Ren Dhark – Weg ins Weltall 57: Forscher ohne Gewissen - Achim Mehnert - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 57: Forscher ohne Gewissen E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Wächter Simon scheint außer Kontrolle zu sein und richtet ein Blutbad nach dem anderen an. Ren Dhark und seine Gefährten versuchen, den Wächter zu stoppen, bevor der noch mehr Schuld auf sich laden kann. Sie ahnen nicht, dass Simon einen Kampf mit dem Erzfeind der Wächter ausfechten muss. Etwa zur selben Zeit gelingt es Ömer Giray und Liv Sanders, weitere Hinweise auf den verbrecherischen Utaren Lek zu finden. Dabei stoßen sie auf die Forscher ohne Gewissen… Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz schrieben einen packenden SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Seitenzahl: 357

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 57

Forscher ohne Gewissen

 

von

 

Achim Mehnert

(Kapitel 1 bis 6)

 

Nina Morawietz

(Kapitel 7 bis 11)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 12 bis 18)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

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Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.

Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgabe es ist, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten. Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Mitstreitern gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb.

Nach seiner Rückkehr in die Milchstraße kann Ren Dhark dem Angebot des Industriellen Terence Wallis nicht länger ausweichen und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen sollen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Herausforderung stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich überwunden glaubt, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich etwas etabliert, das die gesamte Schöpfung in Gefahr bringen könnte. Dort hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.

Auf der Suche nach einer Lösung für dieses Problem folgen Ren Dhark und die Wächter einem Notruf, der sie zu einer uralten Station des Wächterordens führt. Wächter Simon verschwindet vor den Augen seiner Freunde und hinterlässt von da ab eine Spur des Grauens. Ren Dhark und seine Getreuen setzen alles daran, um den silbernen Wächter zu stoppen, bevor der noch mehr Unheil anrichten kann …

1.

Er steckte in einem schwarzen Gefängnis, das keinen Blick nach außen gestattete. Nicht ein einziger Lichtschein drang herein und vermittelte zumindest eine Ahnung des Ortes, an dem er sich aufhielt.

Befand er sich immer noch auf dem Planeten der fischartigen Lebewesen, in deren Reihen er ein Massaker angerichtet hatte? Oder auf einer weiteren Welt, deren Bewohnern ein ähnlich grausames Schicksal bevorstand?

Simons Überlegungen prallten von den dunklen Wänden zurück wie Giftpfeile, die er gegen sich selbst richtete. Sie schmerzten ihn und drohten, ihn mit ihrem schleichenden Gift zu lähmen.

Zu der absoluten Schwärze gesellte sich völlige Stille. Kein Laut schien mehr zu existieren. Nicht einmal die fremde Entität, die den Wächterkörper mit ihm teilte, dieses absolut Böse, das erbarmungslos tötete, gab eine Regung von sich. Nichts deutete auf ihre Anwesenheit hin, nichts außer der Tatsache, dass Simon keinen Zugriff auf die Funktionen des Tofiritleibes erhielt, so sehr er sich auch bemühte, seine Sinne unter Kontrolle zu bekommen. Er war blind, taub und stumm, sich lediglich seiner eigenen Überlegungen bewusst, ohne sie jedoch nach außen transportieren zu können. Ohnehin war da vermutlich niemand, den er erreichen konnte.

Nichts sehen. Nichts hören. Nichts sagen.

In Simons Situation erhielt der alte Spruch von der Erde eine völlig neue Bedeutung.

Er konzentrierte sich auf seine Arme, auf seine Beine und versuchte, sie zu bewegen.

Seine Anstrengungen erwiesen sich als sinnloses Unterfangen. Er spürte seine Extremitäten nicht. Er empfand nicht einmal die eigene Tonnenschwere. Genauso gut, wie in dem Tofiritungetüm zu stecken, konnte sein Geist dem Körper entrissen und isoliert worden sein.

Die Vorstellung erschreckte ihn. Simon war auf den Wächterkörper angewiesen.

Zugleich empfand er einen gewissen Trost. Er konnte nicht töten, nicht zum Vernichten missbraucht werden. Nach seinem von dem Fremden aufgezwungenen Amoklauf beinhaltete sein augenblicklicher Zustand somit sogar einen positiven Aspekt. Die Inaktivität des Silbernen verhinderte weiteres Blutvergießen und weitere barbarische Morde an Hilflosen.

Nein, nicht des Silbernen, erinnerte sich Simon. Zuletzt war sein Körper golden gewesen, ein goldener Koloss im Kampfmodus, der alles niedermachte, was ihm vor die Waffenarme geriet, ein Monstrum, das nicht seinem eigentlichen Besitzer gehorchte, sondern einem unheimlichen Eindringling, einem Invasor, dessen Identität Simon nicht kannte. So sehr er auch darüber nachdachte, erschloss sie sich ihm dennoch nicht. Dabei gab es keinen Zweifel daran, dass sie in der Vergangenheit aufeinandergetroffen waren, er und dieser andere. So viel hatten die hasserfüllten Tiraden des Fremden verraten.

Erneut konzentrierte er sich auf den Wächterkörper – ergebnislos. Er spürte nicht eine einzige Faser der polymetallischen Verbindungen. Die Schwärze, die ihm seine Sinneseindrücke raubte, war umfassend und ließ sich nicht durchbrechen.

Simon dachte an Doris und Arlo. Wenn es ihm doch nur gelänge, den anderen Wächtern eine Nachricht zukommen zu lassen, eine Warnung, dass etwas nicht stimmte, dass er zu einer mordenden Bedrohung geworden war, die viele seiner früheren Widersacher bei Weitem übertraf. Es blieb Wunschdenken, denn seine Kommunikationssysteme versagten ebenso wie die körpereigene Uhr und alles andere.

Dann kehrte die Angst zurück, dass seine Gefährten sein Schicksal teilten. Säten auch sie Mord und Zerstörung? Doris würde es nicht verkraften. Simon selbst verkraftete es ja kaum.

Kaum? Du wirst es gar nicht verkraften. Letzten Endes wirst du daran zugrunde gehen, Wächter.

Simon zuckte zusammen, auf eine physisch nicht nachvollziehbare Weise. Zumindest diese Regung war ihm vergönnt.

Die aus dem Nichts kommende Stimme schnitt in seinen Geist wie eine scharfe Klinge.

Das Ungeheuer beendete sein Schweigen, sicher nicht grundlos. Alles, was es anstellte, hatte einen Grund, davon war Simon fest überzeugt. Er ahnte, was das Ende des Schweigens ankündigte. Für ihn setzte sich die Tortur fort.

Er wollte das nicht. Er befahl seinem Verstand, die Rückkehr in die Wirklichkeit zu unterdrücken, weil diese noch ungleich schrecklicher war als der Zustand, in dem Simon sich momentan befand.

Ein sinnloser, ein geradezu grotesker Versuch, wenn man nicht Herr des eigenen Verstandes war, sondern hilflos miterleben musste, wie gewisse Funktionen von Körper und Geist willkürlich aus- und wieder eingeschaltet wurden. Simon war nichts anderes als eine Marionette, deren Fäden von dem Unbekannten gesteuert wurden.

Ein zarter Lichtschein drang in seinen Verstand. Das Licht kam von außen, gefolgt von Geräuschen. Simon erlangte den Zugriff auf seine äußeren Wahrnehmungen zurück. Er stemmte sich gegen das Grauen, von dem er ahnte, es im nächsten Augenblick miterleben zu müssen – es miterleben zu müssen, weil sein eigener Körper es auslöste.

Sein Sehen setzte ein, sein Hören. Die visuellen und akustischen Eindrücke, die sich ihm aufdrängten, sprachen für sich.

Zerstörung, Feuer und Rauch.

Schreie.

Unversehens fand sich der Wächter auf einem Schlachtfeld wieder.

*

Ren Dhark ließ einige Sekunden verstreichen. Was er gerade erfahren hatte, musste sacken. Zu schrecklich waren die Erkenntnisse, zu erschütternd, was Simon auf dem Planeten Kwewol angerichtet hatte.

Es gab keine Erklärung für das mörderische Wüten des Wächters, sah man von der wenig wahrscheinlichen Möglichkeit ab, er habe den Verstand verloren. Doch Wächter verloren nicht so einfach den Verstand.

Dhark schloss die Augen, sammelte sich und ordnete seine Gedanken, öffnete die Augen wieder. Er stand immer noch in der unterirdischen Station der Wächter, wo er soeben Augenzeuge des von Simon angerichteten Massakers an der Planetenbevölkerung geworden war.

Simon stellte alles auf den Kopf, wofür er als Angehöriger des Wächterordens stand. Wächter mordeten nicht. Wächter richteten keine sinnlosen Zerstörungen an. Sie legten keine Städte in Schutt und Asche und zogen dann weiter, als sei nichts geschehen. Auf was für einem Dhark unerfindlichen Kreuzzug befand sich Simon?

»Weißt du, wohin der Wächter nach seinem Aufbruch weitergereist ist?«, wandte der weißblonde Raumfahrer sich an den Stationsrechner.

»Nein«, kam die einsilbige Antwort des Hyperkalkulators.

»Es hätte mich auch gewundert«, murmelte Arc Doorn. »Du weiß nicht, woher er kam, und du weiß nicht, wohin er gegangen ist?«

»Das ist zutreffend«, bestätigte der Rechner. »Der Wächter hat keine Angaben darüber gemacht. Er ist ohne Erklärungen in der Station eingetroffen, und er hat sie ohne Erklärungen wieder verlassen.«

Der Sibirier verzog das Gesicht zu einer widerwilligen Maske.

Dhark kannte den Rotschopf gut genug, um zu wissen, welche Überlegungen Doorn wälzte. Der Worgunmutant hegte eine Menge Vorbehalte gegen die technischen Hinterlassenschaften seines Volkes. Er traute diesem Rechner so wenig wie den anderen, mit denen die Raumfahrer in jüngster Vergangenheit konfrontiert worden waren. Seine Skepsis drohte allmählich manisch zu werden. Dhark zweifelte an ihrer Berechtigung, zumindest in diesem Fall.

»Ist der Wächter durch den Transmitter abgereist, durch den wir herkamen?«, fragte Chris Shanton.

Wieder antwortete das Bordgehirn prompt: »Nein. Durch den Transmitter in einem Nebenraum.«

Die Raumfahrer sahen sich indigniert an. Der Rechner erwähnte die Tatsache so nebenbei, als spräche er übers Wetter. Dhark konnte den Widerwillen des Worgun zunehmend besser verstehen.

»Wieso hast du das nicht direkt gesagt?« Doorn winkte ab, weil er die Antwort kannte. »Weil du nicht danach gefragt wurdest. Also schön, wo finden wir diesen Transmitter? Ich möchte ihn mir ansehen. Oder ist etwas dagegen einzuwenden?«

»Nein.«

In der Luft flammte ein Leuchtsymbol auf.

»Bitte der Markierung folgen«, verlautbarte der Hyperkalkulator. »Es ist nicht weit. Ihr benötigt kein Transportmittel.«

»Ich begleite dich, Arc«, sagte Shanton.

»Die anderen auch«, entschied Dhark. Es widerstrebte ihm, einen seiner Leute allein losziehen zu lassen. Doorns notorisches Misstrauen schien sich ansteckend auf die Menschen in seiner Nähe auszuwirken. »Wir gehen alle.«

Alle, das waren außer ihm selbst und den beiden Ingenieuren noch die Cyborgs Amy Stewart und Kai Nunaat sowie die Roboter Artus und Jimmy. Doorn stapfte bereits los, der Rest des Außentrupps schloss sich ihm an.

*

Der Rechner hatte nicht zu viel versprochen. Tatsächlich lag der Nebenraum nur wenige Gehminuten entfernt.

Dhark vergegenwärtigte sich abermals, wo sie sich aufhielten: in einer unterirdischen Station der Wächter, erbaut vermutlich von Worgun.

Man konnte es sich nicht oft genug in Erinnerung rufen. Die Station war eine abgeschlossene Welt auf einer weiteren fremden Welt. Keiner von ihnen kannte diesen Planeten, auch nicht die Humanoiden, die darauf lebten und sich selbst Kwew nannten.

Dhark wollte nicht wissen, wie viele Planetenbewohner Simons Toben zum Opfer gefallen waren. Er wünschte, alles sei nur ein wirrer Traum, aus dem er früher oder später aufwachen würde.

Er wusste es besser. Weder die Veränderung des Wächters noch die von ihm ausgelöste Gewaltorgie entsprang Dharks Fantasie. Beides war traurige Wahrheit, eine Wahrheit, die der Commander vor all den verwirrenden Ereignissen niemals für möglich gehalten hätte.

»Da vorn steht der Transmitter«, riss Amy ihn aus seinen düsteren Gedanken. Für einen flüchtigen Moment streifte ihre Hand die seine. »Alles in Ordnung?«

Dhark nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Vermutlich misslang es gründlich.

Abschätzig musterte er den Kugeltransmitter. Derlei Geräte folgten einem bestimmten Bauschema. Es handelte sich um Kugeln verschiedener Größe – diese hier durchmaß etwas mehr als vier Meter –, die auf einem fest montierten Sockel ruhten.

Doorn und Shanton marschierten auf die Steuereinrichtung zu, während Dhark sich in dem Raum umsah. Außer dem Transmitter enthielt er ein paar weitere Geräte, deren Aussehen nichts über ihre Funktion verriet. Der Commander ging davon aus, dass die beiden Spezialisten die Bewandtnis schnell ergründen würden, doch deshalb waren sie nicht hier. Die Zeit drängte. Simons nächste Schritte ließen sich nicht voraussehen, aber Dhark fürchtete das Schlimmste, nämlich eine weitere Raserei des Silbernen.

Doorn und Shanton machten sich unverzüglich an die Untersuchung der Konsole sowie der Bedienelemente. Artus gesellte sich dazu, hielt sich aber im Hintergrund. Die Cyborgs sicherten die Umgebung, eine überflüssige Maßnahme. Den Raumfahrern drohte in dieser Einrichtung keine Gefahr, so viel stand fest. Der Stationsrechner akzeptierte Doris’ Code und betrachtete die Besucher als Berechtigte.

Vor ein paar Minuten warst du noch anderer Ansicht, rief Dhark sich seine Entscheidung in Erinnerung, die Gesamtheit der Gruppe aufrechtzuerhalten. »Etwas entdeckt, Chris?«

Shanton kratzte sich an seiner Halbglatze. »Der Transmitter ist auf eine bestimmte Koordinatensequenz eingestellt. Anscheinend erfolgte nach Simons Transport keine automatische Löschung. Das ist zwar nicht ungewöhnlich, doch in den meisten Fällen werden die Daten aus dem Speicher geworfen und lassen sich nur mit Kniffelei wiederherstellen.«

»Das erspart uns Zeit und Arbeit.« Dhark hielt das für eine gute Nachricht. »Wenn wir hindurchgehen, gelangen wir also in dieselbe Empfangsstation wie Simon?«

»Sofern nach dessen Transport niemand die Einstellung verändert hat«, warnte Artus. »Es kann ja sein, dass seitdem noch jemand hindurchgegangen ist, zu einem ganz anderen Zielort.«

»Wer sollte das gewesen sein? Außer Simon war niemand hier.«

»Unwahrscheinlich zwar, aber trotzdem ist es besser, wenn wir uns Gewissheit verschaffen. Das haben wir gleich.« Doorn fragte beim Stationsrechner nach: »Der Wächter hat den Transmitter als Letzter benutzt?«

»So ist es«, bestätigte der Hyperkalkulator. »Zwischen seinem Verschwinden und eurem Auftauchen hielt sich niemand in der Station auf. Es gab keine zwischenzeitlichen Transmitteraktivitäten.«

»Also ist immer noch die eingestellte Verbindung aktiv?«, hakte der Rotschopf nach. »Die Werte sind unverändert?«

»Davon gehe ich aus«, antwortete der Rechner.

Doorn verdrehte die Augen. »Mit anderen Worten, er weiß es nicht genau. Das glaube ich einfach nicht! Hast du ein Mittagsschläfchen gehalten, du überforderter Blechkasten?«

»Lass es gut sein, Arc.« Shanton klopfte seinem Duzfreund auf die Schulter. »Du benimmst dich wie ein kleiner Junge, den sein Lieblingsspielzeug geärgert hat.«

»Ach ja? Du meinst, so wie du, wenn du dich mit Jimmy streitest?«

Shanton schluckte die Kröte und deutete auf die Konsole. »Niemand konnte eine andere Gegenstation eingeben. Wir sind auf dem richtigen Weg.«

Das sah Dhark genauso. »Die Chancen stehen gut, dass wir am selben Ort herauskommen wie Simon.«

»Dennoch bleibt ein Restrisiko«, warnte Artus.

Dhark winkte ab. »So minimal, dass es vernachlässigbar ist.«

»Ich schlage trotzdem vor, dass wir unser bewährtes Prozedere beibehalten.« Artus zupfte sein grünes Stirnband mit dem goldenen »A« zurecht. »Jimmy und ich bilden die Vorhut. Wir erkunden die Lage auf der anderen Seite und stellen sicher, dass das Betreten der Gegenstation gefahrlos möglich ist. Reine Routine, ihr braucht also nicht länger als höchstens eine oder zwei Minuten zu warten. Wenn alles in Ordnung ist, kommt Jimmy zurück und holt euch nach.«

»Wenn nicht alles in Ordnung ist, komme ich ebenfalls zurück«, kläffte der einem Scotchterrier mit schwarzem Fell nachempfundene Roboterhund.

»Dann kommt ihr beide zurück«, ordnete der Commander an. »Und zwar sofort. Keine Alleingänge und keine Extratouren! Habe ich mich klar ausgedrückt?«

»Als ob ich so etwas jemals getan hätte«, säuselte Artus. Seine leicht hervorstehenden rötlichen Augen richteten sich auf Dhark. »Es sei denn, die Umstände hätten eine solche Handlungsweise zwingend erforderlich gemacht.«

»Ich neige erst recht nicht zu Alleingängen.« Das Brikett auf Beinen lief auf den Transmitter zu. »Komm schon, Großer!«

»Ich bin dabei.« Artus ging mit steifen Schritten hinter dem künstlichen Vierbeiner her. Mit seinen dünnen röhrenförmigen Armen und Beinen wirkte er fast wie ein menschliches Skelett. Aufgrund seines Turing-Sprungs zu einer Künstlichen Intelligenz galt er jedoch als vollwertiges Besatzungsmitglied der POINT OF. »Wir werden das Kind schon schaukeln, Kleiner.«

»Wo hat er das nun wieder her?«, wunderte sich Shanton.

Doorn zuckte schweigend mit den Achseln.

Die Raumfahrer verfolgten, wie die beiden Roboter hintereinander die Transmitterkugel betraten, die von außen aussah, als würde sie aus mattiertem Glas bestehen, die einem Körper jedoch keinen Widerstand entgegensetzte und die von innen heraus rötlich leuchtete. Für die Beobachter wirkte es, als würden Artus und Jimmy immer tiefer in die Kugel eindringen, deren Zentrum erreichen und auf der anderen Seite verschwinden.

Dhark stellte sich auf keine lange Wartezeit ein. Artus hatte recht, inzwischen war die bewährte Vorgehensweise kaum mehr als Routine. Jeden Augenblick erwartete er, Jimmy wieder auftauchen zu sehen.

Er irrte sich.

Der Roboterhund blieb verschwunden.

*

Kampfmodus.

Schon wieder! Und wieder war nicht Simon für die Umgestaltung des Wächterkörpers verantwortlich.

Die Waffenarme waren einsatzbereit. Zwei Armstümpfe, die im rechten Winkel vom Körper des Roboters abstanden. Wurden sie aktiv, war es aussichtslos, ihnen Einhalt gebieten zu wollen, jedenfalls für ihn, für Simon, denn über die Steuerung gebot der andere.

Über Simon hing eine schwere, graue Wolkendecke, aus der Regen fiel, so fein wie aus einem Sprühventil, wie Nebel beinahe, der dem Land einen gespenstischen Anstrich verlieh. Leuchterscheinungen zuckten durch diesen Moloch, die Blitze oder etwas anderes sein konnten. Sie irrlichterten in allen Farben des Regenbogens durch das mahlende Grau. Die Eindrücke fielen über Simon her wie ein Regenguss.

Breitbeinig stand der drei Meter große Tofiritgigant auf einem sanft geschwungenen Hügelkamm, keine fünfzig Meter über den Ausläufern einer Senke, in der bizarre Gebäudestrukturen eine Stadt bildeten. Baumartige Gewächse umgaben ihn, in deren mächtigen Kronen stöhnende Laute entstanden. Eine Szene wie aus einem Gruselroman.

Wie passend für das Grauen, das sich abzeichnet. Und ich kann es nicht verhindern. Im Gegenteil, ich löse es aus, wenn auch nicht freiwillig.

Er befand sich nicht mehr auf dem Planeten, auf dem er sich zuletzt aufgehalten hatte. Eine abermalige räumliche Versetzung hatte stattgefunden. Dies war eine weitere Welt, eine weitere willkürlich gewählte Welt mit intelligenten Bewohnern.

Wirklich willkürlich? Oder steckte womöglich ein System hinter der Auswahl? Simon vermochte es nicht zu entscheiden.

Militärfahrzeuge fuhren am Rand der Senke auf, Bodenpanzer und Truppentransporter, aus denen stämmige Zweibeiner sprangen, so kompakt und grau wie Betonklötze. Die bedingt humanoid aussehenden Lebewesen hielten sich in zu großer Entfernung auf, um Einzelheiten erkennen zu können. Außerdem wurden sie beinahe eins mit dem grauen Himmel, dem grauen Land und dem grauen Wetter. Eine Symbiose Grau in Grau.

Auch das passend zum Grau des Todes.

Spar dir deinen Zynismus!, ermahnte Simon sich selbst. Es fiel ihm schwer. Wie sollte man in einer Lage wie der seinen nicht zynisch werden?

Die Klötze, wie Simon die grauen Planetenbewohner bei sich nannte, kamen nicht näher, jedenfalls nicht die Bodentruppen. Wahrscheinlich begriffen sie, dass sie nicht mehr waren als Kanonenfutter, wenn sie sich dem Hünen näherten.

In der nächsten Sekunde begriff Simon, dass die Zurückhaltung nicht aus Vorsicht geschah, sondern aus zuvor Erlittenem.

Sie haben sich bereits blutige Nasen geholt.

Nicht der ganze Kampf lag vor Simon. Ein Teil davon war bereits über die schreckliche Bühne gegangen.

Vor ihm erstreckte sich ein Schlachtfeld, das sich über die ganze Breite der Senke spannte. Demolierte Kampfpanzer wechselten sich mit zerfetzten Schützenpanzern ab, ausgebrannte Lastwagen mit selbstfahrenden Geschützlafetten, die zerschmolzene Klumpen bildeten und an einigen wenigen Stellen vor sich hin schwelten, gespenstisch glühende Blickfänge im allgegenwärtigen Grau.

Überall stiegen Rauchfahnen in den Himmel, um sich mit dem tiefhängenden Mahlstrom zu vereinen. Feuer brannten kaum. Der dichte, feine Nieselregen verhinderte, dass sie emporloderten und sich ausbreiteten.

Den Beginn der Kämpfe hatte Simon also versäumt. Die Erleichterung, nichts davon mitbekommen zu haben, hielt sich in Grenzen, denn die Folgen seines Wütens waren unübersehbar. Er sah sie jetzt, alle auf einmal, ein Fanal seines Wirkens, wie es kaum schrecklicher hätte Ausdruck finden können.

Doch wieso wurde nicht mehr gekämpft?

Die Überlegung hätte Simons sich sparen können. Als hätte er nur auf die unausgesprochene Frage gewartet, löste sich ein Kampfgleiter aus einer Rauchsäule, eine schwere, gepanzerte Maschine mit an den Flanken montierten Raketenwerfern. Der Pilot nutzte die Wetterbedingungen und den Qualm, der sich als Wolke über dem Schlachtfeld ausbreitete. Ein todesmutiger Dummkopf, der sehenden Auges in seinen Untergang flog. Er setzte alles auf eine Karte, um die Bedrohung auszuschalten – oder um die Toten zu rächen, die das aus dem Nichts aufgetauchte Metallungeheuer aus seinem Volk gefordert hatte.

Wie viele Tote? Ein schmerzerfüllter Gedanke Simons. Wie viele unschuldig von den Waffensystemen des Wächters Dahingeraffte?

Seine optischen Systeme erfassten das Flimmern vor den Mündungen der Raketenwerfer. Andere Instrumente registrierten den minimalen Energieanstieg. Beides geschah parallel und im Bruchteil einer Sekunde, worauf annähernd ohne Zeitverlust die Kampfmaschinerie des Wächters erwachte.

Die beiden Armstümpfe spuckten sonnenheiße Impulsstrahlen. Sie erfassten den Kampfgleiter, bevor der Pilot seinen Daumen auf die Abschussvorrichtung drücken konnte. Die unterarmdicken Energiebahnen packten den Gleiter, schüttelten ihn durch und schnitten ihn in zwei Teile. Die eine Hälfte verging in einer tosenden Explosion, die andere schlug auf den Boden, eine Rauchschleppe hinter sich her ziehend, fräste einen Graben ins Erdreich, wobei sie sich heulend und jaulend überschlug, und verschwand aus dem Blickfeld des Wächters.

Wie gefällt dir das Schauspiel? Habe ich zu viel versprochen? Das und noch viel mehr richtest du an, Wächter. Du bist Herr über Leben und Tod und wirst dabei zum Massenmörder.

Simon versuchte, die hämische Stimme in seinem Verstand zu ignorieren. Er antwortete nicht, weil er mittlerweile aus Erfahrung wusste, dass das nichts brachte. Der Fremde, dieses namenlose Böse, vernahm ihn zwar, ließ sich jedoch nicht beeinflussen. Er genoss die hilflosen Versuche Simons, die Ausmaße des Grauens zu verringern. Der ehemalige Diener der Noreen Welean sandte stumme Befehle an den Wächterkörper.

Waffenarme zurückfahren. Normalgestalt annehmen.

Die Befehle blieben ohne Wirkung, nicht zum ersten Mal. Simon hatte es auf der vorigen Welt erlebt.

Wie viele Tote dort? Wie viele Tote hier?

Vielleicht war es besser, die Antworten nicht zu kennen, um nicht den Verstand zu verlieren.

Den Wächterkörper wenden. Umkehren. Fortgehen.

Sinnlose Anweisungen. Simon rechnete nicht mehr mit einem Erfolg.

Das Land und die Wetterbedingungen bildeten die visuelle Umsetzung seines Gemütszustandes. Es wurde immer düsterer. Der Sprühregen schien das Grau aus den Wolken zu spülen und das Land damit zu bedecken.

Am jenseitigen Ende der Senke zeichneten sich Bewegungen ab. Panzer nahmen Fahrt auf, kaum mehr als verwaschene Scherenschnitte, die sich vom befestigten Untergrund der Straße in das morastige Gelände schoben, das sie von ihrem tödlichen Feind trennte.

Von ihrer Nemesis, ihrem Untergang.

Von dieser bösen Kreatur, die nicht von ihrer Welt stammte und die unbesiegbar schien.

Bist du das?, fragte der Fremde. Bist du unbesiegbar? Kannst du all diese Wesen töten, sie alle und noch viel mehr?

Der Hohn wich Abscheu, steigerte sich zu unverhohlenem Hass. Auch das bemerkte Simon nicht zum ersten Mal. Die fremde Macht hasste ihn zutiefst, nicht nur ihn, sondern alle Wächter. Warum? Simon vermied es, sich mit der Frage zu beschäftigen und nach einer Antwort darauf zu suchen. Er machte sich daran, gegen den Geist anzukämpfen, der den Wächterkörper nicht nur unautorisiert missbrauchte, sondern das Selbstverständnis eines Wächters mit seinem Morden pervertierte.

Warum antwortest du nicht, Wächter? Glaubst du durch dein Schweigen etwas ändern zu können?

Simon suchte nach dem Schwarz, das ihn eingehüllt und jede Wahrnehmung verhindert hatte. Es steckte irgendwo hier drin. Wenn es ihm gelang, diese Schwärze wie einen Schild zu gebrauchen, den er zwischen sich und den anderen schob, war er möglicherweise einen Schritt weiter. Es ging nicht darum, ihn zu besiegen, zumindest nicht primär, sondern ihn zu verunsichern, vielleicht ein kleines Stück weit zu schwächen, Zweifel an seiner Unüberwindlichkeit zu wecken, ihn nicht mehr an sich heranzulassen.

Leichter gesagt als getan, dachte Simon. Er fand keinen Angriffspunkt. Da war nichts, worauf er seine Aufmerksamkeit richten konnte. Also zog er sich zurück, so weit es eben ging, für einen kurzen Augenblick der Ruhe, für einige Sekunden der Flucht vor Tod und Verderben.

Tatsächlich nahm Simon den Fremden für einen Moment nicht mehr wahr. Er schien allein zu sein – bis die bösartige körperlose Kreatur sich mit Macht wieder in den Vordergrund drängte.

Was machst du? Deine sinnlosen Bemühungen führen zu nichts.

Jetzt antwortete Simon, indem er eine Gegenfrage stellte: Warum habe ich dann den Eindruck, dass du in Panik gerätst?

Gelächter brandete auf. Klang es verunsichert?

Du willst mich treffen, indem du mir den Tod weiterer Lebewesen vor Augen führst, setzte Simon nach. Doch ich sehe keine Lebewesen. Ich sehe keine Toten. Da sind nur Maschinen, die ich zerstöre, Boden- und Luftfahrzeuge, Panzer und Kampfgleiter ohne Lebewesen darin.

Du weißt, dass sie von Besatzungen gesteuert werden.

Das behauptest du. Ich behaupte das Gegenteil. Obwohl Simon natürlich wusste, dass er keine bloße Materialschlacht führte, sondern mannigfaches Leben vernichtete. Er ließ dieses Wissen nicht zu seinem Gegner durchdringen und kam sich dabei fast schäbig vor, weil er die Existenz der Toten leugnete.

Der Fremde schwieg. War es Simon gelungen, ihn zu verunsichern?

Waffenarme zurückfahren. Normalgestalt annehmen.

Ein weiterer Versuch.

Ein weiterer sinnloser Versuch.

Am Kampfmodus änderte sich nichts, aber der Wächter ließ die todbringenden Armstümpfe sinken. Sie ruckten nach vorn, nach hinten, wieder nach vorn und zurück, zeigten unschlüssig zu Boden, als könnten sie sich nicht entscheiden, welchem Herrn sie gehorchen sollten.

In Simon erwachte das Gefühl, einen kleinen Sieg errungen zu haben. Er konnte nicht sagen, wie er darauf kam. Es lag nicht allein an der kurzzeitigen Deaktivierung der Waffenarme. Es kam noch etwas anderes hinzu, das er aber nicht in Worte zu kleiden vermochte.

Er hatte den Eindruck, der Tofirithülle zu entschweben. Sein Geist befreite sich und nabelte sich von dem Fremden und dem Wächterkörper gleichermaßen ab.

Wie war das möglich? Nein, er steckte noch immer in dem polymetallischen Monstrum, das vom Helfer zum Mörder geworden war.

Blitz und Donner drängten sich in seinen Verstand, die Blitze von Explosionen und der Donner des Geschützlärms. Seine Wahrnehmung schien einen Zeitsprung durchgeführt zu haben. Von einem Moment auf den anderen – zumindest kam es Simon so vor, obwohl eine bestimmte Zeitspanne verstrichen war – lag der Wächter unter schwerem Feuer. Ringsum schlugen Granaten ein. Der Boden unter dem Wächter bebte, sein Körper versank in einem Inferno aus Feuer, Rauch und Hitze.

Auf einmal hatte der Fremde, der ihn beherrschte, alle Hände voll zu tun. Ein Wächterkörper besaß enorme Widerstandskraft, unzerstörbar war er jedoch nicht. Der Fremde höhnte nicht, und der Fremde drückte seinen Hass nicht aus. Dazu blieb ihm jetzt keine Zeit. Er schien abgelenkt zu sein, wodurch Simon möglicherweise jenen kleinen Sieg errungen hatte, den er selbst nicht benennen konnte.

Die Armstümpfe des Wächters ruckten nach oben. Sie zuckten, als sie Impulsstöße in kurzen Intervallen spuckten.

Der Metallkoloss stapfte los, zwei Panzern entgegen. Er schälte sich aus Feuer und Rauch und ließ sie wie einen abgeworfenen Kokon hinter sich. Ein dünner Film aus Flüssigkeit benetzte die goldene Hülle, die sonst silberfarben war.

Inzwischen mischten sich in die tiefhängende, graue Wolkendecke, die alles unter sich zu erdrücken schien, schwarze Stellen. Der Regen nahm zu, wurde dichter. Er erstickte die Brandstellen zweier Explosionen, die sich im Abstand weniger Sekunden ereigneten.

Simon beobachtete. Er unternahm keinen Versuch, einzugreifen.

Der Fremde entpuppte sich nun wieder als Herr der Lage. Der Roboterkörper wütete wie ein Berserker. Die kurze Phase der Schwäche war vorbei. Er zerstörte einen weiteren Panzer und zwei anfliegende Gleiter. Mit einem Ruck blieb er stehen, denn die Planetenbewohner schickten ihm keine weiteren Kräfte entgegen.

Sie lernen, machte sich der Fremde bemerkbar. Sie lernen und sterben doch, getötet von einem Wächter. Töten konnte er schon immer, der Wächterorden. Das Töten hat ihm noch nie viel ausgemacht.

Da schimmerte er wieder durch, dieser Hinweis auf ein Ereignis in der Vergangenheit, das für all die Barbarei seit Simons Entführung aus der Wächterstation verantwortlich war.

Sie legen eine Kampfpause ein, bevor sie zum nächsten aussichtslosen Angriff übergehen. Ich gönne ihnen die Pause. Ich gönne sie ihnen und dir, Wächter, damit du Zeit hast, das Schauspiel in seiner ganzen Tragweite zu erfassen. Dazu lasse ich dich allein. Du sollst ungestört sein.

Der Effekt, den Simon kannte, setzte ein. Die Schwärze kehrte wieder. Die bösartige Kreatur stieß ihn zurück in die Dunkelheit jenseits sämtlicher Sinneseindrücke.

Das Schwarz begann sich um Simons Geist aufzubauen, doch der Prozess setzte sich nur bis zu einem bestimmten Punkt fort. Er ließ nach und endete.

*

Die mit Wracks und Trümmerteilen übersäte Senke lag vor Simon, dampfend unter einer Glocke aus Rauschschwaden und feinem Nieselregen. Der Abschuss einer Granate drang herüber, das Heulen, welches das Geschoss hinter sich herzog, und das Tosen des Einschlags, der den Boden erschütterte. Sand und Gestein spritzten auf, schossen als schmutzige Fontänen davon. Sekundenlang bäumte der Untergrund sich auf wie von einem Erdbeben.

Simon hörte und sah all das, und er spürte die an seinem Tofiritleib hinunterlaufenden Rinnsale, die der Niederschlag auf dem Metall schuf. Rauch und Dreck vermischten sich mit dem Regenwasser zu einer schmierigen Schicht, die den Wächterkörper überzog wie eine zweite Hülle. Simon kam sich beschmutzt vor, innerlich wie äußerlich.

Er bekam alles mit, was geschah. Seine Fähigkeit der Wahrnehmung hatte nicht nachgelassen. Die Sinneseindrücke funktionierten weiterhin.

Wieso hatte sein Gegner seine Entscheidung geändert?

Das hatte er gar nicht, begriff Simon. Der Fremde ahnte nicht, dass der wahre Herr des Wächterkörpers das Geschehen weiterhin verfolgen konnte. Darin also äußerte sich die kurz zuvor empfundene Veränderung. Nun konnte Simon sie benennen. Sein permanenter Zugriff auf die Außenwahrnehmung blieb bestehen.

Zumindest solange der andere nichts davon merkte. Kam er dahinter, besaß er möglicherweise weitere Optionen, den vorherigen Zustand wiederherzustellen.

Ich darf es ihn nicht merken lassen, schärfte Simon sich ein. Bloß keinen Fehler, keine unbedachte Handlung, die ihn verriet. Ich habe einen Vorteil errungen, den ich unter keinen Umständen preisgeben darf!

Wieder kamen die Angriffe der Klötze zum Erliegen, und wieder vergingen einige Minuten, in denen der Tofiritriese regungslos dastand. Er veränderte seinen Standort nicht, sondern wartete mit stoischer Gelassenheit ab. Ihm stand alle Zeit der Welt zur Verfügung, um sein zerstörerisches Werk zu beenden. Niemand trieb ihn, weil den Einheimischen die technischen Voraussetzungen fehlten, um ihn zu stoppen. Das war auch zuvor schon so gewesen. Anscheinend hatte diese Bestie den Entwicklungsstand der ausgewählten Welten als Kriterium herangezogen.

Als die Klötze einen weiteren Anlauf unternahmen, das goldene Bollwerk zu zerstören, wurde der Wächterkörper schließlich wieder aktiv. Er erzielte zwei Abschüsse, halbherzig, wie es schien, und zog sich daraufhin zurück.

Simon war gespannt, wohin der Fremde den Roboter lenkte. Nicht weit, wie sich schnell herausstellte. Jenseits des Hügelkamms blieb er stehen, ohne Ahnung davon, dass Simon alles mit wachen Sinnen miterlebte.

Eine Überraschung erwartete das menschliche Bewusstsein. Der Tofiritriese schmolz in sich zusammen. Er begann zu zerfließen wie Butter in der prallen Sonne.

Das war so weit nichts Ungewöhnliches. Die polymetallischen Roboter konnten jede beliebige Form annehmen und ähnelten von daher den Worgun. Jetzt wechselte der Hüne zunächst vom festen in den flüssigen Aggregatzustand. Wo eben noch der Wächter gestanden hatte, bildete sich zwischen den Wasserpfützen eine träge Lache, die unruhig schwappte.

Damit war die Veränderung jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Flüssigkeit zerstob in Myriaden kleiner Tropfen, die sich anschickten, im Erdreich zu versickern.

Für Sekunden fürchtete Simon, sein Geist verlöre ebenso den Zusammenhalt wie die verflüssigte Körpermasse, doch nichts dergleichen geschah. Für seinen Verstand änderte sich nichts. Dieser blieb, wenn auch nicht physisch greifbar, eine Art kompakte Einheit. Simon konnte denken, fühlen und Überlegungen anstellen wie zuvor. Und er wurde ergriffen von der Faszination des Vorgangs. Zum ersten Mal war er in der Lage, den Prozess bei vollem Bewusstsein und mit wachen Sinnen mitzuerleben. Damit einher ging die Erkenntnis, dass Wächter diesen Vorgang nur mit Hilfe einer nahegelegenen Wächterstation durchführen konnten. Sie vollbrachte einen wesentlichen Teil der Steuerung des Zerfließens und Sickerns.

Wieso habe ich das bisher nicht gewusst?, fragte sich Simon, während Millionen und Abermillionen Wächtertropfen im Erdboden verschwanden und der unterirdischen Station entgegenperlten. Wieso hatte er keine Ahnung, wie man den Prozess anregte und steuerte, der Fremde hingegen schon?

Weil die bösartige Entität mehr über die Wächter wusste als diese selbst!

Die Erkenntnis verwirrte Simon, mehr noch, sie erschreckte ihn, denn sie implizierte eine wesentlich größere Verbindung zwischen ihm und dem anderen als bisher gedacht. Die Vorstellung beinhaltete einen schauerlichen Beigeschmack, etwas Unheimliches. Sie traf Simon, der bemerkte, dass sich der Wächterkörper wieder zusammenzusetzen begann, unvorbereitet. Welche Bande bestanden zwischen ihm und dem Invasor?

Der Roboterkörper nahm seine normale Gestalt an, ohne den Kampfmodus zu initiieren. Wozu auch? Hier gab es weder einen ernstzunehmenden Gegner noch unterlegene Lebewesen, die nicht begriffen, was ihnen zustieß. Simon war allein mit der abscheulichen Kreatur.

Der Wächter setzte sich in Bewegung. Simon verhielt sich still und füllte die Rolle des Beobachters aus. Mehr konnte er nicht tun. Mehr durfte er nicht tun, ohne sich zu verraten.

Der Roboter stapfte durch eine Reihe von Gängen, Räumen und Hallen. Sie glichen zahllosen anderen, die Simon gesehen hatte. Es gab keine hervorstechenden Auffälligkeiten, keine Hinweise darauf, in welchem Teil welcher Galaxis er sich aufhielt.

Zum ersten Mal bedauerte er, dass keine Aufstellung der Wächterstationen existierte. Wieso eigentlich nicht? War in der Geschichte des Ordens nie irgendein Wächter auf die Idee gekommen, die Stationen zu erfassen und zu katalogisieren? Oder wusste Simon, wussten die heute aktiven Wächter nur nichts davon?

Der polymetallische Roboter ging auf einen Kugeltransmitter zu. Der Fremde steuerte dessen Kontrollkonsole mit den Bedienelementen an.

Steif blieb er davor stehen. Er hob die Hände und tippte eine alphanumerische Zahlenfolge ein.

Er programmiert einen Koordinatensatz, dachte Simon. Der Aufbruch von dieser Welt stand bevor.

Die Koordinaten sagten ihm nichts. Möglicherweise steckten sie in seinen Speichern, doch er durfte nicht darauf zugreifen, um sich nicht zu verraten. Er hielt seinen Geist zurück und blieb weiterhin inaktiv.

Der Roboter wandte sich von der Konsole ab und schritt auf die Kugel zu, die in der Luft zu schweben schien, jedoch fest verankert auf einem Sockel stand. Er stieg in die Kugel hinein, entfernte sich vom Ausgangspunkt, ging immer weiter, passierte das Zentrum und gelangte auf der anderen Seite schließlich wieder hinaus – scheinbar.

Es stimmte nicht, wie Simon wusste. Ein Reisender betrat den Kugeltransmitter und verließ ihn in der Gegenstation gleich darauf wieder. Kein Spaziergang hindurch, kein Zeitverlust. Doch der Spiegelfechterei vermochten sich nicht einmal die Wächter zu entziehen.

*

Bei der Ankunft am Bestimmungsort wusste Simon sofort, dass der Transport ihn in eine weitere Wächterstation befördert hatte. Er nahm es gelassen zur Kenntnis, weil er nichts anderes erwartet hatte. Der Fremde sprang von einer Station zur anderen, von einer bewohnten Welt zur nächsten. Damit standen auch seine Pläne fest. Er wollte auf diesem Planeten ein weiteres Massaker anrichten, und Simon besaß keine Mittel, um es zu verhindern. Wie weit sollte das führen? Wie viele Welten standen noch auf der Liste des Wahnsinnigen?

»Willkommen, Wächter«, meldete sich das Stationsgehirn. »Ich stehe zu deiner Verfügung. Darf ich erfahren, was dich herführt?«

»Nein«, antwortete der Fremde einsilbig.

»Kann ich dir bei deiner Aufgabe helfen?«

»Ganz sicher nicht«, brummte der Wächter. »Dann würde ich es dir schon sagen. Also belästige mich nicht weiter.«

Simon erwartete Widerspruch oder ein gewisses aufdringliches Verhalten des Hyperkalkulators. Manche dieser Einrichtungen besaßen das, was Menschen einen Dickkopf nannten. Der hiesige Rechner gehörte anscheinend nicht zu jener Kategorie. Er schwieg. Simons Versuch, auf sich aufmerksam zu machen, scheiterte. Die Einrichtung reagiert auf den Wächterkörper, nicht auf das ihn beseelende Element.

Simon fand sich mit dieser Unzulänglichkeit ab. Er ahnte voraus, was als Nächstes auf ihn zukam. Die Bestätigung folgte sogleich.

Der Wächterkörper begann zu zerfließen, danach sickerte er vertikal aus der Station hinaus, ein Beweis dafür, dass auch sie unter der Erde lag.

Schwärze umgab Simon, bis er durch die Planetenkruste an die Oberfläche gelangte. Rotes Licht empfing ihn. Es badete den Wächter wie in flüssiger Lava.

Auf den ersten Blick handelte es sich um eine staubtrockene und wenig lebensfreundliche Welt, doch in der Ferne erhoben sich die schlanken Turmbauten einer unbekannten Zivilisation.

Simon stellte sich dieselben Fragen wie schon mehrfach: Was war das für ein Sonnensystem? Wo lag es? Hielt er sich in der Milchstraße oder in einer der Nachbargalaxien auf?

Für das, was ihm bevorstand, waren die Antworten unerheblich, denn ihm schwante Schreckliches.

»Wächter.« Ein kaum verständliches Summen. Ein undeutliches Murmeln. »Verdammte Wächter, die von ihrer eigenen Hybris getrieben werden.«

Simon lauschte. Für einen Moment glaubte er, die Worte seien an ihn gerichtet. Dann begriff er, dass der Fremde ein Selbstgespräch führte. Er wähnte sich unbeobachtet. Kein Wunder, ging er doch davon aus, Simon sei weiterhin in dem schwarzen Kerker gefangen, der ihm jegliche Sinneseindrücke vorenthielt.

»Ihr haltet euch für gut und gütig«, fand das Geraune seinen Fortgang. »Ihr brüstet euch damit, anderen Völkern zu helfen. Ihr nehmt für euch in Anspruch, bewundert und verehrt zu werden. Doch es ist Selbstsucht, die euch antreibt und die euch zwingt, euch in das Leben anderer Völker einzumischen, gleichgültig ob diese das wollen oder nicht. Ihr erhebt euch über jene, denen ihr dienen sollt. Ihr macht eure Aufgabe zum Maß aller Dinge und überseht dabei, dass eure Maßstäbe nicht die einzigen im Universum sind. Elendes Wächtergesindel, ich verfluche euch!«

Der Hass, der die Tirade begleitete, war so abgrundtief, dass Simon meinte, ihn als körperliche Pein zu empfinden. Und noch etwas mischte sich in diesen Hass, eine geradezu bestialische Vorfreude auf die bevorstehende vierte Gewaltorgie. Sie lieferte die Bestätigung dessen, was Simon ohnehin für unausweichlich hielt.

»Bald wird man euch in keinem Sonnensystem der vier Galaxien mehr willkommen heißen, Wächter«, setzte der Fremde sein Selbstgespräch fort. »Die Völker werden euch nicht bewundern, euch nicht danken, sondern euch ebenso sehr hassen wie ich. Sie erleben dasselbe, das wir durch eure Hand erlebt haben. Sie werden uns Cerash nicht mehr verdammen, sondern Mitgefühl mit uns empfinden, Wächter. Weil du unter ihnen genauso mörderisch wütest wie einst unter den Cerash.«

Simons Verstand taumelte. Obwohl kein Blut durch die Hülle des Wächters floss, hatte Simon das Gefühl, dass es in seinen Adern gefror.

Cerash!

Endlich erhielt er eine Erklärung für die Geschehnisse. Und es war die schlimmste aller möglichen Erklärungen …

2.

»Ich gebe es nicht gerne zu«, sagte Shanton, der Jimmy konstruiert hatte, »aber ich mache mir Sorgen um den Kleinen. Wer weiß, in welcher Klemme er steckt? Vielleicht brauchen die beiden unsere Hilfe.«

Dhark ging es nicht anders. Auch er sorgte sich, weil die erwartete Meldung ausblieb.

Artus und der Roboterhund waren ungewöhnlich lange weg. Hätte es bei der Empfangsstation keine Probleme gegeben, wäre längst einer von beiden zurückgekommen. Etwas hinderte sie daran.

Der Commander ertappte sich dabei, ein ums andere Mal auf die Zeitanzeige seines Armbands zu sehen. Er erinnerte sich an Artus’ Warnung, die er mit einer beiläufigen Bemerkung abgetan hatte: Dennoch bleibt ein Restrisiko.

Die jüngsten Erfolge haben zu einem Gewöhnungseffekt geführt, ging es ihm durch den Kopf. Bei keinem der vorangegangenen Transmitterdurchgänge waren sie in der Empfangsstation auf Schwierigkeiten gestoßen. Wieso ging er davon aus, das würde immer so weitergehen? Artus hätte bei dieser Frage vermutlich gleich ausgerechnet, beim wievielten Transport spätestens etwas schiefgehen musste. Doch der gesunde Menschenverstand genügte eigentlich, um solche Überlegungen anzustellen.

»Vorschläge? Ideen?«, fragte Dhark für seine Verhältnisse ausgesprochen wortkarg.

»Wir schauen nach, was die beiden aufhält«, schlug Shanton vor.

Genau das hatte man vermeiden wollen, doch Dhark verstand, dass Shanton sich Sorgen um seine Schöpfung machte. So oft der Ingenieur und der künstliche Vierbeiner sich stritten, auf ihre eigene Weise waren sie gute Freunde und konnten nicht voneinander lassen. Manchmal glaubte Dhark, dass die ständigen Kabbeleien Teil eines unausgesprochenen Rituals waren.

Der Commander überlegte kurz und kam schnell zu einem Ergebnis. Shantons Forderung war alternativlos. Es stellte sich bloß die Frage, ob sie alle gemeinsam durch den Transmitter gehen sollten oder nur einer von ihnen? Die eine Alternative behagte Dhark so wenig wie die andere. Er wollte die Gruppe nicht auseinanderreißen, aber auch nicht alle zusammen in Gefahr bringen, wenn es sich vermeiden ließ.

»Es ist nur logisch, dass einer von uns Cyborgs nachschaut, wo Artus und Jimmy bleiben«, machte Amy Stewart auf sich aufmerksam.

Dharks Freundin war der erste und bisher einzige weibliche Cyborg. Die blauäugige Blondine mit der Traumfigur trat einen Schritt vor. Sie ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie sich selbst meinte.

Kai Nunaat räusperte sich. »Ich stimme Amy zu. Ich bin bereit, Sir.«

»Wieso du?«, fuhr Stewart dem Nachkommen grönländischer Eskimos in die Parade. »Der Vorschlag kam von mir.«

»Weil ich …«, setzte Nunaat zu einer Erklärung an, aber die durchtrainierte Frau ließ ihn nicht aussprechen.

»Weil du ein Mann bist?«

»Das habe ich nicht gesagt. Erteilen Sie mir die Erlaubnis, mich auf den Weg zu machen, Sir?«

Amy hatte sich zuerst gemeldet, überlegte Dhark. Nur weil sie seine Gefährtin war, hatte er nicht das Recht, sie zu schonen und einen anderen vorzuschicken.

Bevor er seine Entscheidung aussprechen konnte, veränderte sich das glimmende Rot in der Transmitterkugel. Jimmy schälte sich aus ihrem Zentrum, wurde rasch größer und trat aus der Kugel hervor.

»Na, endlich!«, empfing Dhark ihn. »Ich wollte gerade jemanden auf die Suche nach euch schicken. Wieso hat das so lange gedauert? Gibt es Schwierigkeiten?«

»Jetzt nicht mehr. Freie Bahn für die Biologischen.«

»Was soll das heißen, jetzt nicht mehr?«, wollte Shanton wissen. Bevor seine Frage verklang, verschwand Jimmy schon wieder im Transmitter. »Nicht mal antworten kann diese unverschämte Töle! Können Sie ihn nicht mal zurechtstutzen, Dhark? Auf mich hört das freche Stück ja doch nicht.«

Das waren ganz neue Töne, auf die der Commander aber nicht einging. Er gab seinen Leuten ein Zeichen, ihm zu folgen, und vertraute sich dem Transmitter an.

Der gewohnte Effekt eines kurzen Spaziergangs durch die Kugel erfolgte, bei dem wie üblich keine Zeit verging.

Artus erwartete ihn in der Gegenstation. Der Roboter stand an einem Pult, an dem zahlreiche Kontrolllampen glommen. Zu seiner Rechten prangte eine Schalttafel mit weiteren Bedienelementen. Auch sie zeigte Aktivität.

Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung zu sein. Die Zeitverzögerung bei Jimmys Rückkehr verriet jedoch etwas anderes.

»Was ist passiert?«, verlangte Dhark zu erfahren, während seine Leute wie an der Schnur aufgereiht aus dem Kugeltransmitter traten.

»Der Stationsrechner hat uns Probleme bereitet«, antwortete Artus.

»Wieso wundert mich das nicht?«, warf Doorn zynisch ein.

»Anders als gewohnt«, relativierte die Künstliche Intelligenz ihre Aussage. »Er konnte nämlich im Grunde nichts dafür. Es gab Probleme bei der Akzeptanz des Codes, den wir von Wächterin Doris erhalten haben.«

Doorn machte eine auffordernde Handbewegung. »Dann lass mal hören, ob dieses Goldstück es verdient, dass du es verteidigst.«

*

Einige Minuten zuvor

 

»Alles wie immer, Jimmy.« Artus sah sich mit seinen rötlichen Augen um und griff gleichzeitig auf seine Messinstrumente zu.

»Wie langweilig«, maulte das Brikett auf Beinen. »Aber die Biologischen wird es freuen, das zu hören, besonders den Dicken.«