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Liv Sanders und Ömer Giray entdecken eine erste heiße Spur, die sie vielleicht zu dem verbrecherischen Utaren Lek führen könnte. Doch am Ende dieser Fährte erwartet sie zunächst eine Welt des Grauens. Etwa zur gleichen Zeit setzen Ren Dhark und seine Freunde alles daran, den verschwundenen Wächter Simon aufzuspüren. Die Suche entwickelt sich rasch zu einer regelrechten Jagd, denn Simon hat es mit einem geradezu unheimlichen Gegner zu tun, dem Feind der Wächter... Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz verfassten einen SF-Roman voller Geheimnisse nach dem Exposé von Ben B. Black.
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Seitenzahl: 359
Veröffentlichungsjahr: 2019
Ren Dhark
Weg ins Weltall
Band 56
Feind der Wächter
von
Jan Gardemann
(Kapitel 1 bis 8)
Nina Morawietz
(Kapitel 9 bis 14)
Achim Mehnert
(Kapitel 15 bis 20)
und
Ben B. Black
(Exposé)
Inhalt
Titelseite
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
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Der zweite Krieg der Welten
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Impressum
Prolog
Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.
Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.
Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.
Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgabe es ist, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten. Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Mitstreitern gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb.
Nach seiner Rückkehr in die Milchstraße kann Ren Dhark dem Angebot des Industriellen Terence Wallis nicht länger ausweichen und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen sollen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Herausforderung stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.
Als man diese Herausforderung endlich überwunden glaubt, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich etwas etabliert, das die gesamte Schöpfung in Gefahr bringen könnte. Dort hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.
Auf der Suche nach einer Lösung für dieses Problem folgen Ren Dhark und die Wächter einem Notruf, der sie zu einer uralten Station des Wächterordens führt. Allerdings treibt der Stationsrechner ein falsches Spiel, das im Verschwinden des Wächters Simon seinen Höhepunkt findet. Etwa zur gleichen Zeit gelingt es Liv Sanders und Ömer Giray endlich, eine vielversprechende Spur zu finden, die sie vielleicht dem verbrecherischen Utaren Lek näher bringt …
1.
Liz Sanders betrachtete kritisch ihre Hände. Sie waren rabenschwarz wie der Rest ihres Körpers auch. Für die hochgewachsene junge Frau stellte der Anblick ihrer extrem dunkel pigmentierten Haut noch immer ein Kuriosum dar, obwohl sie diese »Tel-Verkleidung« nun schon etliche Wochen innehatte. Die Änderung der Hautfarbe war erforderlich gewesen, damit sie auf der Freihandelswelt Danlechraa nicht als Menschenfrau erkannt werden konnte.
»Machst du dir Sorgen um dein Aussehen?«, fragte Ömer Giray seine attraktive Partnerin mit spöttischem Unterton in der Stimme.
Um sich das Aussehen eines Tel zu verleihen, die äußerlich im Prinzip schwarzhäutigen Nordeuropäern glichen, hatte der mittelgroße, sportlich-kräftige GSO-Agent mit dem langen schwarzen Haar, das er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug, seine Haut ebenfalls schwarz gefärbt. Er lächelte, während er die Sonderermittlerin für Kapitalverbrechen bei der Polizei von Babylon über den Tisch hinweg amüsiert musterte.
Liz’ brünettes, halblanges Haar und ihre braunen mandelförmigen Augen passten gut zu ihrer neuen Hautfarbe, fand Giray. Die vollen Lippen, ihre schlanke Figur und die sich unter der Bluse abzeichnenden üppigen Brüste rundeten das Bild einer attraktiven, begehrenswerten Tel-Frau vollendet ab.
»Ich überprüfe lediglich, ob die Pigmente meine Finger noch komplett abdecken«, gab Liz mit gedämpfter Stimme zurück, damit keiner der in dem Restaurant Anwesenden sie hören konnte. »Ich habe mir eben versehentlich Saft über die linke Hand gegossen, als ich mir beim Frühstücksbuffet etwas davon einschenkte.«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Die Pigmente verblassen nur, wenn du das Mittel absetzt, das deine Melanozyten indoktriniert, oder du die Arznei einnimmst, die die Beeinflussung deiner Pigmentzellen rückgängig macht.« Giray widmete sich wieder seinem Frühstück, das aus vielen deftigen Zutaten bestand, wie die Tel sie bevorzugten.
Das schwarzhäutige Sternenvolk verfügte sowohl über zwei Herzen als auch über zwei Blutkreisläufe sowie ein doppeltes Nervensystem. Dieses biologische Sicherungssystem verlieh den Tel eine außerordentliche Robustheit, forderte von ihnen jedoch auch eine reichhaltige Nahrungsaufnahme. Um den Schein, ein Angehöriger dieses Volkes zu sein, in der Öffentlichkeit zu wahren, mussten die beiden Terraner sich nun eine entsprechende Mahlzeit einverleiben.
Liz blickte sich verstohlen im Restaurant um, das sich in der Nähe der kleinen Wohnung befand, die sie und Giray angemietet hatten, und inmitten des Arbeiterviertels lag. Blauhäutige, zwergwüchsige Utaren zählten ebenso zu den Gästen wie einige zwei Meter große Nomaden, die durch ihr kanoides Aussehen auffielen.
Die Anwesenden schenkten dem vermeintlichen Tel-Paar jedoch keine Beachtung.
Dies war ganz anders gewesen, als die beiden Ermittler noch zweifelsfrei als Menschen zu identifizieren gewesen waren. Die Vereinigung der Alten Völker, meist kurz VdAV genannt, machte auf der Handelswelt Danlechraa überall Stimmung gegen die Terraner. Ihren Ansichten nach zählten die Utaren, die Rateken und die amphibienartigen Fanjuur zu den »alten« Rassen der Milchstraße, da sie sich ohne die Beeinflussung durch die Worgun entwickelt hatten und daher etwas Besonderes darstellten. Die Tel und einige andere Sternenvölker rechnete diese sektiererische Vereinigung ebenfalls zu den alten Völkern hinzu. Die Terraner aber, bei denen es sich bekanntlich um eine »Züchtung« der Mysterious handelte, wurden von ihnen mehr als nur gering geachtet.
Daraus resultierte eine allgemeine Stimmung des Misstrauens und der Feindseligkeit den Menschen gegenüber. Dies bekamen die beiden Ermittler während der Zeit, die sie sich unmaskiert auf der Freihandelswelt bewegt hatten, mehr als deutlich zu spüren. Obwohl nicht alle auf dem Planeten weilenden und Handel treibenden Vertreter der unterschiedlichen Sternenvölker die Ansichten der VdAV teilten, behinderte die üble Nachrede die Arbeit der beiden Terraner dennoch erheblich. Seit Wochen versuchten sie vergebens, eine Spur des verbrecherischen Utaren Lek und seiner Hintermänner zu finden. Doch erst jetzt, da sie das Aussehen von Tel angenommen hatten, kamen sie mit ihren Nachforschungen endlich voran, wenn auch in einem bisher sehr überschaubaren Rahmen.
Giray und Sanders hatten ihre Wohnung unter den Tarnnamen Gal Küray und Leij Zendra angemietet und gaben sich als Paar aus, das sich auf Danlechraa eine Existenz aufbauen wollte. Giray hatte seinen Tel-Namen bereits schon einmal verwendet, als er im Juni 2059 bei einem Einsatz auf Cromar, der Heimatwelt der Tel, als GSO-Agent agierte.
Liz, die nur über wenig Erfahrung im Umgang mit Fremdvölkern verfügte, wusste über die Tel nur so viel, wie sie in den ihr zur Verfügung stehenden Datenspeichern erfahren konnte, was jedoch nicht eben wenig war. Die Sprache der Tel beherrschte sie – im Gegensatz zu Giray – nicht. Da Frauen bei den Tel aber sowieso nur wenig Eigeninitiative zugebilligt wurde und die männlichen Vertreter dieses Volkes sie zu ignorieren pflegten, wenn sie die Frechheit besaßen, sich während eines »Männergespräches« zu Wort zu melden, fiel dieses Manko nicht weiter ins Gewicht.
Vor etlichen Tagen hatte das Paar dann bei einer von der VdAV geführten Handelsgesellschaft als Lagerarbeiter angeheuert, und zwar genau in jener Halle, in der ihnen, als sie in der Handelsmetropole noch als Menschen unterwegs gewesen waren, von den Sektierern eine Falle gestellt worden war, die ihnen fast zum Verhängnis wurde.
Nachdem sie mehrere Wochen emsig gearbeitet hatten und dabei nichts Weltbewegendes geschehen war, hatten sie vom Chef der Lagerhalle, einem Fanjuur namens Kolkap, gestern den Auftrag erhalten, nachts an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen, um eine Extraschicht einzulegen. Offenbar vertraute der Amphibienartige ihnen nun endlich.
In der Nacht flog dann ein schwarzer Gleiter durch die geöffnete Hallendecke herein und landete auf der Fläche, die Giray und Sanders zuvor frei räumen mussten. Anschließend entluden sie die Fracht des Gleiters und füllten den leergeräumten Frachtraum dann mit neuem Stückgut.
Und nun saßen die beiden Ermittler hier und versuchten, sich einen Reim auf das in der Lagerhalle Gesehene zu machen.
»Ist dir das Essen der Tel zu rustikal?«, erkundigte sich Giray, weil seine Partnerin mit der Gabel nur lustlos in dem Rührei herumstocherte.
Von welchem Vogel die Eier stammten, und was das für Pökelfleischbrocken waren, mit denen die Speise angereichert wurden, darüber wollte der GSO-Agent lieber nicht nachdenken, sonst hätte auch er am Ende womöglich noch den Appetit verloren.
»Ich kann den Anblick dieser Kreatur einfach nicht vergessen, die sich in einem der Behälter befand, die wir gestern Nacht aus dem schwarzen Gleiter herausholten«, erwiderte Sanders. Sie schüttelte sich. »Dieses Monstrum schien nur aus extrem ausgeprägten Muskelsträngen zu bestehen. Offenbar wurde dieser bedauernswerten Kreatur die Haut abgezogen. Doch sie lebte! Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie aus dem Behälter hervorgekommen wäre, um sich auf uns zu stürzen. Außerdem glaube ich, sie war dreiarmig.«
Giray nickte kauend. »Vermutlich ist diese Kreatur das Resultat eines Genexperiments. Dieser mysteriöse Gleiter ist der einzige Anhaltspunkt auf verbrecherische Aktivitäten, den wir bisher haben. Wir müssen dieser Sache nachgehen!«
»Glaubst du, es besteht ein Zusammenhang zwischen der VdAV und Lek?« Sanders flüsterte andauernd, damit niemand bemerkte, dass sie sich mit ihrem »Geliebten« auf Angloter, anstatt auf Telin, der Sprache der Tel, unterhielt.
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen«, erwiderte Giray. Um den Anschein eines Liebespaares zu wahren, streckte er den Arm über den Tisch und schob seiner Partnerin mit einem zärtlich-spöttischen Lächeln eine Gabel voller Rührei in den Mund. »Aber wir werden es herausfinden.«
Sanders kaute angestrengt. »Dein Optimismus ist erfrischend, Gal«, sagte sie, den Decknamen ihres Partners benutzend, mit vollem Mund. »Während unseres kurzen Zusammenseins haben wir schon einiges durchgemacht. Und trotzdem hast du den Glauben an uns und unsere Sache nicht verloren.«
Giray grinste entwaffnend. »Ich bin eben ein verlässlicher Partner und suche nicht bei der ersten sich abzeichnenden Schwierigkeit das Weite.«
Sanders schluckte den eiweißhaltigen Brocken hinunter und lächelte andeutungsweise.
Giray war ihr im Grunde nicht unsympathisch, doch ein Mann, in den sie sich verlieben konnte, musste anders beschaffen sein. Dem GSO-Agenten fehlte ihrer Meinung nach das gewisse Etwas, doch sie war sich sicher, dass viele Frauen dies anders sahen.
»Wie sollen wir Nachforschungen über diesen Gleiter anstellen, ohne dabei Verdacht zu erregen?«, fragte sie. »Kolkap wird misstrauisch werden, wenn wir nach dieser Nacht plötzlich anfangen, Fragen zu stellen oder in zwei Tagen nicht wie gewohnt an unserem Arbeitsplatz erscheinen, weil wir mit Nachforschungen beschäftigt sind. Er wird Leute auf uns ansetzen, um herauszufinden, was wir treiben.«
»Aus diesem Grund werden wir auch weiterhin in der Lagerhalle arbeiten und das Tel-Paar mimen, das bereit ist, für gute Bezahlung Jobs zu erledigen, bei denen keine Fragen gestellt werden dürfen«, erwiderte Giray. »Auch unsere Freizeit werden wir, wie man es von Lagerarbeitern erwartet, in einem Spielkasino oder einem anderen der halbseidenen Etablissements dieser Stadt verbringen. Doch anstatt uns zu zerstreuen, versuchen wir, Informationen über diesen Gleiter einzuziehen. Wir müssen herausfinden, woher er kam und wohin er flog. Ich bin mir sicher, am Zielort dieses Gleiters heckt die VdAV irgendeine Teufelei aus.«
»Und wie willst du das anstellen, ohne Verdacht erregende Fragen zu stellen?«
»Indem wir jemand anderen diese Arbeit für uns erledigen lassen«, verkündete der GSO-Agent und lehnte sich auf seinem Stuhl selbstgefällig zurück. »Es gibt in Rutekan genug Leute, die bereit sind, für eine angemessene Bezahlung Informationen rauszurücken, die sie eigentlich nicht weitergeben dürften.«
Langsam dämmerte Sanders, worauf ihr Partner hinaus wollte. »Dir schwebt vor, einen Mitarbeiter der Luftüberwachung für unsere Zwecke einzuspannen.«
Giray nickte gewichtig. »Der Gleiter wird auf seinem Flug gewiss irgendwelche Spuren hinterlassen haben. Es erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich, dass dessen Einsatz völlig unbemerkt geblieben ist. Danlechraa wird gut geschützt, wie wir wissen. In den Umlaufbahnen patrouillieren Raumschiffe der Utaren und der Rateken. Die Freihandelsmetropole und ihr Luftraum werden von allen möglichen Spürern flächendeckend überwacht. Sicher gibt es Aufzeichnungen über die Bewegungen des Gleiters, mag er auch noch so gut getarnt gewesen sein. An diese Daten müssen wir herankommen.«
»Wir sollten also herausfinden, in welchen Lokalen die Mitarbeiter der Flugsicherung üblicherweise verkehren, und dort Kontakt zu einem dieser Burschen herstellen.«
Giray nickte erneut. »Mok Moklis wird uns dabei helfen. Unser Utaren-Freund hat uns schon mehrmals gute Dienste geleistet. Hätten wir diesem Blauzwerg nicht das Leben gerettet, würden wir sicherlich noch immer auf der Stelle treten.«
»Oder halb totgeschlagen irgendwo vor uns hin siechen«, ergänzte Sanders in Erinnerung an ihren letzten Einsatz, den sie noch als Menschen erkennbar in dieser Stadt absolviert hatten, und der damit endete, dass Mok Moklis die beiden im letzten Moment herauspaukte, als Liz schon mehr tot als lebendig war.
*
Drei Tage benötigte Mok Moklis, um einen Mitarbeiter der Raumüberwachung ausfindig zu machen, der sich bereiterklärte, für eine entsprechende »Entschädigung« Daten, die an seiner Arbeitsstelle erhoben wurden, an Interessierte weiterzugeben.
Es handelte sich ebenfalls um einen Utaren.
»Ein schmieriger Typ«, erklärte Moklis den beiden Agenten während eines Treffens in seinem Kontor. Der Blaue verzog angewidert das Gesicht. »Er ist ein glühender Anhänger der Vereinigung der Alten Völker. Seid also auf einiges gefasst!«
»Wo können wir den Mann treffen?«, wollte Giray von Moklis wissen.
»Er wird sich morgen Abend auf dem Kiez herumtreiben. Dort könnt ihr ihn abpassen. Sein Name lautet Haw Hawtin. Er ist leicht zu erkennen.«
Moklis nannte die genaue Adresse und beschrieb seinen Freunden dann das Aussehen des »Schmierzwergs«, wie er seinen Artgenossen abfällig nannte.
Giray und Sanders bedankten sich bei Moklis für seine Unterstützung und luden ihn anschließend zum Essen ein. Ein anstrengender und nicht weniger langweiliger Arbeitstag lag hinter ihnen, und sie sehnten sich nach etwas Entspannung. Einer der Lastenroboter war ausgefallen, und so hatten die Lagerarbeiter einen Teil der auszuliefernden Waren mit altmodischen Hubwagen bewegen müssen.
*
Sie trafen Haw Hawtin vor einem Utaren-Bordell im Kiezsektor der Stadt. Der Eingang des Etablissements maß nur knapp einen Meter in der Höhe, sodass sogar die Utaren, die nur selten größer als einen Meter wurden, den Kopf einziehen mussten, wenn sie hinein wollten.
Wie ein noch unentschlossener Freier lungerte Hawtin vor dem Gebäude herum. Die Schaukästen hinter ihm zeigten dreidimensionale Bilder von nur leicht bekleideten Utaren-Frauen, die sich in seltsamen Posen präsentierten, die wohl nur die blauen Zwerge als erotisch empfinden konnten.
Hawtin war leicht zu identifizieren, denn am Revers seiner dunkelblauen Jacke steckte ein kreisrunder Button, auf dem der schwarze Scherenschnitt eines Menschen zu sehen war, über den ein roter Querbalken verlief. Auch sonst entsprach der Utare genau Moklis’ Beschreibung. Seine blaue Haartolle saß akkurat und glänzte vor Pomade, und zu seinem dunkelblauen Anzug trug er knallgelbe Schuhe, die dem Blauhäutigen ein geckenhaftes Aussehen verliehen.
Hawtin schien schon länger zu warten, denn er wirkte unruhig. Als er die beiden vermeintlichen Tel auf sich zukommen sah, hellte sich seine Miene auf.
»Du bist Haw Hawtin?«, fragte Giray, als sie bei dem Utaren anlangten.
Der blaue Zwerg sah erwartungsvoll zu ihnen auf. »Wer will das wissen?«
Giray nannte ihm ihre Tarnnamen. »Wir sind an bestimmten Ortungsdaten interessiert. Sie betreffen einen Gleiter, der kürzlich über bestimmten Lagerhallen kreuzte.«
»Solche Daten sind vertraulich.« Hawtin sah sich um, als befürchtete er, sie könnten belauscht werden.
Auf dem Gehweg vor dem Gebäudeblock, in dem vornehmlich Bordelle untergebracht waren, drängten sich Passanten unterschiedlicher Herkunft. Die Aufmerksamkeit der überwiegend männlichen Fußgänger richtete sich allerdings auf die Fotos und Kurzfilme, die in den Schaukästen gezeigt wurden. Gespräche wurden, wenn überhaupt, nur zwischen den Freiern und den Prostituierten in ihren Nischen oder mit den Animateuren vor den Eingängen geführt.
Aus versteckten Lautsprechern dröhnte rhythmische, mit Stöhnen durchmischte Musik auf die Straße hinaus.
Niemand hier interessierte sich für den Utaren und die beiden Tel, die vor ihm standen.
Hawtins Umherspähen diente allein dem Zweck, sich wichtig zu machen.
Der GSO-Agent öffnete kurz seine Jacke, damit Hawtin einen Blick auf die Credit-Chips werfen konnte, die er in der Innentasche bei sich trug. »Wir sind rechtschaffene Personen«, erklärte er. »Vertrauliche Daten sind bei uns sicher aufgehoben. Niemand wird je erfahren, woher wir sie haben.«
Hawtin befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. »Ich verlange einen Vorschuss – als Vertrauensbeweis.«
Giray ließ seinen Blick kurz über die Schaukästen schweifen. Eine diskrete Zahleneinblendung verriet, was ein Techtelmechtel mit einer der abgebildeten Utaren-Damen kostete. Der GSO-Agent nannte die abgebildete Summe als möglichen Vorschuss, woraufhin sich die Miene des Utaren wieder merklich aufhellte.
»Ich benötige die exakten Flugzeiten des Gleiters und die Koordinaten, wo er gesichtet wurde«, erklärte der Blaue. »Ohne die werde ich für euch nichts ausrichten können.«
Giray verriet ihm die Daten. »Wir müssen wissen, woher dieser Gleiter kam und wohin er anschließend geflogen ist.«
»Warum interessiert ihr euch für dieses Fahrzeug?«, wollte Hawtin wissen. »Bitte versteht mich nicht falsch. Ich will nur einfach keinen Ärger bekommen.«
Giray deutete auf seine Begleiterin. »Meine Geliebte fürchtet, dass ihr Vater uns auf den Fersen ist«, improvisierte er. »Wir haben Cromar verlassen, weil wir das politische System dort verachten. Auf Danlechraa wollen wir uns eine neue Existenz aufbauen und eine Familie gründen. Leij hat aber Angst, ihr Vater könnte uns aufspüren. Wir wollen einfach sichergehen, dass dieser Gleiter nicht doch von Cromar kam und sich womöglich ihr Erzeuger an Bord befand.« Er beugte sich vor und zischte Hawtin ins Ohr: »Leij wird sich mir erst wieder hingeben, wenn sie sicher weiß, was es mit diesem Gleiter auf sich hat. Du verstehst also mein besonderes Interesse an der schnellen Erledigung dieser Sache?«
Hawtin grinste breit und bedachte Sanders dann mit einem verstohlenen Blick. »Ich werde mein Bestes geben«, versprach er und hielt Giray die Hand hin. »Ich lasse es Moklis wissen, wenn ich die Informationen habe.«
Der GSO-Agent langte in seine Innentasche und zog ein paar Chips hervor, die er dem Utaren in die dargebotene Hand drückte. »Wenn du die Information lieferst, erhältst du noch einmal das Doppelte.«
»Das Dreifache«, erwiderte Hawtin bestimmend. »Nicht jeder hat das Glück wie du und bekommt umsonst, wonach ihm gelüstet.« Er sah Sanders kurz an, als er dies sagte. »Mein Begehren ist nicht weniger ausgeprägt als deines. Allerdings muss ich für seine Befriedigung zahlen. Sei also nicht knauserig!«
»Also gut. Aber lass dir nicht einfallen, uns abzuservieren, verstanden?«
Empört deutete Hawtin auf den Anti-Menschen-Button auf seiner Brust. »Wir alten Völker müssen doch zusammenhalten!«, erklärte er mit Inbrunst. »Du kannst dich voll und ganz auf mich verlassen!« Er steckte die Credit-Chips in die Hosentasche, verabschiedete sich und hastete auf die Bordelltür zu.
»Dieser Schmierzwerg muss ja ganz schön unter Druck stehen«, merkte Sanders geringschätzig an, nachdem Hawtin in dem Gebäude verschwunden war. »Was hast du ihm vorhin eigentlich zugeflüstert?«
Giray winkte ab. »Männerkram«, sagte er ausweichend. »Ich habe mir nur seine Amüsiergier zunutze gemacht, um die Angelegenheit ein wenig zu beschleunigen.«
Sanders’ aus ihrem schwarzen Gesicht hervorleuchtenden Augen verdüsterten sich. »Erspare mir lieber die Einzelheiten. Ich hoffe nur, diese Investition lohnt sich auch. Der Rechnungsstelle der GSO wird es nicht gefallen, wenn sie erfährt, dass du das dir zur Verfügung gestellte Geld einem sexbesessenen Utaren in den Rachen geworfen hast, ohne eine Gegenleistung zu erhalten.«
»Warten wir es ab.« Giray nahm Sanders’ Hand und hakte sie bei sich unter. »Und nun lass uns von hier verschwinden, ehe ich noch von einer telinischen Amüsierdame angemacht werde.«
»Warum? Hast du etwa Angst, du könntest nicht Nein sagen?«
»Das nicht«, entgegnete Giray trocken. »In einem solchen Fall würde der telinische Anstand aber von dir erwarten, dass du der Dame an die Kehle gehst.«
*
Während seiner langjährigen Agentenlaufbahn hatte Giray schon viel gesehen und erlebt, doch das, was ihm einige Tage nach dem Zusammentreffen mit Haw Hawtin in einer Kellerbar geboten wurde, war selbst für ihn neu und verblüffend.
»Ich wusste gar nicht, dass die Geräuschteufelmusik der Utaren tatsächlich von echten Musikern hergestellt wird!«, rief er Sanders über den infernalischen Lärm hinweg zu, der ihnen aus Richtung der Bühne entgegenschlug. »Ich nahm an, es handelte sich um zusammengemischte Audioaufnahmen von Vulkanausbrüchen, Erdbeben, Tsunamis und Erdrutschen.«
»Musik nennen die blauen Zwerge diesen Krach?« Sanders hielt sich die Ohren zu, während sie sich an der Seite ihres Partners einen Weg durch die Zuhörermenge bahnte. Diese bestand überwiegend aus jungen Utaren. Die Sonderermittlerin kam sich vor, als würde sie durch eine Versammlung von Kindern waten, die einem neuen, den Erwachsenen völlig unverständlichen Trend frönten, der darin bestand, den Körper im Chaos des größtmöglichen Lärms zucken zu lassen und dabei gleichzeitig in die Luft zu springen.
Ungläubig starrte Liz über die Köpfe der sich wie verrückt gebärdenden Utaren hinweg zur Bühne hinüber.
Am vorderen Bühnenrand stand eine Utaren-Frau. Ihre Haut und die Augen schimmerten grün im aufblitzenden Scheinwerferlicht. Das ebenfalls grüne Haar war an den Kopfseiten zu kleinen, abstehenden Nestern geformt. Die Frau hielt ein Mikrofon in den Händen, in das sie aus voller Lunge und ohne erkennbaren ästhetischen Anspruch hineingrölte.
Vier Musiker begleiteten den »Gesang«, indem sie mit Klöppeln und Schlägeln auf skurril geformte Instrumente einschlugen, die Sanders entfernt an Schneckenhäuser erinnerten.
»Dort!«, schrie Giray ihr plötzlich zu und deutete auf einen hinter einem niedrigen Säulenhain gelegenen Randbereich des Saales. »Dort ist Haw Hawtin!«
Jetzt sah Sanders den Utaren auch. Er war unschwer an seiner fettig glänzenden Haartolle und dem Menschenfeind-Button an seiner Jacke zu erkennen.
Hawtin saß allein an einem Tisch, der gut in das Spielhaus eines Kleinkindes gepasst hätte, und winkte ihnen zu.
»Warum hat die Sängerin sich grün gefärbt?«, schrie sie dem blauen Zwerg eine Frage zu, als sie vor ihm standen. Der Translator, durch dessen Einsatz der Utare nicht merkte, dass er es nicht mit einer echten Tel-Frau zu tun hatte, kam dabei kaum gegen den allgegenwärtigen Krach der »Musik« an.
»Twi Twiggs ist ein Albino!«, rief Hawtin. »Sie ist von Natur aus grün. Sie leidet an einem unter Utaren äußerst selten vorkommenden Gendefekt. Aber sie hat eine klasse Stimme. Einzigartig!«
»So, findest du?« Sanders verzog das Gesicht, verkniff sich aber eine Bemerkung darüber, was sie von utarischer Musik hielt.
Hawtin wandte sich an Giray. »Deine Freundin benimmt sich wie ein Mensch!«, schrie er verärgert gegen den Lärm der Kapelle an.
»Frauen!«, rief Giray abfällig. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und ließ sich daran hinabrutschen, bis er sich hockend etwa auf Augenhöhe mit dem Mitarbeiter der Raumkontrolle befand. »Moklis meinte, du hättest Informationen für uns.«
»Das ist korrekt.« Hawtin bewegte den Kopf im nicht vorhandenen Takt der Geräuschteufelmusik. »Es hat mich zwei Mittagspausen gekostet, die von dir gewünschten Daten zu finden und zu isolieren.«
»Dein Geld bekommst du erst, wenn ich habe, was ich brauche!«, stellte Giray klar.
»Es war zu riskant, eine Kopie der Daten zu ziehen«, erklärte Hawtin. »Darum kann ich dir die Informationen nur mündlich mitteilen.«
»Schieß los! Hier ist es laut genug, es kann uns keiner belauschen.«
Hawtin lachte auf. »Wenn Twi Twiggs auftritt, kannst du einem Utaren einen Nadelstrahl durch die Brust schießen, und keiner der Umstehenden bekommt davon etwas mit. Sieh dir die Leute hier doch an! Sie sind alle völlig hin und weg von ihr und ihrer Kapelle!«
»Fang endlich an, bevor mir die Ohren platzen!«
Hawtin schüttelte verwundert den Kopf. »Seit wann seid ihr Tel denn so empfindlich? Ihr habt doch angeblich zwei Herzen und so, und solltet robuster sein als diese von den Worgun hochgezüchteten Menschen.«
»Das trifft ja auch zu«, versicherte Giray, der fürchtete, dieser rassistische Utare könnte langsam Verdacht schöpfen. »Muss ich dich daran erinnern, wie lange ich nicht mehr mit Leij zusammengekommen bin, seit dieser verdammte Gleiter auftauchte? Ich will endlich wissen, was Sache ist, damit sie mich wieder ranlässt!«
Hawtin grinste dreckig.
Sanders, die wegen des infernalischen Lärms kein Wort von dem verstand, was am Tisch gesprochen wurde, lächelte unbestimmt, als sie den anzüglichen Blick des Blauen auffing.
»Dieser Gleiter – er flog unter vollem Tarnschutz!«, rief der Utare Giray nun zu. »Da ich aber die Uhrzeit und die Koordinaten seines Auftauchens kannte, gelang es mir aufgrund der Aufzeichnungen trotzdem, das Fahrzeug aufzuspüren. Woher der Gleiter kam, bevor er plötzlich über der Lagerhalle auftauchte, konnte ich allerdings leider nicht ermitteln.« Er hob beschwichtigend die Hände, als Giray Anstalten machte, etwas zu sagen. »Keine Bange, Gal, ich konnte die anschließend aufgezeichneten Ortungsereignisse entsprechend auswerten und ermitteln, wohin der Gleiter geflogen ist, nachdem er wieder aus der Halle aufstieg.«
Giray atmete erleichtert durch. »Und? Was war sein Ziel?«
»Offenbar jedenfalls nicht das Heimatsystem der Tel«, erwiderte Hawtin. »Deine Geliebte kann also beruhigt sein und sich in deinen Armen wieder ihrer Leidenschaft hingeben.«
Hawtins Worte bestätigten Girays Einschätzung. Dass der Gleiter unter Tarnschutz flog, verwunderte ihn nicht weiter. Und dass sich sein Ziel irgendwo auf Danlechraa befand, war ihm ebenfalls eher unwahrscheinlich erschienen. Es handelte sich also tatsächlich um ein raumtaugliches Gefährt, mit dem seine Insassen zu einer anderen Welt aufgebrochen waren, um die geheimnisvolle Lieferung dort abzugeben!
»Wohin genau ist der Gleiter geflogen?«, verlangte er zu wissen.
In diesem Moment erreichte Twi Twiggs mit ihrer Stimme unglaublich schrille Gefilde. Die Utaren brüllten auf vor Begeisterung und applaudierten frenetisch.
»Cromar war nicht das Ziel des Gleiters. Reicht dir das nicht aus?«, rief Hawtin, nachdem sich der Lärm wieder etwas gelegt hatte.
»Mir schon – aber Leij wird sich damit nicht zufriedengeben.«
Hawtin winkte die Agentin zu sich heran. Giray bedachte seine Partnerin mit einem eindringlichen Blick, um ihr zu signalisieren, sich genau zu überlegen, was sie sagen würde.
»Was willst du?«, brüllte Sanders den Utaren nicht eben freundlich an.
»Wenn du genau wissen willst, wohin der verdächtige Gleiter geflogen ist, verlange ich, dass du tanzt!«
Sanders starrte den blauen Zwerg entgeistert an.
»Es wird deine Libido steigern«, versprach Hawtin. »Jedenfalls ist dies bei den Utaren-Frauen der Fall, wenn sie zur Geräuschteufelmusik tanzen. Ich bin gespannt, ob es sich bei den Tel-Frauen ähnlich verhält.«
Sanders warf Giray einen vernichtenden Blick zu, der ihn ahnen ließ, dass er nachher nicht umhin kam, eine Erklärung für Hawtins frivoles Ansinnen abzugeben.
»Was ist nun?«, rief der Utare unleidig. »Willst du dich nicht in Stimmung bringen, um mit deinem Geliebten nachher zu feiern, weil dein Vater euch anscheinend nicht aufgespürt hat?«
Zu Girays Erleichterung gab Sanders sich geschlagen. Sie schob sich an den Säulen vorbei zwischen die tanzenden Zwerge und begann zaghaft auf und ab zu wippen. Als sie sich zu den beiden ungleichen Männern umdrehte und Hawtin ihr aufmunternd zunickte, begann sie ihren Körper rhythmischer zu bewegen und sprang hoch. Dabei wäre sie mit dem Kopf fast an die niedrige Decke gestoßen.
»Für eine Tel-Frau macht sie sich nicht schlecht«, kommentierte Hawtin. »Eine Menschenfrau wäre viel zu beeinträchtigt gewesen, um sich der Geräuschteufelmusik hinzugeben.«
»Nun schieß endlich los!«, verlangte der GSO-Agent. »Wohin ist der Gleiter geflogen?«
»So ganz genau kann ich dir das nicht sagen«, erwiderte Hawtin und erntete von seinem Gesprächspartner einen zornigen Blick. »Der Gleiter flog zunächst Richtung Systemsonne. Dort verlor sich das Signal dann. Doch eine halbe Stunde später empfingen die Spürer aus dieser Richtung einen schwachen Impuls, der auf eine Transition hindeutet. Das genaue Ziel des Hyperraumsprungs ließ sich nachträglich natürlich nicht mehr ermitteln. Doch der Kontrollrechner konnte den wahrscheinlichen Wiedereintrittspunkt ins Normalkontinuum bestimmen.«
Hawtin schrieb die Koordinaten auf einen Trinkbecheruntersatz.
Als Giray danach greifen wollte, riss er die Notiz an sich. »Zuerst die Bezahlung!«, verlangte er.
Giray fasste in seine Innentasche und zog eine Handvoll Credit-Chips hervor, die er dem Utaren über den Tisch zuschob.
Der Trinkbecheruntersatz wechselte in Girays Hände. Er warf einen Blick darauf, nickte und ließ ihn dann in der Innentasche seiner Jacke verschwinden.
»Viel Spaß mit deinem Lohn«, sagte er und schraubte sich an der Wand lehnend in die Höhe. »Und trink einen auf die Sternenvölkergemeinschaft!«
Hawtin verzog geringschätzig den Mund. »Ich trinke nur auf die Alten Völker. Die Menschen können meinetwegen verfaulen.«
»Man sollte die Hand, die einen gerade gefüttert hat, nicht beißen«, entgegnete Giray mürrisch und wandte sich zum Gehen.
Hawtin sprang auf. »Bist du etwa ein Menschenfreund, Tel?«
»Ich bin ein Freund aller Sternenvölker, vorausgesetzt, sie sind willens, mit den anderen in Frieden zusammenzuleben!«, rief Giray über seine Schulter zurück, während er nach Sanders Oberarm griff. »Wir haben, was wir brauchen!« zischte er ihr zu. »Lass uns von hier verschwinden!«
Sanders stand der Schweiß auf der Stirn. Sie nickte befreit. »Diesen Veitstanz hätte ich nicht mehr lange durchgehalten. Diese Utaren sind wirklich verrückt.«
Giray zog seine Partnerin mit sich. Sie beschleunigten ihre Schritte, als sie sahen, wie Hawtin mit anderen Utaren diskutierte, an deren Jacken ebenfalls Menschenfeind-Buttons steckten. Hawtin deutete auf die beiden vermeintlichen Tel und schrie aufgebracht.
»Du hast ihn erzürnt«, stellte Sanders trocken fest, während sie den Laden verließen. Sie hasteten die Stufen zur Straße hinauf.
Giray winkte einen Taxischweber herbei, der gerade an dem Lokal vorüberfuhr. Sie stiegen ein, und der GSO-Agent nannte den Chauffeur, bei dem es sich um einen Rateken handelte, ihre Heimadresse.
Während der Schweber die belebte Straße dahinglitt, stürmten Hawtin und fünf weitere Utaren aus dem Kellerlokal. Angriffslustig sahen sie sich um.
Doch da war der Schweber auch schon um eine Gebäudeecke gebogen und ihren Blicken entschwunden.
*
Sanders zog eine Weinflasche aus dem Vorratsregal und öffnete sie.
Es war kurz vor Mitternacht, und nur in wenigen Fenstern der umliegenden Wohnblocks brannte noch Licht. Die meisten Mieter schliefen bereits, um am nächsten Morgen wieder fit für die Arbeit zu sein.
»Wie wollen wir jetzt vorgehen?«, fragte Sanders und schenkte etwas von der lila-rot schimmernden Flüssigkeit in die Gläser.
Vor Giray auf dem Tisch lag ein Hand-Suprasensor. Es handelte sich um ein Gerät mit Sonderausstattungen, und es gehörte zur Spezialausrüstung des GSO-Agenten. »Zuerst einmal werden wir schauen, was Hawtins Koordinaten hergeben.«
Während sich Sanders neben ihn setzte, rief er die Sternenkarte auf und gab die Zahlen-Buchstaben-Kombination ein, die auf dem Trinkbecheruntersetzer geschrieben stand.
Der Suprasensor erkannte von selbst, welches Koordinatensystem verwendet wurde, und ließ das Zielgebiet als holografische Darstellung erscheinen.
Giray griff nach dem Weinglas und prostete seiner Partnerin beiläufig zu. »In der Nähe des wahrscheinlichen Wiedereintrittspunktes befinden sich vier Sonnensysteme«, sagte er und nahm einen Schluck.
»Wie zuverlässig sind diese Daten eigentlich?«, wollte Sanders wissen. Sie schwenkte das Glas nachdenklich in ihrer Hand. »Die Wahrscheinlichkeitsberechnung geht davon aus, dass die Flugrichtung des Gleiters nicht verändert wurde, als er in den Hyperraum überwechselte. Der Pilot könnte aber doch auch absichtlich Richtung Systemsonne geflogen sein, um die Energiesignatur seines Fluggerätes schwerer identifizierbar zu machen und ist dann in eine völlig andere Richtung gesprungen.«
»Theoretisch ist das natürlich möglich«, räumte Giray ein. »Doch der Pilot hatte eigentlich keine Veranlassung für ein solches Manöver. Du darfst nicht vergessen, dass diese Leute davon ausgehen, ihre Machenschaften in diesem Sonnensystem völlig ungestört über die Bühne bringen zu können. Auf Danlechraa geht jeder seinen eigenen Geschäften nach, welche Konsequenzen diese nach sich ziehen und was dahintersteckt, interessiert viele der Handeltreibenden überhaupt nicht. Es geht darum, Geld zu verdienen. Dass dieser Gleiter getarnt agierte, geschah vermutlich nur, um diese Aktion nicht allzu offensichtlich zu machen. Doch für irgendwelche spitzfindigen Flugmanöver bestand keine Veranlassung.«
Sanders betrachtete die Holografie, die eine dunkle Kugelsphäre darstellte, in der vier stecknadelkopfgroße, leuchtende Punkte schwebten. »Vorausgesetzt, der Gleiter transitierte tatsächlich zu diesen Koordinaten hin, und mal angenommen, der Pilot leitete danach keinen weiteren Hyperraumsprung ein, könnte eines dieser vier Sonnensysteme dann das Ziel der Lieferung im Laderaum des Gleiters gewesen sein?«, überlegte sie laut. Sie berührte einen der Leuchtpunkte mit dem Zeigefinger, um sich weiterführende Informationen über diese Sonne anzeigen zu lassen. Doch das System war unerforscht, und deshalb lagen keine weiteren Daten vor.
Genauso verhielt es sich auch mit den drei anderen Sonnen. Es gab keinerlei Informationen über die Beschaffenheit der Systeme.
»Wir werden hinfliegen müssen, wenn wir wissen wollen, wie es dort aussieht«, fasste Giray zusammen und stellte sein Glas ab.
Sanders schüttelte unzufrieden den Kopf. »Mir ist das alles viel zu vage.«
»Gesetzt den Fall, wir finden bei diesen Koordinaten nichts, können wir aufgrund der vorliegenden Daten das Ende des nächsten hypothetischen Hyperraumsprunges des Gleiters ermitteln und uns dort umsehen.«
»Deine Hartnäckigkeit ist kaum zu überbieten.« Sanders atmete tief durch. »Diese Spur birgt nicht die geringste Chance, dass sie uns zu einem brauchbaren Indiz führt, geschweige denn uns unserem Ziel näher bringt, Lek und seine Hintermänner aufzuspüren.«
»Du solltest aufhören, allzu eindimensional-kriminalistisch zu denken, Liz.«
In der Abgeschiedenheit ihrer Wohnung bevorzugten es beide, sich mit ihren wahren Namen anzusprechen.
»Gerade die unüberschaubaren Variationen von Möglichkeiten, die eine Verfolgung im Weltall mit sich bringt, birgt eine reelle Chance, trotzdem auf die richtige Spur zu stoßen.«
»Und wie das?« Es bereitete Sanders keine Probleme, dem gestandenen Agenten gegenüber ihre Unerfahrenheit einzugestehen. Sie war nicht so dumm, sich diese Chance, etwas zu lernen, durch unangebrachte Allüren zu verbauen.
»Die Unendlichkeit des Alls zwingt die sich in ihr bewegenden Intelligenzwesen meist dazu, logische Entscheidungen zu treffen«, erklärte Giray. »Andernfalls würden man schnell im Chaos des Weltraums verlorengehen. Das ist eine Urangst, die fast jedem Raumfahrer zu eigen ist. Die Folge davon sind klare, nachvollziehbare Entscheidungen.«
Sanders nickte verstehend. »Wenn man diese Überlegung zugrunde legt, erscheint es zumindest nicht undenkbar, dass die Besatzung des Gleiters tatsächlich zu diesen Koordinaten hinfliegen wollte.«
»Wir müssen dieser Spur unbedingt nachgehen«, bekräftigte Giray und warf seinen Pferdeschwanz, der ihm über die Schulter gerutscht war, zurück. »Diese Schreckensgestalt, die du gesehen hast, Liz, deutet auf eine ziemlich große Schweinerei hin. Dass Lek und seine Hintermänner darin involviert sind, erscheint mir nach dem, was wir auf Danlechraa bisher alles erlebt haben, als ziemlich wahrscheinlich.«
»Bleibt also nur noch die Frage zu klären, wie wir schnellstmöglich zu diesen vier Sonnensystemen hinkommen.«
Giray hob sein Glas. »Wir brauchen ein Raumschiff, Liz. Da man auf Danlechraa für Geld so ziemlich alles bekommt, wird es sicherlich nicht schwer werden, den Kapitän eines Kleinraumers aufzuspüren, der sich und sein Gefährt gegen Bezahlung für uns verdingt.«
2.
Kla Wenko starrte den Utaren, der ihm in seiner Bürokajüte gegenüberstand, feindselig an. Das helle, glatte Haar und die blauen Augen des Tel bildeten einen harten Kontrast zu seinem schwarzen Gesicht. »Was soll das heißen, du ziehst deinen Auftrag zurück, Bar Barion? Es war abgemacht, dass ich einen Teil deiner Belegschaft nach Esmaladan bringe. Gönnst du den Arbeitern deiner Fabrik etwa den Heimaturlaub nicht mehr?«
Der Utare spielte nervös mit den Händen. Er verzichtete darauf, auf dem ihm angebotenen Stuhl Platz zu nehmen, damit er dem Tel gegenüber, der auf der anderen Seite des Schreibtisches saß, nicht zu klein wirkte. »Ich … habe eine günstigere Transportmöglichkeit gefunden, Kla. Tut mir leid.«
»Wir haben eine Abmachung«, erinnerte Wenko den Blauen mürrisch. »Es ist alles für den Abflug morgen früh vorbereitet. Wegen dieses Auftrages habe ich andere Angebote ausgeschlagen. Lukrative Angebote. Deine Absage bedeutet für mich einen großen finanziellen Verlust!«
»Es war nichts schriftlich festgelegt«, wehrte Barion ab. »Ich bin dir gegenüber zu nichts verpflichtet. Immerhin habe ich mir die Mühe gemacht, deinen Klapperkasten aufzusuchen, um dir zu sagen, dass es mit dem Auftrag nichts wird.«
Der Tel starrte finster vor sich hin. »Ich verlange eine Entschädigung von dir!«
»Alles, was du von mir bekommen wirst, ist ein guter Ratschlag«, erwiderte Barion gelassen. »Halte dich in Zukunft von den Terranern fern, wenn du auf Danlechraa wirtschaftlich Fuß fassen möchtest.«
Wenko war wie vor den Kopf gestoßen. »Was willst du damit andeuten?«
»Einem Gewerkschaftschef ist zu Ohren gekommen, du hättest in der Vergangenheit mit den Terranern Geschäfte gemacht.«
»Na und? Ist das etwa verboten? Ich habe nichts gegen die Menschen.«
»Ein derartiges Geschäftsgebaren wird in gewissen Kreisen dieser Freihandelswelt nicht gern gesehen.«
»Daher also weht der Wind!« Wenko schlug mit beiden Fäusten gleichzeitig auf den Tisch. »Dein Gewerkschafter, ist er Mitglied der VdAV?«
»Kann schon sein«, druckste der Utare herum.
»Lässt du dir von diesen Sektierern etwa vorschreiben, was du zu tun und zu lassen hast, Bar?«
»Mir sind die Hände gebunden«, sagte Barion gequält. »Dieser Gewerkschaftsheini hat gedroht, überall herumzuerzählen, ich würde mit Menschenfreunden Geschäfte machen. Das könnte sich negativ auf die Absatzzahlen meiner Suprabauteile auswirken.
Einer meiner Großabnehmer sitzt im Vorstand der VdAV. Wenn der von Gewerkschaftsseite gesteckt bekommt, ich würde die Dienste eines Menschenfreundes in Anspruch nehmen, könnte er sich überlegen, die Bauteile in Zukunft woanders zu ordern.«
Wenko schnaufte verächtlich. »Du hast Angst, die Gewerkschaft könnte diese Information während der anstehenden Tarifverhandlungen gegen dich ausspielen und dich zu hohen Lohnzuschüssen zwingen.«
»Das würde mich in den Ruin treiben.« Der Utare verzog bedauernd den Mund. »Es tut mir leid, Kla. Mit dir kann ich in Zukunft keine Geschäfte mehr machen. Das geht erst wieder, nachdem du dich von deinen Beziehungen zu den Menschen distanziert hast.«
»Du kannst mich mal schwarz malen, Bar!«
Barion hob müde die Hand. »Es ist deine Entscheidung.« Grußlos drehte er sich um und verließ die Kabine.
Mürrisch starrte Wenko die geschlossene Tür an. »Verfluchte Sektierer!«, schimpfte er leise vor sich hin.
Dann verfiel er in dumpfes Grübeln.
*
Kla Wenko raufte sich das Haar. Seit einer Stunde hockte er in seinem Büro und rechnete. Er brauchte dringend einen Auftrag, um die Liegegebühren bezahlen zu können, die angefallen waren, seit er mit der RAWEGA auf dem Raumhafen von Danlechraa weilte.
Wenko hatte bei verschiedenen Agenturen angerufen, doch niemand konnte ihm auf die Schnelle einen neuen Auftrag vermitteln. Nicht einmal die halbseidenen Vermittlungsbüros, die hauptsächlich illegale Geschäfte abwickelten, konnten etwas für ihn ausrichten.
Der früheste Termin, der ihm in Aussicht gestellt wurde, war in fünf Tagen. Es handelte sich um eine Ladung radioaktiven Abfalls, der in der Systemsonne verklappt werden sollte. Dieser Auftrag war nicht nur gesundheitsgefährdend und gefährlich, er deckte die bis dahin angefallenen Unkosten nur ebenso gerade ab und würde eine aufwendige Dekontaminierung des Frachtraums nach sich ziehen.
Wenko wusste nicht, was er tun sollte. Er spielte mit dem Gedanken, das Beiboot zu verkaufen, um seiner zweiköpfigen Mannschaft wenigstens den längst überfälligen Sold auszahlen zu können.
In diesem Moment glitt die Tür auf, und Tro Flange, Wenkos Erster Offizier, trat ein. »Draußen vor der Rampe stehen zwei Tel, die dir ein Geschäft vorschlagen wollen, Kapitän«, sagte er.
Wenko horchte auf. Sollte sich da etwa doch noch eine unverhoffte Verdienstmöglichkeit für ihn auftun? »Haben sie gesagt, worum es geht?«
»Das wollen sie mit dir persönlich besprechen. Aber der Mann meinte, es eilt. Hätte ich nicht gewusst, dass der Flug nach Esmaladan ausfällt, hätte ich sie fortgeschickt.«
Der Kapitän überlegte einen Moment lang. »Lass sie noch einige Minuten warten, Tro. Dann führe sie zu mir.« Er lächelte verschlagen. »Ich will nicht den Eindruck erwecken, wir hätten es nötig, uns mit ihnen abzugeben.«
»Verstehe.« Der Erste Offizier verließ den Raum, und Wenko traf hastig einige Vorkehrungen, um sich auf das bevorstehende Gespräch vorzubereiten.
*
»Gal Küray und Leij Zendra«, wiederholte der Kapitän die Namen seiner Gäste.
Die beiden gaben ein seltsames Paar ab, fand er. Zendras Schönheit raubte ihm fast den Atem, doch Küray erschien ihm wesentlich älter als seine Begleiterin. Er war ein gestandener Mann und verfügte, wie Wenko vermutete, über einen reichen Erfahrungsschatz. Sicher gab er einen hartnäckigen Verhandlungspartner ab.
Doch Wenko fühlte sich gewappnet. Während die beiden sich setzten, fragte er Küray, was er für ihn tun könne.
»Wir benötigen ein Raumschiff, um bestimmte Koordinaten anzufliegen. Wir gedenken, uns dort umzusehen. Das Ganze dürfte mehrere Tage in Anspruch nehmen und sollte so schnell wie möglich über die Bühne gebracht werden.«
Wenko nickte bedächtig. »Die RAWEGA verfügt über ausgezeichnete Ortungsanlagen sowie ein Beiboot für Erkundungsflüge. Der kleine Doppelkugelraumer ist technisch gut in Schuss, das Transitionstriebwerk arbeitet einwandfrei.« Er machte eine bedauernde Geste. »Doch leider bin ich momentan ausgebucht.«
»Wie sieht es mit den Tarnvorrichtungen aus?«, erkundigte sich Küray ungerührt.
»Ich habe die neueste Technik an Bord. Wer auf einer Welt wie Danlechraa Handel treiben will, muss für alles gewappnet sein. Aber wie gesagt, ich bin ausgebucht.«
»Ich werde zusätzlich zu dem von uns noch zu vereinbarenden Honorar für deinen Verdienstausfall aufkommen, wenn du bereit bist, uns den Vorzug zu geben.«
Wenko sah kurz zu Zendra hinüber. Wie es sich für eine Tel-Frau gehörte, beteiligte sie sich nicht an dem Gespräch der Männer.
Sie lächelte unbestimmt.
»Ich soll eine Utaren-Gruppe nach Esmaladan bringen«, sagte Wenko gedehnt. »Zugegeben, dein Vorhaben erscheint mir wesentlich aufregender, als urlaubsreife Arbeiter zu ihrem Heimatplaneten zu bringen, damit sie dort ausspannen können.«
Küray nannte einen Preis, denn er für Wenkos Dienste zu zahlen bereit wäre.
Der Kapitän schluckte trocken. Doch Zendra lächelte noch immer unbestimmt. Entweder machte es ihr nichts aus, dass ihr Partner so viel Geld verschleudern wollte, oder sie verstand kein Wort von dem, was an diesem Tisch gesprochen wurde. Der Kapitän war sich nicht sicher, welche der beiden Varianten er als zutreffend einstufen sollte. Das Paar kam ihm immer noch höchst seltsam vor.
»Du verstehst es, mir die Sache schmackhaft zu machen, Küray«, gestand er zurückhaltend.
»Wir klappern schon den ganzen Tag Kleinraumer ab«, erklärte dieser. »Aber keiner der Kapitäne will uns sein Schiff so kurzfristig zur Verfügung stellen. Uns brennt allerdings die Zeit unter den Nägeln.«
Wenko wurde nachdenklich. Küray war sicherlich kein Dummkopf, trotzdem verhandelte er mit dem Geschick eines naiven Touristen. Irgendetwas an diesem Auftrag war faul.
»Werden außer euch noch weitere Personen an diesem Unternehmen teilnehmen?«, fragte er deshalb.
»Nur meine Geliebte und ich werden an Bord kommen. Wir haben jedoch einiges an Gepäck.«
»Seid ihr in der VdAV organisiert?«
»Keineswegs. Wir verhalten uns neutral.«
Bevor Wenko eine weitere Frage stellen konnte, hob Küray abwehrend die Hand. »Kapitän, ich werde keine weiteren Erläuterungen abgeben. Du kannst versichert sein, deinem Schiff und deiner Mannschaft wird nichts geschehen. Wir wollen uns in dem Zielgebiet lediglich umschauen, vielleicht ein paar Planeten besichtigen. Nichts Weltbewegendes also.«
Wenko ging aufs Ganze und verlangte das Doppelte von dem, was sein Gegenüber ihm als Bezahlung angeboten hatte. Als Küray daraufhin zu feilschen anfing und dadurch signalisierte, dass er die RAWEGA um jeden Preis zu chartern gedachte, wusste Wenko, er würde sich über die nahe Zukunft jetzt keine Sorgen mehr machen müssen. Die Bezahlung, die ihm dieser Auftrag einbrachte, würde ihn und seine Mannschaft über Monate hinweg über Wasser halten.
Die beiden einigten sich schließlich auf eine Summe. Wenko rechnete noch den Betrag des Beförderungsauftrags drauf, der ihm angeblich durch die Lappen ging, und forderte schließlich eine Anzahlung.
Ohne zu Zögern zog Küray einen Credit-Chip, auf dem eine hohe Summe gespeichert war, hervor und legte ihn vor dem Kapitän auf den Tisch.