Blauen Feld oder dem Weißen Strom zerstört wird, mit nichts in unserem Universum zu vergleichen.«
Der Erste Offizier grinste unfroh. Er war ein pragmatisch denkender Utare und hatte nichts übrig für in seinen Augen überflüssige heroische Momente, wie sie seinem Kommandanten vorschwebten. Wenn die lästigen Menschen endlich tot und ihre Raumschiffe vernichtet waren, wäre er schon zufrieden.
Wie dieses Ziel erreicht wurde, war ihm sehr egal. Darum bemühte er sich auch nicht sonderlich, den Unitallringraumer mit den Blauen Feldern zu erwischen. Diese Aufgabe würde der Hyperstrahler gleich für sie erledigen.
Ro hoffte, daß der vernichtende Schlag nicht mehr lange auf sich warten ließ, denn die Terraner waren ärgerlicherweise dazu übergegangen, den Nadelstrahlbeschuß zu intensivieren.
Die Belastung des Schutzschirmes erreichte Werte, die langsam bedenklich wurden. Außerdem fuhren aus dem Ringkörper des Unitallschiffes Türme aus, bei denen es sich offenbar um Geschütze handelte.
Ro erinnerte sich vage, von diesem von den Terranern ersonnenen Waffensystem schon einmal gehört zu haben. Wenn er sich recht entsann, nannten sie diese Waffe »Wuchtkanone«.
»Es geht ein Funkruf aus der Forschungsstation ein!« rief Pel von der Funkbude aus plötzlich zu ihnen herüber. »Es ist Forschungsleiter Lek!«
»Was kann ich für dich tun?« erkundigte sich der Kommandant, nachdem Pel die Verbindung auf die Kommunikationsanlage seiner Station gelegt hatte.
»Verdammt – verschwindet endlich aus dem Schußfeld, ihr Idioten!« schrillte Leks Stimme auf. »Wir können die Terraner von der Station aus nicht unter Beschuß nehmen, wenn sich euer Schiff in der verlängerten Ziellinie aufhält. Das gleiche gilt für euer Schwesterschiff. Die Hyperstrahlwaffe ist jetzt einsatzbereit. Also, seht zu, daß ihr euch aus dem Staub macht!«
Ro schluckte trocken. Erst jetzt fiel ihm auf, daß der Unitallringraumer auf eine Art und Weise manövrierte, die dazu führte, daß ihr Schiff stets in der Schußbahn des Hyperenergiegeschützes blieb.
Sollte der enorme Energiestrahl das Ringschiff nur streifen oder gar verfehlen, würde der Pyramidenraumer unweigerlich getroffen werden.
Selbst wenn sich das feindliche Schiff einen Frontaltreffer einfing, war nicht auszuschließen, daß die Überreste des Kampfstrahls das Utarenschiff erfaßten. Nicht einmal das ausgeklügelte Schutzfeld konnte sie dann noch vor dem Untergang retten.
Verzweifelt versuchte der Erste Offizier mit dem Pyramidenschiff auszubrechen.
Doch der Ringraumer veränderte daraufhin ebenfalls blitzschnell seine Position, und zwar so, daß das Utarenschiff trotz der Ausweichbewegung in der Schußlinie des Stationsgeschützes blieb.
Nach oben Richtung All zu entweichen, brachte auch nichts, da eine größere Entfernung zum Planeten die Vernichtungskraft des machtvollen Strahls nicht nennenswert abschwächte.
Sich zu nahe an den Horizont heranzuwagen, kam ebenfalls nicht in Frage, denn dadurch würden sie den Fluchtbemühungen der Terraner nur zuarbeiten.
Ro geriet ins Schwitzen.
Daß es ihrem Schwesterschiff nicht besser erging als ihnen, war nur ein schwacher Trost.
»Wenn ihr euch nicht in dreißig Sekunden in Sicherheit gebracht habt, tut es mir für euch leid«, machte Lek sich wieder bemerkbar. »Die Terraner haben ihre Wuchtkanonen ausgefahren. Vermutlich werden sie die unterirdische Station ins Visier nehmen. Doch soweit werde ich es nicht kommen lassen!«
Der Forschungsleiter unterbrach er die Verbindung.
»Nun mach schon!« brüllte Lo seinen Ersten Offizier an. »Bring uns endlich aus dem verfluchten Schußfeld heraus!«
Da Ro sich nicht anders zu helfen wußte, lenkte er das Schiff auf den Ringraumer zu.
Dann brach er zur Seite aus.
Die Statusanzeige des Schutzschirmes geriet in den roten Bereich, als ein ganzes Gewitter aus pinken Strahlen den Schirm traf.
Schweißbäche rannen das Gesicht des Utaren herab und versickerten unter dem Kragen seiner knallbunten Uniform. Ro mußte mit dem Schiff an die vorherige Position zurückkehren, um zu verhindern, daß das Schutzfeld kollabierte.
»Ich kriege es nicht hin!« rief er verzweifelt.
Lo schlug mit der Faust auf den Feuertaster und löste eine Salve Blauer Felder und Weißen Stroms aus.
Doch die Strahlen verfehlten ihr Ziel.
Wer immer das gegnerische Schiff lenkte, schien den Angriff kommen gesehen zu haben und war zur Seite weggeschwenkt.
Trotzdem hielt sich das Ringschiff mit tödlicher Präzision in der gefürchteten Position, so daß der Pyramidenraumer weiterhin im Zielgebiet der Hyperstrahlenwaffe blieb.
»Das Hyperenergiegeschütz der Station wurde soeben ausgelöst!« kreischte der Ortungsoffizier mit überschnappender Stimme.
Die Utaren in der Zentrale erstarrten, nur der Kommandant nicht. Er stürzte auf den Geräuschteufel zu und schaltete ihn ein.
Höllischer Lärm brach daraufhin los.
Die infernalischen, disharmonischen Klänge hätte ein Mensch kaum mit Begriffen wie Musik und Komposition bedacht, doch Lo und die anderen blauen Zwerge berührte dieser Krach so sehr, daß es in ihren Augen plötzlich feucht schimmerte. Sie waren sich bewußt, daß diese »Musik« soeben die letzten Sekunden ihres Lebens einläutete.
*
»Diese Wahnsinnigen!« Entgeistert starrte Grappa auf die Energieanzeige des Ortungspultes. »Die Utaren – sie haben das Stationsstrahlgeschütz ausgelöst!«
Bevor der Mailänder seinen Unglauben über das Verhalten der Utaren-Forscher verbal kundtun konnte, hatte der Checkmaster die Information über den Vorgang längst in Dharks Bewußtsein überspielt. Im selben Bruchteil dieser Sekunde reagierte das Bordgehirn und führte die Vorgabe des Kommandanten aus.
Während von der Steppenebene der Sauerstoffwelt aus ein turmdicker Energiestrahl auf die POINT OF zuraste, schaltete der Checkmaster die Intervallfelder aus, kippte das Schiff um neunzig Grad und jagte es parallel zur Planetenkrümmung auf die ARKANDIA zu.
Der gigantische Strahl sengte nur knapp hundert Meter an der davonjagenden POINT OF vorbei, brannte ein Loch in den Schutzschirm des Pyramidenraumers, bohrte sich in dessen Hülle, fraß sich mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Decks und trat auf der gegenüberliegenden Seite wieder aus.
Das Utarenschiff verging in einer gewaltigen Explosion. Wie abgefälschte Projektile wirbelten die Trümmerteile in chaotischen Bahnen in alle Richtungen davon.
Der entstandene Feuerball erstickte im Vakuum des Alls, während der leicht zerfaserte Kampfstrahl, der eine Länge von knapp einem Kilometer aufwies, ungehemmt immer tiefer in den Weltraum vorstieß und schließlich vom schwarzen Nichts verschluckt wurde.
Der Checkmaster schaltete das doppelte Intervallum der POINT OF wieder ein.
Das Schutzfeld und die es erzeugenden Generatoren wären unweigerlich zerstört worden, wenn der übermächtige Kampfstrahl die sich überschneidenden silbrigen Kugelschirme durchdrungen oder auch nur gestreift hätte. So aber war die Intervallfeldvorrichtung intakt geblieben.
»Irgendwelche Schäden?« fragte Dhark an Falluta gerichtet.
Konzentriert betrachtete der Erste Offizier die Anzeigen seiner Arbeitsstation. »Einige Spürer scheinen gestört. Und die Energiespeicher des Kompaktfeldschirmes sind überlastet. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund scheinen sie Energie vom Kampfstrahl abgezapft zu haben. Die Techniker im Maschinenraum sind offenbar aber schon dabei, die überschüssige Energie in andere Speicher abzuleiten, denn die Werte stabilisieren sich langsam.«
Der Commander atmete erleichtert durch. »Wie es aussieht, sind wir mit dem Schrecken davongekommen. Aber wie ist es um die ARKANDIA bestellt?«
Grappa meldete sich zu Wort. »Die Wächter lassen ihr Schiff noch immer vom Checkmaster steuern. Und der hält den Ringraumer wacker auf Position. Zwischen der ARKANDIA und dem Utarenraumer herrscht eine Pattsituation. Beide Schiffe bewegen sich in einem eingeschränkten Radius und hindern sich gegenseitig daran, eine entscheidende Veränderung der Lage herbeizuführen.«
Während der Mailänder berichtete, lenkte Dhark die POINT OF per Gedankensteuerung auf die kämpfenden Raumer zu. Er wollte in das Scharmützel eingreifen, um eine Entscheidung herbeizuführen.
»Was ist mit dem Stationsgeschütz, Tino?«
»Es baut wieder Energie auf. Wenn wir die bisherigen Werte als Grundlage nehmen, müssen wir davon ausgehen, daß das Geschütz in knapp drei Minuten einen weiteren Energieimpuls abstrahlen wird.«
»Uns bleibt also nicht viel Zeit.« Dhark jagte die POINT OF mit Sublichteffekt auf die beiden Schiffe zu.
Diese bewegten sich knapp außerhalb der Stratosphärengrenze, flogen auf und nieder, hin und her und feuerten dabei aufeinander. Allerdings kam es nur selten zu Treffern, und wenn doch, so wurden sie von den Schutzfeldern absorbiert.
Der Commander stellte über Bordsprech eine Verbindung zu Jean Rochard her, der die Steuerung der Waffensysteme Ost innehatte.
»Einen Schuß mit der Wuchtkanone direkt auf das Schutzfeld des Pyramidenraumers!« befahl Dhark mit Entschlossenheit in der Stimme. »Diesem Theater muß ein rasches Ende gesetzt werden, Mister Rochard. Achten Sie aber darauf, einen günstigen Auftreffwinkel zu wählen. Wir wollen das Utarenschiff nicht zerstören.«
»Aye, Sir!«
Rochard machte sich an den Schaltflächen seines Pultes zu schaffen und richtete das modifizierte Antigravaggregat aus, das in dem östlichen, ausgefahrenen Geschützturm installiert war.
Augenblicklich baute sich ein röhrenförmiges Feld auf. Das entgegengesetzte Ende des hellgelben Röhrenfeldes, das lichtschnell entstanden war, heftete sich an den Schutzschirm des Pyramidenraumers.
Rochard hatte alle Hände voll damit zu tun, das umherflitzende Schiff im Visier zu behalten.
Der Abstand zwischen den beiden Raumschiffen war jedoch groß genug, und der Bewegungsradius des Utarenraumers zu eingeschränkt, so daß Rochard schließlich eine genaue Zielerfassung gelang.
»Feuer!« befahl Dhark, der das Zielmanöver auf den Anzeigen des Kommandantenpultes mitverfolgte.
Der Kraftfeldprojektor in der Kanone beschleunigte die feuerbereite Tofiritkugel dank der in dem Röhrenfeld herrschenden Massefreiheit ohne Verzögerung auf Lichtgeschwindigkeit.
Als das Geschoß am Ende der Energieröhre ankam, erhielt die Kugel schlagartig ihre Masse zurück, weil dort, wo das Röhrenfeld auf das Kraftfeld des Utarenschutzschirmes traf, eine Verwerfung entstanden war, die den Effekt des Röhrenfeldes aufhob.
Das lichtschnelle Projektil jagte in den bereits arg strapazierten Schutzschirm hinein, überlastete diesen augenblicklich und brachte ihn zum Kollabieren.
Die Wächter nutzten die Chance und beharkten die nun schutzlose Pyramide mit einigen gezielten Nadelstrahlen, die strategisch wichtige Bereiche trafen und zerstörten.
Binnen weniger Sekunden verloren die Utaren ihre Feuerkraft
Gleich darauf verhinderte ein direkter Treffer in die Defensivsektion, daß sie das Schutzfeld ihres Raumers wieder aufbauen konnten.
»Die Utaren ergreifen die Flucht«, informierte Grappa. »Sie ziehen sich Richtung Mond zurück.«
»Sollen wir die Verfolgung aufnehmen?« wollte Simon wissen.
Der silberne Wächter schob alleine Dienst in der Zentrale der ARKANDIA.
Doris und Arlo hielten sich getrennt in einem anderen Schiffsbereich auf.
Diese Vorgehensweise hatten sich die Wächter angewöhnt, nachdem ihr Anführer Svante im Miniuniversum ums Leben gekommen war.
»Uns bleibt keine Zeit für derartige Spielchen«, erwiderte Dhark. »Bringen wir uns lieber selbst in Sicherheit. Das Stationsgeschütz ist in wenigen Sekunden wieder einsatzbereit. Wir müssen zusehen, daß wir aus seiner Reichweite kommen.«
»Verstehe. Tauchen wir also hinter dem Planetenhorizont ab, damit der Energiestrahl uns nicht mehr erreichen kann, wie du es ursprünglich vorhattest.«
»Wir fliegen in einem Winkel von neunzig Grad in unterschiedliche Richtungen davon«, entschied der Commander und leitete per Gedankensteuerung das entsprechende Manöver ein.
Unterdessen sorgte der Checkmaster dafür, daß die ARKANDIA den richtigen Kurs einschlug.
Dhark hielt es weiterhin für erforderlich, daß das Bordgehirn der POINT OF die Steuerung des Carboritraumers übernahm, denn er traute Simon und den anderen Wächtern nicht mehr so recht über den Weg.
Seit Svantes Tod waren sie wie ausgewechselt. Das Ableben ihres einstigen Anführers lähmte offenbar die mächtigen Worgunkonstrukte.
»Die Utaren in der Forschungsstation haben das Geschütz abgefeuert!«
Grappas Warnruf brachte den Commander wieder in die Jetztzeit zurück.
Das kurze Abschweifen seiner Gedanken hatte eine unverzeihliche Verzögerung in der Steuerung hervorgerufen.
Doch Dharks Flatterhaftigkeit blieb ohne Folgen, denn der Hyperkalkulator riß das Kommando an sich, als er bemerkte, daß der Commander abgelenkt und nicht recht bei der Sache war.
Diesmal feuerten die Utaren jedoch auf die ARKANDIA.
Die beiden in ihr Intervallum gehüllten Ringschiffe waren auf dem Weg zum Planetenhorizont bereits wieder in die Atmosphäre eingetaucht und jagten den Küstengebieten der riesigen Kontinentalplatte entgegen, in deren Zentrum sich die blauen Zwerge eingenistet hatten.
Der Checkmaster riß die ARKANDIA abrupt herum. Der turmdicke Hyperenergiestrahl sengte nur knapp an der unteren Kugelsphäre der beiden übereinanderstehenden Intervallfelder vorbei, in deren Überschneidungsbereich sich der Carboritraumer befand. Das silbrige Feld flackerte daraufhin bedenklich.
Diesmal verließen sich die Utaren nicht nur auf ihr Energiegeschütz. Zusätzlich zu dem enormen Kampfstrahl setzten sie die Impulswaffen ihrer unterirdischen Station ein.
Die dem Strahl in breiter Front hinterhergeschickten Impulse prasselten auf das geschwächte Intervallum des Wächterschiffs ein.
Einige der Strahlen durchdrangen das geschwächte Feld, doch sie konnten das Ringschiff nicht erreichen, da es durch das zweite Intervallum noch hinreichend geschützt wurde.
Die Utaren feuerten nun mit allem, was ihnen zur Verfügung stand, während die beiden Ringschiffe dem Horizont entgegenjagten. Ein regelrechtes Strahlengewitter flirrte um die Raumer herum, die mit einem Zickzackkurs dem Sperrfeuer zu entgehen versuchten.
Dort, wo die Kampfstrahlen auf die Schutzfelder prallten, geisterten silbrige Entladungen über die Kugelsphären hinweg. Doch die Belastung hielt sich in Grenzen, so daß sich auch das kollabierte Intervallfeld der ARKANDIA schließlich wieder aufbauen konnte.
Wenig später gelang es den parallel zur Planetenoberfläche dahinrasenden Schiffen endlich, hinter dem Horizont abzutauchen. Als die POINT OF hinter der Planetenkrümmung verschwand, jagte ein letzter mächtiger Energieimpuls über den Ringraumer hinweg. Doch der verheerende Strahl war zu weit entfernt, um das Intervallum zu schädigen, und so verpuffte der Strahl wirkungslos in den Weiten des Weltalls.
»Geschafft!« frohlockte Simon. »Wir sind diesen verbrecherischen Utaren entkommen. Jetzt können wir uns endlich wieder unserer Mission widmen.«
Der Ausruf des Wächters stieß dem Commander sauer auf. Weder Simon noch Doris oder Arlo hatten etwas dazu beigetragen, der Krise zu begegnen, in die die beiden Schiffe nach dem letzten Rücksturz in den Normalraum hineingeraten waren. Wenn die Wächter dachten, die Sache wäre jetzt ausgestanden, kannten sie den Commander schlecht. Dhark war nämlich nicht gewillt, Blitz mit all seinen potentiellen Bedrohungen unverrichteter Dinge den Rücken zu kehren.
Per Gedankensteuerung leitete er den Checkmaster an, die Ringraumer auf der der Utarenstation gegenüberliegenden Seite des Planeten zusammenzuführen. Dann trennte er die gedankliche Verbindung und bedeutete Glenn Morris, die Phase zu schließen, die er für die Wächter offenhielt.
»So geht es nicht weiter«, sagte der weißblonde Raumfahrer genervt. »Ich werde das passive Verhalten der Wächter nicht länger hinnehmen.«
»Was gedenkst du dagegen zu unternehmen, Ren?« erkundigte sich Amy Stewart.
Der erste weibliche Cyborg war erst vor wenigen Minuten in der Zentrale erschienen. Amy hatte sich mit den anderen an Bord befindlichen Cyborgs getroffen, um eine gegenseitige kritische Analyse ihrer technischen Implantate durchzuführen.
Die Energiespeicher und die technischen Aggregate der Cyborgs waren, wie die der beiden Ringraumer auch, arg in Mitleidenschaft gezogen worden, als die beiden Schiffe in der Nähe der Welt Blitz nach einer Transition in den Normalraum zurückstürzten und von dem hyperenergetischen Blitz getroffen wurden.
Die schlanke, muskulöse junge Frau wirkte aufgeräumt und fröhlich. Ihre Stimme in Altlage klang vital. In ihren blauen Augen schimmerte es lebhaft auf, als sie Dhark, ihren Lebensgefährten, musterte.
Der Commander zuckte vage mit den Schultern. »Jemand sollte ein ernstes Wort mit den Wächtern reden und ihnen auf den Zahn fühlen. Ich finde das Verhalten unserer Freunde langsam besorgniserregend.«
»Ich könnte mit ihnen sprechen«, schlug Amy vor und stemmte keck eine Hand in die Hüfte. »Ich bin gerade gut in Fahrt. Das Treffen mit den Cyborgs verlief ziemlich turbulent. Unsere Systeme arbeiten alle wieder einwandfrei. Trotzdem sind wir geteilter Meinung, was unsere Einsatzfähigkeit betrifft. Lati Oshuta meint, wir sollten vorsichtig sein und uns noch zurückhalten, wenn es darum geht, uns zu Einsätzen zu melden. Ich hingegen finde, daß die Konstitution der Cyborgs hervorragend ist und wir uns wieder voll in das Geschehen einbringen können.«
»Ich werde mich der Wächter annehmen«, schaltete sich Doorn völlig unerwartet ein.
Der Worgunmutant lag mit Doris, seiner Frau, im Zwist. In der Zentrale herrschte daher stets dicke Luft, wenn Doris sich während Doorns Anwesenheit über Funk zu Wort meldete.
»Es ist längst überfällig, daß es zwischen mir und Doris zu einer Aussprache kommt«, sah er sich genötigt zu erklären, als er sowohl von Amy als auch von Dhark einen zweifelnden Blick auffing.
»Sind Sie sicher, daß jetzt der richtige Zeitpunkt für dieses Unterfangen ist?« fragte der weißblonde Raumfahrer skeptisch.
Doorn nickte grimmig. »Ich denke, ich kann schneller als Amy zum Kern des Problems der Wächter vorstoßen, wenn ich mit Doris spreche.«
Der weibliche Cyborg verzog mißmutig den Mund. Es war Amy deutlich anzumerken, daß sie diese Aufgabe gerne übernommen hätte, denn es lag schon einige Zeit zurück, daß sie ihre Fähigkeiten zuletzt einsetzen konnte. Es juckte sie in den Fingern, endlich wieder aktiv zu werden, besonders, weil Ren seit dem Vorfall mit dem hyperenergetischen Blitz noch immer zögerte, ihr irgendeine wie auch immer geartete Arbeit zuzutrauen, aus Furcht, eines ihrer Implantate könnte genau dann versagen, wenn es am ungünstigsten war.
»Von mir aus – reden Sie mit den Wächtern, Arc«, zeigte Stewart sich dann aber doch einsichtig. »Am besten Sie wechseln per Transmitter hinüber zur ARKANDIA. Es wird mehr bringen, wenn sie Doris während der Unterredung persönlich gegenüberstehen, als diese Angelegenheit über Funk zu regeln.«
»Das hatte ich sowieso vor«, gab Doorn frostig zurück.
Dhark atmete tief durch. Er war erleichtert, das Gespräch mit den Wächtern nicht selbst führen zu müssen. Zuviel Unmut hatte sich wegen ihrer Passivität in ihm aufgestaut, so daß er befürchtete, in diesem Fall keinen geeigneten Gesprächspartner abzugeben.
Der Commander bedeutete Morris, die Phase für den Funkverkehr mit der ARKANDIA wieder zu öffnen.
Als der Kopf des silbernen Wächters kurz darauf auf dem Bildschirm erschien, war dem konturlosen Gesicht der Maschine nicht anzusehen, was Simon von der kurzen Funkunterbrechung hielt. Stumm und reglos starrte er in die Kamera, die sein Bild in die POINT OF übertrug.
Während sich Doorn auf den Weg zur Galerie machte, die die Zentrale auf halber Höhe umgab und die Ringtransmitter beherbergte, begann Dhark mit der Lagebesprechung.
Die beiden Schiffe waren noch dabei, sich dem vorgegebenen Treffpunkt zu nähern.
Diesen würden sie jedoch in wenigen Augenblicken erreicht haben.
»Es kommt überhaupt nicht in Frage, daß wir dieses System jetzt sich selbst überlassen«, stellte der Commander klar. »Die Utaren auf Blitz stellen eine zu große Bedrohung dar. Es wäre unverantwortlich, darauf zu vertrauen, daß sich andere darum kümmern, ihnen das Handwerk zu legen.«
»Ist es nicht Aufgabe der Utaren auf Esmaladan, sich um ihre verbrecherischen Artgenossen zu kümmern?« warf Simon ein.
Dhark schüttelte entschieden den Kopf. »Bis wir der Weisheit auf Esmaladan die hier herrschende Situation geschildert und sie davon überzeugt haben, daß ihr Einschreiten erforderlich ist, könnten sich Lek und seine blauen Spießgesellen längst von Blitz abgesetzt haben. Hinzu kommt, daß die Pyradmidenraumer der Esmaladan-Flotte sich erst einmal auf den Weg hierher machen müssen. Das alles erscheint mir viel zu zeitraubend.«
»Außerdem ist nicht gesagt, ob die Weisheit überhaupt gewillt ist, sich dieser Sache anzunehmen«, gab Amy zu bedenken.
»Ich bin ebenfalls der Ansicht, daß wir uns um diese Angelegenheit selbst kümmern müssen«, bekräftigte Falluta. »Diese Utaren sind extrem durchgeknallt – und sie besitzen keinerlei Skrupel, weder, was wissenschaftliche Forschung anbelangt, noch, wenn es um den Einsatz der Waffen geht, die sie entwickelt haben.«
»Und die haben es nun wirklich in sich.« Shanton wuselte nervös durch seinen Bart. »Was Lek und seine Leute hier geleistet haben, ist beachtlich. Einmal von der Gefahr abgesehen, die sie heraufbeschworen haben, als sie den Hyperraum anzapften, um Energie daraus zu gewinnen, muß diesen blauhäutigen Ingenieuren neidlos zugestanden werden, daß ihre technischen Entwicklungen mehr als nur erstaunlich sind.«
»Bewunderst du diese Verbrecher etwa auch noch, die mich fast umgebracht hätten?« schimpfte Jimmy. Der von Shanton konstruierte Roboterhund in Form eines Scotchterriers flitzte aufgebracht um den Sessel herum, in dem sein wohlbeleibter Konstrukteur saß. »Mit mir wäre einer der erstaunlichsten fühlenden Roboter zugrunde gegangen. Und du hast nichts Besseres zu tun, als diese Halunken auch noch anzuhimmeln. Mit ihrem verteufelten Experiment hätten sie uns alle fast ins Nirwana geschickt!«
»Ich himmele diese Utaren nicht an!« rechtfertigte sich Shanton. »Ich stelle lediglich fest, daß sie auf technischem Gebiet beachtliches geleistet haben. Das heißt aber nicht, daß ich diese blauen Zwerge für ungefährlich halte. Im Gegenteil müssen wir Lek und seine Mitstreiter unbedingt dingfest machen. Ihre Erfindungen müssen zerstört und die Baupläne sowie Unterlagen vernichtet werden.«
»Pah!«
Jimmy hob entrüstet den Kopf und dackelte dann zu Artus hinüber. Dort ließ sich der mit pechschwarzem Fell versehene Roboterhund auf sein Hinterteil nieder und starrte demonstrativ zur Bildkugel empor, in der noch immer die Oberfläche des Planeten Blitz zu sehen war.
Da sich die POINT OF jedoch auf der Nachtseite dieser Sauerstoffwelt aufhielt, war von ihrer Topographie außer undeutlichen Konturen nicht viel zu erkennen.
»Ich muß Shanton recht geben«, sagte Artus. Er beugte sich zu Jimmy hinab und tätschelte dessen Schädel, wobei ein metallisches Geräusch entstand. »Die Erfindung dieser Utaren muß vernichtet und die dazugehörigen Daten müssen gelöscht werden. Was sich in diesem Raumsektor zugetragen hat, darf sich woanders nicht wiederholen.«
»Wir können dieses Problem nicht auf die Schnelle lösen«, schaltete sich Simon wieder in die Diskussion ein. »Die unterirdische Forschungseinrichtung mit unseren Schiffen anzugreifen und zu zerstören, wäre viel zu riskant. Erstens hätten wir dann Lek und seine Leute auf dem Gewissen, zweitens können wir nicht voraussehen, was wir alles heraufbeschwören, wenn wir die Station unter Beschuß nehmen. Wenn einer der Energiespeicher kollabiert und die darin enthaltene Energie frei wir, könnte es am Ende den ganzen Planeten zerreißen.«
Falluta rieb sich nachdenklich den Nacken. »Es sind sicherlich diffizilere Methoden nötig, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Doch die würden vermutlich zuviel Zeit in Anspruch nehmen.«
»Die Utaren werden uns wohl auch kaum gewähren lassen«, gab Amy zu bedenken. »Im Gegenteil: Wir müssen jeden Moment mit einem neuerlichen Angriff rechnen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die beiden Pyramidenraumer wie aus dem Nichts auf uns herabstießen. Wer weiß, wieviele Schiffe Lek noch gegen uns aufbringen kann? Was immer wir also zu tun gedenken, wir müssen schnell handeln.«
»Am vernünftigsten wäre es, wenn wir wieder unsere Mission in Angriff nähmen«, warf Simon leicht verärgert ein. »Diese verantwortungslosen Utaren werden unser geringstes Problem sein, wenn sich das Miniuniversum erst einmal soweit ausgedehnt hat, daß das Milchstraßenzentrum davon beeinträchtigt wird und die Katastrophe ihren Lauf nimmt.«
Artus machte sich wieder bemerkbar. »Ich könnte die Angelegenheit auf Blitz für uns regeln.«
Dhark sah die Künstliche Intelligenz verwundert an. »Und wie gedenkst du das zu tun?«
Artus schob das Stirnband mit dem aufgestickten »A« auf seinem Metallschädel zurecht. Dann erläuterte er dem Commander sein Vorhaben mit knappen, präzisen Worten.
*
Als Doorn in den Ringtransmitter trat, schaute er kurz nach oben.
Die sphärische Nische war mit halbtransparenten Kacheln ausgekleidet, hinter denen sich verschwommen ein Geflecht dunkler Drähte abzeichnete. Sie wölbte sich kuppelförmig nach oben. Dort hing eine metallisch glänzende Kugel in der Luft. Goldfarbene Sensoren ragten daraus hervor.
Von dem Übergang zum zuvor einprogrammierten Ziel bekam der Worgunmutant nichts mit.
Er verließ die Halbröhre kurz darauf wieder und trat durch den ovalen Ring, der sie einfaßte. Anschließend warf er von der Galerie aus einen launischen Blick hinab in die Zentrale der ARKANDIA.
Simon saß auf dem Kommandantensessel und jammerte, weil Dhark sich zuerst des Problems annehmen wollte, das Lek und seine Spießgesellen darstellten, anstatt ihre Mission in Angriff zu nehmen.
Doorn verspürte keine Lust auf eine Unterhaltung mit dem dienstältesten Wächter. Er verließ die Zentrale durch einen Seiteneingang und blieb einen Moment lang lauschend stehen.
Der Korridor mit den von ihm abzweigenden Türen und Schotts, der sich vor ihm erstreckte, unterschied sich baulich kaum von einem Gang auf der POINT OF. Allerdings gab es zwei Unterscheidungsmerkmale, die keinen Zweifel darüber aufkommen ließen, daß der Worgunmutant mit den roten Haaren tatsächlich von der POINT OF in die die ARKANDIA übergewechselt war. Während die Wände in dem von Dhark befehligten Ringraumer überwiegend unitallblau waren, bestanden die im Schiff der Wächter aus schwarzem Carborit.
Am prägnantesten aber war die hier vorherrschende Stille.
In der POINT OF waren die Gänge und Korridore belebt. Zahlreiche Menschen querten die Flure – ununterbrochen. Türen glitten auf und zu, um Besatzungsmitglieder passieren zu lassen, Schritte hallten, und aus allen Richtungen drangen Stimmen auf einen ein.
Die ARKANDIA hingegen machte einen verwaisten, fast gespenstischen Eindruck. Steril und verlassen erstreckten sich die Flure bis zu den Gangbiegungen, die Türen blieben geschlossen.
Geisterschiff, schoß es Doorn durch den Kopf, während er dastand und lauschte.
Schließlich wandte er sich der Bordsprechanlage zu und aktivierte sie. »Hallo, hier spricht Arc. Doris, melde dich. Ich muß mit dir reden. Diese Angelegenheit duldet keinen Aufschub!«
Verärgert stellte er fest, daß seine Stimme zum Schluß sehr mürrisch und ungehalten geklungen hatte.
»Du findest mich in der Medostation«, drang Doris’ Stimme plötzlich aus dem Schallfeld.
»Na also – geht doch!« Doorn schnaufte und marschierte los.
Verloren hallten seine Schritte in dem verlassenen Korridor wider.
Im harschen Tempo legte er die Strecke bis zur medizinischen Abteilung zurück. Als die Tür vor ihm aufglitt, stolzierte er hindurch und sah sich in dem Vorraum suchend um.
Aus Richtung des Labors drang ein Ruf: »Hier bin ich, Arc!«
Doorn trat vor eine offene Tür und verharrte dort.
Doris stand an einem Tisch, auf dem ein Knochen lag. Er sah menschlich aus, wie Doorn beiläufig feststellte. Mehrere Spürer und Objektive waren auf die sterblichen Überreste gerichtet.
»Was willst du?« fragte die Wächterin, ohne ihren Blick von den Anzeigen der Geräte abzuwenden.
Doorn betrachtete seine Frau eine Weile.